Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2019, Az. 2 StR 281/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3734

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Gegenstand

Frist zur Entscheidung über Pflichtverteidigerwechsel-Antrag


Tenor

Die Sache wird zur Entscheidung über den Antrag des Angeklagten vom 10. Dezember 2018 auf Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers an das [X.] zurückgegeben.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat den Angeklagten am 3. Dezember 2018 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom 5. Dezember 2018, eingegangen beim [X.] am 6. Dezember 2018, Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018, eingegangen bei dem [X.] am 12. Dezember 2018, bat der Angeklagte um Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers und begründete dies damit, dass sein bisheriger Pflichtverteidiger ihn nicht mehr vertreten wolle, er aber Revision einlegen wolle. Auf dieses Schreiben, das der Vorsitzende dem Pflichtverteidiger zur Stellungnahme übersandt hatte, teilte letzterer am 14. Dezember 2018 mit, dass er nach der Urteilsverkündung zwei Gespräche mit dem Angeklagten, ersteres mit Dolmetscher, am 4. und 6. Dezember geführt habe und sie einvernehmlich entschieden hätten, kein Rechtsmittel einzulegen. Eine Beauftragung, gegen das Urteil des [X.]s Gießen vom 3. Dezember 2018 Revision einzulegen, liege nicht vor. Eine Revisionsbegründung erfolgte bis zum Ablauf der am 14. März 2019 endenden [X.] weder durch Schriftsatz des Pflichtverteidigers noch zu Protokoll der Geschäftsstelle.

2

Das [X.] hat mit Beschluss vom 20. März 2019 die Revision des Angeklagten gemäß § 346 Abs. 1 [X.] mit der Begründung als unzulässig verworfen, das Rechtsmittel sei nicht innerhalb der in § 345 Abs. 1 [X.] bestimmten Frist begründet worden. Den Antrag auf Bestellung eines neuen Pflichtverteidigers hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht beschieden. Eine Ausfertigung des von allen Richtern unterzeichneten und mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen [X.] wurde dem Pflichtverteidiger des Angeklagten aufgrund einer Verfügung des Vorsitzenden vom 2. April 2019 am 11. April 2019 zugestellt und dem Angeklagten formlos übersandt. Mit undatiertem Schreiben, eingegangen bei dem [X.] Gießen am 10. April 2019, stellte der Angeklagte den Antrag auf „Fristverlängerung und Zuteilung eines neuen Pflichtverteidigers“; sein bisheriger Pflichtverteidiger habe die Revision als sinnlos erachtet und eine Zusammenarbeit verweigert, jeder Versuch, ihn zu kontaktieren, sei vergeblich gewesen.

II.

3

Der Senat stellt die Entscheidung über das Gesuch des Angeklagten, das gemäß § 300 [X.] als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.]s Gießen vom 3. Dezember 2018 auszulegen ist, zurück.

4

1. Die Sache ist zur Entscheidung über den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung eines anderen Pflichtverteidigers an das [X.] zurückzugeben. Aus dem Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtstaatliches Verfahren und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], Urteile vom 24. November 1993 - [X.]/[X.], [X.] 1993, 517, 518 Z. 38; vom 21. April 1998 - [X.]/[X.], [X.] 1999, 198, 199 Z. 38; vom 10. Oktober 2002 - [X.]/[X.], NJW 2003, 1229, 1230 Nr. 60) ergab sich hier die Pflicht des [X.]s, über den unmittelbar nach Ende der Revisionseinlegungsfrist gestellten Antrag auf Wechsel des Pflichtverteidigers so rechtzeitig zu entscheiden, dass der Angeklagte noch innerhalb der [X.] entweder seinen bisherigen Verteidiger hätte auffordern können, die von ihm selbst eingelegte Revision zu begründen, selber einen anderen Verteidiger hätte beauftragen oder die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären können (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29. Dezember 1994 - 1 [X.] 177/94, [X.], 300, 301; [X.], Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 3 RVs 87/10, [X.], 86; [X.], Beschluss vom 2. November 2006 - 1 [X.]/06, [X.], 80, 81; [X.], Beschluss vom 25. Oktober 2017 - 2 Ss OWi 1399/17, OLGSt [X.] § 44 Nr. 42; [X.], Beschluss vom 29. Juni 2018 - 2 Rv 9 Ss 396/18, juris Rn. 5; [X.]/[X.], 8. Aufl., § 346 Rn. 10; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 46 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 62. Aufl., § 346 Rn. 4).

5

2. Da die Nachholung der versäumten Handlung - die Einreichung der [X.] - bislang nicht erfolgt ist, kommt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - derzeit - nicht in Betracht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Januar 2018 - 4 [X.], NStZ-RR 2018, 84; 5. Juni 2018 - 4 [X.], juris Rn. 1).

Appl     

        

Eschelbach     

        

Zeng   

        

Grube     

        

[X.]     

        

Meta

2 StR 281/19

11.09.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 3. Dezember 2018, Az: 402 Js 19591/18 - 5 Ks

Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 140 Abs 2 S 1 StPO, § 345 Abs 1 S 1 StPO, § 346 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.09.2019, Az. 2 StR 281/19 (REWIS RS 2019, 3734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3734

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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