Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.2012, Az. 2 AZR 233/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 7081

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Gegenstand

Personenbedingte Kündigung - Sonderkündigungsschutz eines Ersatzmitglieds des Betriebsrats


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. August 2010 - 2 [X.]/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die [X.]arteien streiten über den [X.]estand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der [X.]ersonalakte des [X.].

2

Die [X.]eklagte ist ein international tätiges IT-[X.]eratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in [X.]. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Q[X.]lifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses [X.]rogramms besuchte ein [X.]ereichsleiter der [X.] [X.] und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine [X.]ewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der [X.] als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte [X.]. die „[X.]rogrammierung von Anwendersoftware“ und die „[X.]eratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im [X.] eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer [X.]rojektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des [X.]rojekts war er weiter für den Kunden [X.] im [X.]rojekt „[X.]rodukt Q[X.]litätsmanagement“ bis zu dessen Ende im [X.] 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „[X.]“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im [X.]ereich [X.]rogrammierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale [X.] scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im [X.]rojekt „[X.]-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im [X.]rogrammierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine [X.]etriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines [X.]etriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der [X.]etriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der [X.], in der er [X.]. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den [X.]etriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die [X.]eklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Jan[X.]r 2008 mahnte die [X.]eklagte den Kläger mit der [X.]egründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die [X.]eklagte - in allen [X.]elangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Febr[X.]r 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Febr[X.]r 2008 rügte die [X.]eklagte die fehlende [X.]ereitschaft des [X.], seine [X.]rogrammiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein [X.] nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Q[X.]lifikations- und Kenntnisstand im [X.]ereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Q[X.]lifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die [X.]eklagte hörte den bei ihr bestehenden [X.]etriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der [X.]ersonalausschuss des [X.]etriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als [X.]ewerber zur [X.]etriebsratswahl hörte die [X.]eklagte den [X.]etriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des [X.] aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des [X.]ersonalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des [X.]etriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis der [X.]arteien ordentlich zum 30. September 2008.

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der [X.] beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Jan[X.]r 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die [X.]eklagte einen Juristen neu ein.

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des [X.]etriebs stattfindenden Sitzung des [X.]etriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die [X.]olizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die [X.]eklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren [X.]eweis als Ihr Schreiben, dass der m [X.]etriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der [X.]etriebsrat sei von der [X.] nicht unabhängig. Die [X.]eklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den [X.]etriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die [X.]eklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Jan[X.]r 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die [X.]eklagte den [X.]etriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der [X.]ersonalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die [X.]eklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Jan[X.]r 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Febr[X.]r 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis [X.] außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der [X.]ersonalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die [X.]eklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner [X.] die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das [X.]rogrammieren nicht lernen. Die [X.]eklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Q[X.]lifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne [X.]rogrammiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der [X.]robezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. [X.]ei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den [X.]etriebsratssitzungen am 28. oder 29. Febr[X.]r, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche [X.]etriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

Die Abmahnungen vom 31. Jan[X.]r, 5. Febr[X.]r, 26. Febr[X.]r und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der [X.]ersonalakte zu entfernen.

Der Kläger hat - soweit für die Revision von [X.]edeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Jan[X.]r 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Febr[X.]r 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die [X.]eklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Jan[X.]r 2008, 5. Febr[X.]r 2008, 26. Febr[X.]r 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der [X.]ersonalakte zu entfernen.

Die [X.]eklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den [X.]arteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 [X.] gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

Die [X.]eklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von [X.]rojekten sei nicht möglich. Sämtliche [X.]rojekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als [X.]rogrammierer. Für eine Tätigkeit im [X.]ereich [X.]usiness fehle dem Kläger die notwendige Q[X.]lifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer [X.]eförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die [X.]osition habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Jan[X.]r 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Febr[X.]r 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der [X.]etriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. [X.]ei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten [X.]etriebsratswahl erheblich diskreditiert.

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den [X.]arteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer [X.] Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] und die Anschlussberufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] zu Recht zurückgewiesen. [X.] hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 [X.] rechtswirksam beendet.

I. [X.] ist aus Gründen in der Person des [X.] iSv. § 1 Abs. 2 [X.] sozial gerechtfertigt.

1. Zum [X.]punkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das [X.] mangels Revision der [X.]eklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der [X.]eklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das [X.] das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 [X.]G[X.] verneint.

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem [X.] ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 [X.]G[X.] berechtigen.

bb) Der [X.]eklagten war bei der Einstellung des [X.] bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

cc) Auf die Frage, ob die [X.]eklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 [X.]G[X.] erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

2. [X.] ist durch Gründe in der Person des [X.] bedingt.

a) Das [X.] hat mit [X.]ezug auf das Gutachten des [X.] zum Qualifikations- und Kenntnisstand des [X.] im [X.]ereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren [X.]raum nicht zu [X.] an Programmierkenntnissen des [X.] lag zum [X.]punkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu [X.] 16. Februar 1989 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 61, 131; [X.]/Griebeling 9. Aufl. § 1 [X.] Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des [X.]estehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere [X.]eurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die [X.]eklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

c) Die weitere Feststellung des [X.]s, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige [X.]eschäftigung des [X.] beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des [X.] nicht allein im Programmieren, sondern auch in der [X.]eratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des [X.] rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die [X.]eklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das [X.] ist jedoch nach [X.]eweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. [X.] wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im [X.]ereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese [X.]eweiswürdigung nicht gewandt.

bb) Die [X.]eklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das [X.] ist nach dem Ergebnis der [X.]eweisaufnahme davon ausgegangen, zum [X.]punkt der Kündigung habe für die [X.]eklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen [X.] und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

d) Die vom [X.] vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

II. [X.] ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des [X.]etriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 [X.]etrVG unwirksam. Das [X.] hat die ausführliche Unterrichtung des [X.]etriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

III. [X.] verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht für Ersatzmitglieder des [X.]etriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied (vgl. [X.] 5. November 2009 - 2 [X.] - Rn. 26, AP [X.] 1969 § 15 Nr. 65 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 [X.] - Rn. 23, AP [X.] 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete [X.]etriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des [X.]etriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren [X.]etriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser [X.] eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des [X.]etriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven [X.] unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der [X.], in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des [X.]etriebsrats teilgenommen noch sonstige [X.]etriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes ([X.] 8. September 2011 - 2 [X.] - Rn. 40, AP [X.] 1969 § 15 Nr. 70 = EzA [X.]etrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 [X.] - Rn. 16, AP [X.] 1969 § 15 Nr. 65 = EzA [X.] § 15 nF Nr. 64).

2. Hiernach stand dem Kläger zum [X.]punkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 [X.] nicht zu.

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] liegt nicht vor. Der Kläger war bei [X.] am 17. April 2008 nicht in den [X.]etriebsrat nachgerückt.

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den [X.]etriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den [X.]etriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der [X.]etriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat ([X.] 8. September 2011 - 2 [X.] - Rn. 34, AP [X.] 1969 § 15 Nr. 70 = EzA [X.]etrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei [X.]etriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten [X.]etriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der [X.]etriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 [X.]etrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige [X.]etriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. [X.]loß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des [X.] lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht aus.

Etwas anderes käme allenfalls dann in [X.]etracht, wenn die [X.]eklagte den Fehler in der Amtsführung des [X.]etriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. [X.] 4. August 1975 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

IV. [X.] ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a [X.]G[X.] iVm. § 134 [X.]G[X.] unwirksam.

1. Nach § 612a [X.]G[X.] darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in [X.]etracht. Sie kann sich als eine [X.]enachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der [X.]enachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war ([X.] 12. Mai 2011 - 2 [X.] - Rn. 38, EzA [X.]EEG § 18 Nr. 1).

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das [X.]enachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. [X.]ereits ab dem [X.], also längere [X.] vor der Initiierung der [X.]etriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere [X.] nach der [X.]etriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der [X.] das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des [X.] im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer [X.]etriebsversammlung und [X.]etriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das [X.]estehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

VII. Der Antrag des [X.], die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

Meta

2 AZR 233/11

19.04.2012

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 19. Juni 2009, Az: 37 Ca 3981/08, Urteil

§ 1 Abs 2 S 1 Alt 1 KSchG, § 15 Abs 1 S 1 KSchG, § 15 Abs 1 S 2 KSchG, § 119 Abs 2 BGB, § 121 Abs 1 BGB, § 612a BGB, § 102 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.04.2012, Az. 2 AZR 233/11 (REWIS RS 2012, 7081)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7081

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 Sa 684/14

13 Sa 40/14

5 Sa 604/10

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