Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2023, Az. 4 StR 32/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5755

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Gegenstand

Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht: Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose bei besonderer Schwere der Anlasstat


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 2. August 2022 jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte im Fall II. 4. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist,

b) im Strafausspruch, und

c) soweit von dem Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Einziehung des Mobiltelefons entfällt.

Der Beschwerdeführer hat die den [X.]     [X.].    ,    [X.], [X.]  , [X.]  , [X.]  und [X.]im Revisionsverfahren durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen; im Übrigen wird insoweit von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.

3. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des vorbezeichneten Urteils wird als unbegründet verworfen.

Von der Auferlegung von Kosten und gerichtlichen Auslagen im Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten ‒ unter Freisprechung im Übrigen ‒ wegen Mordes in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen zu einer [X.] von zehn Jahren verurteilt und eine [X.] getroffen. Von der Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung hat es abgesehen.

2

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision gegen den Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zum Nachteil von     [X.]       und beanstandet die unterbliebene [X.]. Mit seiner umfassend erhobenen und auf die unausgeführte Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen das Urteil, soweit er verurteilt worden ist. Weiterhin beanstandet der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde den [X.], soweit ihm im Umfang seiner Verurteilung die den [X.] und [X.] entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt worden sind.

3

Die vom [X.] im Hinblick auf die unterbliebene [X.] vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der [X.]; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet. Die sofortige Beschwerde gegen die Auslagenentscheidung des Urteils erweist sich als unbegründet.

A.

I.

4

Das [X.] hat zu den Taten [X.] 1. bis 3. und 5. der Urteilsgründe im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

5

1. Ende des Jahres 2018 nahm die 13-jährige       [X.]   über ihr Mobiltelefon Kontakt zu dem 16 Jahre alten Angeklagten auf. Nach dem Austausch einer Vielzahl von [X.] und einem ersten Treffen Anfang des Jahres 2019 beteuerte der Angeklagte am 24. Januar 2019, dass er sie liebe, und fragte sie, ob sie seine Freundin sein wolle, was diese bejahte. Bei einem weiteren Treffen im [X.] etwa eine Woche später vollzog der Angeklagte in Kenntnis ihres Alters und ihrer sexuellen Unerfahrenheit den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr mit      [X.]   , die hierdurch erhebliche Schmerzen verspürte und weinte (Fall [X.] 1. der Urteilsgründe). Anfang Februar 2019 kam es anlässlich eines neuerlichen Besuchs der Nebenklägerin bei dem Angeklagten zu einem weiteren Beischlaf zwischen beiden (Fall [X.] 2. der Urteilsgründe).

6

In beiden Fällen war nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass       [X.]    ihren den sexuellen Handlungen möglicherweise entgegenstehenden [X.]llen dem Angeklagten gegenüber hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte. Zu Gunsten des Angeklagten ist das [X.] davon ausgegangen, dass       [X.]   zwar „anfänglich widerstrebte und Einwände erhob“, aber auf die „insistierende[n] Bitten“ des Angeklagten „nachgab und dem Geschlechtsverkehr zustimmte“.

7

2. Spätestens Anfang November 2019 tauschte der Angeklagte mit der Nebenklägerin    W.    zahlreiche [X.] aus und traf sich schließlich persönlich mit ihr. Bei einem weiteren Treffen am 2. November 2019 vollzog der Angeklagte mit der – wie er wusste – damals 13-jährigen   W.    den vaginalen Geschlechtsverkehr. Die Nebenklägerin wünschte die sexuellen Handlungen zwar „wahrscheinlich nicht wirklich“, ließ den Angeklagten aber zumindest gewähren, so dass dieser den „Vorbehalt“ der Nebenklägerin jedenfalls nicht erkannte (Fall [X.] 3. der Urteilsgründe).

8

3. Der Angeklagte und die später Getötete [X.]begannen am 5. Februar 2020 über den Messengerdienst [X.] auszutauschen. In den folgenden Wochen entwickelte sich zwischen ihnen ein reger Austausch, wobei auch über eine mögliche Beziehung gesprochen wurde; die 17-jährige [X.]befürchtete, der Angeklagte hege ein rein sexuelles Interesse an ihr, was dieser bestritt. Schließlich verabredeten sie ein erstes persönliches Treffen am Nachmittag des 12. März 2020 am [X.] in Fr.        .

9

Nach ihrer Begegnung dort begaben sie sich gemeinsam zum [X.] nach [X.]                      . Wenig später brachen sie zu einem Spaziergang in Richtung des nahe gelegenen [X.].            auf. Als sie gegen 17.45 Uhr ein am Nordufer des Sees gelegenes Gebüsch erreichten, gab der Angeklagte [X.]unmissverständlich zu verstehen, dass er nunmehr Geschlechtsverkehr mit ihr haben wolle, was diese ablehnte. Spätestens in diesem Moment fasste der Angeklagte den Entschluss, auch gegen ihren [X.]llen sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen und den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr zu vollziehen. Er überwältigte [X.]und brachte sie zu Boden. Um ihre Gegenwehr zu unterbinden und zu verhindern, dass sie Passanten auf sich aufmerksam machen konnte, begann er, sie mit mindestens einer Hand unter erheblicher Kraftentfaltung zu würgen; zugleich empfand er dies als sexuell erregend. Währenddessen vollzog der Angeklagten den vaginalen Geschlechtsverkehr mit dem Opfer, dem er aufgrund seiner groben Vorgehensweise erhebliche Verletzungen im Vaginalbereich zufügte. Dabei setzte der Angeklagte den Würgevorgang und den Geschlechtsverkehr auch dann noch fort, nachdem das Opfer nach mindestens einer knappen Minute das Bewusstsein verloren und seine Gegenwehr aufgegeben hatte. Er würgte die Geschädigte mehrere Minuten lang weiter, bis sie aufgrund fehlender Sauerstoffversorgung eine so schwere Hirnschädigung erlitt, dass ihr Würgereflex ausgeschaltet wurde. Als sich [X.]– als unmittelbare Reaktion auf die Todesnähe infolge Sauerstoffmangels – übergeben musste, verblieb das Erbrochene in ihrer Luftröhre und verlegte diese. Zu einem nicht exakt bestimmbaren Zeitpunkt ließ der Angeklagte den Hals der Geschädigten los und beendete seine sexuellen Handlungen. [X.]    verstarb schließlich, wobei die [X.] nicht sicher festzustellen vermochte, ob der Hirntod bereits im Verlaufe des [X.] oder erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund eines sauerstoffmangelbedingten [X.] eintrat. Dem Angeklagten war die „Gefährlichkeit seines Handelns bewusst“ und er nahm zumindest billigend in Kauf, dass [X.]   infolge des anhaltenden [X.] und der damit einhergehenden Sauerstoffunterversorgung versterben könnte (Fall [X.] 5. der Urteilsgründe).

Im [X.] an die Tathandlungen fertigte der Angeklagte ‒ rittlings auf dem Bauch des reglosen [X.] sitzend ‒ mit seinem Mobiltelefon zwei Fotos des entblößten Oberkörpers an. Spätestens jetzt bemerkte er, dass die Geschädigte entweder bereits verstorben oder dem Tode nahe war. Er verblieb zunächst in der Nähe des [X.] und führte ein kurzes Telefonat mit seiner Mutter, der er wahrheitswidrig erklärte, mit [X.] unterwegs zu sein. Wenige Minuten später bedeckte er den Bauch des [X.] mit der Oberbekleidung und fertigte mit seinem Mobiltelefon ein Foto ihres entblößten Genitalbereichs an. Schließlich verbrachte er den Körper der Verstorbenen tiefer in ein Gebüsch, um den Leichnam zu verbergen. Als ein Spaziergänger vorbeikam, ergriff der Angeklagte die Flucht und lief davon.

4. Die [X.] hat die Taten [X.] 1., 2. und 3. der Urteilsgründe jeweils als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1 StGB in der bis zum 12. März 2020 geltenden Fassung und die Tat [X.] 5. der Urteilsgründe als Mord (zur Befriedigung des [X.]) in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge gemäß § 211 Abs. 2, § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, § 178 StGB gewürdigt. [X.] beraten ist sie zu der Überzeugung gelangt, dass die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten weder aufgehoben noch erheblich vermindert war. Die Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 [X.] hat sie mit der Begründung abgelehnt, dass die erforderliche Wahrscheinlichkeit, der strafrechtlich nicht vorgeahndete Angeklagte werde auch künftig Taten im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] begehen, nicht festzustellen sei.

[X.]

Von dem Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin     [X.]        hat das [X.] den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (Fall [X.] 4. der Urteilsgründe).

1. Insoweit hat es im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Kurz vor dem 15. November 2019 nahm der Angeklagte über [X.] zu     [X.]        auf, unterbreitete ihr ein Freundschaftsangebot und erklärte ihr, dass er mit ihr Geschlechtsverkehr haben wolle.     [X.]       stimmte dem zu. Beide trafen sich am 15. November 2019 um 8.00 Uhr in [X.]                     und begaben sich zum Angeklagten nach Hause, wo sich zu dieser Zeit niemand aufhielt. Nach einem kurzen Gespräch ließen sie sich im Wohnzimmer auf einem Sofa nieder. Dort vollzog der Angeklagte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, die zu einem unbekannten Zeitpunkt ‒ noch vor oder während der sexuellen Handlungen ‒ ihre Meinung geändert hatte und mit ihnen nicht einverstanden war. Ihren entgegenstehenden [X.]llen brachte sie dem Angeklagten gegenüber jedoch „nicht ausschließbarerweise ‒ da sie infolge ihres atypischen Autismus Schwierigkeiten hatte, mit anderen klar zu kommunizieren und insbesondere ‚nein’ zu sagen ‒ nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, leistete keine (nachweisbare) Gegenwehr und verzichtete auf Schreie, obwohl diese durchaus erfolgversprechend gewesen wären […]“. „Gegebenenfalls“ erklärte die Zeugin „sogar ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs (ˌja okay, mach’s einfach halt‘)“. Feststellungen zum genauen Ablauf des Geschehens konnten nicht getroffen werden.

2. Das [X.] vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Angeklagte, der zu diesem wie zu sämtlichen weiteren verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfen geschwiegen hatte, den entgegenstehenden [X.]llen der Geschädigten erkannt hat. Zu Gunsten des Angeklagten ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte annahm, die Geschädigte sei mit der Durchführung des vaginalen Geschlechtsverkehrs einverstanden. Mit Blick auf Aggravationstendenzen der Nebenklägerin sei auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Angeklagte sie am Hals angefasst oder sie gar so stark gewürgt habe, dass ihre Atmung eingeschränkt gewesen sei.

B.

Die Rechtsmittel des Angeklagten

I.

Die Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat insoweit keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben.

Jedoch kann die [X.] nicht bestehen bleiben. Nach den Feststellungen und den sie tragenden Beweiserwägungen liegt fern, dass es sich bei dem Mobiltelefon um ein Tatmittel, also um einen Gegenstand handelt, der zur Begehung oder zur Vorbereitung der Tat gebraucht oder bestimmt gewesen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Januar 2023 ‒ 5 StR 393/22, NStZ-RR 2023, 79, 80; Beschluss vom 3. Juli 2018 ‒ 1 StR 264/18 Rn. 4; Beschluss vom 8. Dezember 2004 ‒ 2 [X.] Rn. 3; vgl. auch [X.], Beschluss vom 5. Dezember 1956 ‒ 4 StR 406/56, [X.]St 10, 28, 29).

[X.]

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die in dem angegriffenen Urteil getroffene Auslagenentscheidung ist zulässig, aber unbegründet.

Die notwendigen Auslagen der Nebenklage (§ 472 Abs. 1 StPO, § 74 [X.]) können auch einem verurteilten Jugendlichen aus erzieherischen Gründen auferlegt werden. Dies gilt auch und gerade für das abgeurteilte Tötungsdelikt; durch die Auferlegung der Auslagen der Nebenkläger lässt sich ihm vor Augen führen, dass durch seine Tat auch Angehörige betroffen sind. Zudem kann hierdurch eine Abschwächung der Verurteilung vermieden werden, die in einer umfassenden Kostenfreistellung gesehen werden könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Oktober 2018 ‒ 4 StR 314/18 Rn. 5; Urteil vom 20. Dezember 2012 ‒ 3 [X.] Rn. 52). Das [X.] hat die nach § 74 [X.] erforderliche Ermessensentscheidung unter Hinweis auf den Erziehungsgedanken noch tragfähig begründet.

C.

Die Revision der Staatsanwaltschaft

I.

Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft ist ausdrücklich auf den Teilfreispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil von    [X.]         sowie auf die unterbliebene [X.] vorbehaltener Sicherungsverwahrung beschränkt. Die Beschränkung der Revision in diesem Umfang ist wirksam; die teilweise Anfechtung des Schuldspruchs erfasst jedoch den gesamten Rechtsfolgenausspruch.

1. Der Teilfreispruch und die unterbliebene [X.] können nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden, ohne eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die infolge der [X.] stufenweise entstehende Gesamt-entscheidung frei von inneren [X.]dersprüchen bleibt (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar 2023 ‒ 4 StR 211/22 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2020 ‒ 4 StR 537/19 Rn. 6).

Der [X.]rksamkeit der Revisionsbeschränkung auf den Teilfreispruch steht nicht entgegen, dass das [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung von „Verbindungen zwischen den Anklagefällen 1, 2 und 4“ ausgegangen ist. Die angestellten Beweiserwägungen im Fall [X.] 4. der Urteilsgründe belegen vielmehr, dass das [X.] insoweit einen Konnex zwischen dem die Geschädigte    [X.]        betreffenden Geschehen und den beiden zum Nachteil von      [X.]    begangenen Sexualdelikten nicht hergestellt hat, der einer getrennten Beurteilung des Teilfreispruchs entgegenstehen würde.

2. Die [X.] des Schuldspruchs erfasst aber den gesamten Straf- und Maßregelausspruch. Dies gilt jedenfalls, wenn ‒ wie hier ‒ eine [X.] verhängt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 23. März 2000 ‒ 4 StR 502/99, [X.], 483; vgl. auch [X.], Urteil vom 27. November 1952 ‒ 5 StR 803/52, [X.] 1953, 83, 84).

Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass (auch) eine isolierte Anfechtung der [X.] der Maßregel wirksam gewesen wäre, weil die Urteilsgründe weder einen inneren Zusammenhang zwischen der verhängten [X.] von zehn Jahren und der [X.] der Maßregel vorbehaltener Sicherungsverwahrung (vgl. etwa [X.], Urteil vom 9. September 2021 ‒ 3 StR 327/20 Rn. 11; Urteil vom 19. August 2020 ‒ 5 [X.] Rn. 24; Urteil vom 25. Mai 2018 ‒ 4 [X.], NStZ-RR 2018, 305, 306) herstellen noch aus § 5 Abs. 3 [X.], der nur die [X.] nach § 63 und § 64 StGB erfasst, ein normativer Zusammenhang zwischen Strafausspruch und unterbliebener [X.] abzuleiten ist (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Oktober 2018 ‒ 4 StR 314/18 Rn. 2 mwN).

[X.]

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs und entzieht auch der unterbliebenen [X.] die Grundlage.

1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht den Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner [X.]chaft nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre oder sogar nähergelegen hätte (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 30. Juli 2020 ‒ 4 [X.]/19 Rn. 6; Urteil vom 16. Dezember 2021 ‒ 3 StR 302/21 Rn. 35; Urteil vom 11. März 2021 ‒ 3 StR 183/20 Rn. 14).

In Fällen, in denen ‒ wie hier hinsichtlich der Frage der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen ‒ „Aussage gegen Aussage“ steht, sind besondere Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung in den schriftlichen Urteilsgründen zu stellen. In dieser besonders schwierigen Beweiskonstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Erforderlich ist insbesondere eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben des Belastungszeugen, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Angaben, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von [X.], Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 3. August 2022 ‒ 4 StR 62/22 Rn. 7 mwN).

Hieran gemessen halten die tatgerichtlichen Beweiserwägungen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, welchen objektiven Geschehensablauf das [X.] seiner Vorsatzprüfung zugrunde gelegt hat. Ohne Kenntnis des von der [X.] zugrunde gelegten Gesamtgeschehensablaufs (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2022 ‒ 2 StR 292/21, NStZ-RR 2022, 211) ist die Wertung der [X.], in dubio pro reo sei davon auszugehen, dass der Angeklagte den entgegenstehenden [X.]llen der Nebenklägerin nicht habe erkennen können, nicht nachvollziehbar.

aa) Das [X.] ist ‒ rechtlich tragfähig ‒ zu der Überzeugung gelangt, dass     [X.]        mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs „innerlich nicht einverstanden“ war. Die weitere Feststellung, die Nebenklägerin habe ihren entgegenstehenden [X.]llen „dem Angeklagten gegenüber nicht ausschließbarer Weise […] nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck“ gebracht, lässt nicht zweifelsfrei erkennen, ob das [X.] zu der Überzeugung gelangt ist, dass aus der allein maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten der entgegenstehende [X.]lle der Nebenklägerin zum Tatzeitpunkt erkennbar gewesen ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2022 ‒ 2 StR 292/21, NStZ-RR 2022, 211, 222). Darüber hinaus hat das [X.] alternativ (vgl. [X.]: „gegebenenfalls“) die Möglichkeit in den Raum gestellt, die Geschädigte habe im Rahmen des Tatgeschehens ihr Einverständnis mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs erklärt. Bei dieser Sachlage bleibt offen, von welchem objektiven Geschehensablauf das [X.] ausgegangen ist und ob es bereits das Vorliegen des objektiven Tatbestands oder ‒ wofür der Hinweis sprechen könnte, der Angeklagte habe irrig angenommen, dass     [X.]        mit dem Vollzug des Geschlechtsverkehrs einverstanden sei ‒ die subjektive Tatseite verneint hat.

bb) Zwar hat das [X.] ausgeführt, dass Feststellungen zum „genaue[n] Ablauf des [X.]“ nicht hätten getroffen werden können; den Urteilsgründen kann aber auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnommen werden, aus welchen Gründen sich das [X.] an weiter gehenden Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen gehindert sah. Das [X.] ist den Angaben der Geschädigten ersichtlich überwiegend gefolgt und hat auf dieser Grundlage angenommen, dass der Angeklagte einigen der von ihr geäußerten Bitten (ihren Oberkörper nicht zu entkleiden ‒ zur Entfernung ihres Tampons zur Toilette gehen zu dürfen ‒ den Beischlaf zunächst vorsichtig zu vollziehen) entsprochen habe. Losgelöst von der an diese Feststellungen anknüpfenden, rechtlich für sich genommenen bedenklichen Erwägung, dass diese von der Nebenklägerin beschriebenen Verhaltensweisen „in keiner Weise dem typischen Gebaren eines Vergewaltigers oder Missbrauchstäters“ entsprechen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, aus welchen Gründen es sich an weiteren Feststellungen gehindert sah. Darüber hinaus hätte der Erörterung bedurft, ob diese Angaben der Zeugin, die für eine differenzierte Schilderung des Verhaltens des Angeklagten sprechen und auf einen Verzicht auf eine Mehrbelastung hindeuten bzw. als deutlicher Hinweis auf einen fehlenden Belastungseifer verstanden werden können, nicht für die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Übrigen sprechen konnten. Hieran fehlt es.

b) Darüber hinaus weisen die Beweiserwägungen durchgreifende Lücken auf.

aa) Es fehlt bereits an einer geschlossenen und wertfreien Darstellung der Angaben der Zeugin [X.]        in der Hauptverhandlung. Die [X.]edergabe ihrer Aussage ist auf den pauschalen Hinweis beschränkt, dass sie das Geschehen zwar „seinen groben Zügen nach übereinstimmend“ mit früheren Aussagen wiedergegeben habe, sich an andere Details aber nicht zu erinnern vermochte und wieder andere Begebenheiten „in deutlich abweichender Weise beschrieben“ habe. Die nachfolgende fragmentarische [X.]edergabe einzelner Aussageteile ist mit wertenden Elementen durchsetzt. Bei dieser Sachlage kann der Senat die Wertung der [X.] nicht nachvollziehen, die [X.]analyse biete „deutliche Anhaltspunkte für eine bewusste Verfälschung von [X.]“ und zeige Divergenzen und Gedächtnislücken hinsichtlich der Frage auf, ob die Zeugin „ursprünglich ihre Zustimmung zum Geschlechtsverkehr erklärte, ob und ggf. wann sie diese widerrief und ob sie sie schließlich während des Vorfalls erneut erteilte“.

bb) Zwar geben die Urteilsgründe die zwischen der Nebenklägerin und der Geschädigten       [X.]    am 16. November 2019 zeitnah nach der Tat ausgetauschten [X.] und Sprachnachrichten wieder, denen die [X.] maßgebliche Beweisbedeutung für die Frage der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen beigemessen hat. Den Urteilsgründen kann aber nicht entnommen werden, aus welchen Gründen das [X.] ihren damaligen Angaben, dem sie verbal und körperlich bedrängenden Angeklagten gegenüber erklärt zu haben, dass sie „nicht wolle“, jede Beweisbedeutung abgesprochen hat. Soweit das [X.] in diesem Zusammenhang auf das bestehende Störungsbild eines atypischen Autismus hingewiesen und daraus gefolgert hat, die Zeugin sei nicht in der Lage gewesen, sich klar und unmissverständlich zu äußern, fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, so dass sich die hieraus gezogenen tatgerichtlichen Schlussfolgerungen als bloße Spekulation erweisen.

cc) Schließlich hat das [X.] die Äußerung der Geschädigten gegenüber dem Angeklagten („Ja, okay, mach’s einfach halt“) ohne Weiteres als ausdrückliche Zustimmung gewertet, ohne den (objektiven) Bedeutungsgehalt der Erklärung unter Berücksichtigung ihres Äußerungskontextes näher zu prüfen. Die Auslegung der (möglicherweise erfolgten) Erklärung der Geschädigten, die dem Tatgericht vorbehalten ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 2017 ‒ 2 StR 438/16 Rn. 17), versteht sich nicht von selbst und hätte daher einer näheren Begründung bedurft. Insoweit hätte sich das [X.] insbesondere zu einer Erörterung der Frage gedrängt sehen müssen, ob die Äußerung angesichts des von der Zeugin geschilderten [X.], in dessen Rahmen sie von dem ihr körperlich überlegenen Angeklagten bedrängt worden sein soll und sich vor ihm fürchtete, auch als Ausdruck der Resignation im Hinblick auf einen aussichtslos erscheinenden [X.]derstand verstanden werden kann.

dd) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass einzelne der von der [X.] angestellten Erwägungen ‒ etwa die Frage, warum die Zeugin sich nicht im Bad eingeschlossen (vgl. [X.]), keinen Fluchtversuch unternommen (vgl. [X.]) und nicht um Hilfe gerufen (vgl. [X.]) habe ‒, mit denen das [X.] Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben der Geschädigten begründet hat, nicht nachvollziehbar sind und besorgen lassen, dass das [X.] nicht hinreichend beachtet hat, dass der entgegenstehende [X.]lle nicht ausdrücklich erklärt zu werden braucht, sondern seine konkludente Äußerung genügt (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember 2022 ‒ 3 [X.], NJW 2023, 701, 702). Weiterhin erscheint fraglich, ob das [X.] hinreichend beachtet hat, dass der subjektive Tatbestand schon erfüllt ist, wenn der Täter ein Handeln gegen den erkennbaren [X.]llen des [X.] für möglich hält und ihm dies gleichgültig ist; ein Handeln „im [X.]ssen“ (vgl. [X.]) um das fehlende Einvernehmen ist tatbestandlich nicht vorausgesetzt.

c) Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Freispruch des Angeklagten auf diesen Beweiswürdigungsmängeln beruht. Dies führt zur Aufhebung des Freispruchs mit den zugehörigen Feststellungen. Die Aufhebung erfasst auch die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt, die der freigesprochene Angeklagte nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte.

2. Die Aufhebung des Freispruchs zieht die Aufhebung des gesamten Straf- und Maßregelausspruchs nach sich. Die [X.] der Maßregel hätte auch für sich genommen einer rechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Denn die Erwägungen, mit denen das [X.] bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] die Gefährlichkeitsprognose verneint hat, sind nicht tragfähig.

a) Die für die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] erforderliche Gefährlichkeit ist nur dann gegeben, wenn eine Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] bezeichneten Art begehen wird.

Der Begriff der „hohen Wahrscheinlichkeit“ setzt voraus, dass ein „hohes Maß an Gewissheit“ (Prognosesicherheit) über die Gefahr besteht, dass der Täter neue Katalogtaten begehen werde (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2021 ‒ 4 StR 280/20, [X.]St 65, 221, 230 f.). Dass lediglich überwiegende Umstände auf eine entsprechende zukünftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten, genügt nicht (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Oktober 2008 ‒ 2 BvR 749/08, [X.], 980 Rn. 41 [zu § 66b StGB aF]).

An Inhalt und Qualität der Prognoseentscheidung sind höchste Anforderungen zu stellen (vgl. [X.], aaO, Rn. 29; BT-Drucks. 16/6562 S. 9 zu § 7 [X.] aF). Sie erfordert eine Gesamtwürdigung der Person des Angeklagten, seiner Taten und seiner weiteren Entwicklung und muss die vorhandenen Prognosemöglichkeiten ausschöpfen. Dabei ist die Beurteilung ‒ nicht anders als bei anderen qualifizierten Gefährlichkeitsprognosen ‒ darauf zu erstrecken, ob und welche Katalogtaten künftig von dem Täter drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welche Rechtsgüter bedroht sind (vgl. [X.], aaO; [X.], Beschluss vom 3. Juli 2019 ‒ 2 BvR 2256/17, NStZ-RR 2019, 272, 273). Zudem muss die spezifische Gefährlichkeit im Hinblick auf die Begehung von den [X.] vergleichbaren schweren Taten in der Persönlichkeit des [X.] angelegt sein.

b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Begründung fehlender Gefährlichkeit und ihre Darstellung in den schriftlichen Urteilsgründen werden die Ausführungen des [X.]s nicht gerecht. Die Erwägungen sind lückenhaft.

aa) Das [X.] ist den Ausführungen des [X.]en gefolgt und hat eine Gefährlichkeit des Angeklagten verneint. Dabei hat es versäumt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Schlussfolgerungen des [X.]en auf eine für das Revisionsgericht nachprüfbare Weise mitzuteilen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Januar 2021 ‒ 4 StR 300/20 Rn. 4; Urteil vom 30. März 2017 ‒ 4 StR 463/16 Rn. 13). Die Ausführungen in den schriftlichen Urteilsgründen sind auf die [X.]edergabe des Ergebnisses des [X.]engutachtens beschränkt, ohne dass die vom [X.]en angeführten maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und die hieraus gezogenen Folgerungen wiedergegeben werden.

bb) Weiterhin stehen die prognostischen Erwägungen hinsichtlich der Persönlichkeitsproblematik des Angeklagten in einem unaufgelösten [X.]derspruch zu den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen. Danach war bereits die frühkindliche Entwicklung des Angeklagten durch ungewöhnliche Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen gekennzeichnet, die nicht nur einer Regelbeschulung des Angeklagten entgegenstanden, sondern auch dazu führten, dass der Angeklagte in den Einrichtungen, in denen er untergebracht war, als kaum führbar angesehen wurde. In den Monaten vor den verfahrensgegenständlichen Taten kam es nach den Feststellungen mehrfach zu bedrohlichem Auftreten des Angeklagten gegenüber verschiedenen Lehrkräften, sowie einem Übergriff auf einen Mitschüler. [X.]e das [X.] vor dem Hintergrund dieser Feststellungen im Rahmen der [X.] ‒ dem [X.]en folgend ‒ zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Verhaltensauffälligkeiten „in der Kindheit und den seinerzeitigen ‒ teils widersprüchlichen, teils nur bedingt nachvollziehbaren, oftmals sehr subjektiven und nicht mehr zu hinterfragenden ‒ Einschätzungen seiner diversen Behandler […] keine weiterreichende Bedeutung mehr zukomme“, erschließt sich nicht und hätte angesichts der Bedeutung dieses Umstands für die Gefährlichkeitsprognose einer nachvollziehbaren Erläuterung bedurft.

cc) Schließlich fehlt es an der erforderlichen umfassenden Bewertung der [X.], die von der [X.] zu Recht als besonders schwerwiegend angesehen und nachvollziehbar schon für sich genommen mit der Höchststrafe geahndet worden ist. Angesichts der besonderen Schwere der [X.] ‒ der Begehung eines Mordes zur Befriedigung des [X.] in Tateinheit mit Vergewaltigung mit Todesfolge ‒, der Besonderheiten des [X.], das auf ein besonderes Maß an fehlender Opferempathie hindeutet, sowie angesichts der im Falle eines Rückfalls bedrohten Rechtsgüter des Lebens und der sexuellen Selbstbestimmung hätte es einer ins Einzelne gehenden Erörterung bedurft, dass und aus welchen Gründen diese Tat als „singuläres Ereignis“ anzusehen ist, in dem nicht diejenigen Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten zum Ausdruck gekommen sind, die seinen bisherigen Lebensweg kennzeichneten. Darüber hinaus hätte der Erörterung und prognostischen Bewertung bedurft, welches Verhalten künftig zu erwarten ist, wenn die sexuellen Wünsche des Angeklagten nicht erfüllt werden, sondern er ‒ wie im Falle der Getöteten [X.]‒ Ablehnung erfährt. Dabei hätte die prognostische Bedeutung der Persönlichkeitsauffälligkeiten des Angeklagten, namentlich die gänzlich fehlende Opferempathie sowie seine mehrfach unter Beweis gestellte Bereitschaft, aggressive Impulse auszuagieren, ausdrücklicher Erörterung bedurft. Schließlich hätte auch das Verhalten des Angeklagten in der Untersuchungshaft umfassend in den Blick genommen werden müssen. Der festgestellte Versuch des Angeklagten, seiner Mutter im Rahmen eines Haftbesuchs heimlich und unter Umgehung der [X.] einen Brief zu übergeben, in welchem er sie bzw. seine Familie um ein Alibi bat, durfte als möglicher Hinweis auf ein nicht nur regelwidriges, sondern manipulatives Verhalten nicht unerörtert bleiben; insoweit handelt es sich auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Angeklagte sich schweigend verteidigt hat, nicht um ein zulässiges Verteidigungsverhalten, das einer prognostischen Bewertung aus Rechtsgründen entzogen wäre.

Die Sache bedarf daher auch insoweit ‒ naheliegend unter Hinzuziehung eines weiteren [X.]en ‒ neuer Verhandlung und Entscheidung.

I[X.]

Die schriftlichen Urteilsgründe geben Anlass zu folgendem Hinweis:

Einzelne der im Rahmen der Beweiswürdigung zum Teilfreispruch gewählten Formulierungen lassen besorgen, dass das [X.] die Bedeutung des [X.] nicht hinreichend beachtet hat.

Der [X.] ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Juni 2019 ‒ 1 StR 585/17 Rn. 30; [X.], Beschluss vom 26. August 2008 ‒ 2 BvR 553/08 Rn. 15; Beschluss vom 17. Juli 2007 ‒ 2 BvR 496/07 Rn. 8). Er findet daher erst Anwendung, wenn das Tatgericht nach umfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände nicht die volle Überzeugung von einer für den Schuld- und Strafausspruch unmittelbar bedeutsamen Tatsache zu gewinnen vermag (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2023 ‒ 5 [X.] Rn. 8; Urteil vom 24. November 2022 ‒ 5 StR 309/22 Rn. 21; Urteil vom 4. Juni 2019 ‒ 1 StR 585/17 Rn. 30). Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden, auch nicht auf entlastende Hilfstatsachen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 24. November 2022 ‒ 5 StR 309/22 Rn. 21; Urteil vom 14. Dezember 2022 ‒ 1 StR 311/22 Rn. 14; Urteil vom 16. Dezember 2015 ‒ 1 StR 423/15 Rn. 8; Urteil vom 18. März 2008 ‒ 1 StR 549/08 Rn. 26; Urteil vom 21. Oktober 2008 ‒ 1 StR 292/08 Rn. 24).

Vor diesem Hintergrund erscheint es rechtlich bedenklich, wenn die [X.] bereits im Rahmen der [X.]analyse darauf verweist, dass „zumindest […] in dubio pro reo nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen“ sei, dass die Zeugin „tatsächlich kurz vor Beginn des [X.] ausdrücklich ihr Einvernehmen mit selbigem kundtat“, oder ohne weitere Beweiserwägungen zugunsten des Angeklagten annimmt, dass es sich bei den nach der Tat sichtbaren Verletzungen an ihrem Hals nicht um Würgemale, sondern um „Knutschflecken“ gehandelt habe.

[X.]     

  

Bartel     

  

      [X.]mmel

  

Maatsch     

  

Ri‘in[X.] Dr. Momsen-Pflanz
ist wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.

  

  

  

  

[X.]

  

Meta

4 StR 32/23

20.07.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 2. August 2022, Az: 7 Ks 5620 Js 9686/20

§ 7 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a JGG, § 7 Abs 2 S 1 Nr 2 JGG, § 177 Abs 1 StGB, § 177 Abs 5 Nr 1 StGB, § 177 Abs 6 S 2 Nr 1 StGB, § 178 StGB, § 211 Abs 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2023, Az. 4 StR 32/23 (REWIS RS 2023, 5755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5755

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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