Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.05.2023, Az. VIII B 15/22

8. Senat | REWIS RS 2023, 3203

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Gegenstand

(Zum Begriff einer vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG und i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG)


Leitsatz

NV: Eine vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG setzt nicht voraus, dass der dem Anteilseigner gewährte Vermögensvorteil der Minderung des Unterschiedsbetrags bei der Gesellschaft bei einer vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG entspricht.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 17.12.2021 - 12 K 2233/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

Die Revision ist weder wegen der von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) noch gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O zur Rechtsfortbildung zuzulassen.

3

1. Die behauptete Divergenz der Entscheidung des Finanzgerichts ([X.]) zum Urteil des [X.] ([X.]) vom 22.02.1989 - I R 44/85 ([X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475) liegt nicht vor.

4

a) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O setzt voraus, dass das [X.] bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung als u.a. der [X.] oder ein anderes [X.] vertritt. Das [X.] muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der bezeichneten Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt ([X.]-Beschlüsse vom 03.07.2019 - [X.] B 86/18, [X.]/NV 2019, 1130, Rz 4; vom 19.05.2020 - [X.] B 126/19, [X.]/NV 2020, 1264, Rz 10; vom 26.06.2021 - [X.] B 46/20, [X.]/NV 2021, 1511, Rz 33). Eine Abweichung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O kann nicht nur vorliegen, wenn das [X.] ausdrücklich einen abstrakten Rechtssatz abweichend von einem solchen Rechtssatz eines anderen Gerichts formuliert. Es genügt, wenn das [X.] in fallbezogenen Rechtsausführungen abweicht und sich dies aus den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich ergibt ([X.]-Beschlüsse vom 21.03.2019 - [X.] B 129/18, [X.]/NV 2019, 812, Rz 8; in [X.]/NV 2020, 1264, Rz 10; in [X.]/NV 2021, 1511, Rz 33).

5

b) Das [X.] ist in der Vorentscheidung weder ausdrücklich noch in fallbezogenen Rechtsausführungen von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.]-Urteils in [X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475 abgewichen.

6

aa) Die Kläger entnehmen dieser Entscheidung den tragenden Rechtssatz, es sei für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) auf [X.] des [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) erforderlich, dass der dem Anteilseigner gewährte Vermögensvorteil zu einer korrespondierenden Minderung des Gewinns gemäß § 4 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 EStG bei der Kapitalgesellschaft führe. Ob eine Gewinnminderung bei der Körperschaft in diesem Sinne vorliege, sei auf der Grundlage einer materiell-rechtlich zutreffenden Steuerbilanz der [X.] zu ermitteln.

7

bb) Der [X.] des [X.] hat in dem Urteil in [X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475 aber nicht den von den Klägern der Entscheidung entnommenen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass für den Bezug einer vGA auf [X.] des [X.] gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erforderlich sei, dass der Vorteil bei der [X.] zu einer korrespondierenden Gewinnminderung führe. Folglich ist das [X.] bei seiner Entscheidung auch nicht von diesem Rechtssatz abgewichen, indem es ausgeführt hat, eine solche korrespondierende Gewinnminderung sei nicht Bestandteil des Begriffs der vGA in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

8

Das [X.]-Urteil in [X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475 ist zu einer vGA auf [X.] der [X.] gemäß des § 6 Abs. 1 Satz 2 des [X.] ([X.]) 1968 (heute § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.]) ergangen. Der [X.] des [X.] hat darin unter 1. eine vGA auf der [X.] als "eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das [X.]sverhältnis veranlasst sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und nicht im Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen" definiert. Unter 3. des Urteils in [X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475 hat der [X.] des [X.] ferner ausgeführt, der Ansatz einer vGA auf der [X.] setze eine Bereicherung des [X.]ers oder den Zufluss eines Vermögensvorteils bei dem [X.]er nicht notwendigerweise voraus. Mit dem [X.]-Urteil vom 07.08.2002 - I R 2/02 ([X.]E 200, 197, [X.] 2004, 131) hat der [X.] für den Begriff der vGA auf der [X.] gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] den Vermögensvorteil des [X.]ers insoweit wieder berücksichtigt, als eine vGA gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] auch erfordere, dass die Unterschiedsbetragsminderung bei der Körperschaft die Eignung haben müsse, beim [X.]er einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auslösen zu können (vgl. im Einzelnen [X.]-Urteil in [X.]E 200, 197, [X.] 2004, 131, unter [X.] [Rz 7 bis 10]; [X.], [X.], 2668, unter I[X.] bis V.).

9

Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Begriffe einer vGA in § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] einerseits und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG andererseits, die sich aus der --u.a. mit dem Urteil des [X.]s des [X.] in [X.]E 156, 177, [X.] 1989, 475 eingeleiteten-- Entwicklung zur Definition des Begriffs der vGA ergeben, nimmt der erkennende Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf das [X.]-Urteil vom 25.05.2004 - [X.] R 4/01 ([X.]E 207, 103, unter [X.]2.a, 2.b cc [Rz 13, 14, 24 bis 34]) Bezug.

2. Soweit die Kläger die Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O begehren, legen sie die Voraussetzungen des [X.] nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügend dar.

a) Der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O stellt einen Spezialfall des [X.] der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O dar. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 24.06.2014 - XI B 45/13, [X.]/NV 2014, 1584, Rz 35; vom 23.07.2019 - XI B 29/19, [X.]/NV 2019, 1363, Rz 12). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine klärungsbedürftige und klärbare abstrakte Rechtsfrage darlegt, für die die Rechtsfortbildung geprüft werden soll (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 24.07.2017 - XI B 25/17, [X.]/NV 2017, 1591, Rz 25; vom 02.01.2018 - XI B 81/17, [X.]/NV 2018, 457, Rz 16, und vom 14.07.2020 - XI B 1/20, [X.]/NV 2020, 1258, Rz 13).

b) Die Kläger erwähnen zwar den Zulassungsgrund in ihrer Beschwerdebegründung. Ihr Vorbringen konzentriert sich aber auf den eingangs abgehandelten Zulassungsgrund der Divergenz. Sie formulieren zudem keine klärungsbedürftige und im Streitfall klärungsfähige abstrakte Rechtsfrage. Sollten die Kläger im Wege der Rechtsfortbildung eine abstrakte Beschränkung des Begriffs der vGA in § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dergestalt anstreben, dass ein Vermögensvorteil beim Anteilseigner nur ein solcher sein kann, dem eine Gewinnminderung bei der [X.] korrespondiert, wäre zwar eine solche Frage aufgeworfen. Die Kläger erläutern aber nicht, inwieweit diese Rechtsfrage klärungsbedürftig sein soll. Hierzu müssten sie sich mit der unter 2. angesprochenen Rechtsprechung des [X.]s und des VII[X.]s des [X.] zur Unterschiedlichkeit der Begriffe einer vGA in § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] einerseits und in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG andererseits, die eine solche Korrespondenz nicht verlangen, und den in der Rechtsprechung hierfür herangezogenen Argumenten auseinandersetzen.

3. Soweit die Beteiligten darüber streiten, ob die Änderungen der Gewinn- und Einkommensermittlung bei der [X.] durch den Außenprüfer für oder gegen das Vorliegen einer vGA sprechen, kann dieses Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden, da das [X.] zu diesen Änderungen im angefochtenen Urteil keine detaillierten Feststellungen getroffen hat. Der Vortrag kann gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O daher nicht berücksichtigt werden.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 15/22

30.05.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 17. Dezember 2021, Az: 12 K 2233/18 E, Urteil

§ 8 Abs 3 S 2 KStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG 2009, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, KStG VZ 2014, EStG VZ 2014

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30.05.2023, Az. VIII B 15/22 (REWIS RS 2023, 3203)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3203

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