Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. 1 StR 503/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1274

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 503/12

vom
20. November
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Totschlags u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20. November
2012
gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. Mai 2012 im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Kammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen durch Unterlassen begange-nen Totschlags in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen [X.] sie sich mit ihrer
auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten [X.]. Das im Übrigen unbegründete Rechtsmittel hat mit der Sachrüge nur im tenorierten Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
1. Nach den Feststellungen hatte die -
nicht vorbestrafte und hinsichtlich des [X.] geständige -
Angeklagte in den Jahren 1998, 2001 und 2004 ihre Kinder N.

, M.

und E.

zur Welt gebracht. Während N.

und
E.

bald verhaltensauffällig waren und besonderer pädagogischer Einwir-kung bedurften, war M.

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zunächst ein guter Schüler. Dies änderte sich, als bei ihm im Herbst
2007 Verhaltens-
und Wahrnehmungsstörungen auftraten, als deren Ursache in der ersten Hälfte des Jahres 2008 eine [X.] Adrenoleukodystrophie mit rasch progredientem, cerebralem Verlauf diagnostiziert wurde. Bereits Ende September 2008 war M.

völlig hilflos und pflegebedürftig, er konnte [X.] weder gehen, sitzen, sehen, hören noch sprechen. Da er auch nicht mehr allein essen bzw. schlucken konnte, musste eine Magensonde ([X.]) ge-legt werden. Im [X.] 2009 vermochte er lediglich noch selbständig zu [X.].
Die Angeklagte stand dieser nicht aufhaltbaren Entwicklung und der prognostizierten Lebenserwartung M.

s von etwa zwei Jahren fassungslos .

entschloss sie
sich aber, ihn selbst zu versorgen, und erlernte schnell und en-gagiert dessen erforderliche künstliche Ernährung. Seit September 2008 stellte was weiter auf sie und das Kind versorgte und pflegte sie M.

(UA S. 42).
Im November 2009 erfuhr die Angeklagte, die mit sieben Jahren selbst Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch ihren Großvater geworden war, da-von, dass ihr [X.] N.

sexuelle Handlungen an seiner Schwester vorgenom-men haben sollte. Deswegen kam es zu diversen Gesprächen mit dem [X.].
Im Januar 2010 entschloss sie sich, M.

nach dem Verbrauch der noch vorhandenen Sondennahrung keine weitere Nahrung zuzuführen. Hierbei

sich
nicht länger quälen musste und in 3
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u-ar 2010 wurde es nicht mehr ausreichend ernährt, wobei die Angeklagte er-kannte, dass M.

den Hungertod erleiden würde. Zugleich vernachlässigte sie die pflegerische Versorgung des inkontinenten Kindes. Dieses wurde am
9. April 2010 auf Anraten eines von Sozialarbeiterinnen hinzugezogenen Arztes mit einem Gewicht von nur noch 14 kg in eine Kinderklinik gebracht; die Ange-r-starb M.

trotz diverser Behandlungen infolge seiner Unterernährung am 29.
Mai 2010.
2. Das [X.] hat die Angeklagte aufgrund dieser prozessord-nungsgemäß getroffenen Feststellungen aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 23. Oktober 2012 genannten Gründen rechtsfehler-frei schuldig gesprochen (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Dagegen
hat der Strafausspruch keinen Bestand (§ 349 Abs. 4 StPO). Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatgerichts.
Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestim-mung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr in-nerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt ([X.]St 34, 345, 349; 29, 319, 320).
a) Die Prüfung anhand dieser Maßstäbe ergibt, dass das [X.] die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei verneint hat.

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S. 140). Dieser vom [X.] herangezogene Umstand lässt sich jedoch mit den zum Verhältnis zwischen der Angeklagten und ihrem etwa anderthalb Jah-.

getroffenen Feststellungen nicht ohne Weiteres in Einklang bringen. Der inso-fern bestehende Widerspruch wird in den Urteilsgründen auch nicht aufgelöst.
b) Hierauf beruht der Strafausspruch (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn der [X.] vermag nicht auszuschließen, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das [X.] die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 StGB bejaht, ins-besondere den dann gegebenen vertypten [X.] bei der vorrangi-gen Prüfung (vgl. [X.],
Beschluss vom
26.
Oktober 2011 -
2 StR 218/11, [X.], 271; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung,
5.
Aufl.,
Rn. 930) eines minder schweren Falles gemäß § 213
Alt.
2
StGB in die gebotene Gesamtabwägung mit eingestellt hätte. Dies gilt erst recht, weil das [X.] der Angeklagten nicht nur auch dort, sondern nochmals bei der
[X.], 147) angelastet hat. Der Senat weist 9
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6
-
darauf
hin, dass es hiermit umgekehrt als kaum vereinbar erscheint, dass das

Hoffnungslosigkeit angesichts der Erkrankung des Kindes und seines gesund-

Nack Wahl Jäger

[X.] Radtke

Meta

1 StR 503/12

20.11.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2012, Az. 1 StR 503/12 (REWIS RS 2012, 1274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1274

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