Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. 4 StR 560/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 139

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Gegenstand

Ursächlichkeit von Alkoholintoxikation bei Parkrempler


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2019 wird

a) der Schuldspruch in dem Fall II. 2 Buchst. c der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig ist;

b) die Einzelstrafe in diesem Fall auf einen Monat Freiheitsstrafe herabgesetzt;

c) der Schuldspruch insgesamt dahin neu gefasst, dass der Angeklagte der Vergewaltigung, des unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige und des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr sowie in einem anderen Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, unerlaubten Überlassens von Betäubungsmitteln zum unmittelbaren Verbrauch an eine Minderjährige, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie in einem anderen Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr, unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Geldstrafe ‒ unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe ‒ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es zwei weitere anderweit verhängte Geldstrafen auf die Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zurückgeführt und die Höhe des Tagessatzes auf 8 € festgesetzt. Es hat dem Angeklagten nachgelassen, die Gesamtgeldstrafe in Raten zu zahlen, und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von einem Jahr und sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe sich in dem Fall II. 2 Buchst. c der Urteilsgründe der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) schuldig gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

a) Nach den zu dieser Tat getroffenen Feststellungen war der Angeklagte am 21. Oktober 2017 gegen 11.10 Uhr infolge vorherigen Alkohol- und Drogenkonsums nicht mehr in der Lage, seinen Pkw [X.] mit dem amtlichen Kennzeichen            sicher zu führen. Dies nahm er ebenso wie die Möglichkeit, andere Fahrzeuge zu beschädigen, billigend in Kauf. Er startete das zuvor auf dem Seitenstreifen der         in              geparkte Fahrzeug und setzte es in Bewegung, wobei ihm auch bewusst war, das Fahrzeug ohne die hierfür erforderliche Fahrerlaubnis zu führen. Beim Zurücksetzen aus der Parklücke stieß er gegen einen Pkw Smart, der seinerseits auf das dahinter parkende Fahrzeug geschoben wurde. Der Gesamtschaden am Smart belief sich auf ca. 2.000 €.

4

b) Das [X.] hat rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der Vorsatz-Vorsatz-Kombination in der Variante des § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB bejaht (zur Systematik des § 315c StGB vgl. [X.], Beschlüsse vom 9. September 2014 – 4 [X.], [X.], 713; vom 13. Januar 2016 – 4 StR 532/15, NJW 2016, 1109; vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, [X.], 381). Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend näher ausgeführt hat, ist der bedingte Vorsatz des Angeklagten bezüglich der von ihm verursachten konkreten Gefahr nicht tragfähig belegt. Darüber hinaus hat das [X.] keine Feststellungen zu der im Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB geforderten Kausalität zwischen der [X.] und der konkreten Gefahr („dadurch“) getroffen (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 24. September 2013 – 4 [X.], Blutalkohol 51 [2014], 113; vom 19. November 2013 – 4 [X.], [X.], 185; vom 17. August 2016 – 4 StR 317/16). Dessen hätte es schon mit Blick auf die Alltäglichkeit des Unfallgeschehens – eines „Parkremplers“ – bedurft.

5

c) Der Senat hat den Schuldspruch im Fall II. 2 Buchst. c der Urteilsgründe auf vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) umgestellt. Er schließt angesichts der im Übrigen im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen und der Beweiswürdigung hierzu aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung aus § 315c StGB tragen würden. § 265 StPO steht dem nicht entgegen.

6

d) Um jedwede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die für diesen Fall verhängte [X.] von sechs Monaten auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB) herab. Angesichts der einschlägigen Vorstrafe (neben 16 weiteren Vorverurteilungen) und der Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 Buchst. d der Urteilsgründe wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der [X.] von sechs Monaten kann der Senat ausschließen, dass das [X.] in diesem Fall bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine Geldstrafe verhängt hätte.

7

Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten kann bestehen bleiben. Der Senat schließt – ausgehend von der [X.] von fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe für die Vergewaltigung der zur Tatzeit 14jährigen Nebenklägerin im Laderaum seines Fahrzeugs – im Blick auf die weiteren Einzelstrafen aus, dass das [X.] eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

8

2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

9

3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

Cierniak

      

Bender     

      

Feilcke     

      

Meta

4 StR 560/19

19.12.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 7. Juni 2019, Az: 632 KLs 13/18

§ 315c Abs 1 Nr 1 Buchst a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2019, Az. 4 StR 560/19 (REWIS RS 2019, 139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 139

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