Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2020, Az. 4 StR 324/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1626

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Gegenstand

Gefährdung des Straßenverkehrs durch Vorfahrtverletzung: Strafrechtlicher Vorfahrtbegriff


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], II. 6, II. 7, II. 10, II. 12, II. 13 und II. 16 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;

b) in den Fällen [X.], II. 17 und II. 20 im Strafausspruch;

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten ‒ unter Freisprechung im Übrigen und Teileinstellung des Verfahrens ‒ wegen versuchter schwerer [X.]stiftung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, [X.], versuchter Nötigung in vier Fällen, vorsätzlicher Körperverletzung, unerlaubten Entfernens vom Unfallort, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung und in dem anderen Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher [X.], wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, Sachbeschädigung in zwei Fällen, Bedrohung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, und wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen, und sichergestelltes Falschgeld sowie Betäubungsmittel eingezogen. Mit seiner Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

2

1. Die Verurteilung wegen versuchter Nötigung in den Fällen [X.], II. 7, II. 10 und II. 12 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das [X.] jeweils einen strafbefreienden Rücktritt nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.

3

a) Nach den Feststellungen sandte der Angeklagte der Zeugin M.     in vier Fällen Sprachnachrichten und Videobotschaften. Dabei kündigte er ihr an, ihren Bruder zu misshandeln, wenn sie ihn nicht in Ruhe lasse und medial Kontakt zu ihm aufnehme (Fall [X.] der Urteilsgründe); ihren Bruder [X.] zu schlagen oder schlagen zu lassen, falls sie nicht „auf allen Vieren“ komme (Fall II. 7 der Urteilsgründe) sowie mit ihr dasselbe zu machen, wie mit der auf einem mitgeschickten Video sichtbar verletzten Zeugin Z.    , falls sie nicht tue, was er sage (Fall II. 10 der Urteilsgründe). Außerdem drohte er dem Zeugen     M.     in einer Videobotschaft damit, dass er geschlagen werde, falls er nicht komme (Fall II. 12 der Urteilsgründe). In allen Fällen ging der Angeklagte davon aus, alles Erforderliche von seinem [X.] umfasste getan zu haben, damit die Empfänger seiner Botschaften seinen Forderungen nachkommen. Weitere Tatmittel waren von dem jeweiligen [X.] nicht umfasst ([X.], 35, 37 und 38). Deshalb liege ein fehlgeschlagener Versuch vor ([X.] 66).

4

b) Damit hat das [X.] einen strafbefreienden Rücktritt nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

5

aa) Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach [X.] des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich ist dabei die Sicht des [X.] nach Abschluss der letzten mit [X.] vorgenommenen Ausführungshandlung. Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] aus (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 11. April 2018 - 2 StR 551/17, [X.], 198; Beschluss vom 23. November 2016 - 4 StR 471/16 Rn. 7 mwN). Demgegenüber ist von einem beendeten Versuch auszugehen, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den [X.] für möglich hält. Ein strafbefreiender Rücktritt setzt in diesem Fall voraus, dass der Täter den [X.] durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich darum bemüht, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 [X.]). Rechnet der Täter nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges, ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus der Sicht des [X.] durch ihn noch möglich ist. In diesem Fall genügt bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Auf den [X.] kommt es jeweils nicht an (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 - [X.], [X.]St 39, 221, 227; weitere Nachweise bei [X.], [X.], 67. Aufl., § 24 Rn. 15 ff.). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild eines Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 11. April 2018 - 2 StR 551/17, [X.], 198, 199; Beschluss vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 393/17 Rn. 9; Urteil vom 13. August 2015 - 4 StR 99/15, [X.], 470; jew. mwN).

6

bb) Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung hatte. Stattdessen wird - bereits im Ansatz verfehlt - auf den nicht maßgeblichen [X.] des Angeklagten Bezug genommen. Die zugehörige Beweiswürdigung beschränkt sich auf die pauschale Mitteilung, dass der Angeklagte geständig gewesen sei und die in Augenschein genommenen Nachrichten ([X.], 50 und 54) dessen Richtigkeit bestätigen würden, sodass sich auch daraus nichts Weiterführendes ergibt. Eine revisionsrechtliche Überprüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch ist auf dieser Grundlage nicht möglich.

7

Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird sich der neue Tatrichter im Fall II. 10 der Urteilsgründe auch näher damit zu befassen haben, zu welcher Handlung, Duldung oder Unterlassung die Zeugin M.     tatsächlich genötigt werden sollte (vgl. dazu [X.], [X.], 67. Aufl., § 240 Rn. 6). Die Formulierung, sie solle tun, was der Angeklagte ihr sage, lässt dies nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen.

8

2. Die Verurteilung wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 [X.] in den Fällen [X.] und 16 der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

9

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen übersandte der Angeklagte der Zeugin M.     am 28. September 2017 eine Sprachnachricht mit dem folgenden Inhalt: „Jetzt hol ich [X.] auch noch N.    “; „ich hole [X.] alles, was Dir was bedeutet“ und „Jetzt hol ich [X.] auch nen Säugling“. Die erste Drohung war auf die Schwester der Zeugin und die dritte Drohung auf ihren im Säuglingsalter befindlichen [X.] bezogen (Fall [X.] der Urteilsgründe). Ende Dezember 2017/Anfang Januar 2018 schickte er der Zeugin M.     und ihrem unmittelbaren Umfeld eine Sprachnachricht, in der er mitteilte, dass er jedem 1.000 Euro bezahle, der ihm die Zeugin M.     bis zum Sonnenaufgang bringe, „auch wenn sie halb kaputt geschlagen sei“ (Fall II. 16 der Urteilsgründe).

b) Diese Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte gemäß § 241 Abs. 1 [X.] einem Menschen mit der Begehung eines Verbrechens gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gedroht hat.

aa) Zum Tatbestand der Bedrohung gehört die Ankündigung eines bestimmten tatsächlichen Verhaltens, in dem der Tatbestand eines Verbrechens gefunden werden kann. Eine allgemein gehaltene Drohung mit Worten, die für sich genommen noch nicht die tatsächlichen Merkmale eines Verbrechens umschreiben, kann den Tatbestand nur erfüllen, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Umständen den Schluss auf die Ankündigung eines solchen Verhaltens ermöglicht (vgl. [X.], Beschluss vom 5. September 2002 - 4 StR 235/02, [X.], 45; Urteil vom 3. Juli 1962 - 1 [X.], [X.]St 17, 307, 308).

bb) Hieran fehlt in beiden Fällen. Die [X.] hat nicht dargelegt, welches Verbrechen nach ihrer Überzeugung von dem Angeklagten in seinen Sprachnachrichten angekündigt worden ist. Eine aus sich heraus verständliche Umschreibung der tatsächlichen Merkmale eines bestimmten Verbrechens kann weder dem Wort „holen“, noch dem in den Raum gestellten „halb kaputt geschlagen“ entnommen werden. Andere Umstände, die den Schluss auf die Ankündigung eines bestimmten Verbrechens zulassen würden, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

3. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer [X.]stiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 [X.] in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 [X.] im Fall II. 13 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme eines auf eine [X.]legung gerichteten Tatentschlusses nicht belegt ist.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen begab sich der Angeklagte am Abend des 29. Oktober 2017 zu einem Mehrfamilienhaus in [X.], in dem sich zu diesem Zeitpunkt der Zeuge Sc.      und die Zeugin M.    aufhielten. In der Absicht, das Mehrfamilienhaus derart in [X.] zu setzen, dass auch die Wohnung des Zeugen Sc.      betroffen und beschädigt werden sollte, tränkte er einen vor der Haustür befindlichen Stapel Zeitungspapier mit Treibstoff und zündete diesen in der Erwartung an, nunmehr alles nach seinem [X.] Erforderliche getan zu haben, damit der entfachte [X.] sich kurzfristig auf das Haus selbst, das über eine Eingangstür aus Holz verfügte, ausdehnen und das Gebäude selbstständig brennen würde. Dabei nahm er billigend in Kauf, dass sich zu diesem Zeitpunkt mehrere Bewohner in dem Haus aufhielten, die durch den entstehenden [X.] beziehungsweise die dadurch entstehenden Rauchgase, die generell geeignet waren auch das Leben der Bewohner zu gefährden, nicht unerheblich verletzt werden könnten. Sodann entfernte er sich. Das Feuer wurde frühzeitig gelöscht. Wesentliche Gebäudeteile gerieten nicht in [X.] ([X.] 38).

Wie der Angeklagte sich zu dem Tatvorwurf geäußert hat, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Die [X.] hat ihre Annahme, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung mit einer Inbrandsetzung „tragender“ Gebäudeteile, Verletzungen von Bewohnern und einer generellen Gefährdung von deren Leben gerechnet habe, allein darauf gestützt, dass er „unmittelbar vor der Haustür“ einen [X.] mit Hilfe von Treibstoff in [X.] gesetzt habe ([X.] 59).

b) Diese Erwägungen genügen nicht den Anforderungen, die an die Darlegung eines Tatentschlusses zu einer versuchten schweren [X.]stiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1, § 22 [X.] zu stellen sind.

aa) Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestands bezieht (vgl. [X.], Urteil vom 10. September 2015 - 4 StR 151/15, NJW 2015, 3732). Die Annahme einer versuchten schweren [X.]stiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 [X.]. [X.] in der hier angenommenen Variante der Inbrandsetzung setzt daher in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch seine Tathandlung ein für den bestimmungsgemäßen Gebrauch des [X.] wesentlicher Bestandteil derart vom Feuer ergriffen wird, dass sich der [X.] auch nach Entfernung oder Erlöschen des verwendeten Zündstoffs selbstständig an der Sache weiter auszubreiten vermag (zum Merkmal des Inbrandsetzens vgl. die Nachw. bei [X.] in: [X.].[X.].[X.], 3. Aufl., § 306a Rn. 55). Um dies zu belegen, bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Dezember 2019 ‒ 4 StR 485/19 Rn. 6 f.; Beschluss vom 4. März 2010 - 4 StR 62/10, [X.], 241 mwN). Dabei ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass von der Höhe der Wahrscheinlichkeit des Inbrandsetzens des [X.] auf Grund der relevanten objektiven Umstände der Tatbegehung auf das Vorliegen von [X.]stiftungsvorsatz geschlossen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 5. September 2017 - 5 [X.], [X.], 246 Rn. 17; Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12, [X.], 647 Rn. 28 mwN). Liegt bei der [X.]legung eine akute [X.] vor, muss erörtert werden, welchen Einfluss sie auf die Risikokenntnis des [X.] gehabt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 14. August 2018 - 4 StR 251/18, NStZ-RR 2018, 332; Urteil vom 20. September 2012 - 3 [X.], [X.], 75, 77).

bb) Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, wo sich der in [X.] gesetzte [X.] tatsächlich befand und wie hoch unter den gegebenen Umständen die objektive Wahrscheinlichkeit war, dass es zu einem Übergreifen des [X.]es auf das Gebäude kommt. Soweit davon die Rede ist, dass der [X.] „unmittelbar vor der Haustür“ lag, findet sich dafür in der Beweiswürdigung kein Beleg. Dort nimmt die nicht sachverständig beratene [X.] lediglich auf einen verlesenen Tatortfundbericht vom 29. Oktober 2017 und eine Strafanzeige Bezug, wonach der [X.] im Eingangsbereich des in Rede stehenden Mehrfamilienhauses „durch einen Stapel Zeitungspapier und die Verwendung von Treibstoff als [X.]beschleuniger“ ausgelöst worden sei ([X.]). Aus welchen Umständen die Verfasser der jeweiligen Schriftstücke auf diesen [X.] geschlossen haben, wird nicht mitgeteilt. Weitergehende Feststellungen zur [X.] werden nicht getroffen. Unabhängig hiervon hat die [X.] auch nicht in ihre Betrachtungen eingestellt, dass bei dem Angeklagten - wie sie zu seinen Gunsten angenommen hat - eine akute Alkoholintoxikation vorlag und deshalb seine Steuerungsfähigkeit erheblich im Sinne des § 21 [X.] vermindert war ([X.] 69).

Dadurch verliert auch der von der [X.] angenommene bedingte Körperverletzungsvorsatz seine Grundlage, denn dieser knüpft an die Kenntnis der Möglichkeit eines Übergreifens des [X.]es und die sich daraus ergebende Rauchgasentwicklung an.

4. Die in den Fällen [X.] (Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung), II. 17 ([X.] in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis) und II. 20 der Urteilsgründe (Beleidigung) verhängten Einzelstrafen von jeweils neun Monaten Freiheitsstrafe können nicht bestehen bleiben, weil es sich jeweils um die Höchststrafe handelt und die Urteilsgründe den sich daraus ergebenden Begründungsanforderungen nicht genügen.

a) Die dem Tatrichter vorbehaltene Strafzumessung ist für das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (zum Maßstab vgl. [X.], Beschluss vom 10. April 1987 - [X.], [X.]St 34, 345, 349; Urteil vom 9. Januar 1962 - 1 [X.], [X.]St 17, 35, 36). Der [X.] hat jedoch in den Urteilsgründen die Umstände anzuführen, die für die Strafzumessung bestimmend gewesen sind (§ 267 Abs. 3 StPO). Dabei erhöhen sich die Begründungsanforderungen, je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe dem unteren oder oberen Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens nähert (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Oktober 2002 - 5 [X.], [X.], 52, 53; weitere Nachweise bei [X.], [X.], 67. Aufl., § 46 Rn. 149).

b) Die [X.] ist in allen Fällen davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 [X.] erheblich vermindert war und hat von der Milderungsmöglichkeit des § 49 Abs. 1 [X.] Gebrauch gemacht. Damit ergaben sich in den angeführten Fällen jeweils Strafrahmen von Geldstrafe bis zu neun Monaten Freiheitsstrafe (vgl. [X.] in: SSW-[X.], 4. Aufl., § 49 Rn. 23). Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, dass sich die [X.] bewusst war, dass sie innerhalb dieses Strafrahmens die Höchststrafe verhängt hat. Zwar werden jeweils gewichtige Erschwernisgründe (Vorstrafen, Führungsaufsicht, etc.) angeführt, doch stehen dem stets auch erhebliche Milderungsgründe (Geständnis, lange Verfahrensdauer) gegenüber. Unter diesen Umständen hätte es näherer Begründung bedurft, warum der Strafrahmen gleichwohl ausgeschöpft werden musste.

5. Die Aufhebungen der Verurteilung in den Fällen [X.], [X.], II. 7, II. 10, II. 12, II. 13 und II. 16 der Urteilsgründe sowie der Einzelstrafen in den Fällen [X.], II. 17 und II. 20 der Urteilsgründe ziehen die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

6. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe auch wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2a [X.] ist nicht zu beanstanden. Die [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte gegen § 6 Satz 1 [X.] verstoßen hat, als er mit seinem Pkw trotz Gegenverkehrs den freien Teil der Fahrbahn einer innerörtlichen Straße befuhr, obwohl auf seiner Seite Fahrzeuge geparkt waren und die verbleibende Fahrbahnbreite für zwei sich begegnende Fahrzeuge nicht ausreichte. Da § 315c Abs. 1 Nr. 2a [X.] nicht nur den Vorrang beim Zusammentreffen von Fahrzeugen aus verschiedenen Straßen im Sinne des § 8 [X.] erfasst, sondern für alle Verkehrsvorgänge gilt, bei denen die Fahrlinien zweier Fahrzeuge bei unveränderter Fahrtrichtung und Fahrweise zusammentreffen oder einander so gefährlich nahekommen, dass sich der Verordnungsgeber veranlasst gesehen hat, durch eine ausdrückliche besondere Vorschrift einem Verkehrsteilnehmer den [X.] vor dem anderen einzuräumen (sog. erweiterter Vorfahrtsbegriff; vgl. dazu [X.], Beschluss vom 20. Januar 2009 - 4 StR 396/08, [X.], 185 [Ls.]; Beschluss vom 5. Februar 1958 - 4 StR 704/57; [X.]St 11, 219, 223), ist auch die Missachtung des [X.]s nach § 6 Satz 1 [X.] als [X.] zu werten (vgl. KG, Beschluss vom 5. Mai 2004 - 1 Ss 6/04, [X.], 285; [X.], Urteil vom 19. Oktober 1971 - 1 Ss 205/71, [X.], 34, 35; [X.] in: SSW-[X.], 4. Aufl., § 315c Rn. 15; [X.] in: [X.].Komm.[X.] § 315c Rn. 47; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 30. Aufl., § 315c Rn. 14; [X.] in: [X.][X.]/[X.]/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 6 [X.] Rn. 9; [X.]. z. [X.], 12. Aufl., § 315c Rn. 72; [X.]. in: [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 315c Rn. 8; Pegel in: [X.].Komm. z. [X.], 3. Aufl., § 315c Rn. 47).

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Bender

        

Quentin     

        

Bartel     

        

Meta

4 StR 324/19

09.01.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 21. Januar 2019, Az: 67 KLs 10/18

§ 315c Abs 1 Nr 2 Buchst a StGB, § 6 S 1 StVO, § 8 StVO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2020, Az. 4 StR 324/19 (REWIS RS 2020, 1626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1626

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