Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2017, Az. 4 StR 177/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5355

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Gegenstand

Strafsache: Tateinheit von Rauschgifttransport und Straßenverkehrsdelikten; Begründetheit eines Adhäsionsantrags bei fehlender Einbeziehung des beschädigten Fahrzeugs in den Schutzbereich der Strafnorm


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 3 a, II. 3 b, [X.], II. 5 a und II. 5 b der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

b) in den Aussprüchen über

aa) die Gesamtstrafe,

bb) die Sperrfrist,

cc) den Adhäsionsantrag.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition, vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen und vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine isolierte Sperrfrist von vier Jahren angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

Die Verfahrensbeanstandung, mit der die Revision einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht über angebliche [X.] gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] rügt, ist in zulässiger Weise erhoben, jedoch – wie der [X.] in seiner Antragsschrift an den [X.] zutreffend ausgeführt hat – unbegründet. Mit Blick auf den zweiten Teil der Verfahrensrüge, der sich auf ein (unangekündigtes) Aufsuchen des [X.] der Vorsitzenden Richterin durch die Verteidigung nach Ende des zweiten [X.] bezieht, bemerkt der [X.] ergänzend, dass hier auch keine Gespräche stattgefunden haben, durch die frühere [X.] inhaltlich modifiziert worden wären (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juli 2016 – 1 [X.], [X.], 56 f.). Vielmehr ergibt sich aus dem [X.] selbst und aus der dienstlichen Erklärung der [X.] vom 16. März 2017, dass sie bei dem unangekündigten Besuch seitens der Verteidigung zu einem auf eine Verständigung abzielenden Gespräch oder zu einer Modifikation des früheren Verständigungsvorschlags der [X.] gerade nicht bereit war und sich auf solche Erörterungen auch tatsächlich nicht eingelassen hat.

[X.]

3

Die Revision hat hingegen mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

4

1. Die Verurteilungen in den Fällen [X.] 3 a und [X.] 5 a der Urteilsgründe, jeweils wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, haben bereits wegen eines Erörterungsmangels in Bezug auf die Voraussetzungen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. 1 StGB keinen Bestand. Denn die [X.] verhält sich nicht näher zu der Frage, ob sich der Angeklagte, wie von ihm behauptet ([X.]), zum Zeitpunkt der Fahrten im Besitz einer [X.] Fahrerlaubnis befand. Hierzu wird im Urteil lediglich ausgeführt, eine etwaige [X.] Fahrerlaubnis des Angeklagten ändere „an der Tatbestandsmäßigkeit der von ihm mit Kraftfahrzeugen unternommenen Fahrten angesichts der Vorschriften der §§ 7 Abs. 1 und 28 Abs. 1 und 4 Nr. 2 und 3 FeV nichts“ ([X.]).

5

Das [X.] durfte es indes nur dann offen lassen, ob der Angeklagte im Besitz einer [X.] Fahrerlaubnis war, wenn auch tatsächlich die Voraussetzungen eines der Gründe nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 FeV vorlagen, aufgrund derer eine in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] erteilte Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen würde. Zu diesen Voraussetzungen verhält sich das angefochtene Urteil jedoch auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe nicht.

6

2. Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen [X.] 3 a und [X.] 5 a der Urteilsgründe kann auch derjenige in den Fällen [X.] 3 b und [X.] 5 b, jeweils wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht bestehen bleiben.

7

Die zum Unfall führende Gesetzesverletzung und das sich daran anschließende unerlaubte Sichentfernen vom Unfallort bilden, da sie nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart eng miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Sichentfernens vom Unfallort nicht ohne Berücksichtigung der Umstände, unter denen es zum Unfall gekommen ist, beurteilt werden kann, einen einheitlichen Lebensvorgang und damit eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 [X.] (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 25. März 1982 – 4 [X.], [X.], 39, 42; vom 5. November 1969 – 4 [X.], [X.]St 23, 141, 144; Beschlüsse vom 9. November 1972 – 4 [X.], [X.]St 25, 72, 74; vom 22. Juli 1971 – 4 [X.], [X.]St 24, 185, 186; MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., § 142 Rn. 138).

8

Zwar ist es nicht von vornherein unzulässig, die Verurteilung wegen mehrerer rechtlich selbständiger Taten innerhalb desselben geschichtlichen Vorgangs nur teilweise aufzuheben bzw. bestehen zu lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juli 1971, aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 60. Aufl., § 318 Rn. 6 ff. und § 353 Rn. 6). Der [X.] kann jedoch nicht ausschließen, dass das neue Tatgericht in den Fällen [X.] 3 a sowie [X.] 5 a der Urteilsgründe jeweils Feststellungen zu den Unfallgeschehnissen trifft, die in Widerspruch zu den bislang rechtsfehlerfrei festgestellten Tatsachen des sich anschließenden unerlaubten Sichentfernens vom Unfallort treten. Die den Fällen [X.] 3 a und b sowie [X.] 5 a und b zugrunde liegenden Sachverhalte bedürfen daher insgesamt neuer tatrichterlicher Feststellung.

9

3. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Fall [X.] 4 der Urteilsgründe unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) zwischen dieser Tat und den zueinander in Tateinheit stehenden Verstößen gegen § 315c Abs. 1 StGB und § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG im Fall [X.] 5 a der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Mehrere strafbare Gesetzesverstöße stehen zueinander in Tateinheit, wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Fahrzeug befördert ([X.], [X.] vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu einem Abnehmer etc.) durch das Führen des Transportfahrzeugs weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmittelhandel im Verhältnis der Tateinheit. Denn ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 31. Januar 2017 – 4 StR 597/16, [X.], 123 f.; vom 2. Juli 2013 – 4 [X.], [X.], 320, 321; vom 5. März 2009 – 3 [X.], [X.], 119 f.).

Nach den Feststellungen zu Fall [X.] 4 der Urteilsgründe waren die in dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug verwahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgesehen. Vor diesem Hintergrund hätte erörtert werden müssen, ob die dem Angeklagten unter [X.] 5 a der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Methamphetamins zu Handelszwecken, etwa zu einem Abnehmer, diente und deshalb insoweit Tateinheit anzunehmen war.

4. Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen [X.] 3 a, [X.] 3 b, [X.] 4, [X.] 5 a und [X.] 5 b der Urteilsgründe und der zugehörigen Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe sowie der gemäß § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordneten isolierten Sperrfrist, der das [X.] die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen [X.] 3 a und [X.] 5 a zugrunde gelegt hat ([X.]), nach sich.

I[X.]

Auch die Adhäsionsentscheidung, wonach im Fall [X.] 5 a der Urteilsgründe der von der Eigentümerin des vom Angeklagten geführten Fahrzeugs geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB festgestellt wurde, hat keinen Bestand.

Es besteht allerdings kein Anlass, gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 [X.] von einer Entscheidung abzusehen.

1. Zunächst steht jedoch weder der Zulässigkeit (vgl. § 403 [X.]) noch der Begründetheit des Antrags (vgl. § 406 Abs. 1 [X.]) entgegen, dass die zur Aburteilung gelangte vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs der Antragstellerin als Eigentümerin des Fahrzeugs keinen strafrechtlichen Schutz vermittelt.

a) Zwar ist das vom Täter geführte Fahrzeug auch dann nicht als fremde Sache in den Schutzbereich des § 315c StGB einbezogen, wenn es – wie hier – ihm nicht gehört (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 [X.], [X.]St 27, 40, 41 f.; Beschlüsse vom 18. Dezember 1957 – 4 StR 554/57, [X.]St 11, 148, 150; vom 13. Januar 2000 – 4 StR 598/99, [X.], 213; vom 16. April 2012 – 4 StR 45/12, [X.], 252; [X.], StGB, 64. Aufl., § 315c Rn. 15).

b) Die fehlende Einbeziehung des der Antragstellerin gehörenden Fahrzeugs in den Schutzbereich der zur Aburteilung gelangten Vorschrift ändert aber nichts daran, dass ihr als Verletzter im Sinne des § 403 [X.] aus der Straftat ein vermögensrechtlicher Anspruch (§ 823 Abs. 1, § 249 BGB) erwachsen und ihr Antrag im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 [X.] wegen dieser Straftat begründet ist.

Straftat im Sinne der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist die Tat im prozessualen Sinn gemäß § 264 [X.] (vgl. [X.] in [X.][X.], [X.], 26. Aufl., § 405 Rn. 4 und 7, § 406 Rn. 2; Zabeck in KK-[X.], 7. Aufl., § 403 Rn. 2; [X.], aaO, § 405 Rn. 3). Für die Frage, ob der Anspruch aus der Tat erwachsen ist, ist hiernach allein der historische Sachverhalt entscheidend, aus dem sich der Anspruch ergibt, nicht aber das Schutzgut des verletzten Strafgesetzes, aus dem der Angeklagte verurteilt wurde (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 [X.], [X.]St 58, 152, 154; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 [X.], [X.]R StGB § 73 Verletzter 14 [jeweils zu § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB in der bis zum 30. Juni 2017 gültigen Fassung]).

2. Zu Recht rügt der Angeklagte jedoch, dass er zum Entschädigungsantrag in der Hauptverhandlung nicht gehört worden ist, was durch die dazu fehlenden Feststellungen im Protokoll bewiesen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Dezember 1990 – 4 [X.], [X.]St 37, 260; [X.], aaO, § 404 Rn. 10).

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Adhäsionsentscheidung und – da es sich um einen behebbaren Verfahrensfehler handelt und das neue Tatgericht ohnehin erneut mit der Sache befasst wird – auch insoweit zur Zurückverweisung zu neuer Verhandlung und Entscheidung (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2012 – 4 [X.], [X.], 236; [X.], aaO, § 406a Rn. 5).

IV.

Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, in den Fällen [X.] 3 a und [X.] 5 a der Urteilsgründe das Vorliegen der Voraussetzungen einer Straftat der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs – insbesondere im Fall [X.] 3 a das Vorliegen einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben einer anderen Person oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert und im Fall [X.] 5 a ein sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten – eingehender, als dies bislang erfolgt ist, darzulegen.

Sost-Scheible     

      

Roggenbuck     

      

[X.]

      

Quentin     

      

Feilcke     

      

Meta

4 StR 177/17

14.09.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 30. November 2016, Az: 425 Js 11051/16 - 14 Kls

§ 264 StPO, § 403 StPO, § 406 Abs 1 S 1 StPO, § 52 StGB, § 315c Abs 1 StGB, § 21 Abs 1 Nr 1 StVG, § 823 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2017, Az. 4 StR 177/17 (REWIS RS 2017, 5355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5355

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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