Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2023, Az. 2 ARs 486/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 673

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Gegenstand

Zuständigkeit für Entscheidung über Aussetzung des Strafrests zur Bewährung


Tenor

Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des [X.] vom 29. Juli 2020 – 2 [X.] – und des [X.] vom 28. März 2019 – 12 Ds 27 Js 105642/18 – ist das [X.] – Strafvollstreckungskammer – zuständig.

Gründe

1

1. Die Strafvollstreckungskammern der [X.] und [X.] streiten darüber, welches von ihnen für die nachträgliche Entscheidung im Verfahren über die [X.] zur Bewährung zuständig ist.

2

Der Verurteilte verbüßt seit dem 28. Juli 2022 in der [X.] eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten aus dem Urteil des [X.] vom 29. Juli 2020 sowie eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des [X.] vom 28. März 2019. Der gemeinsame [X.] datiert auf den 26. Februar 2023. Vor dem 28. Juli 2022 war der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt Freiburg inhaftiert.

3

2. Der [X.] ist nach § 14 StPO als gemeinschaftliches oberes Gericht der [X.] (Bezirk des [X.]) und [X.] (Bezirk des [X.]) zur Entscheidung des [X.] berufen.

4

3. Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste der Freiheitsstrafen aus den Urteilen des [X.] vom 29. Juli 2020 und des [X.] vom 28. März 2019 ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO das [X.] [X.] – Strafvollstreckungskammer – zuständig, da in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das [X.] mit der Sache befasst war, aufgenommen war. Die Verlegung des Verurteilten am 28. Juli 2022 in die [X.] steht dem nicht entgegen

5

Der [X.] hat in seiner Zuschrift vom 25. November 2022 u.a. ausgeführt:

„Nach § 462 Abs. 1 Satz 1 StPO ist, wenn gegen den Verurteilten – wie hier – eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach § 454 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Bei Entscheidungen, die von Amts wegen ergehen, ist das Gericht im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO bereits „mit der Sache befasst“, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine solche Entscheidung rechtfertigen können, unabhängig davon, ob sich die Verfahrensakten zu diesem Zeitpunkt bei der (zuständigen) Strafvollstreckungskammer befinden (vgl. Senat, Beschluss vom 1. März 2022 – 2 [X.] 381/21 – mwN). Mit der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung ist die Strafvollstreckungskammer deshalb schon dann befasst, wenn der nach § 57 Abs. 1 StGB maßgebliche – stets aktenkundige – Zeitpunkt herannaht, auch wenn sie bislang untätig geblieben und – anders als hier – ein Aussetzungsantrag noch nicht bei ihr eingegangen ist. Die erforderliche Vorlaufzeit ist so zu bemessen, dass der Verurteilte im Falle einer Bewilligung der Strafaussetzung nach vorheriger Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung bei Eintritt der [X.] entlassen werden könnte (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO); dabei ist auch ein möglicherweise durchzuführendes Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. Senat aaO). […]

Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] ist ungeachtet dessen, dass die Verlegung des Verurteilten in die [X.] bereits sieben Monate vor Erreichen des gemeinsamen [X.]s erfolgt ist, gegeben. Bereits am 10. Mai (richtig: 2022), 30. Mai 2022 und 13. Juni 2022 beantragte der Verurteilte die Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung. Unter dem 7. Juni 2022 legte die Staatsanwaltschaft [X.] die Akten der Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] zur Entscheidung vor und beantragte, die Vollstreckung des [X.] aus dem Urteil des [X.] vom 28. März 2019 nicht zur Bewährung auszusetzen, weil der Verurteilte mehrfach vorbestraft sei, bewährungsbrüchig gehandelt habe, seine [X.] ungeklärt seien, keine besonderen Umstände vorlägen und seine Abschiebung im Raum stehe. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die Staatsanwaltschaft [X.] gegen die Bewilligung einer Strafaussetzung sofortige Beschwerde einlegen wird. Unter dem 22. Juni 2022 legte auch die Staatsanwaltschaft [X.] die Akten der Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] zur Entscheidung vor, beantragte ebenfalls, die Vollstreckung des [X.] aus dem Urteil des [X.] vom 29. Juli 2020 nicht zur Bewährung auszusetzen, und begründete dies mit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit sowie damit, dass ein aktueller Bericht der Justizvollzugsanstalt noch nicht vorliege. Deshalb ist damit zu rechnen, dass auch die Staatsanwaltschaft [X.] gegen die Bewilligung einer Strafaussetzung sofortige Beschwerde einlegen wird.

Soweit der Verurteilte seine Anträge auf Veranlassung der Strafvollstreckungskammer des [X.]s [X.] vom 4. August 2022 (richtig: [X.]) zurückgenommen hat, um sie sodann gegenüber der Strafvollstreckungskammer des [X.] erneut anzubringen, ändert dies nichts an der Zuständigkeit. Die Strafvollstreckungskammer des [X.] weist in ihrem Beschluss vom 19. Oktober 2022 zutreffend darauf hin, dass der Verurteilte mit der Rücknahme seine Antragsziele gerade nicht aufgegeben hat, sondern seine Anträge vielmehr bei dem zuständigen Gericht anbringen wollte und die örtliche Zuständigkeit entgegen dem Gesetz seiner Disposition unterworfen wäre, könnte sie auf diese Weise herbeigeführt werden.“

6

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Das Schreiben des Verurteilten vom 28. November 2022, mit dem er „alle“ seine Anträge zurückgenommen und zugleich auf den [X.] hingewiesen hat, auf den er „bis dahin“ warten wolle, ändert nichts an seinem nach wie vor bestehendem Ziel, vorzeitig entlassen zu werden.

Franke     

        

RiBGH [X.] ist
krankheitsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

        

Zeng   

                 

Franke

                 
        

Grube     

        

     [X.]     

        

Meta

2 ARs 486/22

08.02.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 14 StPO, § 454 Abs 1 S 1 StPO, § 462 Abs 1 S 1 StPO, § 462a Abs 1 S 1 StPO, § 57 Abs 1 StGB, § 36 Abs 2 S 5 StVollstrO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2023, Az. 2 ARs 486/22 (REWIS RS 2023, 673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 673

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