Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2022, Az. 2 ARs 122/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7183

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Befasststein einer Strafvollstreckungskammer mit der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung bei Verlegung drei Monate vor dem Zwei-Drittel-Termin


Tenor

Zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung aus dem Strafbefehl des [X.] vom 12. Mai 2020 - 5 Ds 363/19 (81 Js 1375/19) - in Verbindung mit dem Urteil des [X.] vom 25. August 2020 und dem Widerrufsbeschluss des [X.] vom 23. März 2021 ist das

Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Köln .

Gründe

1

Der Strafvollstreckungskammern der [X.] und [X.] streiten über die Zuständigkeit für die Entscheidung der Aussetzung des [X.] zur Bewährung.

I.

2

Die Verurteilte verbüßt - nach Widerruf der Bewährungsaussetzung - eine Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen Betruges aus dem Strafbefehl des [X.] vom 12. Mai 2020 in Verbindung mit dem den Einspruch verwerfenden Urteil des [X.] vom 25. August 2020 und dem Widerrufsbeschluss des [X.] vom 23. März 2021. Der [X.] ist auf den 5. März 2022 datiert, das Strafende auf den 15. April 2022.

3

Nach ihrer Festnahme am 16. Dezember 2021 wurde die Verurteilte zunächst der [X.] zugeführt. Dort befand sie sich bis zu ihrer Verlegung in die Justizvollzugsanstalt [X.]-Senne am 4. Januar 2022 in Strafhaft.

4

Bereits am 28. Dezember 2021 hatte die Staatsanwaltschaft [X.] die [X.] um eine Stellungnahme zur Frage der bedingten Strafaussetzung nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe ersucht. Am 1. Februar 2022 forderte sie - in Unkenntnis der zwischenzeitlichen Verlegung der Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt [X.]-Senne - erneut eine Stellungnahme per Fax an. Am 2. Februar 2022 legte sie das [X.] der Strafvollstreckungskammer des [X.] vor und beantragte, die Vollstreckung des [X.] nicht zur Bewährung auszusetzen. Eine Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingegangen und sollte nachgereicht werden.

5

Das [X.] erklärte sich mit Beschluss vom 15. Februar 2022 für örtlich unzuständig. Es sei erst infolge der staatsanwaltschaftlichen Verfügung vom 2. Februar 2022 mit dem Verfahren befasst worden; zu diesem Zeitpunkt habe sich die Verurteilte bereits in der Justizvollzugsanstalt [X.]-Senne befunden. Das [X.] hat die Sache sodann an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht [X.] abgegeben. Am 17. Februar 2022 hat die Staatsanwaltschaft [X.] mit einer zwischenzeitlich eingeholten Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt [X.]-Senne gegenüber dem Landgericht [X.] unter Bezugnahme auf ihren an das [X.] gerichteten Antrag vom 2. Februar 2022 beantragt, die Vollstreckung des [X.] nicht zur Bewährung auszusetzen.

6

Mit Beschluss vom 1. März 2022 erklärte sich das Landgericht [X.] ebenfalls für örtlich unzuständig und verwies darauf, dass der [X.] bereits bei der Verlegung der Verurteilten am 4. Januar 2022 herangenaht und das [X.] daher bereits mit der Sache befasst gewesen sei. Es hat daher dem [X.] das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

7

1. Der [X.] ist gemäß § 14 StPO als gemeinschaftliches oberstes Gericht der Landgerichte [X.] (Oberlandesgerichtsbezirk [X.]) und [X.] ([X.]) zur Entscheidung des [X.] berufen.

8

2. Für die Entscheidung über die [X.] ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Strafvollstreckungskammer des [X.] zuständig. Der [X.] hat in seiner Zuschrift vom 31. März 2022 u.a. ausgeführt:

„Nach dieser Vorschrift ist, wenn gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird, für die nach § 454 StPO zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Bei Entscheidungen, die von Amts wegen ergehen, ist das Gericht im Sinne von § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO bereits „mit der Sache befasst“, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine solche Entscheidung rechtfertigen können, unabhängig davon, ob sich die Verfahrensakten zu diesem Zeitpunkt bei der (zuständigen) Strafvollstreckungskammer befinden (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 2 [X.] -, juris, Rn. 10; [X.] in: [X.], 8. Aufl., § 462a Rn. 17, jeweils m. w. Nachw.). Mit der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung über eine [X.] ist die Strafvollstreckungskammer deshalb schon dann befasst, wenn der nach § 57 Abs. 1 StGB maßgebliche - stets aktenkundige - Zeitpunkt herannaht, auch wenn sie bislang untätig geblieben und ein Aussetzungsantrag noch nicht bei ihr eingegangen ist. Die erforderliche Vorlaufzeit ist so zu bemessen, dass der Verurteilte im Falle einer Bewilligung der Strafaussetzung nach vorheriger Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung bei Eintritt der [X.] entlassen werden könnte (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO); dabei ist auch ein möglicherweise durchzuführendes Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2021 - 2 [X.] -, juris, Rn. 8 m. w. Nachw.). Wenn allerdings der Verurteilte bereits drei Monate vor dem [X.] verlegt worden ist, kann von einem „Befasstsein“ der Strafvollstreckungskammer, welche für die frühere Justizvollzugsanstalt zuständig war, in der Regel nicht mehr ausgegangen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 2 [X.] - juris, Rn. 11 m. w. Nachw.).

In vorliegender Sache ist demnach bereits vor der Verlegung der Verurteilten am 4. Januar 2022 die für die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des [X.] entscheidende gerichtliche Befassung mit der Frage der [X.] eingetreten. Die Staatsanwaltschaft [X.] hatte bereits mit Schreiben vom 28. Dezember 2021 bei der [X.] „umgehend“ die Übersendung eines Führungsberichtes, die Stellungnahme zur Frage der Aussetzung des [X.] zur Bewährung und zur Frage, ob die Verurteilte mit einer Strafaussetzung einverstanden ist, angefordert. Um eine rechtzeitige (rechtskräftige) Entscheidung über die [X.] zu gewährleisten, hätte sie die Akten bei einem regulären Verfahrensgang nicht erst am 2. Februar 2022 - nur viereinhalb Wochen vor Eintritt der [X.] am 5. März 2022 - dem Gericht vorgelegt. Vielmehr hätte die Aktenvorlage angesichts der Kürze der zu verbüßenden Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorlaufzeit bereits zu einem Zeitpunkt, als die Verurteilte noch in der [X.] aufgenommen war, erfolgen müssen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft beantragt hat, die Vollstreckung des [X.] nicht zur Bewährung auszusetzen, so dass im Falle einer Bewilligung der Strafaussetzung mit einer sofortigen Beschwerde zu rechnen ist.“

9

Dem tritt der Senat bei.

[X.]     

        

Krehl     

        

Zeng   

        

Grube     

        

Schmidt     

        

Meta

2 ARs 122/22

11.04.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 462a Abs 1 S 1 StPO, § 57 Abs 1 StGB, § 57a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.04.2022, Az. 2 ARs 122/22 (REWIS RS 2022, 7183)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7183

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 ARs 267/23 (Bundesgerichtshof)

Reststrafaussetzung zur Bewährung: zuständiges Gericht; Berücksichtigung der erforderlichen Vorlaufzeit


2 ARs 486/22 (Bundesgerichtshof)

Zuständigkeit für Entscheidung über Aussetzung des Strafrests zur Bewährung


2 ARs 322/21 (Bundesgerichtshof)

Zuständigkeit in Strafvollsteckungssachen: Befasststein einer Strafvollstreckungskammer mit der Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung in Ansehung der …


3 Sbd I 10/14 (Oberlandesgericht Hamm)


3 (s) Sdb. I-10/14 (Oberlandesgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

2 ARs 267/23

Zitiert

2 ARs 322/21

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.