Bundessozialgericht, Urteil vom 23.08.2011, Az. B 14 AS 165/10 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 3821

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Rückzahlung von Arbeitslosengeld nach dem Zuflussmonat durch rückwirkende Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung


Leitsatz

Entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer laufenden Einnahme erst nach dem Monat des Zuflusses (hier durch Aufhebung und Rückforderung einer dem Arbeitslosengeldbezug zugrundeliegenden Bewilligungsentscheidung für die Vergangenheit), bleibt es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 9. September 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007.

2

Der 1977 geborene Kläger zu 1 und die 1980 geborene Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet und leben mit ihren gemeinsamen, am 2003 und am 2007 geborenen Kindern, den Klägern zu 3 und 4, in einer ca 72 qm großen 3-Zimmer-Wohnung in [X.], für die im Juli 2007 insgesamt 432,69 Euro zu zahlen waren.

3

Seit dem [X.] bezog der Kläger zu 1 Arbeitslosengeld ([X.]) nach dem [X.] ([X.]) in Höhe von 823,80 Euro monatlich (27,46 Euro täglich), zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides der [X.] ([X.]) vom 21.3.2007. Für die Kinder wurde Kindergeld in Höhe von jeweils 154 Euro gezahlt. Die Kläger bezogen daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]). Unter anderem bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherung mit Bescheid vom [X.] für den Bewilligungszeitraum vom [X.] bis zum [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und dabei für den Monat Juli 2007 (unter Berücksichtigung des Kindergeldes und des [X.]) Leistungen in Höhe von insgesamt 340,89 Euro (Regelleistung an die Kläger zu 1 und 2 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft).

4

Am 27.6.2007 nahm der Kläger zu 1 eine Vollzeittätigkeit als Produktionshelfer auf und informierte die [X.] hierüber am 3.7.2007 und den Beklagten am 2.8.2007. Der Arbeitgeber zahlte Mitte Juli 2007 für die vier im Juni 2007 geleisteten Arbeitstage 261,26 Euro brutto (219,21 Euro netto). Am [X.] zahlte die [X.] an den Kläger zu 1 [X.] in Höhe von 823,80 Euro.

5

Mit Bescheid vom 2.8.2007 hob die [X.] ihre Bewilligung von [X.] ab dem 27.6.2007 auf und forderte mit [X.] vom [X.] Leistungen in Höhe von 933,64 Euro zurück. Diese Bescheide sind bestandskräftig. Der Kläger zu 1 zahlte den Rückforderungsbetrag seit dem 14.12.2007 in monatlichen Raten von zuletzt 30 Euro zurück.

6

Mit Änderungsbescheid vom [X.] bewilligte der Beklagte den Klägern Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom [X.] bis [X.]. Für den Monat Juli 2007 gewährte er Leistungen in Höhe von 423,27 Euro unter Berücksichtigung von [X.] in Höhe von 741,42 Euro. Den Wegfall des [X.] berücksichtigte er erst ab August 2007.

7

Wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen im Juli 2007 forderte der Beklagte von den Klägern mit Bescheiden vom 27.8.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom [X.] bis [X.] in Höhe von insgesamt 55,59 Euro gegenüber den Klägern zu 2 bis 4, sowie in Höhe von 31,37 Euro gegenüber dem Kläger zu 1 zurück.

8

Gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom [X.] und die Bescheide vom 27.8.2007 legten die Kläger am 3.9.2007 (mit zwei Schriftsätzen) Widerspruch ein. Gegen die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens wandten sie sich in der Folge nicht mehr (Schriftsatz vom 11.10.2007) und beglichen die sich aus den Bescheiden vom 27.8.2007 ergebende Rückforderung. Soweit sie geltend machten, das mittlerweile zurückgeforderte [X.] sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen, blieb der Widerspruch ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 1.2.2008).

9

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.] hat das [X.] mit Urteil vom [X.] abgewiesen. Der Streitgegenstand sei vorliegend durch einen in einem Erörterungstermin geschlossenen Vergleich wirksam auf die Frage der Berücksichtigung des [X.] auf den Bedarf der Kläger für den Monat Juli 2007 beschränkt worden. Gegenstand der zulässigen Anfechtungs- und Leistungsklage sei allein der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2008. Die Aufhebungs- und [X.]e vom 27.8.2007 seien dagegen nach Auffassung der Kammer nicht Gegenstand des Widerspruchverfahrens und damit auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Zwar beträfen sowohl der angegriffene Bescheid vom [X.] als auch die Aufhebungs- und [X.]e vom 27.8.2007 die Grundsicherungsleistungen für Juli 2007, sie beinhalten aber unterschiedliche, nämlich gegenläufige Verfügungen (Bewilligung und Aufhebung) im Hinblick auf unterschiedliche Einnahmen ([X.] und Erwerbseinkommen). In der Sache ergebe sich ein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen im Juli 2007 nicht. Zutreffend sei der Beklagte von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1472,69 Euro ausgegangen (Regelleistungen und tatsächliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 432,69 Euro). Von dem Gesamtbedarf seien zunächst 308 Euro Kindergeld abzusetzen und sodann das zugeflossene [X.]. Das [X.] sei seiner Natur nach - anders als ein gewährtes Darlehen - zum endgültigen Verbrauch bestimmt gewesen und habe den Klägern bei wirtschaftlicher Betrachtung im streitigen Zeitraum auch zur Verfügung gestanden. Daran ändere nichts, dass die Zahlung nicht rechtmäßig erfolgt sei.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Sprungrevisionen. Die zu Unrecht ausgezahlte Sozialleistung dürfe nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Beim [X.] handele es sich um eine zweckbestimmte Leistung. Die Leistung habe im Juli 2007 nicht dem Zweck dienen können, den Lebensunterhalt bei Arbeitslosigkeit zu decken, weswegen sie nicht habe zweckbestimmt eingesetzt werden können. Rechtswidrig gezahlte Leistungen seien von vornherein nicht geeignet, den Bedarf zu decken, denn sie seien von vornherein damit belastet, dass sie zurückgezahlt werden müssten. Jedenfalls wenn einem Hilfebedürftigen eine Einnahme zufließe, die mit einer sofortigen Rückzahlungspflicht verbunden sei, und unstreitig sei, dass die Rückzahlungspflicht bestehe, könne ein solcher Zufluss nicht als Einkommen oder als Vermögen berücksichtigt werden.

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 9. September 2010 aufzuheben und die Bescheide des Beklagten vom 14. August 2007 und vom 27. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2008 zu ändern und den Klägern höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind unbegründet. Ein Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Juli 2007 besteht nicht. Dabei ist entgegen der Auffassung des [X.] der Streitgegenstand nicht dahin beschränkt, dass der geltend gemachte Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung des [X.] als Einkommen zu prüfen wäre (dazu unter 1). Ein Anspruch der Kläger auf Änderung der angefochtenen Bescheide zu ihren Gunsten besteht nicht, wie das [X.] zutreffend entschieden hat. Für Juli 2007 war neben dem Erwerbseinkommen das zugeflossene [X.] zu berücksichtigen (dazu unter 2). Weder die Kenntnis des [X.] zu 1 von der fehlenden [X.] nach dem [X.]B III noch die Aufhebung der der Zahlung zugrunde liegenden Bewilligung durch die [X.] im August 2007 führen dazu, dass das [X.] im Zeitpunkt seines Zuflusses nicht als Einkommen zu berücksichtigen war (dazu unter 3).

1. Streitgegenstand sind vorliegend höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Juli 2007. Die Kläger machen mit ihrem Vorbringen, es sei für Juli 2007 das zugeflossene [X.] nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sowohl höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung an die minderjährigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft als auch (höhere) Regelleistungen an sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geltend. Eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf Regelleistungen einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits haben sie damit nicht vorgenommen, wovon auch das [X.] ausgegangen ist. Lediglich in zeitlicher Hinsicht haben sie den Streitgegenstand zulässigerweise beschränkt.

Demgegenüber war es nicht zulässig, den Streitgegenstand "durch Vergleich" weitergehend auf die Frage der Berücksichtigung des [X.] als Einkommen zu beschränken. Bei den von den Beteiligten vorliegend im Erörterungstermin abgegebenen Erklärungen hat es sich schon nicht um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne eines (Teil-)Vergleichs gehandelt (§ 101 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>), denn der [X.] hat weder materiell noch prozessual nachgegeben. Auch davon unabhängig ist eine Beschränkung des Streitstoffs auf die Prüfung bestimmter Tatsachen durch eine einvernehmliche Regelung der Beteiligten nicht möglich (vgl zum Teilanerkenntnis B[X.]E 103, 153 = [X.]-4200 § 12 [X.], Rd[X.] 12). Voraussetzung hierfür wäre, dass insoweit eine Regelung über einen abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes erfolgen würde. Hinsichtlich bestimmter Berechnungselemente der Leistung scheidet ein Vergleich also aus, soweit diese Leistung - wie hier - nach dem Willen der Kläger in allen Teilen, also hinsichtlich Regelleistungen und Kosten für Unterkunft und Heizung, zur Überprüfung gestellt werden soll. Eine rechtliche Einschränkung des [X.] ergibt sich aus diesem Grund auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger, wonach sie die Berücksichtigung von Erwerbseinkommen im streitigen Monat der Sache nach nicht beanstanden. Eine wirksame Beschränkung durch eine nur teilweise Anfechtung der Bescheide liegt darin nicht, schon weil sie ihren Klageantrag nicht beziffert haben.

Damit sind sowohl der Bescheid vom [X.] als auch die Bescheide vom 27.8.2007 Gegenstand eines einheitlichen Widerspruchsverfahrens iS des § 86 [X.]G. Alle diese Bescheide treffen aufeinander aufbauend eine Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Leistungen und ändern damit die ursprüngliche Bewilligung ab. Die Erklärungen der Kläger sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren sind zwar dahin zu verstehen, dass sie die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens in der Sache nicht beanstanden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bescheide vom 27.8.2007 bestandskräftig werden sollten, denn ihre Bestandskraft stünde einem Anspruch auf höhere Leistungen entgegen. Mit dem Widerspruchsbescheid vom [X.] hat der [X.] schließlich über die geltend gemachten höheren Leistungen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten - und damit auch unter Berücksichtigung der Bescheide vom 27.8.2007 - entschieden. Das Vorverfahren als Klagevoraussetzung (§ 78 [X.]G) ist damit durchgeführt.

2. Als Rechtsgrundlage für die von den Klägern begehrte Bewilligung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt nur § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]B X) in Betracht. Die Vorschrift setzt ua voraus, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dabei sind für die Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der Ausgangsbescheid vom [X.] zugunsten der Kläger zu ändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Dabei ist auf die Rechtslage im damaligen Bewilligungszeitraum abzustellen.

Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1 und 2 als erwerbsfähige Hilfebedürftige (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 [X.]B II) und die Kläger zu 3 und 4, die als gemeinsame, nicht erwerbsfähige Kinder mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft leben (vgl § 7 Abs 2, 3 [X.]B II), dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl §§ 19, 28 [X.]B II) haben. Wegen der Höhe ihrer Ansprüche ist zunächst der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft aus dem Bedarf jeder einzelnen Person zu ermitteln und sodann das zu berücksichtigende Einkommen (vgl § 11 [X.]B II) im Verhältnis der Einzelbedarfe zum Gesamtbedarf zu verteilen (§ 9 Abs 2 Satz 3 [X.]B II). Entgegen der Auffassung des [X.] beträgt der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft vorliegend allerdings lediglich 1164,69 Euro, zusammengesetzt aus einem Bedarf der Eltern in Höhe von jeweils 312 Euro und der Kinder in Höhe von jeweils 54 Euro sowie tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 432,69 Euro. Das zugeflossene Kindergeld ist nämlich nach § 11 Abs 1 Satz 3 [X.]B II vorliegend ausschließlich zur Bedarfsdeckung der Kinder heranzuziehen und also vorab von ihren Bedarfen abzusetzen (vgl B[X.] [X.]-4200 § 9 [X.] Rd[X.] 24).

Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens sind - wie bereits in den Monaten zuvor - das am [X.] zugeflossene [X.] (dazu im Einzelnen unter 3) sowie (zusätzlich) das Erwerbseinkommen in Höhe von 86,96 Euro (Nettoeinkommen in Höhe von 219,21 Euro abzüglich der Freibeträge aus § 11 Abs 2 Satz 2 <100 Euro>, § 30 [X.]B II <32,25 Euro>) zu berücksichtigen. Nach den Feststellungen des [X.] und dem ausdrücklichen Vorbringen der Kläger ergibt sich kein Hinweis, dass bezüglich des Gesamteinkommens im Monat Juli 2007 über den beim Erwerbseinkommen abgesetzten Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 [X.]B II hinaus weitere Absetzungen vorzunehmen wären. Dies gilt umso mehr, als der [X.] das [X.] im Juli 2007 versehentlich nur in Höhe von 741,42 Euro statt der tatsächlich gezahlten 823,80 Euro zugrunde gelegt hat. Es wirkt sich wegen dieses Fehlers auf die Ansprüche der Kläger auch nicht aus, dass bei Verteilung des Gesamteinkommens unter Zugrundelegung der soeben dargestellten Einzelbedarfe im Verhältnis zum Gesamtbedarf sich richtigerweise geringfügig andere Individualansprüche ergeben hätten. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist damit im Juli 2007 (wegen des Zuflusses von Erwerbseinkommen) lediglich zu ihren Lasten, nicht aber zugunsten der Kläger eingetreten.

3. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem [X.]B II, der Grundrente nach dem [X.] ([X.]) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des [X.] vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.]B II nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl nur B[X.] [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.] 23; B[X.]E 101, 291 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.] 18). Damit handelt es sich bei der Zahlung von [X.] nach §§ 117 ff [X.]B III auf Grundlage des Bewilligungsbescheides vom 21.3.2007 im Grundsatz um laufendes Einkommen (vgl insoweit § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld II/[X.] <[X.] II-V>), was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

a) Ohne Bedeutung für die Berücksichtigung als Einkommen ist dabei, dass es sich um eine Entgeltersatz- und Sozialleistung nach vorangegangener versicherungspflichtiger Beschäftigung handelt. Der Zweck des [X.] als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit führt nicht dazu, im [X.] eine zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 [X.] 1 Buchst a [X.]B II zu sehen (vgl B[X.] [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.] für Krankengeld nach dem [X.] und B[X.] [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.] für das Insolvenzgeld). Mit der Gewährung der Leistung wird den Leistungsempfängern ein bestimmter "Verwendungszweck" nicht auferlegt. Daraus folgt zugleich, dass mit der materiell rechtswidrigen Zahlung von [X.] nach Wegfall der Arbeitslosigkeit - anders als die Kläger meinen - ein nach dem [X.]B II beachtlicher Zweck dieser Leistung nicht verfehlt wird.

b) Der Berücksichtigung des [X.] steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, wonach nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.]B II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/09 R - B[X.]E 106, 185 = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.] 16). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist nach dieser Rechtsprechung, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl § 2 Abs 2 [X.] II-V in der bis zum [X.] geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Hilfebedürftigen, die Leistung als "bereite Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen.

Damit ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass das im Juli ausgezahlte [X.] auch für diesen Monat zu berücksichtigen ist. Zwar ist die Arbeitslosigkeit des [X.] zu 1 als [X.] nach § 118 [X.]B III und damit das Stammrecht auf [X.] vom Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme (am [X.]) an entfallen. Dies allein führt jedoch nicht dazu, dass die Zahlung des [X.] rechtswidrig geworden und bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war (zur Unterscheidung von Stammrecht und Leistungsanspruch etwa B[X.]E 75, 235 = [X.] 3-4100 § 100 [X.] 5 mwN). So wie die [X.] an die Zuerkennung des Leistungsanspruchs gebunden ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat, steht auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Ein auf einer bindenden Bewilligung begründeter Leistungsbezug von [X.] ist rechtmäßig, solange der Bewilligungsbescheid besteht (vgl nur B[X.]E 61, 286, 287 = [X.]100 § 134 [X.] 31). Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht kann dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung des Bescheides geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. [X.] dazu können er und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Bewilligungsentscheidung nach den Regelungen der §§ 45, 48 [X.]B X aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs 1 [X.]B II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt. Die so getroffene Abgrenzung ist schließlich sachgerecht auch deshalb, weil der Träger der Grundsicherung damit von einer Prüfung, ob bei materieller Rechtswidrigkeit die zusätzlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Vergangenheit vorliegen, entbunden ist und es allein auf die Aufhebung der Bewilligung durch die [X.] ankommt.

c) Zwar ist die Bewilligung von [X.] mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch für den hier streitigen [X.] - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die (bestandskräftig gewordene) Aufhebung der Bewilligungsentscheidung im August 2007 hat deshalb im Verhältnis zum Träger der Grundsicherung lediglich die Bedeutung, dass die Hilfebedürftigen (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der [X.]) belastet sind. Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (B[X.] Urteil vom 19.9.2008 - [X.]/7b [X.] - [X.]-4200 § 11 [X.] 18 Rd[X.] 25; Urteil vom 30.9.2008 - [X.] AS 29/07 R - B[X.]E 101, 291 ff = [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.]; Urteil vom 16.12.2008 - [X.] [X.]/07 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.] 28; Urteil vom [X.] - [X.] AS 29/08 R - [X.]-4200 § 11 [X.] Rd[X.]; Urteil vom 10.5.2011 - [X.] KG 1/10 R - [X.]-5870 § 6a [X.] 2, Rd[X.] 18). Soweit das [X.] die Möglichkeit der Gewährung eines Sonderbedarfs (vgl § 23 Abs 1 [X.]B II) zur Deckung der Schulden erwogen hat, widerspräche eine solche Bewilligung dieser Rechtsprechung. Freiwillige Zahlungen an die [X.], wie sie der Kläger zu 1 offensichtlich geleistet hat, sind - auch wenn sie einem Versicherungsträger zugute kommen - unbeachtlich (ausdrücklich B[X.] [X.]-4200 § 11 [X.] 18 Rd[X.] 25 am Ende).

Soweit die Kläger - sinngemäß - eine Härte darin erkennen, dass (ihr Vorbringen als zutreffend unterstellt) die Überzahlung vorliegend allein durch eine fehlerhafte Arbeitsweise der [X.] eingetreten ist und dieses fehlerhafte Verwaltungshandeln zu dem Zufluss von Einkommen im Juli 2007 geführt hat, weist der Senat darauf hin, dass solche Sachverhalte im Verhältnis zum Leistungsempfänger ausschließlich bei einer Entscheidung über den Erlass der aus dem Bescheid der [X.] vom [X.] begründeten Erstattungsforderung (vgl § 76 Abs 2 [X.] 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch) Berücksichtigung finden (vgl B[X.] [X.] 3-4100 § 117 [X.] S 94). Ob Erstattungsansprüche der Träger untereinander bestanden hätten, kann vorliegend deshalb offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 165/10 R

23.08.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Duisburg, 9. September 2010, Az: S 5 AS 44/08, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2, § 117 SGB 3, §§ 117ff SGB 3, § 9 Abs 1 SGB 2, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.08.2011, Az. B 14 AS 165/10 R (REWIS RS 2011, 3821)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3821

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