Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. IX ZR 222/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6464

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX [X.]/08

Verkündet am:

19. Mai 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] §§ 94, 254 Abs. 1; [X.] § 387
Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräf-tig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt.
[X.], Urteil vom 19. Mai 2011 -
IX [X.]/08 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2011 durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, [X.],
[X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.]n wird
das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 13. November 2008 aufgeho-ben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 30. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten
der
Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Über das Vermögen der I.

GmbH (fortan: Schuldnerin) wurde am 29.
Dezember 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das verklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen aus den Jahren 2005 und 2006 zur Insolvenztabelle an, die in Höhe von mehr als 1
Mio.

Zustimmung der Vertreterin des [X.]n beschloss die [X.] einen Insolvenzplan, dessen gestaltender Teil für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger einen Teilerlass von 93,65
v.[X.] ihrer Forderungen vorsah. Das
Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan und hob das [X.]
-
3
-
fahren am 14.
März 2007 auf. Die Schuldnerin erbrachte die nach dem [X.] dem [X.]n geschuldeten Zahlungen. Anschließend machte sie gegen diesen Werklohnansprüche für Bauleistungen geltend, die sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für ihn erbracht hatte.

Der [X.] hat nach Rechtshängigkeit der zunächst auf Zahlung von 117.585,81

e-ten Klage einen Teilbetrag von 36.273,86

noch nicht getilgten Teil seiner Umsatzsteuerforderungen der Jahre 2005 und 2006 aufgerechnet. Das Landgericht hat
die Klage mit Ausnahme eines An-spruchs auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den [X.]n antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Über das Vermögen der Schuldnerin ist [X.] erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet worden; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Die Forderungen der Schuldnerin sind, soweit sie nicht durch Zahlung erfüllt wurden,
durch die vom [X.]n erklärte [X.] erloschen.

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3
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4
-
I.

Das Berufungsgericht (ZIP 2008, 2372) meint, der im ersten Insolvenz-verfahren beschlossene Insolvenzplan stehe der vom
[X.]n erklärten [X.] entgegen. Die von diesem Plan erfassten Forderungen könnten nicht mehr zur Aufrechnung gestellt werden, weil sie erlassen, mindestens aber zu unvollkommenen Verbindlichkeiten
geworden seien, die zwar erfüllbar, aber nicht erzwingbar seien. Das gelte auch für die Steuerforderungen des [X.]. Die Regelung in §
94 [X.], wonach die bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde, ändere daran nichts. Sie ermögliche es einem Gläubiger ledig-lich, sich einem Insolvenzplan zu entziehen, indem er rechtzeitig vorher die [X.] erkläre. [X.] er dies nicht und lege er gegen den bestätigenden Be-schluss des Insolvenzgerichts kein Rechtsmittel ein, sei er an den [X.]. Letztlich verhalte sich der [X.] auch treuwidrig, weil er durch seine Vertreterin dem Plan zugestimmt habe.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§
387 [X.]). Die zur Aufrech-nung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam und fällig sein. Ihre Erfüllung muss erzwungen werden können ([X.], Urteil vom 16.
März 1981 -
II
ZR 4
5
6
-
5
-
110/80, [X.], 711; vom 20.
November 2008 -
IX
ZR 139/07, [X.], 273 Rn.
10; [X.]/[X.], [X.], Bearb. 2006,
§
387 Rn.
132;
MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
387 Rn.
36) und ihr darf keine Einrede entgegenstehen (§
390 [X.]). [X.], rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§
762 Abs.
1 [X.]) oder ein Ehemäkler-lohn (§
656 Abs.
1 [X.]) können nicht aufgerechnet werden. Für die Aufrech-nung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten diese Grundsätze entsprechend (§
226 Abs.
1 [X.]).

2. Um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen han-delt es sich auch bei den von dem
[X.]n zur Aufrechnung gestellten Um-satzsteuerforderungen.

[X.] die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach §
248 Abs.
1 [X.] formelle Rechtskraft, treten gemäß §
254 Abs.
1 Satz 1 [X.] die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvoll-kommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwun-gen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in §
254 Abs.
3 und §
255 Abs.
1 Satz 1 [X.] (BT-Drucks. 12/2443, S.
213; [X.], Insolvenzrecht, 4.
Aufl., Rn.
28.80; [X.] in Kübler/[X.], [X.], §
254 Rn.
14 und §
255 Rn.
6; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
227 Rn.
4 und §
254 Rn.
8; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
254 Rn.
33; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
254 Rn.
3; [X.]/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
254 Rn.
10; zum Liquidati-onsvergleich nach §
7 Abs.
4 [X.]: [X.], Urteil vom 9.
April 1992 -
IX
ZR 304/90, [X.]Z 118, 70, 76; speziell für Steuerforderungen: MünchKomm-[X.]/
7
8
-
6
-
Kling/[X.]/Ruh, aaO, Insolvenzsteuerrecht, Rn.
243; [X.], Insolvenz-rechtshandbuch, 4.
Aufl., §
69 Rn.
21). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
März 2007 -
IX
ZB 204/05, [X.], 923 Rn.
8).

3. Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gemäß §
94 [X.] möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.

a) Nach §
94 [X.]
wird das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung "durch das Verfahren nicht berührt". Dem
Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig
zu entnehmen, ob sich die [X.] auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans (§
254 Abs.
1 [X.]) durchsetzt.
Er kann im Sinne einer Regelung ausschließlich für die [X.] des laufenden Insolvenzverfahrens verstanden werden. Rechnet ein Gläubiger -
wie im Streitfall das verklagte Land
-
nach Aufhebung des [X.] auf, gibt es kein Verfahren mehr, durch das die [X.] berührt sein könnte. Ob eine Aufrechnung möglich ist, richtet sich dann nach der materiellen Rechtslage zum [X.]punkt ihrer Erklärung. Vom Wortlaut gedeckt wird jedoch auch ein Verständnis, wonach zum "Verfahren" auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehört, das -
etwa als
Insolvenz-plan
-
über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken kann. Dann bliebe eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungslage über das Ende des Verfahrens hinaus ungeachtet der in einem Insolvenzplan getroffenen Regelungen erhalten (so OLG [X.]
ZIP 2009, 140,
141,
nicht rechtskräftig).

9
10
-
7
-

b) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte §
94 [X.] die zuletzt genannte Wirkung haben. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung,
der [X.]
und der Gesamtvollstreckungsordnung konnte eine bei Er-öffnung des Verfahrens bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch noch im Verfahren ausgeübt werden

53 KO, §
54 Satz 1 [X.], §
7 Abs.
4 [X.]). Von den Wirkungen eines Vergleichs wurde dieses Recht nicht berührt (§
54 Satz 2 [X.]; vgl. zu dieser Norm [X.], Urteil vom 9.
Februar 1983 -
VIII
ZR 305/81, NJW 1983, 1119, 1120). An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber der In-solvenzordnung festhalten.
Sowohl der vom [X.] vor-gelegte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts (§
101 [X.]) als auch der endgültige Regierungsentwurf der Insolvenzordnung (§
106 RegE-[X.], BT-Drucks. 12/2443, S.
25) enthielten schon
eine mit §
94 [X.] weitgehend wortgleiche Regelung zur Erhaltung einer Aufrechnungslage. In der Einzelerläuterung wurde
ausgeführt, es habe geltendem Konkurs-
und Vergleichsrecht
entsprochen, dass ein Insolvenzgläubiger, der zur [X.] der Er-öffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sei, dieses Recht durch die Verfahrenseröffnung nicht verliere. Die Formulierung der neuen Vorschrift brin-ge zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, ins-besondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen könne, was auch in der Regelung des §
54 Satz
2 [X.] zum Ausdruck komme (BT-Drucks. 12/2443, S.
140). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages schlug die Klarstellung vor,
dass sowohl eine gesetzliche als auch eine vertragliche Aufrechnungsberechti-gung erhalten bleiben sollte (BT-Drucks. 12/7302, S.
38 und 165). Da der [X.] den nur insoweit veränderten Gesetzentwurf beschlossen hat, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber §
94 [X.] nicht anders verstanden [X.] wollte als die Bundesregierung.

11
-
8
-

c) Der mit §
94 [X.] verfolgte Regelungszweck macht seine Anwendung
im Falle eines Insolvenzplans allerdings nicht zwingend erforderlich. Die Vor-schrift dient nach allgemeiner Ansicht dem Vertrauensschutz. Eine vor Insol-venzeröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend ge-schützte Rechtsstellung (vgl. §§
389, 392, 406 [X.]), die auch im Insolvenzver-fahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, S.
140; HK-[X.][X.], 5.
Aufl., §
94 Rn.
1
f; [X.] in Kübler/[X.], aaO, §
94 Rn.
6
f; Graf-Schlicker/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
94 Rn. 1; [X.], [X.], §
94
Rn. 9). Den gleichen Regelungszweck hatte der [X.] für Zi-vilsachen bereits den Vorgängervorschriften §
53 KO und §
54 [X.] beigemes-sen. Der Aufrechnungsberechtigte solle nicht durch nachträgliche Vorgänge, die seiner Einflussmöglichkeit entzogen sind und sich in der Sphäre des [X.] abspielen, der ursprünglich vorhandenen Aufrechnungsbefugnis verlustig gehen ([X.], Beschluss vom 20.
Juni 1951 -
GSZ
1/51, [X.]Z 2, 300, 304
f).
Im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans bedarf der Insolvenzgläubiger
eines solchen Schutzes nicht im
gleichen
Um-fang wie unter der Geltung der [X.]. Er wird zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen (§
235 Abs.
3 [X.]) und kann durchsetzen,
dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung ver-sagt wird, wenn er durch ihn schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (§
251 [X.]). Diese Voraussetzung wird im Falle des Verlusts einer [X.]smöglichkeit regelmäßig gegeben sein. Eine vergleichbare [X.] gab es weder in der Konkursordnung noch in der [X.].
Dort war der Gläubiger daher
auf den Schutz seiner Aufrechnungsberechtigung durch die Regelung in §
54 Satz 2 [X.] angewiesen.

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9
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d) Der Senat hält letztlich für ausschlaggebend, dass mit der [X.] die nach früherem Recht bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten nicht beschränkt werden sollten. In einzelnen Beziehungen, insbesondere im Hinblick auf vertragliche Aufrechnungsberechtigungen, wurden sie sogar
erwei-tert. Der Umstand, dass der Fall eines Insolvenzplans in § 94 [X.] anders als der Fall eines Vergleichs in §
54 Satz 2 [X.] nicht ausdrücklich erwähnt ist, kann mit der Einbeziehung des Insolvenzplanverfahrens in ein einheitliches In-solvenzverfahren erklärt werden. Nicht zuletzt zeigt die Regelung in §
254 Abs.
2 Satz
1 [X.], dass der Gesetzgeber dem Insolvenzplan keine stärkere Wirkung als einem Vergleich nach altem Recht zukommen lassen wollte. Der
dort bestimmte Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte ungeachtet des planbedingten Wegfalls der gesicherten Forderungen entspricht der früheren Rechtslage

82 Abs.
2 [X.]; §
193 Satz
2 KO).

e) Die
Zulassung der Aufrechnung gemäß
§
94 [X.] nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans
führt nicht zwangsläufig zu unbilligen Ergeb-nissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Ent-scheidung über
die Bestätigung des
Insolvenzplans
für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder -
falls dies nicht gelingt
-
die [X.] bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem [X.] den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt.
Bestehen sonach Möglichkeiten, einer [X.] Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rech-nung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch 13
14
-
10
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die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein ([X.], [X.], 409, 411).

4. In der Zustimmung des zur Aufrechnung berechtigten Insolvenzgläubi-gers zum Insolvenzplan oder auch nur in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge
Anforderungen zu stellen. Schließt der in einem Insolvenzplan geregelte Teilerlass von Forderungen eine Aufrechnung mit diesen Forderungen nicht aus, kann das Einverständnis eines Insolvenzgläubigers mit dem Plan auch in seiner objektiven Bedeutung nicht als Erklärung des Inhalts ausgelegt werden, dass eine Abweichung von den ge-setzlichen Rechtsfolgen zum eigenen Nachteil akzeptiert würde. Auch unter den im Streitfall gegebenen konkreten Umständen kann ein solcher Verzicht nicht angenommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Erlas-ses des [X.] vom 17.
Dezember 1998 über die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzver-fahren (BStBl.
I S.
1500). Unter Nr.
9.3 wird dort zu den Wirkungen eines bestä-tigten Insolvenzplans ausgeführt, soweit nach dem Insolvenzplan auf [X.] zu verzichten sei, würden diese zu sogenannten unvollkommenen Forderungen, die zwar erfüllbar seien, aber gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden dürften ([X.], [X.]). Zur Frage des [X.] einer bereits bei Verfahrenseröffnung be-stehenden Aufrechnungsmöglichkeit nach §
94 [X.] verhält sich der Erlass nicht. Schon deshalb gibt er keine Veranlassung, die Zustimmung der Vertrete-rin des [X.]n zum Insolvenzplan als Verzicht auf die durch §
94 [X.] be-gründete Rechtsposition zu deuten.

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Die Aufrechnung des [X.]n trotz der im Abstimmungstermin erklär-ten Zustimmung zum Insolvenzplan verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 [X.]). Die Zustimmung der Vertreterin des [X.] zum Insolvenzplan erlaubte nicht den Schluss, der [X.] werde nach Rechtskraft des Insolvenzplans
zur Abwehr von Ansprüchen der Masse
von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit keinen Gebrauch mehr machen.
Das Verhalten des [X.]n war deshalb nicht widersprüchlich.

III.

Das Berufungsurteil war danach
aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Geset-zes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach letzterem zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung nach §
387 [X.] in Verbindung mit
§
94 [X.] liegen vor.
Zur [X.] der Eröffnung des [X.] am 29.
Dezember 2006 hatte der [X.] gegen die [X.] eine fällige Umsatzsteuerforderung in einer die Forderungen der Schuldnerin auf Bezahlung von Bauleistungen (81.311,95

. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die von der Schuldnerin für die Monate Oktober und November 2006 vorangemeldete, nach §
220 Abs.
1 [X.], §
18 Abs.
1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des [X.], somit am 10.
November 2006 und am 10.
Dezember 2006
fällige und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeführte Umsatzsteuer in Höhe von jeweils mehr als 200.000

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12
-
[X.]n nur 47
v.[X.] betrug (vgl. Anlage B
3, GA
I 86). Der Umstand, dass ein Jahressteuerbescheid erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erging, ändert daran nichts ([X.], 14, 22).

Kayser

Gehrlein

Fischer

[X.]
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.05.2008 -
9 [X.]/07 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.11.2008 -
16 [X.]/08 -

Meta

IX ZR 222/08

19.05.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.05.2011, Az. IX ZR 222/08 (REWIS RS 2011, 6464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6464

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

VI R 33/19

Zitiert

IX ZR 222/08

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