Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2008, Az. IX ZB 51/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3726

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[X.][X.]/07 vom 29. Mai 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] §§ 94, 114 Abs. 2; [X.] § 52 Ermächtigt ein Sozialleistungsträger, bevor über das Vermögen des [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet wird, einen zweiten Leistungsträger, seine Ansprüche mit der dem zweiten Leistungsträger obliegenden Geldleistung zu ver-rechnen, ist diese Ermächtigung in der Insolvenz des [X.] grund-sätzlich wirksam. [X.], [X.]uss vom 29. Mai 2008 - [X.]/07 - [X.][X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.] Dr. Gehrlein und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] am 29. Mai 2008 beschlossen: Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten werden der Be-schluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 1. März 2007 und der [X.]uss des [X.] vom 6. Oktober 2006 aufgehoben. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung der weiteren Beteiligten zu dem vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplan wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Schuldner auf-erlegt. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 556,80 • festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] Der Schuldner stellte am 1. Juni 2006 einen Antrag auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und legte einen Schuldenbereinigungsplan vor, der für alle Gläubiger eine Befriedigungsquote von 20,58 % vorsieht. Die weitere Beteiligte sowie zwei andere Gläubiger haben dem Plan nicht zuge-stimmt. 1 Die weitere Beteiligte hat geltend gemacht, einer Ersetzung ihrer Zu-stimmung stehe § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Sie - die weitere [X.] - werde durch den Plan wirtschaftlich schlechter gestellt als bei einer Durchführung des Insolvenzverfahrens mit anschließender Erteilung der Rest-schuldbefreiung. Gegen den Schuldner bestehe wegen überbezahlter Arbeitslo-senhilfe eine Forderung in Höhe von 556,80 •. Diese Forderung werde gemäß § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 [X.] in Höhe von monatlich 20 • mit dem derzeit an den Schuldner ausgezahlten [X.] verrechnet. Die Verrechnungs-befugnis bleibe auch in der Insolvenz des Zahlungsempfängers wirksam. 2 Auf Antrag des Schuldners hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - mit [X.]uss vom 6. Oktober 2006 die fehlenden Zustimmungen ersetzt. Die [X.] Beschwerde der weiteren Beteiligten hat das [X.] mit [X.]uss vom 1. März 2007 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die weitere Beteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde. 3 - 4 - I[X.] Das statthafte (§§ 7, 6, 309 Abs. 3 Satz 1 [X.], § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es führt zur Aufhebung der instanzgerichtlichen Entscheidungen und Zurückweisung des Antrags. Die weitere Beteiligte wird durch den Schuldenbereinigungsplan voraussichtlich wirtschaftlich schlechter gestellt als bei Durchführung des [X.] (§ 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]). In dem zuletzt genannten Fall könnte die Forderung auf Rückzah-lung von Arbeitslosenhilfe mit dem [X.] weiter verrechnet wer-den. Der Plan sieht eine derartige Befugnis nicht vor. 4 1. Der Anspruch auf Rückzahlung überbezahlter Arbeitslosenhilfe wird nicht gegen den Anspruch auf [X.] aufgerechnet, sondern mit diesem verrechnet. Es fehlt an der Gegenseitigkeit der Forderungen, weil die in Rede stehenden Sozialleistungen von verschiedenen Leistungsträgern gewährt werden. Die dem Schuldner überbezahlte Arbeitslosenhilfe war eine aus Steu-ermitteln finanzierte, von der weiteren Beteiligten ([X.]) im [X.] ausgezahlte Sozialleistung. Demgegenüber wird das dem Schuldner nunmehr gezahlte [X.] (§§ 19, 24 [X.]I) von den Agenturen für Arbeit und den Kommunen, entweder in Arbeitsgemeinschaften oder in getrennter Trägerschaft, aufgebracht. Der Leistungsträger, der das [X.] auszahlt, ist - jedenfalls außerhalb der Insolvenz - gemäß § 52 [X.] zur Verrechnung befugt. Danach kann der für eine Geldleistung zustän-dige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung ver-rechnen, soweit nach § 51 [X.] die Aufrechnung zulässig ist. Nach § 51 Abs. 2 [X.] kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf [X.] - 5 - tung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen gegen die Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des [X.] über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] wird. Zu den Voraussetzungen die-ser Ausnahme hat der Schuldner nichts vorgetragen, ist auch nichts ersichtlich. 2. Nach dem Inhalt der sozialrechtlichen Regelungen ist der [X.] zur Verrechnung auch dann befugt, wenn über das Vermögen des [X.] ein Insolvenzverfahren eröffnet ist. § 114 Abs. 2 [X.] ist un-mittelbar anwendbar, weil § 52 [X.] die Verrechnung der Aufrechnung der Sache nach gleich stellt, somit § 94 [X.] analog eingreift. Nach § 114 Abs. 2 [X.] kann der Verpflichtete gegen die Forderung auf Bezüge aus einem Dienst-verhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die [X.] vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonats eine Forderung aufrechnen, die ihm gegen den Schuldner zusteht. 6 a) Ob der in § 114 Abs. 2 [X.] vorgesehene Schutz einer [X.] den Schutz einer [X.] nach § 52 [X.] umfasst, ist bislang umstritten. 7 In der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum wird die Frage teilweise verneint (BayObLG [X.], 367 ff; OLG Karlsruhe [X.], 662 f; [X.] [X.], 267; [X.] in Breutigam/ [X.]/Goetsch, [X.] § 96 Rn. 10; Graf-Schlicker/[X.], [X.] § 114 Rn. 14; [X.] 2001, 306 ff; [X.] in [X.] zur Insol-venzordnung 2. Aufl. [X.] Rn. 32; [X.] [X.] 2001, 328 ff; [X.] 8 - 6 - EWiR 2001, 593 f; [X.], [X.], Diss. [X.] 2001 S. 115 f; [X.] Z[X.] 2006, 169, 171 f; [X.] 2004, 563 ff). Auch die Vorinstanzen im vorliegenden Verfahren haben sich dieser Auffassung ange-schlossen. Andere meinen, die [X.] nach § 52 [X.] sei eben-falls insolvenzrechtlich geschützt ([X.] Z[X.] 2004, 950 ff; [X.], [X.] 3. Aufl. § 45 Rn. 7a; Hmbk-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 114 Rn. 7; [X.], [X.] § 114 Rn. 21 ff; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 114 Rn. 4; [X.], [X.] § 96 Rn. 37; MünchKomm-[X.]/ [X.], 2. Aufl. § 96 Rn. 25; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], [X.]O § 114 Rn. 30; Nerlich/[X.]/[X.], [X.] § 96 Rn. 15). In Rechtsprechung und Schrifttum zum Sozialrecht wird die Frage ganz überwiegend bejaht ([X.], 1 ff; [X.] EWiR 2004, 927 f; [X.] in [X.]/Voelzke, [X.] § 52 Rn. 45; [X.] EWiR 2002, 357, 358; Wannagat/ [X.], [X.] § 52 Rn. 11; a.A. - noch aus der [X.] vor Ergehen des BSG-Ur-teils - [X.] [X.] 2002, 448, 449; [X.], [X.] 3. Aufl. § 52 Rn. 10). 9 b) Der in § 114 Abs. 2 [X.] vorgesehene Schutz einer Aufrechnungslage umfasst den Schutz einer [X.] nach § 52 [X.]. 10 [X.]) Die Vertreter der Gegenmeinung berufen sich zu Unrecht auf den Wortlaut des § 114 Abs. 2 [X.]. Dort verwende das Gesetz nur den Begriff "aufrechnen"; an anderer Stelle hingegen - etwa in § 96 Abs. 2 [X.] - spreche es von "Verrechnung". Eine Bestimmung, welche die Verrechnung der Aufrech-nung gleichstelle, fehle. 11 - 7 - In den Fällen des § 52 [X.] ist die Vorschrift des § 114 Abs. 2 [X.] unmittelbar anwendbar, weil mit dem [X.] ([X.], 1, 5) da-von auszugehen ist, dass die sozialrechtliche Verrechnung vom [X.] erfasst wird. § 94 [X.] ist auf die sozialrechtliche Verrechnung analog anzuwenden. 12 Dies ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Gesetz in § 94 [X.] nur von Aufrechnung spricht, in § 96 Abs. 2 Satz 1 [X.] jedoch den Begriff der "Verrechnung" verwendet. Durch diese nachträglich in die [X.] eingefügte Vorschrift wurde die [X.] in der Insolvenz nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 der [X.] Europäischen Parla-ments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnun-gen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und Abrechnungssystemen erweitert. Diese Regelung steht in keinem Zusammenhang mit § 52 [X.] und § 114 Abs. 2 [X.] (zutreffend [X.] Z[X.] 2004, 950, 953). 13 § 52 [X.] enthält eine spezialgesetzliche Regelung, welche die Ver-rechnung der Aufrechnung im Sinne des § 94 [X.] gleichstellt. Sie ist im Jahre 1975 eingeführt worden, nachdem das [X.] Aufrechnungen der Leistungsträger mit Forderungen anderer Leistungsträger, soweit sie nicht aus-drücklich gesetzlich zugelassen waren, mangels Gegenseitigkeit der Forderun-gen (§ 387 BGB) für unzulässig erklärt hatte ([X.] 15, 36 ff). In der neueren Rechtsprechung des [X.]s ([X.] 67, 143, 155 f; 92, 1, 5) und im sozialrechtlichen Schrifttum ([X.], [X.] § 52 Rn. 3, 5; [X.] in [X.], 3. Aufl. [X.] Rn. 221, 236; Wannagat/[X.], [X.]O § 52 Rn. 11) wird die [X.] vertreten, § 52 [X.] erweitere die "Aufrechnungsmöglichkeiten", die so-zialrechtliche Verrechnung sei ein Sonderfall der Aufrechnung (einschränkend [X.] in LPK-[X.], § 52 Rn. 2: "Bei der Verrechnung handelt es sich um ein 14 - 8 - ähnliches Selbstvollstreckungsinstrument wie die Aufrechnung"; [X.] in [X.] Kommentar, [X.] § 52 Rn. 2: "– stellt praktisch eine Aufrechnung dar"; ebenso von [X.] in GK-[X.], 3. Aufl. § 52 Rn. 2). Jedenfalls erweitert die Vorschrift die Möglichkeit der Leistungsträger, Ansprüche des [X.] wie bei einer Aufrechnung durch Gegenansprüche zu kompensieren. Gerechtfertigt wird diese Erweiterung nach der Gesetzesbegründung mit der Erwägung, dass im Sozialrecht angesichts derselben oder ähnlichen Zielset-zung aller Sozialleistungen, der Verpflichtung aller Leistungsträger zur engen Zusammenarbeit und des Strebens nach Verwaltungsvereinfachung auf die Gegenseitigkeit der "aufgerechneten" Forderungen verzichtet werden könne (BT-Drucks. 7/868, [X.]). [X.]) Dem Gesetzgeber der [X.] war das Problem nicht un-bekannt. Das [X.] hatte bereits im Jahr 1990 zum Recht der Konkursordnung entschieden, eine bereits vor Konkurseröffnung gegebene [X.] sei konkursfest ([X.] 67, 143, 153; vgl. ferner BSG [X.] 1995, 400, 402; [X.] 1993, 43; die abweichende Ent-scheidung des [X.]. 1993, 22, 23 setzt sich damit nicht auseinander). Aus der Amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf der [X.] lässt sich entnehmen, dass die Rechtsprechung des [X.] nicht angetastet werden sollte. 15 Zwar findet sich in den Materialien zu § 114 [X.] dazu nichts. Zu § 108 RegE-[X.], der später inhaltlich unverändert als § 96 Abs. 1 [X.] Gesetz ge-worden ist, heißt es jedoch in der Amtlichen Begründung (BT-Drucks. 12/2443, [X.]): 16 - 9 - "Die Aufrechnung durch einen Insolvenzgläubiger soll zunächst dann nicht möglich sein, wenn die Gegenforderung erst nach der Verfahrenseröffnung begründet worden ist (Nummer 1) oder wenn der Gläubiger die Forderung erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat (Nummer 2). In beiden Fällen konnte der Gläubiger bei der Verfahrenseröffnung noch nicht darauf vertrauen, dass er seine Forderung im Wege der Aufrechnung werde durchsetzen können. Für die nähere Auslegung dieser Regelungen kann auf Rechtsprechung und Lehre zu § 55 Nr. 1, 2 KO verwiesen werden. Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob § 108 Nr. 2 des Entwurfs in dem Fall eingreift, daß nach der Eröffnung des Insolvenzverfah-rens ein Sozialleistungsträger, der eine Forderung gegen den Schuldner hat, einen anderen Leistungsträger nach § 52 [X.] ermächtigt, diese Forderung mit der Leistungspflicht des anderen Leistungsträgers gegenüber dem Schuldner zu verrechnen. Wie zum geltenden Konkursrecht kann man hier die Auffassung vertre-ten, daß der Gedanke der Einheit der Sozialleistungsträger, der § 52 [X.] zugrunde liegt, dem [X.] des Entwurfs vorgeht." Daraus ergibt sich zwar - wie den Vertretern der Gegenauffassung (BayObLG [X.], 367, 368; [X.] 2004, 563, 564) zugestanden wer-den muss - nicht der gesetzgeberische Wille, die Frage in einem bestimmten Sinne zu entscheiden. Jedenfalls wird ohne jede Einschränkung auf die als ver-tretbar ("– kann man hier die Auffassung vertreten") bezeichnete [X.] zum geltenden Konkursrecht verwiesen, "daß der Gedanke der Einheit der Sozialleistungsträger, der § 52 [X.] zugrunde liegt, dem [X.] des Entwurfs vorgeht." Offensichtlich sah sich der Ge-setzentwurf hier in der Kontinuität des Rechts. Dass "dieser Ansatz erkennbar nicht weiter verfolgt worden" sei ([X.] Z[X.] 2006, 169, 172), trifft nicht zu. Das Gesetz ist entsprechend dem Entwurf verabschiedet worden. Auch § 87 [X.] enthält (entgegen [X.] [X.]O) keine Aussage des Gesetzgebers, die dem für "vertretbar" angesehenen Vorrang des § 52 [X.] entgegensteht. 17 - 10 - Denn diese Vorschrift war ebenfalls bereits (als § 98 RegE-[X.]) in dem [X.] vorgesehen. Aus den soeben zitierten Materialien ergibt sich ein Weiteres: Wenn "§ 52 [X.] – dem [X.] des Entwurfs vorgeht", so kann das nur in dem Sinne verstanden werden, dass § 52 [X.] zumindest - wenn nicht gar eine Aufrechnungslage, so doch - eine Lage begründet, die einer Aufrechnungslage gleichwertig ist. Denn ein Aufrechnungsverbot setzt eine Aufrechnungslage voraus, ansonsten wäre es überflüssig (zutreffend [X.], 1, 9). 18 cc) Sinn und Zweck der Regelung, welche die Aufrechnung in der Insol-venzordnung erfahren hat, verbieten nicht die Anerkennung einer Verrech-nungslage, die bereits vor Insolvenzeröffnung bestand und vom Gesetz einer Aufrechnungslage gleich geachtet wird. 19 (1) Die [X.] will Aufrechnungslagen schützen, die bereits im [X.]punkt der Insolvenzeröffnung bestanden (§ 94 [X.]). Wer zu diesem [X.]punkt berechtigterweise darauf vertrauen durfte, gegen eine Forderung des Schuldners aufrechnen zu dürfen, soll in diesem Vertrauen nicht enttäuscht werden. Ordnet das Gesetz an, dass der nachmalige Insolvenzgläubiger die gegen ihn gerichtete Forderung auch durch Verrechnung mit der Forderung eines Dritten tilgen kann, ist das Vertrauen des Insolvenzgläubigers in ver-gleichbarer Weise schutzwürdig. 20 Allerdings hat der [X.] entschieden, bei einer auf eine Konzernverrech-nungsklausel gestützten Aufrechnung entstehe die Aufrechnungslage nicht, be-vor die Aufrechnung erklärt worden sei ([X.] 160, 107, 110; ebenso schon zur 21 - 11 - Konkursordnung [X.] 81, 15, 19 f). Erst jetzt träten die zwei Forderungen ein-ander aufrechenbar gegenüber. [X.] ähneln der Verrechnungsbefugnis nach § 52 [X.] insofern, als beide Male auf das Erfordernis der Gegenseitigkeit verzichtet wird, bei jenen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung, bei [X.]. Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt unterscheidet sich [X.] von den Fällen der Konzernverrechnungsklausel in einem entscheidenden Punkt: Die [X.] besteht schon geraume [X.]. Die Verrechnungen werden auch tatsächlich bereits vorgenommen. Das Verfahren ist bis jetzt noch nicht eröffnet. Dies begründet das Vertrauen der weiteren Beteiligten, die durch das Gesetz angeordnete und bereits praktizierte [X.] nach der Insolvenzeröffnung weiter anerkannt. 22 Dass man es in Gestalt der Verrechnungsbefugnis des § 52 [X.] und der [X.] mit - insolvenzrechtlich gesehen - gleich-rangigen Erscheinungen zu tun habe, die wertungsmäßig einheitlich zu beurtei-len seien (so [X.] 2004, 563, 564), trifft auch sonst nicht zu. [X.] sind nicht [X.], weil mit ihnen die Aufrech-nungsmöglichkeiten - zum Nachteil der anderen Gläubiger - vervielfacht werden können ([X.], Urt. v. 6. Dezember 1990 - [X.] ZR 44/90, NJW 1991, 1060, 1061). Mit der Aufrechnungsermächtigung an ein anderes Konzernunternehmen behält sich der Forderungsinhaber vor, gegebenenfalls seinerseits aufrechnen zu [X.]. Eine solche Vervielfachung der "[X.] ist hier nicht zu befürchten (zutreffend [X.], 1, 7). Falls der Leistungsträger, der ge-genwärtig das [X.] auszahlt, nicht imstande ist, die Forderung des anderen Leistungsträgers, also der weiteren Beteiligten, zu verrechnen, kann dies niemand. Insbesondere kann dies die weitere Beteiligte selbst nicht, 23 - 12 - denn sie zahlt das [X.] nicht aus. Da im vorliegenden Fall die "[X.] nicht vervielfacht werden, versagt auch das vom [X.] im Hinblick auf die [X.] verwendete Argument, deren Zulassung stehe in einem Spannungsverhältnis zu Art. 33 Nr. 17 [X.], mit dem der Konzernvorbehalt auf Verkäuferseite für nichtig erklärt wurde (vgl. jetzt § 449 Abs. 3 BGB). Im Übrigen hat der [X.] seine Rechtsprechung zu den [X.] maßgeblich darauf gestützt, diese hätten unter der Geltung der Konkursordnung nicht zu einer wirksamen Aufrechnung geführt, der [X.] der [X.] könne nicht der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, daran etwas zu ändern ([X.] 160, 107, 108, 110). Das muss dann - wie oben unter [X.] ausgeführt - auch umgekehrt gelten. 24 (2) [X.] ihrer Verrechnungsbefugnis wäre nur dann unberechtigt, wenn die [X.] Vorschriften enthielte, welche für die [X.] nach der Verfahrenseröffnung die [X.] Verrechnungsmöglichkeit nach § 52 [X.] eindeutig ausschlössen. Dies ist nicht der Fall. 25 Es ist bereits oben unter [X.] dargelegt worden, dass die Verwendung des Begriffs "aufrechnen" in §§ 94, 114 Abs. 2 [X.] einer Anwendung auf die sozi-alrechtliche Verrechnung nicht entgegensteht. 26 [X.] oder [X.] sind auch nicht von vornherein aus dem Schutz des § 94 [X.] ausgenommen (so jedoch [X.] 2004, 305, 310 ff ders. [X.] 2004, 563, 565; Reher Z[X.] 2004, 900, 902 f). Hinsichtlich der [X.] hat der [X.] die [X.] - 13 - liche A[X.]edingung des Gegenseitigkeitserfordernisses nicht an § 94 [X.], son-dern an der entsprechenden Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 2 [X.] scheitern lassen ([X.] 160, 107, 112). Des Weiteren widerspricht die Anerkennung der [X.] nicht dem die [X.] beherrschenden Grundsatz der Gläubiger-gleichbehandlung. Allerdings sind die Privilegien der öffentlichen Hand, die in der Konkursordnung noch Gültigkeit hatten, in der [X.] weitge-hend abgeschafft, zumindest stark eingeschränkt worden (darauf verweisen BayObLG [X.], 367, 368; [X.] [X.], 267; vgl. jetzt aber § 28e Abs. 1 [X.]V in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze, BT-Drucks. 16/6540). Für die sich aus § 52 [X.] ergebende Befugnis ist eine derartige Einschränkung [X.] nicht erkennbar. Soweit die Ansicht vertreten worden ist, es wäre Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Fortgeltung dieser Befugnis in der Insolvenz des [X.] anzuordnen (BayObLG [X.], 367 f), vermag der [X.] dem nicht zu folgen. Es hätte umgekehrt nahe gelegen, dass der Ge-setzgeber es ausgesprochen hätte, wenn die von § 52 [X.] verliehene [X.] in der Insolvenz nicht hätte gelten sollen. 28 Deutlich wird dies durch einen Vergleich mit den [X.], denen die [X.] ähnelt ([X.] 160, 107, 111). Auch die Aner-kennung von [X.] widerspricht dem [X.]. Es gibt jedoch eine Reihe von zur abgesonderten Befriedigung berechtigenden Rechtspositionen, die in der [X.] nur dem Typus nach oder überhaupt nicht geregelt sind (zu letzteren zählen etwa die [X.] aus einer Versicherung für fremde Rechnung oder das Befriedigungsrecht des Kommissionärs, vgl. MünchKomm-[X.]/Ganter, [X.]O vor §§ 49 bis 52 29 - 14 - Rn. 16). Die [X.] enthält insofern keine abschließende Regelung, sondern nur eine institutionelle Garantie der Absonderungsrechte (Münch-Komm-[X.]/Ganter, [X.]O vor §§ 49 bis 52 Rn. 9, 13). Ebenso wie diese [X.] in der [X.] nicht eigens genannt sein müssen, um in-solvenzrechtlich Bestand zu haben, kann auch nicht verlangt werden, dass die Verrechnungsbefugnis nach § 52 [X.], weil sie dem [X.] zuwiderläuft, in der [X.] ausdrücklich anerkannt wird. Damit wird zugleich das Argument widerlegt, nach Einleitung eines Insol-venzeröffnungsverfahrens hätten die eine bevorzugte Befriedigung [X.] Bestimmungen der [X.] spezialgesetzlichen Vorrang (so jedoch BayObLG [X.], 367, 368; [X.] [X.]O). In diesem Zusammenhang gewinnt ferner Bedeutung, dass die Insol-venzordnung teilweise - auch und gerade auf dem Gebiet der Aufrechnung - den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung weiter eingeschränkt hat als zu-vor die Konkursordnung. Sie verfolgt auch nicht das Ziel, "den Erhalt von [X.] im Insolvenzverfahren auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken" (so [X.] EWiR 2001, 593, 594). So bestimmt § 94 [X.] nun-mehr ausdrücklich, dass nicht nur eine Aufrechnungslage kraft Gesetzes, son-dern auch eine vertraglich vereinbarte insolvenzrechtlich Bestand hat. [X.] erweitert § 114 Abs. 2 [X.] die Aufrechnungsmöglichkeit, die nach dem früheren Recht durch § 55 Nr. 1 KO ausgeschlossen gewesen wäre. Eine Er-weiterung der Aufrechnungsmöglichkeit - die sonst durch § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen wäre - enthält auch die Vorschrift des § 110 Abs. 3 Satz 1 [X.] ([X.], Urt. v. 21. Dezember 2006 - [X.] ZR 7/06, [X.], 164, 165). Ei-nem Ziel, das es - zumindest in der geltend gemachten Unbedingtheit - nicht gibt, kann die insolvenzrechtliche Anerkennung der sozialrechtlichen Verrech-nungsmöglichkeit nicht widersprechen. Allerdings bezweckt die Insolvenzord-30 - 15 - nung, zu größeren Verteilungsmassen beizutragen (MünchKomm-[X.]/ Ganter, [X.]O § 1 Rn. 21). Dies kann jedoch nicht durch Umwertung von Rechten geschehen (MünchKomm-[X.]/Ganter, [X.]O § 1 Rn. 48). [X.] in gesicherte Rechtspositionen sind unzulässig. [X.]) Da nur § 94 - und nicht § 114 Abs. 2 - [X.] analog angewendet wird, versagt das Argument, als Ausnahmevorschrift sei § 114 Abs. 2 [X.] keiner ausdehnenden Anwendung fähig (in diesem Sinne [X.] [X.]O [X.]9). § 94 [X.] ist keine Ausnahmevorschrift. 31 ee) Ebenso wenig stichhaltig ist die Erwägung, die Zulassung der sozial-rechtlichen Verrechnung in der Insolvenz lasse den Fiskus wegen der [X.] leer ausgehen ([X.]. [X.] [X.] 2004, 415). Zum einen erhält der Sozialleistungsträger, der von seiner Verrechnungsmöglichkeit Gebrauch macht, nicht notwendig den gesamten pfändbaren Betrag des Einkommens des Schuldners. Zum andern droht dem Fiskus ein Ausfall nur, wenn er dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet und so die Eröffnung des [X.] ermöglicht hat. Die [X.] soll künftig entfallen (vgl. den am 22. August 2007 beschlossenen Regierungsentwurf eines Gesetzes zur [X.] mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen). 32 ff) Eine Schlechterstellung der weiteren Beteiligten kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, die Ermächtigung zur Verrechnung wäre nach Insolvenzeröffnung anfechtbar (vgl. dazu [X.] Z[X.] 2006, 169, 175). Die Ermächtigung verschafft - weil gesetzlich vorgesehen - der weiteren Beteiligten eine kongruente Deckung. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des [X.], dass eine während der "kritischen [X.]" im Wege der [X.] - 16 - vollstreckung erlangte Sicherung oder Befriedigung auch dann als inkongruent anzusehen ist, wenn die Vollstreckung auf einer spezialgesetzlichen Ermächti-gung der Finanzbehörden beruht ([X.] 157, 350, 351, 353; [X.], [X.]. v. 11. Oktober 2007 - [X.] ZR 87/06, [X.], 721 Rn. 3). Im vorliegenden Fall war der Gläubiger jedoch bereits vor Beginn der "kritischen [X.]" gesichert. Dann kann die anschließende Befriedigung durch Zahlung nicht angefochten werden ([X.] [X.]O). 3. Die Beschwerdeentscheidung ist somit aufzuheben; da nach dem festgestellten Sachverhältnis die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der [X.] in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 ZPO), die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls aufheben und den Antrag auf Ersetzung der fehlenden Zustimmung der weiteren Beteiligten zurückweisen. 34 Ganter Gehrlein [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.10.2006 - 3 [X.][X.], Entscheidung vom 01.03.2007 - 1 [X.]/06 -

Meta

IX ZB 51/07

29.05.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2008, Az. IX ZB 51/07 (REWIS RS 2008, 3726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3726

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