Bundessozialgericht, Urteil vom 22.06.2010, Az. B 1 KR 1/10 R

1. Senat | REWIS RS 2010, 5636

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenkasse - Krankenhaus - Aufwandspauschale für die Überprüfung der Abrechnung durch den MDK - Verminderung des Rechnungsbetrages - Aufwand infolge erneuter Befassung mit Behandlungs- und Abrechnungsfall - Einleitung des Prüfverfahrens durch fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses


Leitsatz

1. Ein Krankenhaus kann von einer Krankenkasse die Aufwandspauschale für die Überprüfung seiner Abrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung nur verlangen, wenn die Prüfung zur Verminderung des Rechnungsbetrags durchgeführt wurde und ihm ein Aufwand infolge erneuter Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall entstanden ist.

2. Ein Krankenhaus kann die Aufwandspauschale - auch dann, wenn keine Verminderung des Abrechnungsbetrags eintritt - nicht beanspruchen, wenn die Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst wurde.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 [X.]B V.

2

Die klagende GmbH ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses, in dem im Mai 2007 die bei der beklagten [X.] versicherte B. stationär behandelt wurde. Eine von der [X.] veranlasste Prüfung der Krankenhausabrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) ergab, dass - wie nicht streitig ist - das Krankenhaus die bei der Versicherten bestehende Hauptdiagnose in der Abrechnung nicht richtig kodiert hatte. Die anschließend vorgenommene Korrektur führte indessen - von der [X.] akzeptiert - zu keiner Änderung des [X.]. Dem Verlangen der Klägerin nach Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 [X.]B V in Höhe von 100 Euro trat die Beklagte allerdings entgegen, weil die [X.]-Prüfung nur durch die fehlerhafte Abrechnung der Klägerin veranlasst worden sei.

3

Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung von 100 Euro nebst Zinsen verurteilt (Urteil vom 24.9.2008). Deren - zugelassene - Berufung ist beim L[X.] ohne Erfolg geblieben: Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 275 Abs 1c Satz 3 [X.]B V sei alleinige Voraussetzung des Anspruchs auf die Aufwandspauschale, dass die vom [X.] durchgeführte Prüfung "nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags" führe. Daher bestehe der Anspruch auch dann, wenn die Abrechnung zwar fehlerhaft gewesen sei, die Korrektur des Fehlers aber keine Minderung des [X.] bewirke. Dem Anspruch stünden auch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung und das Verbot widersprüchlichen Verhaltens nicht entgegen (Urteil vom 6.8.2009).

4

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 275 Abs 1c Satz 3 [X.]B V sowie von § 242 BGB iVm § 69 Satz 3 [X.]B V aF. Der Zahlungsanspruch der Klägerin scheitere schon daran, dass dem [X.] kein allgemeiner Prüfauftrag erteilt, sondern nur die Prüfung der Richtigkeit der Hauptdiagnose übertragen worden sei. Da nach ständiger Rechtsprechung des B[X.] Krankenhausabrechnungen zur Ermöglichung von [X.] den Anforderungen der §§ 301 ff [X.]B V entsprechen müssten, könne zudem eine vom Krankenhaus unter Verstoß dagegen verursachte [X.]-Prüfung nicht zu einer Aufwandspauschale führen. Die Gesetzesbegründung zu § 275 Abs 1c [X.]B V gebe für eine gleichwohl bestehende Zahlungspflicht ebenso wenig her wie die Stellungnahme des [X.] ([X.]). Jedenfalls stelle die Geltendmachung des Anspruchs eine unzulässige Rechtsausübung und ein venire contra factum proprium dar; die Klägerin habe sie (die Beklagte) bei der [X.] in die Irre geleitet, sodass die Klägerin aus ihrem eigenen Fehlverhalten nun keine Vorteile ziehen dürfe. Das L[X.]-Urteil stehe auch nicht in Einklang mit dem Urteil des B[X.] vom 8.9.2009 - B 1 KR 11/09 R (zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 109 [X.] vorgesehen), wonach das Verhältnis zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen ([X.]) durch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten geprägt sei.

5

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des [X.] vom 6. August 2009 und des [X.] vom 24. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das L[X.]-Urteil für zutreffend. Das Gesetz differenziere nicht danach, mit welchem Prüfauftrag der [X.] eingeschaltet worden und wer dafür ursächlich gewesen sei. Der Gesetzgeber habe den Komplex unbürokratisch und ohne Widerspruch zu § 301 [X.]B V geregelt. Eine dem B[X.]-Urteil vom 8.9.2009 (aaO) vergleichbare Konstellation liege nicht vor.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die angefochtenen Urteile sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen.

9

Die Vorinstanzen haben die Beklagte zu Unrecht zur Entrichtung von 100 Euro verurteilt. Die Voraussetzungen für die Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] (mit Wirkung vom [X.] eingefügt durch das [X.] - [X.] - vom 26.3.2007, [X.]) sind nicht erfüllt.

1. Nach § 275 [X.] 1 [X.] sind die [X.] in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des [X.] einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] ordnet [X.] 1c Satz 1 der Regelung an, dass eine Prüfung nach [X.] 1 [X.] zeitnah durchzuführen ist. Dieses wird in [X.] 1c Satz 2 dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der [X.] einzuleiten und durch den [X.] dem Krankenhaus anzuzeigen ist. § 275 [X.] 1c Satz 3 bestimmt sodann: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des [X.] führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten."

Die letztgenannte Regelung stützt den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht. Der Anspruch scheitert zwar nicht schon an den Grundvoraussetzungen des § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] (dazu 2.), dh am Nichtvorliegen einer mit Hilfe des [X.] durchgeführten Prüfung iS von § 275 [X.] 1 [X.] und am Fehlen eines dem Krankenhaus verursachten zusätzlichen Aufwandes. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerin hat aber keinen Erfolg, weil die beklagte [X.] durch eine fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 [X.] einzuleiten; in derartigen Fällen löst allein die Wahrnehmung der den [X.] obliegenden in Ausfluss des [X.] normierten Prüfpflicht keine Aufwandspauschale nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] aus, selbst wenn sich der [X.] für die Krankenhausbehandlung anschließend nicht vermindert (dazu 3.).

2. Die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs der klagenden Krankenhausträgerin auf die Aufwandspauschale nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] sind erfüllt. Dazu gehört zum einen, dass überhaupt eine Prüfung iS von § 275 [X.] 1 [X.] iVm [X.] 1c Satz 1 [X.] mit dem Ziel einer Verminderung des Rechnungsbetrages für die Krankenhausbehandlung (§ 39 [X.]) eingeleitet und durchgeführt wurde (dazu a), und zum anderen, dass dem Krankenhaus durch die erneute Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstand (dazu b). Beides ist hier zu bejahen.

a) Die Durchführung einer die Aufwandspauschale nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] auslösenden Prüfung ist nicht schon bei jeglicher Rückfrage der [X.] beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung anzunehmen. Vielmehr muss es sich um eine Prüfung aus einem der in § 275 [X.] 1 [X.] iVm [X.] 1c Satz 1 [X.] genannten Anlässe und darf sich damit nicht um eine Stichprobenprüfung nach § 17c [X.] 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]G) handeln. Auch muss die [X.] den [X.] gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben, mit dem Ziel, in Verfolgung des [X.] zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, dh eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten [X.] zu erreichen. Das durch § 275 [X.] 1 [X.] ("… Erbringung von Leistungen, insbesondere … Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung …") allgemein eröffnete [X.] geht insoweit über den reinen Abrechnungsverkehr hinaus. Zielsetzung eines (möglicherweise) die Aufwandspauschale auslösenden Prüfauftrags an den [X.] muss aber in jedem Fall die Abklärung sein, ob aus dessen fachkundiger Sicht Gründe vorliegen - etwa im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung -, die die Höhe des [X.] rechtfertigen. Demgegenüber würde es für das Entstehen der Aufwandspauschale nicht ausreichen, wenn es darum geht, im Nachhinein eine vermutete Unterversorgung von Versicherten im Krankenhaus aufzudecken oder die Notwendigkeit ergänzender diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen im [X.] an die Krankenhausbehandlung eines Versicherten abzuklären.

Wie der Gesetzeswortlaut des § 275 [X.] 1 [X.] letzter Fall [X.] zeigt ("bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung"), können innerhalb des von § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] erfassten Bezugsrahmens auch jenseits einer rein medizinischen Beurteilung im engeren Sinne liegende sonstige "Auffälligkeiten" für das Entstehen des Anspruchs auf die Aufwandspauschale ausreichen. Das ist anzunehmen, wenn jedenfalls zu erwarten ist, dass sich die Zweifel der [X.] an einer "ordnungsgemäßen Abrechnung" mittels des medizinisch-ärztlichen Sachverstandes des [X.] und/oder seiner besonderen Kontroll- und Eingriffsbefugnisse (vgl § 276 [X.] 4 [X.]) klären lassen.

Die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen sind hier erfüllt: Bei der beklagten [X.] waren mit Rücksicht auf eine vom Krankenhaus vorgenommene auffällige Kodierung des Behandlungsfalls der Versicherten berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Krankenhausabrechnung aufgekommen. Dass die Beklagte - wie sie im Revisionsverfahren vorträgt - dem [X.] keinen "allgemeinen Prüfauftrag" erteilt, sondern den Auftrag auf die Prüfung der Richtigkeit der Hauptdiagnose beschränkt hatte, ist insoweit ohne Bedeutung. Ausreichend ist, dass die Beklagte mit ihrem Antrag jedenfalls primär das Ziel verfolgte, eine ordnungsgemäße, möglicherweise zu vermindernde Abrechnung herbeizuführen. Dieses Ziel war gegenüber dem Krankenhaus nur unter Einschaltung des [X.] zuverlässig erreichbar. Das Ziel der Beklagten war auf der Grundlage der für den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 SGG) auch nicht etwa auf ein außerhalb des Bereichs der Rechnungsminderung liegendes Ziel gerichtet.

b) Die gesetzliche Ausgestaltung der Zahlungspflicht der [X.] nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] als "Aufwandspauschale", dh als pauschaler Ausgleich eines Aufwandes des Krankenhauses für dessen Überprüfungsaktivitäten im [X.], erfordert des Weiteren, dass dem Krankenhaus auf den Prüfantrag hin überhaupt ein tatsächlicher Aufwand entstand. Ein aufwandsunabhängiger "Strafcharakter" oder "Sanktionscharakter" kommt dem Anspruch bzw der Zahlungspflicht dagegen nicht zu (anders bzw ungenau: [X.]/[X.], [X.] 2008, 350, 351; Schliephorst, [X.] 2007, 572, 573; vgl auch [X.], [X.] 2007, 446, 448 f).

Ein solcher Aufwand lag hier auf Seiten der Klägerin vor. Der [X.] führte tatsächlich eine Prüfung durch, welche beim Krankenhaus einen Verwaltungsaufwand durch die erneute Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall verursachte. Der dem Krankenhaus der Klägerin entstandene Aufwand ging über das ohnehin nach § 39 [X.] 1 Satz 2 [X.] für den Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung grundsätzlich Gebotene (Aufnahme bzw Weiterbehandlung "nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich …") sowie über die Erfüllung der üblichen Mitteilungs- und Abrechnungsobliegenheiten hinaus. Es verhielt sich nicht etwa so, dass der [X.] die [X.] bereits nach Kenntnisnahme des [X.] darauf hingewiesen hätte, dass eigentlich gar kein [X.] bestand und die [X.] daraufhin von der Weiterverfolgung ihres [X.] absah. Bei derartigen Sachverhaltsgestaltungen müsste der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale scheitern, weil dem Krankenhaus dann auch kein (pauschal) ausgleichsfähiger Zusatzaufwand entstanden wäre.

3. Entgegen der Ansicht des [X.] besteht ein Anspruch der klagenden Krankenhausträgerin gegen die beklagte [X.] auf die Aufwandspauschale nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] im vorliegenden Fall gleichwohl nicht. Der Anspruch scheidet aus, weil die Beklagte jedenfalls durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 [X.] unter Beteiligung des [X.] einzuleiten. In derartigen Fällen löst § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] mit Blick auf die zentrale Bedeutung des [X.] und die den [X.] zur Wahrung dieses Gebotes gesetzlich übertragenen Aufgaben keine Aufwandspauschale aus, selbst wenn sich der [X.] für die Krankenhausbehandlung anschließend im Ergebnis nicht verringert (ebenso wohl: [X.]/[X.], [X.] 2008, 350, 351, 352; aA [X.], [X.] 2007, 446, 449; [X.] in [X.]/[X.], LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 275 Rd[X.]4 ). Eine isoliert aus dem Wortlaut abgeleitete Auslegung, dass schon die "nicht zu einer Minderung des [X.]" führende [X.]-Prüfung einzige Voraussetzung für den Anspruch des Krankenhauses nach § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] ist, griffe dagegen zu kurz. Das folgt aus Sinn und Zweck der Regelung und ihrem funktionalen Zusammenspiel mit der Prüfpflicht nach § 275 [X.] 1 [X.] vor dem Hintergrund des gesamten Regelungszusammenhangs (dazu a) und wird letztlich auch durch die Gesetzesmaterialien bestätigt (dazu b).

a) Das Vorgehen der [X.] nach § 275 [X.] hat seinen Ursprung darin, dass es zu den elementaren Aufgaben einer [X.] gehört, auf die Einhaltung des [X.] (§ 2 [X.] 1 Satz 1, § 4 [X.] 3, § 12 [X.]) Acht zu nehmen, welches uneingeschränkt auch im Bereich des Leistungserbringungsrechts gilt (§ 70 [X.] 1 [X.]; vgl auch BSG Urteil vom [X.] - B 1 KR 29/09 R). Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung, die Pflicht der [X.] zu ihrer Bewilligung sowie die Pflicht des Krankenhausträgers zu ihrer Bewirkung hängen von der Beachtung des [X.] ab. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verknüpft die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen durch [X.] und [X.] untrennbar miteinander. Dieser enge Zusammenhang stellt keine auf die Krankenhausversorgung beschränkte Besonderheit dar, vielmehr findet sich Ähnliches auch zB bei den [X.] nach §§ 106, 106a [X.] im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung (zur Verklammerung vertragsärztlicher Wirtschaftlichkeitsprüfungen mit den Leistungsansprüchen der Versicherten vgl zB BSG <6. Senat> [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]6 ff; [X.], 276). Auch § 275 [X.] 1 [X.] basiert in diesem Sinne auf der gesetzlichen Pflicht einerseits der [X.], nur solche Leistungen zu bewilligen, und andererseits der Krankenhäuser, nur solche Leistungen zu bewirken, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] setzt deshalb [X.] voraus, dass die Behandlung notwendig bzw erforderlich war (vgl dazu und zu den sich daraus ergebenden Anforderungen näher nur: [X.] - BSGE 99, 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]0, Rd[X.]5 ff, 27 ff). § 275 [X.] 1 [X.] verpflichtet die [X.], eben diese Voraussetzungen zu überprüfen und hierzu ggf den [X.] einzuschalten. Allein die Erfüllung dieser gesetzlichen Prüfpflicht mit Hilfe der dazu bereichsspezifisch vorgesehenen Verfahren und Prüfsysteme (vgl auch die nach § 17c [X.] 2 [X.]G vorgesehene Stichprobenprüfung) kann aber nicht einseitige Zahlungsansprüche eines Krankenhauses zu Lasten einer [X.] auslösen, seien sie auch in das Gewand einer Aufwandspauschale gekleidet. Die für Prüfverfahren entstehenden Kosten sind vielmehr grundsätzlich Teil der Kosten der Leistungserbringung selbst, dh schon in die Vergütung für die erbrachten Leistungen mit "eingepreist" und können daher nur ausnahmsweise - unter eng umrissenen Voraussetzungen - den [X.] zusätzlich und allein auferlegt werden. Wird durch das Gesetz von vornherein ohnehin nur einem Teil (hier: der [X.]) die Pflicht zum pauschalen Ausgleich des Aufwandes des anderen Teils (hier: des Krankenhauses) auferlegt, dem anderen Teil (dem Krankenhaus) dagegen nicht auch die Pflicht zum Ausgleich des Aufwandes des anderen Teils (hier: der [X.] für das Aufgreifen und die Vorprüfung von unklaren Krankenhausabrechnungen), bedarf § 275 [X.] 1c [X.] schon zur Wahrung der Gleichgewichtigkeit der wechselseitigen Interessen von [X.] und Krankenhäusern einer einschränkenden Auslegung. Eine davon abweichende Sichtweise liefe vor dem Hintergrund des [X.] auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Belastung und Ungleichbehandlung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der sie finanziell tragenden Beitragszahler hinaus und ist selbst unter dem insoweit angeführten Aspekt hinzunehmender Detailungerechtigkeiten im Einzelfall (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum Entwurf des [X.], BT-Drucks 16/3100 [X.] zu [X.]85 <§ 275> zu Buchst a am Ende) - die nur zu Lasten nur der einen Seite gingen - nicht gewollt.

Die gänzliche Ausklammerung des Gesichtspunkts, dass ein Leistungserbringer wie das Krankenhaus selbst Gründe für die berechtigte Einleitung eines Prüfverfahrens gesetzt hat, widerspräche zudem in besonderem Maße den seit jeher bestehenden bereichsspezifischen Besonderheiten in den Leistungsbeziehungen zwischen [X.] und Krankenhaus, welche durch eine ständige professionelle Zusammenarbeit innerhalb eines dauerhaften Vertragsrahmens geprägt sind. So haben der 1. und 3. Senat des BSG wiederholt ausgesprochen, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und [X.] in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichten und dass diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen kann (vgl BSG <1. Senat> [X.]-2500 § 109 [X.]9 Rd[X.]6; [X.] vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R - Rd[X.]0, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; kritisch Korthus, [X.] 2010, 49 f). Vor diesem Hintergrund kann ein Krankenhaus an der nachträglichen Erhöhung einer zunächst fehlerhaft zu niedrig erstellten Abrechnung gegenüber der [X.] gehindert sein (BSG, 1. und 3. Senat, ebenda), ebenso wie umgekehrt Ansprüche einer [X.] gegen ein Krankenhaus aus Anlass der Rückzahlung zu viel gezahlter Vergütung betragsmäßig begrenzt sein können ([X.] vom [X.] - B 1 KR 8/09 R - Rd[X.]4 , zur Veröffentlichung in [X.]-2500 § 69 [X.] vorgesehen).

Mit diesem, das Rechtsverhältnis zwischen [X.] und Krankenhäusern prägenden Prinzip wäre es unvereinbar, dass Krankenhäuser den [X.] gegenüber ohne eigenes finanzielles Risiko unter Verstoß gegen ihre gesetzlichen Übermittlungspflichten aus § 301 [X.] fehlerhaft abrechnen könnten, während die zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit verpflichteten [X.] selbst bei nachgewiesener Fehlerhaftigkeit der Abrechnung eines Leistungserbringers der Gefahr ausgesetzt wären, gleichwohl die Aufwandspauschale zahlen zu müssen. Es wäre gerade das Gegenteil des beschriebenen rücksichtsvollen Verhaltens, würde es das Gesetz ermöglichen, die Aufwandspauschale selbst dann zu beanspruchen, wenn eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses - hier der Verstoß gegen die Pflicht zur korrekten Abrechnung - zu einer überflüssigen, nutzlosen Prüfung geführt hat oder wenn sich sogar der Abrechnungsbetrag im Nachhinein noch zu Lasten der [X.] erhöht (vgl zum "Verursacherprinzip" in einem ähnlichen Zusammenhang [X.] vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R - aaO, Rd[X.]6). § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] zielt vielmehr nur auf die Einschränkung von Prüfungen ab, die [X.] ohne berechtigten Anlass, ggf gar durch "missbräuchliche" [X.] eingeleitet haben, nicht aber auf Verfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist.

b) Die Gesetzesmaterialien bestätigen bei verständiger Würdigung das vorstehend gewonnene Auslegungsergebnis.

Anlass zur Schaffung des § 275 [X.] 1c Satz 3 [X.] bot ausweislich der Gesetzesbegründung der Umstand, dass einzelne [X.] die Prüfungsmöglichkeit nach § 275 [X.] 1 [X.] "in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise" zur Einzelfallsteuerung genutzt hatten; bei einzelnen [X.] hatten sich [X.] bis zu 45 % aller Krankenhausfälle ergeben. Dies führe - so die Gesetzesbegründung - insbesondere bei nicht zeitnahen Prüfungen zu "unnötiger Bürokratie", nämlich zu einer teilweise erheblichen Belastung der Abläufe in den Krankenhäusern mit zusätzlichem personellen und finanziellen Aufwand sowie zu in der Regel hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen mit Unsicherheiten bei Erlösausgleichen und Jahresabschlüssen. Um vor diesem Hintergrund "einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen entgegenzuwirken", wurde eine Aufwandspauschale von 100 Euro (ab 25.3.2009 durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom [X.], [X.], erhöht auf 300 Euro) eingeführt. Mit dieser Pauschale sollten unter dem Blickwinkel eines angestrebten Bürokratieabbaus Anreize gesetzt werden, Einzelfallprüfungen "zukünftig zielorientierter und zügiger" einzusetzen (so zum Ganzen: Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.] und [X.] zum Entwurf des [X.], BT-Drucks 16/3100 [X.] zu Nummer 185 <§ 275> zu Buchst a). Dem wird die unter a) dargestellte Auslegung gerecht.

Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich dagegen nicht herleiten, dass eine [X.] die Aufwandspauschale auch "unabhängig davon" entrichten muss, ob sie selbst oder das Krankenhaus die wesentlichen Gründe für die Einschaltung des [X.] gesetzt hatte. In den Materialen werden vielmehr auf der Grundlage der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen erkennbar nur die typischen unbefriedigend verlaufenen ("Bürokratie verursachenden") Verfahren angesprochen und zum Regelungsgegenstand gemacht, in denen es aus der Initiative der [X.] heraus zu einer übermäßig starken, "streufeuerartigen", stark zeitversetzten und/oder verzögernden Inanspruchnahme der Prüfmöglichkeit gekommen war. Ein solches Vorgehen einer [X.] konnte etwa durch das Bestreben motiviert gewesen sein, eigene Liquiditätsgewinne durch eine hinausgezögerte Rechnungsbegleichung zu erzielen (vgl aber zum Ausschluss von Einwendungen einer [X.] nach Treu und Glauben in solchen Fällen zB schon: [X.], 104, 110 = [X.] 3-2500 § 112 [X.] - "[X.] Fälle" ; BSG [X.]-2500 § 112 [X.] Rd[X.]3 ff; [X.], 182 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, RdNr 42). Während der Gesetzgeber bei missbräuchlichem Vorgehen von [X.] bzw bei nahezu routinemäßig [X.] im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch die Zahlung einer Aufwandspauschale als gerechtfertigt angesehen hat, kann dies schon im Ansatz nicht gleichermaßen für die Sachverhaltskonstellationen der hier vorliegenden Art angenommen werden.

Hinzu kommt, dass in den Gesetzesmaterialien Umstände, die für die Pflicht einer [X.] zur Zahlung der Aufwandspauschale irrelevant sein sollen, durchaus angesprochen werden, allerdings nur unter dem Blickwinkel, "die Verpflichtung zur Zahlung einer Aufwandspauschale durch die Krankenkasse … (entstehe) grundsätzlich unabhängig davon, ob eine Rechnung bereits beglichen ist oder nicht". Eine vergleichbare Wendung enthält die Gesetzesbegründung in Bezug auf die vorliegend streitige Frage nicht.

Die Gesetzesbegründung (aaO) gibt für die Ansicht des [X.] auch unter einem weiteren Gesichtspunkt nichts her. Darin ist zwar davon die Rede, dass mit der Pauschale "eine vereinfachte, aber unbürokratische Regelung verfolgt" werde, die "deshalb keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleisten" könne, zumal "aufgrund von Umfang und Komplexität der Kodierregeln Fehlabrechnungen mit zu hohen oder zu niedrigen Rechnungsbeträgen grundsätzlich nicht auszuschließen" seien. Diese Ausführungen stehen der aufgezeigten zutreffenden Auslegung des § 275 [X.] 1c [X.] jedoch nicht entgegen. Denn die Begründung bringt insoweit nur zum Ausdruck, dass keine Streitigkeiten gewollt sind, in denen die Beteiligten - bürokratieverursachend - nun mittelbare Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung des Krankenhauses führen, indem möglicherweise Rechtsschutz zu der Frage in Anspruch genommen wird, ob das Krankenhaus nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles von der [X.] die ihm entstandenen Kosten in Form der Aufwandspauschale des § 275c [X.] 1c Satz 3 [X.] beanspruchen kann. Um eine solche Auseinandersetzung geht es jedoch vorliegend nicht, weil positiv feststeht, dass die Klägerin tatsächlich eine von ihr zu verantwortende Falschkodierung vorgenommen hatte. Hätte der Gesetzgeber auch in derartigen Fällen eine umfassende Zahlungspflicht der [X.] und einen Ausschluss von Einwendungen gegen die Erhebung der Aufwandspauschale anordnen wollen, hätte es auf der Hand gelegen, sich an bereits existierenden Regelungsmodellen zu orientieren und die Aufwandspauschale ähnlich den für das sozialgerichtliche Verfahren geltenden Kostenregelungen als erfolgs- und verursacherunabhängige Pauschgebühr (vgl § 184 SGG) auszugestalten. Davon hat der Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht, unbeschadet des Problems, dass die Pauschgebühr hier - anders als im sozialgerichtlichen Verfahren - dem Beteiligten zuflösse, der für den Fehler selbst verantwortlich ist, und nicht einem unbeteiligten streitentscheidenden Dritten (oder etwa dem prüfenden [X.]).

c) Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang ergänzend angeführten Auffassung des [X.], die es in einer Stellungnahme vom 12.12.2007 geäußert hat, kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu.

4. [X.] beruht auf § 197a [X.] 1 Satz 1 SGG iVm § 154 [X.] 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 197a [X.] 1 Satz 1 SGG iVm § 52 [X.] 3 GKG.

Meta

B 1 KR 1/10 R

22.06.2010

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Koblenz, 24. September 2008, Az: S 6 KR 347/07, Urteil

§ 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 301 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.06.2010, Az. B 1 KR 1/10 R (REWIS RS 2010, 5636)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5636

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