Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2013, Az. B 1 KR 14/13 R

1. Senat | REWIS RS 2013, 197

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - keine Aufwandspauschale bei nicht fristgerechter Prüfanzeige - weite Auslegung von Prüfaufträgen an den MDK - Verpflichtung des MDK zu weiteren Ermittlungen bei zusätzlichen Verdachtsmomenten im Rahmen einer Auffälligkeitsprüfung


Leitsatz

1. Eine nicht fristgerechte Prüfanzeige schließt einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale aus.

2. Das Wirtschaftlichkeitsgebot fordert, einen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung erteilten Prüfauftrag grundsätzlich weit auszulegen, um der Befugnis der Krankenkasse zu umfassender Prüfung der Krankenhausabrechnung schon bei jeglicher Auffälligkeit zu entsprechen.

3. Stößt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung bei einer Auffälligkeitsprüfung einer Krankenhausabrechnung auf zusätzliche Verdachtsmomente, ist er schon auf der Grundlage des erteilten Prüfauftrags zu weiteren Ermittlungen mit gegebenenfalls wiederholter Anforderung der Behandlungsunterlagen verpflichtet.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. April 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nach § 275 Abs 1c [X.] [X.]B V.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherten [X.] (im Folgenden: Versicherter) vom 11. bis 13.2.2008 wegen einer geplanten Hauttransplantation nach [X.] stationär. Da sie im [X.] feststellte, brach sie die stationäre Behandlung ab und stellte die Behandlung in Rechnung (12.3.2008, zugleich Zugang bei der [X.]). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]), Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen ([X.]). Diese Prüfung ergab keine Beanstandungen (Gutachten vom [X.]). Anschließend beauftragte die Beklagte den [X.] zu klären, ob die Klägerin während der stationären Behandlung den Versicherten dialysiert habe (4.6.2008). Die Dialyse werde nicht im Gutachten aufgeführt. Der [X.] zeigte daraufhin "die Prüfung, den o.g. Krankenhausaufenthalt betreffend," an (Schreiben vom [X.]). Die Beklagte bezahlte die Aufwandspauschale von 100 Euro (Zahlungseingang bei der Klägerin am [X.]). Der [X.] bejahte nach erneuter Krankenhausbegehung die Frage der [X.] (16.7.2008). Eine Rechnungsminderung erfolgte nicht. Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos auf, eine weitere Aufwandspauschale von 100 Euro zu zahlen. Das [X.] hat ihre Klage abgewiesen: Es habe nur eine Abrechnungsprüfung im Rechtssinne stattgefunden (Urteil vom [X.]). Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] das [X.]-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 100 Euro nebst Zinsen verurteilt. Es habe sich um zwei selbstständige Aufträge gehandelt. Der erste habe die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung, der zweite den Nachweis der Dialyseleistung betroffen (Urteil vom 18.4.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 275 Abs 1c [X.] [X.]B V. Sie habe mit ihrem zweiten Schreiben den [X.] lediglich aufgefordert, das erste unvollständige Gutachten nachzubessern. Aus § 275 Abs 1c [X.]B V ergebe sich auch keine Anscheinshaftung für einen vermeintlich neuen Prüfauftrag.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 18. April 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 20. Juni 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das L[X.]-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das [X.] das SG-Urteil aufgehoben und auf die zulässige (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 [X.] ([X.], vgl nur [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.] 7) einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 100 Euro bejaht. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] (idF durch Art 1 [X.] Buchst a Gesetz zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung vom [X.], [X.], [X.]) sind nicht erfüllt. Der erkennende [X.] lässt offen, ob sich die Beklagte mit ihrer Nachfrage vom 4.6.2008 lediglich innerhalb des durch den ursprünglichen Prüfauftrag abgesteckten Rahmens hielt oder ob es sich dabei um einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag der Beklagten handelte. Im ersten Fall entstand mangels eines erneuten selbstständigen [X.] kein erneuter Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale (dazu 1.), im zweiten Fall hätte die Klägerin dem selbstständigen Prüfungsbegehren der Beklagten die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c [X.] entgegenhalten können (dazu 2.).

8

1. Es steht nicht fest, dass die Beklagte dem [X.] keinen zweiten Prüfauftrag erteilte, sondern lediglich im Rahmen des ersten Auftrags ergänzend nachfragte. Eine der Grundvoraussetzungen eines Anspruchs eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] ist, dass eine [X.] den [X.] überhaupt beauftragt, eine erteilte Abrechnung des Krankenhauses wegen Auffälligkeiten zu überprüfen und eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des [X.] zu einer Verminderung des Rechnungsbetrages für die Krankenhausbehandlung (§ 39 [X.]) zu gelangen (vgl grundlegend [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]3; dem folgend [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]5 f). Ohne die Erteilung eines zweiten [X.] war diese Voraussetzung nicht erfüllt. Dabei geht der erkennende 1. [X.] des BSG - in Übereinstimmung mit dem 3. [X.] des BSG (vgl [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]6) - davon aus, dass eine Aufwandspauschale bei einer Krankenhausbehandlung im Sinne eines abrechnungstechnischen Behandlungsfalls mehrfach anfallen kann, wenn die [X.] dem [X.] mehrere selbstständige Prüfaufträge erteilt.

9

Für die erforderliche Auftragserteilung genügt nicht etwa die Erteilung eines Auftrags zu einer Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 und 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.], eingefügt durch Art 2 [X.] Fallpauschalengesetz - [X.] - vom [X.], [X.] 1412 in der bis zum [X.] geltenden Fassung; inzwischen geändert durch Art 5c [X.] zur Beseitigung [X.] Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom [X.], [X.] 2423, und Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], BT-Drucks 17/13947 S 18 ff und [X.] ff) oder eine Anfrage aus anderen zulässigen Gründen. Zielsetzung eines (möglicherweise) die Aufwandspauschale auslösenden [X.] der [X.] an den [X.] muss in jedem Fall die Abklärung sein, dass aus dessen fachkundiger Sicht Gründe bestehen oder fehlen, die die Höhe des vom Krankenhaus bezifferten [X.] rechtfertigen. Voraussetzung und Anlass einer Auffälligkeitsprüfung ist lediglich, dass - zumindest - eine Auffälligkeit besteht. So liegt es, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der [X.] verwertbare Informationen (vgl zu Letzterem [X.]-2500 § 301 [X.] Rd[X.]3 und 35) Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des [X.] aufwerfen, die die [X.] aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den [X.] nicht beantworten kann (vgl [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]8; zustimmend BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - Rd[X.]5). Die Auffälligkeit begründet einen "Anfangsverdacht" (vgl Bericht des [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des [X.], BT-Drucks 14/7862 [X.] zu 2.7.). Es bedarf weder eines "konkreten" Verdachts noch muss ein solcher im Zweifel von der [X.] bewiesen werden (so etwa noch 3. [X.] des BSG im Urteil vom [X.], [X.], 142 = [X.]-2500 § 276 [X.], Rd[X.] 22 mwN, überholt durch Beschluss des [X.] vom 25.9.2007, [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]0; vgl dazu 1. [X.] des BSG, [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, Rd[X.]0 ff mwN).

[X.] hat früheren Versuchen, die im Ergebnis dazu führten, dass im Vergütungsstreit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des Krankenhauses vermutet wird (vgl [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]0, Rd[X.] 29), eine klare Absage erteilt. Der erkennende 1. [X.] des BSG hat hieraus abgeleitet: Beruft sich die [X.] ohne Rechtsmissbrauch gegenüber einem Anspruch auf Krankenhausvergütung auf die fehlende Erforderlichkeit der Behandlung, ist hierzu von Amts wegen zu ermitteln; die in der Krankenhausabrechnung enthaltene Bejahung der Notwendigkeit ist nicht ausschlaggebend (vgl [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, [X.] und Rd[X.] 20 - 22 mwN). Abgesehen von hier nicht eingreifenden gesetzlich geregelten Ausnahmen und atypischen, eng zu verstehenden, außergewöhnlichen Missbrauchskonstellationen - dürfen nachträgliche Einwendungen und Überprüfungsbefugnisse der [X.] wie des Gerichts weder faktisch noch rechtlich ausgeschlossen oder über die gesetzlichen Wertungen hinaus erschwert werden (vgl [X.], 181 = [X.]-2500 § 109 [X.]5, Rd[X.]0 ff mwN). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende 1. [X.] des BSG fest (unzutreffend insoweit BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - Rd[X.]5, zur [X.] vorgesehen; BSG Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - Rd[X.]7, zur [X.] vorgesehen in [X.]).

Ob eine [X.] einen erneuten Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung erteilt hat, bemisst sich nach denselben allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 S 4 [X.] idF durch Art 1 [X.] 40a [X.] vom [X.], [X.]) wie die Beantwortung der Frage, ob die [X.] überhaupt einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Minderung des [X.] erteilt hat (vgl [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]4). Dabei ist nicht allein auf die schriftliche, insbesondere formularmäßige Beschreibung des [X.] abzustellen, insbesondere hierbei nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen (§ 133 BGB). Namentlich sind auch ergänzende Umstände zu berücksichtigen, etwa eine rechtmäßige allgemeine Übung, mündliche Hinweise der [X.] oder vor Übersendung der Prüfanzeige an das Krankenhaus einvernehmlich zwischen [X.] und [X.] abgesprochene Prüfinhalte. Zu berücksichtigen ist auch die Interessenlage, insbesondere das [X.] zwischen Krankenhaus und [X.], und - wie dargelegt - der mit dem Auftrag verfolgte Zweck, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu achten. Erst daraus folgt, wie der [X.] den Prüfauftrag verstehen musste. Für die Frage, was Inhalt des [X.] ist, der sich nur an den [X.] richtet, kommt es bei alledem auf den [X.] des [X.], nicht eines [X.], an.

Wie der [X.] eingehend dargelegt hat, bedarf § 275 Abs 1c [X.] auch zur Wahrung der Gleichgewichtigkeit der wechselseitigen Interessen von [X.]n und Krankenhäusern und mit Blick auf das Regelungssystem im Zusammenspiel mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 2 Abs 1 S 1, § 4 [X.], § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 [X.]) einer einschränkenden Auslegung (vgl ausführlich [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]8 ff; [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]6 mwN). Dies bedingt im vorliegenden Zusammenhang, grundsätzlich von einem weiten Prüfauftrag auszugehen, soweit die [X.] nicht ausdrücklich Einschränkungen vorgegeben hat, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot bestmöglich gerecht zu werden. Von diesem Verständnis hat auch der [X.] nach seinem [X.] auszugehen. Insbesondere darf aus dem Umstand, dass eine im Einzelfall mögliche Abrechnungsprüfung das Vorhandensein von Auffälligkeiten voraussetzt (vgl [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]8), nicht abgeleitet werden, dass sich ein Prüfauftrag auf die nach Mitteilung der [X.] ergebenden Auffälligkeiten zu beschränken hat, wenn die [X.] ihm aus Anlass der Auffälligkeit einen umfassenden Prüfauftrag erteilt hat. Denn die Auffälligkeit begründet einen "Anfangsverdacht" (vgl oben), der Grund für eine umfassende Prüfung sein kann.

Soweit der [X.] bei seiner Prüfung der Behandlungsunterlagen und/oder bei einer Krankenhausbegehung weitere, der [X.] zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellt, die bei einem eingeschränkten Prüfauftrag über die durch ihn gezogenen Grenzen hinausgehen, entfaltet der ursprüngliche Prüfauftrag keine Sperrwirkung. Der [X.] darf und muss dann - gegebenenfalls nach Rückfrage bei der [X.] - weitere Ermittlungen anstellen. Dies folgt zwingend aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 [X.]) und dem Zweck der Abrechnungsprüfung, auf eine ordnungsgemäße Abrechnung hinzuwirken (§ 275 Abs 1 [X.] [X.]).

Das Vorgehen der [X.]n nach § 275 Abs 1 [X.] hat seinen Ursprung darin, dass es zu den elementaren Aufgaben einer [X.] gehört, auf die Einhaltung des [X.] [X.] zu geben. Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung, die Pflicht der [X.] zu ihrer Bewilligung sowie die Pflicht des Krankenhausträgers zu ihrer Bewirkung hängen von der Beachtung des [X.] ab. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verknüpft die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen durch [X.]n und [X.] untrennbar miteinander. Verpflichtungen zu rechtsgrundlosen Zahlungen der [X.] an Leistungserbringer sind danach mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich nicht zu vereinbaren ([X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.], Rd[X.]4).

Die [X.]n sind bei umfassenden Prüfaufträgen oder eingeschränkten Prüfaufträgen, die weitere Verdachtsmomente aufgedeckt haben, solange befugt, erneut Informationen von den Krankenhäusern anzufordern, wie es dafür sachgerechte Gründe gibt. Dies kann im Einzelfall die Pflicht begründen, dem [X.] auch wiederholt Behandlungsunterlagen zugänglich zu machen. In keinem Fall ist dagegen die Aufwandspauschale als Entgelt für eine einmalige Zurverfügungstellung von [X.] zu verstehen, die mit jeder weiteren Anforderung zwingend erneut anfällt.

Unerheblich ist hingegen für die Auslegung der Reichweite eines von der [X.] erteilten [X.], dass die [X.] eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c [X.] bereits bezahlt hat. Die Zahlung allein stellt - vorbehaltlich einer besonderen Erklärung - keinen Verzicht darauf dar, aufgrund des Auskunftsanspruchs aus dem bisherigen Prüfauftrag weitere Informationen einzufordern. Eine Nachfrage ist bereits dann - ohne erneute Aufwandspauschale - vom Krankenhaus zu beantworten, wenn sie sich im Rahmen des [X.] hält und dafür sachgerechte Gründe vorliegen. Für die Überlegung, dass die Zahlung der Aufwandspauschale einen der Abnahmeerklärung im Werkvertragsrecht (§ 640 BGB) entsprechenden Erklärungswert haben könnte, fehlt jegliche rechtliche Grundlage.

Der erkennende [X.] kann mangels näherer Tatsachenfeststellungen des [X.] ausgehend von den aufgezeigten Auslegungsgrundsätzen nicht abschließend entscheiden, dass der zunächst erteilte Auftrag der Beklagten, Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen, sich auch auf die tatsächliche Vornahme einer Dialyse erstreckte. Der Gesamtvorgang der Krankenhausbehandlung war für die Sachbearbeitung der Beklagten unplausibel aufgrund der Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne, dass während der zweitägigen stationären Behandlung nichts Substantielles zu geschehen schien. Andererseits bezweifelt der weit gefasste erste Prüfauftrag (handschriftliche Bemerkung der [X.]: "keine Notfallaufnahme, keine Maßnahmen ersichtlich") nicht, dass die Klägerin die abgerechneten Leistungen erbrachte. Allerdings findet sich bereits unter dem [X.] ein Vermerk des [X.], der die Notwendigkeit der stationär erbrachten Dialyse in Zweifel zieht ("amb Dialyse möglich?"). Diese Fragestellung hält sich innerhalb des Rahmens des sich aus der Frage nach der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ergebenden Prüfungsumfangs. Soweit die Beklagte aufgrund des knapp gehaltenen Gutachtens nachfragte, ob die Klägerin den Versicherten tatsächlich dialysiert habe, kommt naheliegend in Betracht, dass die Beklagte lediglich der Vollständigkeit halber eine Ergänzung des Gutachtens veranlassen wollte. Denn hätte der [X.] bei der Prüfung der von ihm selbst thematisierten Notwendigkeit der stationären Dialyse eine Falschabrechnung erkannt, hätte die Beklagte erwarten dürfen, dass er ihr dies unaufgefordert mitteilt. Der [X.] kann aber letztlich auch nicht ausschließen, dass die Beklagte den [X.] im Rahmen eines ganz neuen, anders ausgerichteten Auftrags damit betraute, festzustellen, dass die Klägerin nicht erbrachte Leistungen abgerechnet hatte. Eine Ermittlung des Gewollten wäre nur nach Ermittlung der näheren Umstände möglich, die das [X.] nicht festgestellt hat.

Die Prüfung der Nichterbringung von abgerechneten Behandlungsmaßnahmen durch erneute Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen geht jedenfalls über die Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der tatsächlich erbrachten stationären Behandlung qualitativ hinaus, wenn - wie hier - eine zuvor erfolgte [X.]-Prüfung keine dahingehenden neuen Verdachtsmomente ergeben haben sollte. Soweit die Beklagte dem [X.] einen entsprechenden Auftrag erteilt haben sollte, obwohl die Prüfung des [X.] bei seiner ersten Begehung am 23.4.2008 keine weitere Auffälligkeit ergeben hatte, handelte es sich um einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung und der [X.] kann auch die Frage offenlassen, welche Rechtsfolgen sich aus einem vom [X.] fälschlich angenommenen und gegenüber dem Krankenhaus angezeigten Prüfauftrag ergeben. Denn selbst bei einem von der Beklagten so gewollten und vom [X.] auch so verstandenen Prüfauftrag steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung einer zweiten Aufwandspauschale zu.

2. § 275 Abs 1c [X.] eröffnet der Klägerin auch bei Erteilung eines zweiten [X.] schon deswegen keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, weil die Klägerin einem - auf der dritten Stufe angesiedelten - zweiten selbstständigen [X.] der Beklagten durchgreifende Einwendungen hätte entgegenhalten können. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Beklagte dem [X.] einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag erteilte, fehlt es hier jedenfalls an einer fristgemäßen erneuten Prüfanzeige, die geeignet gewesen wäre, die Klägerin rechtmäßig zu einem weiteren Verwaltungsaufwand zu verpflichten. Soweit das Krankenhaus einen Prüfaufwand dadurch vermeiden kann, dass es sich zu Recht auf den Fristablauf des § 275 Abs 1c [X.] (vgl [X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.], Rd[X.]9) beruft (vgl aber auch [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]6 dazu, dass eine Zwischenrechnung den Lauf der Ausschlussfrist nicht in Gang setzen kann), aber gleichwohl dem [X.] vorbehaltlos entspricht, beruht sein Verwaltungsaufwand nicht wesentlich auf dem Prüfauftrag der [X.] und begründet deswegen keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale. Ein Grundsatz "dulde und liquidiere" besteht insoweit nicht. Dies folgt aus dem Zweck der Aufwandspauschale (dazu a) und der Binnensystematik des § 275 Abs 1c [X.] (dazu b). Handelte es sich um einen zweiten Prüfauftrag, wäre die Klägerin aufgrund der Prüfanzeige des [X.] befugt gewesen, den Fristablauf des § 275 Abs 1c [X.] gegen die Erhebung von [X.] im Krankenhaus zur Überprüfung der Schlussrechnung einzuwenden (dazu c).

a) Der Gesetzgeber sah nach der Entstehungsgeschichte lediglich bei missbräuchlichem Vorgehen von [X.]n bzw bei nahezu routinemäßig [X.] im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch die Zahlung einer Aufwandspauschale als gerechtfertigt an (vgl [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.] 24). Zweck der Aufwandspauschale im Sinne des § 275 Abs 1c [X.] ist es, nur sachwidrige Aufträge der [X.]n an den [X.] im dargelegten Sinne zu verhindern, die der gezielten Überprüfung von Abrechnungen dienen (vgl [X.]-2500 § 275 [X.] Rd[X.]5). Die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale soll auf das Verhalten der [X.]n einwirken, indem sie ihre rechtliche Befugnis, die Übermittlung von [X.] an den [X.] zu erzwingen, intern abwägen und von voraussichtlich erfolglosen, tendenziell missbräuchlichen Prüfaufträgen Abstand nehmen. Dementsprechend betrifft § 275 Abs 1c [X.] nur die Fallgestaltungen, in denen das Krankenhaus überhaupt verpflichtet ist, dem [X.] aufgrund des [X.] der [X.] [X.] zur Verfügung zu stellen.

b) Hingegen konkretisiert und sichert § 275 Abs 1c [X.] abschließend den sich aus § 275 Abs 1c S 1 [X.] ergebenden Beschleunigungsgrundsatz durch die Einführung einer Frist (vgl [X.], 214 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]0; [X.], 141 = [X.]-2500 § 275 [X.], Rd[X.]0 und 33 ff; zur Nichtigkeit weitergehender vertraglicher Regelungen vgl [X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.], Rd[X.]5 ff). Die Regelung führt eine Frist von sechs Wochen nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der [X.] ein, innerhalb derer die [X.] die Prüfung einzuleiten und der [X.] dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat. In der Rechtsprechung der in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür zuständigen [X.]e des BSG ist geklärt, dass diese Frist nur Bedeutung erlangt, wenn dem [X.] über eine Anzeige nach § 301 [X.] und die Vorlage eines Kurzberichtes hinausgehend weitere Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sind. Der ungenutzte Ablauf der Frist führt lediglich dazu, dass [X.] und [X.] bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der [X.] im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat (vgl [X.], 156 = [X.]-2500 § 114 [X.], Rd[X.]9 mwN; [X.]-2500 § 301 [X.] Rd[X.] 28 mwN). Dies hindert das Krankenhaus nach Fristablauf nicht daran, dem [X.] angeforderte [X.] aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Es ist bloß berechtigt, entsprechende Anforderungen zu verweigern und ggf abzuwehren. Ebenso bleibt das Recht der [X.] unberührt, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen (vgl zB [X.]-2500 § 301 [X.] Rd[X.]5-36). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende [X.] fest. Fordert die [X.] vom Krankenhaus nach Ablauf der Frist des § 275 Abs 1c [X.], dem [X.] [X.] zur Verfügung zu stellen, und erfüllt das Krankenhaus diesen Wunsch, beruht dies wesentlich darauf, dass das Krankenhaus von dem spezifisch für diesen Fall vom Gesetzgeber vorgesehenen Recht, die Herausgabe von [X.] zu verweigern, keinen Gebrauch macht.

Das Gesetz schützt Krankenhäuser vor unverhältnismäßigen, nicht sachgerechten Auffälligkeitsprüfungen mittelbar durch den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl Entwurf eines [X.], BT-Drucks 16/3100 S 171). Sie bedürfen aber dann keines mittelbaren Schutzes mehr, wenn sie infolge Fristablaufs eine Herausgabe von [X.] an den [X.] verweigern können und autonom darüber entscheiden, ob sie dem Herausgabeverlangen freiwillig entsprechen.

c) Die Klägerin hätte einem Auskunftsverlangen aufgrund eines zweiten, neuen [X.] der Beklagten den Fristablauf des § 275 Abs 1c [X.] entgegenhalten können. Die Prüfanzeige des [X.] vom 9.6.2008 stellte sich nach dem [X.] der Klägerin als Mitteilung eines erneuten selbstständigen [X.] der Beklagten dar. Sie enthielt keine Bezugnahme auf die erste Prüfanzeige vom [X.] und auf die sich daraus ergebende Prüftätigkeit. Ausgehend von einem zweiten, neuen Prüfauftrag der Beklagten vom 4.6.2008 war die [X.] des § 275 Abs 1c [X.] längst abgelaufen, als die Prüfanzeige des [X.] vom 9.6.2008 einging. Die Schlussrechnung war bereits am 12.3.2008 der Beklagten zugegangen.

3. Nur ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass der Auskunftsanspruch aufgrund eines fortbestehenden [X.] der [X.] nicht dadurch untergeht, dass der [X.] beim Krankenhaus versehentlich den Eindruck eines neuen selbstständigen [X.] erweckt. Wenn der [X.] eine Nachfrage der [X.] im Rahmen des bisherigen [X.] als neuen selbstständigen Prüfauftrag gegenüber dem Krankenhaus anzeigt und dieses sich zunächst zutreffend auf § 275 Abs 1c [X.] beruft, bleibt es der [X.] unbenommen, den Sachverhalt gegenüber dem Krankenhaus durch den [X.] oder auch selbst richtigzustellen. Insoweit weist der erkennende [X.] vorsorglich auch darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung die Regelung des § 275 Abs 1 [X.] [X.] der [X.] keinen bestimmten Weg für die Einleitung und Fortführung des Begutachtungsverfahrens vorschreibt. Auch bildet § 275 Abs 1c [X.] mit der Prüfanzeige des [X.] gegenüber dem Krankenhaus lediglich den Regelfall ab. Die Regelung schließt ein anderes Vorgehen nicht aus. Hierfür gäbe es auch keine Sachgründe. Es ist zulässig, dass sich die [X.] direkt an das Krankenhaus wendet und ihm einen dem [X.] erteilten Prüfauftrag fristwahrend anzeigt.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.] iVm § 154 Abs 1 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und [X.] sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 14/13 R

17.12.2013

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Speyer, 20. Juni 2012, Az: S 17 KR 190/11, Urteil

§ 2 Abs 1 S 1 SGB 5, § 4 Abs 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 39 SGB 5, § 69 S 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 70 Abs 1 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 301 SGB 5, § 17c Abs 2 KHG, § 17c Abs 3 KHG, § 133 BGB, § 640 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.12.2013, Az. B 1 KR 14/13 R (REWIS RS 2013, 197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 197

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 17/14 R (Bundessozialgericht)


B 1 KR 23/14 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Abrechnungsprüfung bei Auffälligkeit - Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S …


B 1 KR 24/14 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhaus - Krankenhausbehandlung - Prüfverfahren durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung - Anspruch auf …


B 1 KR 29/13 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Krankenhausbehandlung - unbefristete Obliegenheit des Krankenhauses zur Darlegung der tatsächlichen Voraussetzungen einer berechneten …


B 1 KR 23/16 R (Bundessozialgericht)

(Krankenversicherung - Krankenhaus - Abrechnungsprüfung - Aufwandspauschale - Anspruch auf Prüfauftrag zur Auffälligkeitsprüfung beschränkt - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.