Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.01.2015, Az. II ZR 444/13

2. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16914

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Gegenstand

Treuhandvermittelte Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft zu Kapitalanlagezwecken: Kündigung durch den Treugeber und Voraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung eines Abfindungsguthabens


Leitsatz

Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen im Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden ist.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 13. August 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Stufenklage zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger beteiligte sich mit einer Einlage in Höhe von 20.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.000 € gemäß Beitrittserklärung vom 5. November 2005 über die Beklagte zu 4 als Treuhandkommanditistin an der [X.] zu 1, einem Prozesskostenhilfefonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. Mit der Behauptung, er sei über die Risiken der Beteiligung unzureichend aufgeklärt worden, hat er von den [X.] Rückzahlung seiner Einlage und Ersatz von Anwaltskosten Zug um Zug gegen Übertragung seiner Gesellschaftsbeteiligung sowie die Feststellungen verlangt, dass die [X.] mit der Annahme des Angebots zur Übertragung der Beteiligung im Verzug seien und dass die Beklagte zu 1 aus dem Beteiligungsvertrag keine Rechte mehr herleiten könne. Hilfsweise hat er im Wege der Stufenklage Rechnungslegung über sein [X.] begehrt. Über die Vermögen der [X.] zu 2 bis 4 - Komplementärin, [X.] und Treuhänderin der [X.] zu 1 - sind mittlerweile Insolvenzverfahren eröffnet worden.

2

Das [X.] hat durch Teilurteil die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Der Senat hat die Revision insoweit zugelassen, als die Berufung hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Stufenklage zurückgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe

3

Über die Revision ist, da die Beklagte zu 1 trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht ([X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81).

4

Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision steht fest, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) auf Rückzahlung seiner Einlage und Ersatz der Anwaltskosten hat. Weiter sind die Feststellungsanträge des [X.] rechtskräftig abgewiesen. Erfolg hat aber seine Revision, die sich nur gegen die Abweisung der hilfsweise erhobenen Stufenklage richtet.

5

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung des [X.] ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu. Denn er sei nicht Gesellschafter der Beklagten geworden. Etwaige Ansprüche könnten sich nur aus dem Treuhandvertrag ergeben. Diese richteten sich aber allein gegen die Beklagte zu 4 als Treuhänderin. Fehle es damit an den Voraussetzungen des mit der Stufenklage verfolgten Anspruchs, könne die Stufenklage insgesamt abgewiesen werden.

6

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht in allen Punkten stand.

7

Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Kläger bei Abschluss des [X.] über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht verständlich und vollständig aufgeklärt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juli 2013 - [X.], [X.], 1616 Rn. 33) und dass dieser Aufklärungsmangel für seine [X.] ursächlich geworden ist. Damit hat er als Treugeber, der nach dem Treuhand- und dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis einem Kommanditisten gleichgestellt ist, ein Recht auf außerordentliche Kündigung des Treuhand- und Gesellschaftsvertrags und einen Anspruch auf Zahlung eines nach den Regeln des Gesellschaftsvertrags oder - soweit der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen enthält - den gesetzlichen Bestimmungen zu berechnenden - möglichen - Abfindungsguthabens. Folglich hat er auch einen Anspruch gegen die Beklagte, dass sie eine Auseinandersetzungsbilanz aufstellt und ihm so Rechnung legt.

8

1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass im Falle einer so genannten offenen oder qualifizierten Treuhand die an der [X.] ihr gesellschafterliches Innenverhältnis so gestalten können, als ob die Treugeber selbst Gesellschafter wären. Durch eine solche Regelung besteht für die Beteiligten die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehungen untereinander der wirklichen Sachlage anzupassen. In dieser Hinsicht, d.h. bezogen auf das Innenverhältnis, sind sie durch zwingendes Recht nicht eingeschränkt. Die Gestaltung ihrer internen Rechtsbeziehungen ist im allgemeinen einer freien vertraglichen Vereinbarung zugänglich ([X.], Urteil vom 11. Oktober 2011 - [X.], [X.], 2299 Rn. 16 ff.; s. auch [X.], Urteil vom 13. Mai 1953 - [X.], [X.]Z 10, 44, 49 f.; Urteil vom 30. März 1987 - [X.], [X.], 912, 913; Urteil vom 20. März 2006, [X.], 849 Rn. 7; Urteil vom 13. Juli 2006 - [X.], [X.], 1631 Rn. 10; Urteil vom 23. April 2012 - [X.], [X.], 1342 Rn. 9; Urteil vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.]Z 196, 131 Rn. 13 ff.; ebenso [X.], Urteil vom 9. Juli 2013 - [X.], [X.], 1616 Rn. 30 f. bezüglich der ähnlich wie vorliegend ausgestalteten und ebenfalls von [X.]    als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Vorstand der [X.] initiierten [X.] und Dritte [X.] Prozesskostenfonds KG).

9

Nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags, den der Senat selbst auslegen kann (st. Rspr., siehe nur [X.], Urteil vom 16. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 116, 359, 364; Urteil vom 19. März 2007 - [X.], [X.], 812 Rn. 18, jeweils mwN), und unter Berücksichtigung des [X.] und der Beitrittserklärung des [X.] handelt es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen einerseits der Treuhandkommanditistin und der Beklagten und andererseits dem Kläger als Treugeber nicht um ein einfaches Treuhandverhältnis, sondern um eine von gesellschaftsrechtlichen Bindungen überlagerte Treuhandbeziehung. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrags sollen die Treugeber im Innenverhältnis wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt werden. Das soll insbesondere gelten für die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust, an der Verteilung des Auseinandersetzungsguthabens sowie für die Ausübung der Stimm- und Kontrollrechte. Dementsprechend heißt es in § 8 des [X.], dass der Treugeber wirtschaftlich die Stellung haben solle, als wäre er unmittelbar beteiligter Kommanditist. Der Gesellschaftsvertrag solle für und gegen ihn gelten. Damit hat der Kläger als "Quasi-Gesellschafter" im Innenverhältnis zur Beklagten alle Rechte, die auch ein Kommanditist hat.

2. Zu diesen Rechten gehört auch das Recht des Anlegers, sich durch eine außerordentliche Kündigung von dem Vertrag zu lösen, wenn er - wie hier zu unterstellen ist - durch eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung über die für seine Anlageentscheidung erheblichen Umstände zum Beitritt bestimmt worden ist.

Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft kann sich der Gesellschafter nicht - etwa aufgrund einer Irrtumsanfechtung - mit Wirkung ex tunc von dem fehlerhaften Beitrittsvertrag lösen. Er kann seine Gesellschafterstellung aber durch eine Kündigung mit Wirkung ex nunc beenden (st. Rspr., siehe etwa [X.], Urteil vom 19. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 104 Rn. 11; Beschluss vom 12. Juli 2010 - [X.], [X.], 2497 Rn. 6, [X.] in Baumbach/[X.], [X.], 36. Aufl., § 105 Rn. 92 f., jeweils mwN). Die Rechtsfolgen einer derartigen Kündigung ergeben sich aus den für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorgesehenen gesetzlichen Regeln der §§ 738 ff. [X.], 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 [X.], sofern und soweit nichts anderes vereinbart ist ([X.], Urteil vom 15. Mai 2000 - [X.], [X.], 1208, 1209 f.; [X.] in [X.].[X.], 5. Aufl., § 105 Rn. 359 f.; Wertenbruch in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, [X.], 3. Aufl., § 105 Rn. 277 f.).

3. Von diesem Kündigungsrecht hat der Kläger nach seinem Vortrag mit Schreiben vom 16. November 2010, spätestens aber mit der Klageerhebung am 1. November 2011 Gebrauch gemacht. Denn jedenfalls mit der Klage hat er zu erkennen gegeben, dass er nicht weiter (Quasi-)Gesellschafter der Beklagten sein wolle.

4. Danach ist die Beklagte verpflichtet, nach § 738 [X.] und § 24 des Gesellschaftsvertrags eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, um die Höhe des Abfindungsanspruchs des [X.] - oder des von ihm auszugleichenden [X.] - zu ermitteln.

III. [X.] muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

1. So muss das Berufungsgericht Feststellungen zu der Frage treffen, ob der Kläger bei seinem Beitritt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Dabei wird es die Entscheidung des Senats vom 9. Juli 2013 ([X.], [X.], 1616 Rn. 34) zu den ähnlich strukturierten [X.]     GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG und Dritte J.     GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG zu beachten haben.

2. Weiter muss das Berufungsgericht den Stichtag der Rechnungslegung feststellen. Die dafür maßgebliche Bilanz ist nach § 24 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags zum letzten Bilanzstichtag vor dem Zugang der Kündigungserklärung aufzustellen. Dazu ist aufzuklären, ob und gegebenenfalls wann der Beklagten das Kündigungsschreiben des [X.] vom 16. November 2010 zugegangen ist. War das im Jahr 2010, ist Stichtag der 31. Dezember 2009, sofern das Geschäftsjahr der Beklagten mit dem Kalenderjahr übereinstimmt. Ansonsten ist die Kündigungserklärung in Form der Klage erst im Jahr 2011 zugegangen, so dass auf die Bilanz zum 31. Dezember 2010 abzustellen wäre.

IV. Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim [X.] zugelassenen Rechtsanwältin oder einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim [X.], [X.]. 45a, 76133 [X.] (Postanschrift: 76125 [X.]) einlegen.

Bergmann                     Strohn                    Reichart

                  Drescher                    Born

Meta

II ZR 444/13

20.01.2015

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 13. August 2013, Az: 14 U 105/12

§ 161 HGB, § 738 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 20.01.2015, Az. II ZR 444/13 (REWIS RS 2015, 16914)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1169 REWIS RS 2015, 16914

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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