Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2024, Az. VII ZR 446/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1519

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 12. April 2021 aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 30.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2

Er erwarb im April 2014 von einem Autohändler ein von der [X.] hergestelltes Fahrzeug [X.] als Neuwagen zu einem Kaufpreis in Höhe von 34.523,01 €. Das Fahrzeug verfügt über einen von der [X.] entwickelten und hergestellten Dieselmotor des Typs [X.], der zum Zeitpunkt des Verkaufs mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die über zwei unterschiedliche Betriebsmodi verfügte, welche die Abgasrückführung steuerten. Die Motorsteuerungssoftware erkannte, ob sich der Pkw im regulären Straßenbetrieb oder auf einem Rollenprüfstand zur Durchführung des [X.] ([X.]), auf dem die Einhaltung der geltenden Emissionsgrenzwerte durch den Pkw geprüft wird, befindet. Im [X.], der im [X.] aktiv war, kam es zu einer NOx-optimierten höheren Abgasrückführungsrate, während unter den im normalen Straßenverkehr auftretenden Fahrbedingungen ein partikeloptimierter Modus 0 aktiv wurde. Der Betriebsmodus 1 wurde über die [X.] selbständig in Prüfsituationen aktiviert.

3

Das [X.] ([X.]) beanstandete diese Prüfstandserkennung. Im Rahmen einer Pressemitteilung vom 22. September 2015 veröffentlichte die Beklagte die Verwendung der entsprechenden Motorsteuerungssoftware. Sie richtete eine Webseite zur individuellen Überprüfung der Betroffenheit der von den Kunden erworbenen Fahrzeuge ein. Mit der Pressemitteilung vom 25. November 2015 gab die Beklagte bekannt, auf [X.] für die betroffenen Dieselmotoren des Typs [X.] Software-Updates zur Beseitigung der Umschaltlogik durchzuführen. Sie teilte mit, dass nach Aufspielen des Software-Update die Bedenken des [X.] hinsichtlich der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs entfielen.

4

Mit der mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 erhobenen und der [X.] am 10. September 2020 zugestellten Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung verlangt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befinde, und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

5

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit es für die Revision von Interesse ist, ausgeführt:

9

Der Schadensersatzanspruch des [X.] wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß §§ 826, 31 [X.] sei verjährt. Dem Kläger sei eine Klageerhebung bereits im [X.] zumutbar gewesen, weil er in diesem Jahr zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis von den für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen gehabt habe. Er habe zudem spätestens seit dem [X.] positive Kenntnis von den anspruchsbegründenden [X.] gehabt, weil er im [X.] durch ein Schreiben der Beklagten von der Betroffenheit seines Fahrzeugs von dem [X.] unterrichtet worden sei. Der Kläger habe eingeräumt, ein solches Schreiben im Jahre 2016 erhalten zu haben. Der im [X.] erfolgte Versand solcher Schreiben an die betroffenen Fahrzeugeigentümer sei zudem gerichtsbekannt. Im Zeitpunkt der Erhebung der Klage im Jahr 2020 sei die Verjährung bereits eingetreten gewesen, weshalb die Verjährungsfrist nicht mehr habe gehemmt werden können.

Soweit die Berufung rüge, das [X.] habe zu Unrecht einen Herausgabeanspruch gemäß § 852 [X.] nach Eintritt der Verjährung verneint, fehle es an einer ausreichenden Berufungsbegründung. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO müsse die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergebe. [X.] das Ersturteil mehrere prozessuale Ansprüche, so sei für jeden dieser Ansprüche eine den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung erforderlich.

Eine solche Begründung liege hinsichtlich eines Anspruchs des [X.] aus § 852 ZPO nicht vor. Dass die Berufung die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verjährung eines möglichen Schadensersatzanspruches gemäß §§ 826, 31 [X.] angegriffen habe, sei nicht ausreichend. Das erstinstanzliche Urteil habe mehrere prozessuale Ansprüche betroffen, weil dem auf § 826 [X.] gestützten Schadensersatzbegehren ein anderer Streitgegenstand zugrunde liege, als dem aus § 852 [X.] folgenden "Restschadensersatzanspruch". Zwar hätten beide Ansprüche in dem Bestehen des vom Kläger behaupteten Schadensersatzanspruchs einen gemeinsamen Tatsachenkern. Darin erschöpfe sich indes die Gemeinsamkeit dieser Ansprüche. Während es für den Schadensersatzanspruch nach § 826 [X.] nur darauf ankomme, ob dieser infolge des sittenwidrigen Handelns der Beklagten bestehe, werde der im Zusammenhang mit dem Anspruch aus § 852 [X.] zur Entscheidung gestellte [X.] auch dadurch geprägt, dass anhand der §§ 818 ff. [X.] zu ermitteln sei, welchen Umfang die vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erlangte Bereicherung habe, wenn die Verjährung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 826 [X.] feststehe. Übersteige die Bereicherung den Schaden, könne der Verletzte vollen Ersatz verlangen; bleibe sie dahinter zurück, sei der Ersatzanspruch entsprechend zu kürzen. Dadurch seien die Ansprüche durch eine Verselbständigung nach der Verwirklichung des deliktischen Tatbestands insbesondere hinsichtlich der Rechtsfolgenseite erkennbar unterschiedlich ausgestaltet.

Aus der Berufungsbegründung ergebe sich zwar, dass der Kläger hilfsweise den Anspruch nach § 852 [X.] weiterverfolgen wolle. Die Berufung habe allerdings nur die Ausführungen des [X.]s angegriffen, wonach ein Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß § 852 [X.] daran scheitere, dass der Kaufpreis der Verkäuferin zugeflossen sei und die Beklagte aus diesem Geldfluss nichts erlangt habe. Die Berufung habe sich indes nicht mit der Rechtsansicht des [X.]s befasst, dass der geltend gemachte Schaden nicht von dem Schutzzweck der Norm erfasst sei. Da das [X.] die Klageabweisung hinsichtlich des Anspruchs aus § 852 [X.] auch auf diese Erwägung gestützt habe, sei ein darauf bezogener Berufungsangriff erforderlich gewesen.

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Allerdings hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass ein möglicher Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß §§ 826, 31 [X.] verjährt und deshalb nach § 214 Abs. 1 [X.] nicht mehr durchsetzbar ist.

a) Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 [X.] gegen die Beklagte zusteht. In der Revisionsinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass ein solcher Anspruch des [X.] besteht.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Verjährungsfrist sei bei Einreichung der Klage im Jahr 2020 abgelaufen gewesen.

aa) Gemäß § 195 [X.] beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für die geltend gemachten deliktischen Ansprüche drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]). Die danach für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 [X.]) hatte der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls im Jahre 2016 erlangt.

bb) Wie der [X.] bereits wiederholt entschieden hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 [X.], dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom "Diesel-" bzw. "Abgasskandal" im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist ([X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21 Rn. 17, NJW 2022, 1311; Urteil vom 21. Dezember 2021 - [X.]/20 Rn. 14, [X.], 393; Beschluss vom 15. September 2021 - [X.]/20 Rn. 6, juris; Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20 Rn. 20 ff., NJW 2021, 918 ).

(1) Dass der Kläger im Jahre 2015 allgemeine Kenntnis vom sogenannten Diesel- oder Abgasskandal hatte, ergibt sich aus den erstinstanzlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat. Auch die Revision geht davon aus, dass der Kläger von dem Abgasskandal durch die Medienberichterstattung allgemein Kenntnis im Jahre 2015 erlangt habe. Die damit verbundene Einschränkung, er habe dies aber nicht auf sein Fahrzeug bezogen, ist hinsichtlich der Frage allgemeiner Kenntnis ohne Belang.

(2) Das Berufungsgericht hat auch hinreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger jedenfalls im Jahre 2016 die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs kannte. Ob er diese Kenntnis, wie das Berufungsgericht angenommen hat, schon zuvor im Jahre 2015 ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.]), kann deshalb auf sich beruhen.

Nach den für den Senat gemäß §§ 314, 559 ZPO bindenden, von der Revision nicht angegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die im Streitfall durch Wiedergabe der Ausführungen des [X.]s auch die tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils umfassen, hat der Kläger erstinstanzlich unstreitig gestellt, dass er durch ein Kundenanschreiben der Beklagten im [X.] positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sogenannten [X.] erlangt hatte. Soweit die Revision rügt, die Beklagte habe in dem Schreiben nur verharmlosend auf das Software-Update und nicht auf die sittenwidrige Motorenkonstruktion hingewiesen, ist dies für die Annahme einer entsprechenden Kenntnis des [X.] unbeachtlich. Im Übrigen wäre von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des [X.] von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 [X.] jedenfalls bis Ende 2016 auszugehen. Ausgehend von seiner allgemeinen Kenntnis vom sogenannten [X.] hätte der Kläger spätestens bis Ende 2016 Veranlassung gehabt, die Betroffenheit seines eigenen Fahrzeugs zu ermitteln (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2022 - [X.] Rn. 19, NJW 2022, 3284).

cc) Dem Kläger, der seit dem [X.] allgemeine Kenntnis vom sogenannten [X.] und jedenfalls seit dem [X.] auch positive Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hatte, war es im [X.] auch zumutbar, Klage zu erheben und seinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 [X.] gerichtlich geltend zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2022 - VII ZR 422/21 Rn. 21 ff., NJW 2022, 3284; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 679/21 Rn. 33 ff., [X.], 1170; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 365/21 Rn. 24, [X.], 1311).

dd) Die dreijährige Verjährungsfrist für die mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüche begann folglich mit dem Schluss des Jahres 2016 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2019. Bei Klageerhebung im Juli 2020 war daher bereits Verjährung eingetreten.

c) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Erhebung der [X.] durch die Beklagte nicht rechtsmissbräuchlich.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s ist die Erhebung der [X.] gemäß § 242 [X.] treuwidrig und unwirksam, wenn der Gläubiger aus dem gesamten Verhalten des Schuldners für diesen erkennbar das Vertrauen schöpfte und auch schöpfen durfte, dass der Schuldner die [X.] nicht erheben, sondern sich auf sachliche Einwände beschränken werde. Dieser Vertrauensschutz reicht aber nur so weit und gilt nur so lange, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände fortdauern und den Gläubiger von der rechtzeitigen Klageerhebung abhalten (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.] Rn. 38, VersR 2022, 1039; Urteil vom 27. Januar 1999 - XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, juris Rn. 30; Urteil vom 6. Dezember 1990 - VII ZR 126/90, [X.] 1991, 215, juris Rn. 11; Urteil vom 12. Dezember 1978 - VI ZR 159/77, VersR 1979, 284, juris Rn. 11).

bb) Gemessen daran vermag die Revision den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht mit Erfolg auf eine ihres Erachtens verharmlosende und bagatellisierende [X.] der Beklagten in den Jahren seit 2015 zu stützen. Die Revision zeigt keinen konkreten Umstand auf, an den sich die berechtigte Erwartung des [X.] knüpfen ließe, die Beklagte werde die [X.] dauerhaft nicht erheben ([X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.] Rn. 39, [X.], 1039). Den insoweit gerügten Gehörsverstoß hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

2. Die Verjährung erstreckt sich auch auf einen möglichen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] und den Vorgaben der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007.

Der Verjährung gemäß §§ 194 ff. [X.] unterliegt der materiell-rechtliche Anspruch nach § 194 Abs. 1 [X.]. Dies ist der auf Schadensersatz gerichtete mögliche Anspruch des [X.] aus unerlaubter Handlung. Die unerlaubte Handlung soll nach dem Vortrag des [X.] darin liegen, dass die Beklagte durch bewusste und gewollte Täuschung des [X.] systematisch Fahrzeuge in Verkehr gebracht habe, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert gewesen sei, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten worden seien, und sie sich insoweit die Arglosigkeit sowie das Vertrauen des [X.] in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gezielt zunutze gemacht habe (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 16, [X.]Z 225, 316). An dieses Verhalten knüpft sowohl die Haftung aus § 826 [X.] als auch die Haftung nach § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]­FGV und den Vorgaben der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 an. Für die Verjährung des darauf beruhenden einheitlichen materiell-rechtlichen Anspruchs gelten keine anderen Voraussetzungen als die, die auf der Grundlage des § 826 [X.] gelten. Dies zeigt sich darin, dass für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger innerhalb eines einheitlichen materiell-rechtlichen Anspruchs die einschlägige Anspruchsgrundlage ermittelt ([X.], Urteil vom 13. Juni 2022 - [X.]/21 Rn. 26, NJW-RR 2022, 1251).

3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann indes ein Anspruch des [X.] gemäß § 852 [X.], für den unter den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 852 Satz 2 [X.] eine zehn- beziehungsweise dreißigjährige Verjährungsfrist gilt, nicht verneint werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung des [X.] hinsichtlich dieser Anspruchsgrundlage nicht mangels einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung unzulässig.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind ([X.], Urteil vom 6. Juli 2021 - [X.] Rn. 7, [X.] 2023, 1390). Bei mehreren Streitgegenständen oder einem teilbaren Streitgegenstand muss die Berufungsbegründung sich grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich deren eine Abänderung beantragt wird; andernfalls ist das Rechtsmittel für den nicht begründeten Teil unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 14. März 2017 - [X.] Rn. 14, [X.] 2017, 762). Liegt dem Rechtsstreit dagegen ein einheitlicher Streitgegenstand zugrunde, muss der Berufungskläger nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Streitpunkten in der Berufungsbegründung Stellung nehmen, wenn schon der allein vorgebrachte - unterstellt erfolgreiche - Berufungsangriff gegen einen Punkt geeignet ist, der Begründung des angefochtenen Urteils insgesamt die Tragfähigkeit zu nehmen. Anders liegt es nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen stützt. In diesem Fall muss der Berufungskläger in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht tragen; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (vgl. [X.], Urteil vom 14. März 2017 - [X.] Rn. 15, [X.] 2017, 762).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Berufungsbegründung des [X.] hinsichtlich des Anspruchs gemäß § 852 [X.] ausreichend. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger mit der Geltendmachung des Anspruchs gemäß § 852 [X.] keinen eigenständigen prozessualen Anspruch geltend gemacht. Der Anspruch aus § 852 [X.] betrifft keinen anderen Streitgegenstand als der primär geltend gemachte und verjährte deliktische Anspruch, der dem "Restschadensersatzanspruch" aus § 852 [X.] zugrunde liegt. Vielmehr genügt es, dass die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs vorliegen, um die Prüfung des [X.] aus § 852 [X.] zu veranlassen ([X.], Urteil vom 14. Februar 1978 - [X.], [X.]Z 71, 86, juris Rn. 58, [X.]; [X.], Urteil vom 9. März 2021 - 10 U 339/20, juris Rn. 37). Deshalb reicht es für die Zulässigkeit der Berufung aus, dass der Kläger in der Berufungsbegründung die zu §§ 826, 31 [X.] gemachten Ausführungen des [X.]s angegriffen hat. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich zudem, dass der Kläger hilfsweise den Anspruch gemäß § 852 [X.] weiterverfolgt hat. Die Berufung hat ausgeführt, der Anspruch des [X.] aus unerlaubter Handlung bleibe auch bei Eintritt der Verjährung erhalten, wobei sich der Anspruch aus § 852 [X.] jedoch auf den Umfang der ungerechtfertigten Bereicherung beschränke. Mit dieser Rüge hat die Berufung des [X.] implizit auch die Ausführungen des [X.]s zu dem Schutzweck des § 852 [X.] angegriffen. Denn durch den Verweis auf das Bereicherungsrecht hat die Berufung zugleich beanstandet, dass es auf einen von dem Schutzzweck der Norm erfassten Schaden nicht ankomme. Die [X.] des [X.] sind damit geeignet, der Begründung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich eines Anspruchs des [X.] gemäß § 852 [X.] insgesamt die Tragfähigkeit zu nehmen.

c) Die angefochtene Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen deshalb als richtig dar, weil die Berufung des [X.] als unbegründet zurückzuweisen ist (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO). Denn aus der angegriffenen Entscheidung ergeben sich keine Feststellungen, auf deren Grundlage dies hinsichtlich des Anspruchs gemäß § 852 [X.] beurteilt werden könnte.

III.

Danach hat der angefochtene Beschluss keinen Bestand. Er ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf die nach Erlass des Berufungsurteils ergangene Rechtsprechung des [X.]s zu einem Anspruch gemäß § 852 [X.] bei einem Neuwagen hin (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.] 2022, 695; Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, [X.], 2196; Urteil vom 19. September 2022 - VIa ZR 281/22, [X.] 2022, 1543; Urteil vom 10. Oktober 2022 - VIa ZR 542/21, [X.] 2023, 360).

Pamp                                          [X.]                                          Jurgeleit

                    Brenneisen                                     [X.]

Meta

VII ZR 446/21

15.02.2024

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 12. April 2021, Az: 5 U 354/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2024, Az. VII ZR 446/21 (REWIS RS 2024, 1519)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1519

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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