Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. I ZR 53/05

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1028

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 3. November 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 337 Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der [X.], der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. [X.], [X.]. v. 3. November 2005 - [X.] - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 3. November 2005 durch [X.] Dr. [X.] und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant und Dr. Schaffert für Recht erkannt:
Die Revision gegen das zweite Versäumnisurteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 24. Februar 2005 wird auf Kosten der Klägerin zu 1 verworfen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: 1 Die Klägerin zu 1 (im Folgenden: Klägerin) macht gegen die Beklagte Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung geltend. Am 14. Dezember 2004 hat das Berufungsgericht gegen die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Klägerin ein Versäumnisurteil [X.]. 2 Gegen das Versäumnisurteil hat die Klägerin Einspruch eingelegt. 3 Die Ladung zu der mündlichen Verhandlung über den Einspruch und zur Sache, die auf den 24. Februar 2005, 9.00 Uhr, angesetzt worden war, wurde der Klägerin zu Händen ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten am 5. Januar 2005 zugestellt. Nachdem diese das Mandat niedergelegt hatten, bestellten sich die Rechtsanwälte "[X.]Kollegen" mit Schriftsatz vom 31. Januar 2005 für die Klägerin. Den Schriftsatz zur Begründung des Einspruchs unter-zeichnete die im [X.] Büro dieser Sozietät tätige Rechtsanwältin Dr. M. . 4 Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2005 erschien bei [X.] niemand für die Klägerin. Ausweislich des [X.] gab der Senat bekannt, dass er sowohl bei der Telefonzentrale als auch bei der Informationsstelle nachgefragt habe, ob ein Anruf von Rechtsanwältin Dr. M. eingegangen sei. Diese Anfragen seien verneint worden. Um 9.30 Uhr beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, den Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 14. Dezember 2004 durch zwei-tes Versäumnisurteil zu verwerfen. 5 - 4 - Das Berufungsgericht hat entsprechend diesem Antrag erkannt. 6 7 Die Klägerin hat gegen das Versäumnisurteil Revision eingelegt. Sie [X.], die Sache unter Aufhebung des [X.]eils und des Verfahrens an das Be-rufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin krankheitshalber verhindert ge-wesen sei, den Termin wahrzunehmen. Jedenfalls habe er sich nicht hinrei-chend bemüht, das Gericht rechtzeitig davon zu unterrichten, dass er nicht kommen könne. 8 Entscheidungsgründe: [X.] Die Klägerin hat mit ihrer Revision vorgetragen, der Verhandlungster-min am 24. Februar 2005 habe von Rechtsanwalt [X.]aus dem [X.] Büro ihrer Prozessbevollmächtigten, der Rechtsanwälte "[X.]Kollegen", wahrgenommen werden sollen. In der Nacht vor dem Termin sei Rechtsanwalt [X.]jedoch so schwer an Grippe erkrankt, dass er außerstande gewesen sei, am Morgen mit dem Pkw von [X.] nach [X.] zu fahren. Er habe, wie er anwaltlich versichert habe, unter Fieber, Kopfschmerz und erheblicher Abge-schlagenheit mit Übelkeit gelitten. 9 Um 7.06 Uhr habe Rechtsanwalt [X.]

ohne Erfolg versucht, Rechtsanwalt Dr. [X.] im Büro der Sozietät in [X.] anzurufen. Ebenso sei um 8.56 Uhr sein Versuch fehlgeschlagen, die zuständige Ge-schäftsstelle des [X.] fernmündlich zu erreichen. Die daraufhin 10 - 5 - um 8.59 Uhr angerufene Telefonzentrale habe keine Verbindung zur Geschäfts-stelle und zu dem Senatsvorsitzenden herstellen können. Ein weiterer Versuch um 9.10 Uhr, Rechtsanwalt [X.]

zu erreichen, sei erneut erfolglos geblieben. Rechtsanwalt [X.]habe sodann das Sekretariat von Rechts- anwalt Dr. [X.]fernmündlich gebeten, ihn bei Gericht durch [X.] zu entschuldigen. Ein entsprechendes Schreiben sei um 9.37 Uhr versandt [X.]. I[X.] Die Revision der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. 11 1. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels setzt die schlüssige Darlegung [X.], dass kein Fall der schuldhaften Versäumung vorgelegen habe (§§ 565, 514 Abs. 2 ZPO). Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten hat sich die [X.] als eigenes Verschulden anrechnen zu lassen (§ 85 Abs. 2 ZPO). 12 2. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargetan, dass ihren Prozessbevoll-mächtigten Rechtsanwalt [X.]kein Verschulden an der Säumnis trifft. 13 a) Für die Entscheidung kann unterstellt werden, dass Rechtsanwalt [X.]am 24. Februar 2005 wegen einer Grippeerkrankung nicht von [X.] mit dem Pkw zur mündlichen Verhandlung nach [X.] reisen konnte. Eine schuldhafte Säumnis liegt aber auch dann vor, wenn der [X.], der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen (vgl. - zu § 513 ZPO a.F. - [X.] Nr. 5 zu § 513 ZPO; [X.] NJW 1972, 790 f.; [X.], [X.]. v. 19.11.1998 - [X.], [X.], 724; vgl. weiter [X.]/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 337 Rdn. 6; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl., § 337 Rdn. 3, jeweils m.w.[X.]). Dies ist hier der Fall. 14 - 6 - 15 Die Klägerin macht nicht geltend, dass ihr Prozessbevollmächtigter so schwer erkrankt gewesen sei, dass er deshalb nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Berufungsgericht rechtzeitig von seiner Verhinderung zu unterrichten. Sie trägt vielmehr vor, er habe alle dazu erforderlichen und zumutbaren [X.] ergriffen. Bereits aus dem zeitlichen Ablauf, den die Klägerin dargelegt hat, geht jedoch hervor, dass die Bemühungen von Rechtsanwalt [X.] unzureichend waren. So hat er zwar um 7.06 Uhr (erfolglos) versucht, seinen Kanzleikollegen [X.]

über Mobiltelefon von seiner Erkrankung zu un- terrichten; dem Gericht gegenüber blieb er aber bis um 8.56 Uhr untätig, d.h. bis vier Minuten vor dem angesetzten Termin. Bereits in diesem Zuwarten liegt ein schuldhaftes Versäumnis. Der Versuch von Rechtsanwalt [X.] , die zuständige Geschäftsstelle zu erreichen, musste zudem schon deshalb erfolg-los bleiben, weil er versehentlich eine falsche Rufnummer gewählt hatte: [X.] der vorgelegten Verbindungsübersicht seines Mobilfunkbetreibers hat er bei der Anwahl nur die Vorwahl und die Durchwahl, nicht auch die örtliche Hausrufnummer des Gerichts eingegeben. Der drei Minuten später, um 8.59 Uhr, mit der richtigen Telefonnummer unternommene Versuch, über die Tele-fonzentrale mit der Geschäftsstelle oder dem Senatsvorsitzenden verbunden zu werden, dauerte nach der vorgelegten Verbindungsübersicht nur sehr kurz (1 Minute 4 Sekunden). Weitere Versuche, das Gericht fernmündlich zu errei-chen, unternahm Rechtsanwalt [X.]
nicht. Erst um 9.12 Uhr beauftragte er das Büro seines Anwaltskollegen Dr. [X.]in [X.], ihn durch [X.] bei Gericht zu entschuldigen. Schon wegen des erforderlichen Zeitaufwands für die Umsetzung dieses Auftrags war diese Bemühung offen-sichtlich verspätet und nicht erfolgversprechend. Das [X.] konnte auch erst um 9.37 Uhr versandt werden; es enthielt überdies nicht einmal einen Hinweis auf die besondere Dringlichkeit der Vorlage. Ein Anruf bei dem Pro-zessbevollmächtigten der Gegenseite unterblieb, obwohl dies ein weiterer Weg - 7 - gewesen wäre, das Gericht noch rechtzeitig von der Verhinderung zu unterrich-ten. 16 Die Versuche von Rechtsanwalt [X.]

, das Gericht rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung und vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils da-von in Kenntnis zu setzen, dass er den Termin nicht wahrnehmen könne, be-gannen danach schuldhaft zu spät und waren zudem, wie sich ihm aufdrängen musste, unzureichend. Mit früher einsetzenden Bemühungen hätte Rechtsan-walt [X.]aller Erfahrung nach eines der Mitglieder des [X.] oder die Geschäftsstelle (gegebenenfalls deren Vertretung) erreichen können. b) Die Revision vertritt allerdings weiter die Ansicht, das Berufungsge-richt habe das zweite Versäumnisurteil verfahrensfehlerhaft erlassen. Das [X.] habe nur unzureichend bei der Telefonzentrale und der [X.] nachgefragt, ob dort eine Nachricht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen sei. Dem Gericht sei bekannt gewesen, dass die Klä-gerin durch eine überörtliche Sozietät vertreten werde. Es hätte deshalb nicht nur danach fragen dürfen, ob ein Anruf (gerade) von Rechtsanwältin [X.]eingegangen sei, sondern danach, ob aus der Kanzlei "[X.]Kollegen" angerufen worden sei. Eine solche Frage wäre von der Telefonzentrale bejaht worden. Mit dieser Rüge kann die Revision nicht durchdringen. 17 Das Gericht hat die - auch zur Wahrung des verfassungsrechtlichen An-spruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) - gebotene Rücksichtnahme auf die Verfahrensbeteiligten nicht verletzt (vgl. dazu auch [X.] [X.], 724 f.). Es hat mit dem Erlass des zweiten Versäumnisurteils nicht nur (zumin-dest) eine halbe Stunde zugewartet, es hat vorsorglich auch bei der [X.] und der Informationsstelle nachgefragt. Wenn es dabei nur nach einem Anruf von Rechtsanwältin Dr. M. gefragt hat, hatte das seinen Grund darin, 18 - 8 - dass diese den Schriftsatz zur Begründung des Einspruchs gegen das erste Versäumnisurteil unterschrieben hatte. Einen Anhaltspunkt dafür, dass die Klä-gerin im Termin von einem anderen Mitglied der überörtlichen Sozietät (aus [X.] oder [X.]) vertreten werden sollte, hatte das Gericht nicht. Wäre Rechtsanwalt [X.]mit der gebotenen Umsicht vorgegangen, hätte das Gericht zudem bei seiner Anfrage von seinem Anruf erfahren müssen. Dazu hätte es genügt, der Telefonzentrale die besondere Dringlichkeit des Anliegens darzulegen und den zuständigen Senat sowie das konkrete Verfahren näher zu bezeichnen. Es ist nichts dazu vorgetragen, dass dies in dem Gespräch mit der Telefonzentrale, das - einschließlich zweier Verbindungsversuche - nur sehr kurz gedauert hat, geschehen ist. Rechtsanwalt [X.]hat vielmehr anwalt- lich versichert, die Mitarbeiterin der Telefonzentrale habe nach dem vergebli-chen Versuch, die Geschäftsstelle oder den Senatsvorsitzenden zu erreichen, vorgeschlagen, es später erneut zu versuchen. Dies spricht gegen die [X.], dass er die Telefonzentrale darauf hingewiesen hatte, dass sein Anliegen keinen Verzug gestatte. - 9 - II[X.] [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 19 [X.] v. Ungern-Sternberg Bornkamm

Pokrant Schaffert Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 11.05.2001 - 4 O 202/99 - OLG [X.], Entscheidung vom 24.02.2005 - 4 U 104/01 -

Meta

I ZR 53/05

03.11.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2005, Az. I ZR 53/05 (REWIS RS 2005, 1028)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1028

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Wird zitiert von

XII ZB 171/23

Zitiert

4 U 104/01

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