Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 215/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4972

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 215/14

Verkündet am:

23. September 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski,
[X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren
mit Schriftsatzfrist
bis zum 4. September
2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht
zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 24.482,50

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmerin: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge
einer Rentenversicherung.

Diese wurde
aufgrund Antrags d.
[X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli 2003 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlos-sen.
Unstreitig
erhielt d.
[X.] den Versicherungsschein,
die Versiche-1
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rungsbedingungen, die Verbraucherinformation nach §
10a des [X.] ([X.]) und eine
im Versicherungsschein enthal-tene schriftliche Belehrung über das
Widerspruchsrecht.

D. [X.] zahlte in der Folge
Prämien. Zum 1. September 2011
kün-digte d. [X.] den Versicherungsvertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Mai 2012 erklärte d. [X.] den [X.] nach §
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d.
[X.]
-
soweit für das Revisionsverfahren
von Bedeutung
-
Rückzahlung aller auf den
Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des
bereits gezahlten Rückkaufswertes, insge-samt 24.482,50

Nach Auffassung d.
[X.] ist
der
Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den [X.] nicht vereinbar sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d.
[X.] das Klagebegehren hinsichtlich des [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

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I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe im [X.] zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht [X.]. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam gewor-den.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]

auch un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das [X.]srecht. Die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein ist drucktechnisch nicht im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. hervor-gehoben. Sie unterscheidet sich nicht vom übrigen Text.

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Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, dass die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung auch inhaltlich fehlerhaft ist, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Former-fordernis (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004

[X.], [X.], 497 unter 3 b) erfolgte entgegen der Auffassung der Revisionser-widerung nicht dadurch, dass d. [X.] mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung an den Versicherer. Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur ver-körperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht,
so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf
(vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 24 und [X.], juris Rn. 12).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen 13
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zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.N.).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1101 Rn.
35 ff. und [X.], [X.], 1104 Rn. 33 ff.).

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Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2013 -
26 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 59/13 -

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Meta

IV ZR 215/14

23.09.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 215/14 (REWIS RS 2015, 4972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4972

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 448/14

IV ZR 76/11

IV ZR 384/14

20 U 59/13

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