Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2010, Az. XI ZB 28/10

11. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 120

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Gegenstand

Haftung bei Kapitalanlageberatung: Aussetzung eines Verfahrens über Ansprüche des Anlegers aus Prospekthaftung und vertraglicher Pflichtverletzung wegen eines Musterverfahrens


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 5. August 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

1. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit der von ihm am 13. Juli 2004 gezeichneten Beteiligung an der [X.] (im Folgenden: Fonds) sowie eines zur teilweisen Finanzierung dieser Beteiligung aufgenommenen Darlehens geltend.

2

Er stützt sein Klagebegehren zum einen auf eine angebliche Prospektverantwortung der Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Prospekthaftung im engeren Sinne mit der Begründung, der für die Anlage herausgegebene Prospekt sei inhaltlich aus verschiedenen Gründen falsch. Zum anderen nimmt er die Beklagte als die seine Beteiligung finanzierende Bank in Anspruch mit der Begründung, die Beklagte habe Aufklärungspflichten bei Eingehung des Darlehensvertrages verletzt. Schließlich stützt er sein Klagebegehren auch auf einen Widerruf des Darlehensvertrages nach den Verbraucherdarlehensvorschriften.

3

Beim [X.] ist unter dem Aktenzeichen [X.] ein Verfahren nach dem [X.] (nachfolgend: [X.]) anhängig. Die Beklagte ist dort Musterbeklagte zu 2). Zu klären sind in diesem Verfahren, soweit es die hiesige Beklagte betrifft, deren Prospektverantwortlichkeit und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts.

4

2. Das [X.] hat das Verfahren nach § 7 [X.] ausgesetzt. Das Beschwerdegericht hat den Aussetzungsbeschluss auf die sofortige Beschwerde des [X.] aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sei auch gegen den auf § 7 Abs. 1 [X.] gestützten Aussetzungsbeschluss gemäß §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, weil vorliegend der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 [X.] nicht eröffnet sei und damit auch § 7 Abs. 1 Satz 4 [X.] nicht zur Anwendung komme.

6

Die Entscheidung des [X.]s habe auch in der Sache keinen Bestand. Die Aussetzung eines Verfahrens, dessen Ergebnis nicht vom Ergebnis eines Verfahrens nach dem [X.] abhängig sei, habe in § 7 Abs. 1 [X.] keine Grundlage. Das [X.] habe vorliegend ausweislich der Gründe der Nichtabhilfeentscheidung nicht hinreichend geprüft, ob eine Haftung aus vorvertraglichem Verschulden nach § 311 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Nach der Rechtsprechung des [X.] komme eine Aussetzung nach § 7 [X.] aber nur in Betracht, soweit eine Prospekthaftung im engeren Sinne und damit Ansprüche aufgrund einer fehlerhaften öffentlichen Kapitalmarktinformation geltend gemacht würden. Auf die daneben auch geltend gemachte Haftung auf (vor-)vertraglicher Grundlage sei § 7 [X.] nicht anwendbar. Die Frage, ob der Prospekt richtig oder falsch sei, sei bei dem gegenwärtigen Prüfungsstand jedenfalls noch nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung.

7

Mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und die Wiederherstellung der Aussetzungsentscheidung des [X.]s.

II.

8

Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) ist nicht begründet.

9

1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Aussetzung des Rechtsstreits als unzulässig angesehen und den Aussetzungsbeschluss des [X.]s trotz der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 4 [X.] aufgehoben, da § 7 [X.] auf das Streitverhältnis der Parteien insoweit keine Anwendung findet, als Ansprüche aus vorvertraglicher [X.] der Beklagten aus dem [X.] im Streit sind.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können Rechtsstreitigkeiten, in denen Schadensersatzansprüche auf vertraglicher Grundlage oder aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 und 3 BGB bzw. aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend gemacht werden, von vornherein nicht Gegenstand eines Musterverfahrens nach § 1 Abs. 1 [X.] sein. Das gilt auch dann, wenn sich die Haftung aus der Verwendung eines fehlerhaften Prospektes im Zusammenhang mit einer Beratung oder einer Vermittlung ergibt (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - [X.], Rn. 11 mwN).

b) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass das auch für Ansprüche des Anlegers gegen die die Anlage finanzierende Bank wegen vorvertraglicher [X.]en aus dem [X.] gilt, wie sie hier in Rede stehen. Solche Ansprüche, die der Kläger hier neben einem Anspruch aus Prospekthaftung im engeren Sinne geltend macht, können nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein. Das gilt auch dann, wenn die Haftung - etwa aus einem Wissensvorsprung - die Kenntnis von einer durch fehlerhafte Prospektangaben begangenen arglistigen Täuschung voraussetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - [X.], Rn. 13 f. mwN). Erst Recht gilt dies für Ansprüche, die auf ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherdarlehensvorschriften gestützt werden.

c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ändert die Tatsache, dass die Beklagte auch als Prospektverantwortliche nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im engeren Sinne in Anspruch genommen wird, nichts daran, dass über die daneben geltend gemachten Ansprüche aus vertraglichen oder vorvertraglichen Pflichtverletzungen zu entscheiden ist, bevor eine Aussetzung nach dem [X.] in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - [X.], Rn. 15 f. mwN).

Das Beschwerdegericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass aufgrund des Sach- und Streitstandes eine Haftung der Beklagten als Darlehensgeberin unter dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen [X.] nicht ohne weiteres verneint werden kann. Das [X.] muss diesem Sachvortrag daher nachgehen und prüfen, ob der Anspruch des [X.] gegen die Beklagte wegen vorvertraglicher [X.] gegeben ist.

2. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens bilden einen Teil der Kosten des Rechtsstreits, die unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens die nach §§ 91 ff. ZPO in der Sache unterliegende Partei zu tragen hat (Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - [X.], Rn. 18 mwN).

Wiechers                                                  Ellenberger                                                    Maihold

                              Matthias                                                             Pamp

Meta

XI ZB 28/10

21.12.2010

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 5. August 2010, Az: 5 W 1648/10, Beschluss

§ 1 Abs 1 KapMuG, § 7 Abs 1 S 4 KapMuG, § 252 ZPO, § 241 Abs 2 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 311 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.12.2010, Az. XI ZB 28/10 (REWIS RS 2010, 120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 120

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XI ZB 23/10 (Bundesgerichtshof)


XI ZB 28/10 (Bundesgerichtshof)


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Wird zitiert von

XI ZB 40/11

XI ZB 28/10

Zitiert

XI ZB 23/10

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