Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.03.2014, Az. III B 147/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6675

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Gegenstand

Keine Verlängerung des Kindergeldanspruchs wegen Leistung eines freiwilligen sozialen Jahres anstatt des Zivildienstes


Leitsatz

1. NV: Für ein über 25 Jahre altes Kind ist kein Kindergeld zu gewähren, auch wenn es anstelle des Zivildienstes ein sog. freiwilliges soziales Jahr geleistet hat .

2. NV: Die in § 32 Abs. 5 EStG aufgeführten Verlängerungstatbestände sind abschließend. Eine analoge Anwendung scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter ihres im April 1985 geborenen [X.] ([X.]). [X.] wurde als Wehrdienstverweigerer anerkannt. In der [X.] vom 1. August 2005 bis 30. April 2006 leistete er ein freiwilliges soziales Jahr, das gemäß § 14c des [X.] ([X.]) vom Zivildienst befreite. Anschließend studierte [X.]. Für die [X.] des Freiwilligendienstes erhielt die Klägerin für [X.] Kindergeld.

2

Die Klägerin beantragte Kindergeld. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte diesen Antrag mit Wirkung ab dem 1. Mai 2010 ab, weil [X.] das 25. Lebensjahr vollendet habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) vertrat die Ansicht, dass [X.] keinen [X.] nach § 32 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) erfülle und die Absenkung der Altersgrenze von 27 auf 25 Jahre verfassungsgemäß sei.

3

Gegen die Nichtanwendung des [X.]es gemäß § 32 Abs. 5 E[X.]tG wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] ([X.]) zur Fortbildung des Rechts geltend macht (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.]O). Zulassungsgründe liegen jedenfalls nicht vor.

5

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

6

a) Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich bedeutsam, wenn ihre Beantwortung durch den [X.] aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die im [X.]treitfall entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss vom 21. April 2010 IV B 32/09, [X.]/NV 2010, 1469). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder wenn sie bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den [X.] erforderlich machen (z.B. [X.]enatsbeschlüsse vom 1. Februar 2013 III B 222/11, [X.]/NV 2013, 727; vom 23. Dezember 2013 III B 98/13, [X.]/NV 2014, 519).

7

b) Die Klägerin hält die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob die in § 32 Abs. 5 E[X.]tG geregelte Verlängerung der [X.] auch bei Leistung eines freiwilligen Jahres anstatt des Zivildienstes möglich ist.

8

aa) Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut und dem [X.]inngehalt des Gesetzes beantworten lässt. Zwar ist die streitige Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden, sie ist aber offensichtlich so zu beantworten, wie es das [X.] getan hat (so auch die einheitliche finanzgerichtliche Rechtsprechung: [X.] Münster, Urteile vom 19. Mai 2009  8 K 2947/08 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2009, 1563; vom 11. Mai 2010  8 K 2450/09 Kg, E[X.] 2010, 1706; vom 23. April 2012  10 K 3219/11 Kg, juris, und das [X.]chrifttum: [X.] in Korn, § 32 E[X.]tG Rz 116; [X.]/[X.], E[X.]tG, 32. Aufl. § 32 Rz 69; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], E[X.]tG, § 32 Rz C 65).

9

Die in § 32 Abs. 5 E[X.]tG aufgeführten [X.] sind abschließend ([X.]-Urteil vom 14. Oktober 2002 VIII R 68/01, [X.]/NV 2003, 460). Das freiwillige [X.] wird im Gesetz nicht genannt.

bb) § 32 Abs. 5 E[X.]tG ist auch nicht analog anzuwenden. Eine solche analoge Anwendung setzt das Bestehen einer planwidrigen gesetzlichen Regelungslücke voraus. Die für eine Analogie erforderliche "planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts" ist (nur) dort gegeben, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht ([X.]-Urteile vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, [X.]E 236, 137, [X.], 678; vom 14. [X.]eptember 1994 I R 136/93, [X.]E 175, 406, [X.] 1995, 382). Rechtspolitische Unvollständigkeiten, d.h. Lücken, die nicht dem [X.] widersprechen, sondern lediglich vom Rechtsanwender als rechtspolitisch unerwünscht empfunden werden, können entsprechend dem Prinzip der Gewaltenteilung hingegen nicht von den Gerichten geschlossen werden. [X.]ie zu schließen, bleibt Aufgabe des Gesetzgebers ([X.]enatsurteil in [X.]E 236, 137, [X.], 678).

Nach diesen Grundsätzen liegt im [X.]treitfall keine Regelungslücke vor. Mit dem in § 32 Abs. 5 E[X.]tG genannten [X.] wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass Kinder während der Ableistung ihres Wehr- oder Zivildienstes steuerlich nicht berücksichtigt werden (BTDrucks 13/1558, [X.]. 155 f.). In dem Zeitraum, in dem [X.] sein freiwilliges Jahr absolvierte (2005/2006), wurde ein Kind nach § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 2 Buchst. d E[X.]tG für die Gewährung von Kindergeld berücksichtigt, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr im [X.]inne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen [X.] Jahres in der Bekanntmachung der Neufassung vom 15. Juli 2002 ([X.], 2596), ein freiwilliges ökologisches Jahr im [X.]inne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres in der Bekanntmachung der Neufassung vom 15. Juli 2002 ([X.], 2600), einen Freiwilligendienst im [X.]inne des Beschlusses Nr. 1031/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2000 ([X.] 2000 Nr. L 117, 1) oder einen anderen Dienst im Ausland i.[X.]. von § 14b [X.] ableistete. Der Gesetzgeber hat sich damit ausdrücklich und bewusst für eine Förderung während der Ableistung des freiwilligen [X.] Jahres und gegen eine Verlängerung der [X.] entschieden. Er sah diese Dienste als --an Lernzielen ausgerichtete-- Bildungsdienste an (vgl. BTDrucks 16/6519, [X.]. 1, 12 ff.) und ordnete sie deshalb den in § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 2 E[X.]tG geregelten Tatbeständen der Ausbildung des Kindes zu ([X.]enatsurteil vom 18. März 2009 III R 33/07, [X.]E 224, 508, [X.] 2009, 1010, m.w.N.). Für die Aufnahme dieser in § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 2 Buchst. d E[X.]tG geregelten Tätigkeiten in den [X.] nach § 32 Abs. 5 E[X.]tG bestand offensichtlich kein Grund, da eine solche Aufnahme zwangsläufig eine ungerechtfertigte Doppelberücksichtigung nach sich gezogen hätte. Der Gesetzgeber hat daher bewusst in die Regelung des § 32 Abs. 5 E[X.]tG nicht alle Dienste solcher anerkannter Kriegsdienstverweigerer aufgenommen, die nicht der Erfüllung der Wehrpflicht dienen, sondern lediglich zur Folge haben (§ 14c [X.]), dass der anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht zum Zivildienst herangezogen wird.

cc) Diese Auffassung steht im Einklang mit dem [X.]-Urteil vom 5. [X.]eptember 2013 [X.] R 12/12 ([X.]E 242, 404, [X.] 2014, 39). In dieser Entscheidung hat der [X.]. [X.]enat des [X.] in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des erkennenden [X.]enats ([X.]enatsurteil vom 20. Mai 2010 III R 4/10, [X.]E 229, 337, [X.] 2010, 827) entschieden, dass eine Beschränkung der Verlängerung auf [X.], in denen kein Kindergeld gewährt wurde, dem Gesetzeswortlaut des § 32 Abs. 5 E[X.]tG ebenso wenig zu entnehmen sei wie eine der "Doppelberücksichtigung" von [X.]n entgegenstehende, in Monaten bemessene maximale Bezugsdauer. [X.]oweit [X.], deren Kinder Wehr- oder Zivildienst geleistet haben und während der Dienstzeit zugleich für einen Beruf ausgebildet wurden, im Verhältnis zu anderen [X.]n, deren Kinder ihre Berufsausbildung bei Vollendung des 25. Lebensjahres ebenfalls aus den unterschiedlichsten Gründen noch nicht abgeschlossen haben, bevorzugt werden, verstößt dies nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ([X.]-Urteil in [X.]E 229, 337, [X.] 2010, 827). Das gilt nach Auffassung des [X.]enats auch für die Entscheidung des Gesetzgebers, das freiwillige [X.] als Berücksichtigungstatbestand auszuformen und nicht dem [X.] zuzurechnen. Die unterschiedliche Behandlung des Zivildienstes im Vergleich zum freiwilligen Jahr ist sachlich gerechtfertigt. In der Regel besteht für die Zeit des Zivildienstes, anders als im Falle des freiwilligen [X.] Jahres, kein Kindergeldanspruch. Dass es zu einer Doppelberücksichtigung kommen kann, liegt in der [X.] und dem insoweit bestehenden Typisierungsspielraum des Gesetzgebers begründet. Dieser darf [X.] typisierend regeln, wenn er sich --wie hier-- am Regelfall orientiert und die dadurch entstehenden Härten nicht besonders schwer wiegen und nur unter [X.]chwierigkeiten vermeidbar gewesen wären ([X.]enatsurteil vom 17. Juni 2010 III R 35/09, [X.]E 230, 523, [X.] 2011, 176, unter Hinweis auf den Beschluss des [X.] vom 23. Juni 2004  1 BvL 3/98, 1 BvL 9/02, 1 BvL 2/03, [X.] 111, 115, m.w.N.).

2. Die Revision ist auch nicht zur [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alt. [X.]O) zuzulassen.

Die Zulassung der Revision zur [X.]icherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren [X.]achverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des [X.] zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. [X.]-Beschluss vom 31. März 2010 IV B 131/08, [X.]/NV 2010, 1487). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen [X.]-Urteil einerseits und aus den behaupteten, mit Datum sowie Aktenzeichen und/oder Fundstelle bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. [X.]enatsbeschluss vom 11. März 2011 III B 76/10, [X.]/NV 2011, 981).

Dies hat die Klägerin nicht getan. Ihr Hinweis auf die Entscheidung des [X.] Münster vom 30. November 2012  4 K 1569/12 Kg (E[X.] 2013, 298) genügt den [X.] nicht (§ 116 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O). Die Entscheidung ist weder zu einem vergleichbaren [X.]achverhalt ergangen, noch ist über dieselbe Rechtsfrage entschieden worden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der [X.]enat nach § 116 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.]O ab.

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 147/13

31.03.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 10. Oktober 2013, Az: 6 K 1939/13, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst d EStG 2009, § 32 Abs 5 EStG 2009, § 14a ErsDiG, § 14b ErsDiG, EStG VZ 2010, § 14c ErsDiG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.03.2014, Az. III B 147/13 (REWIS RS 2014, 6675)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6675

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