Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.02.2012, Az. IX R 1/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 9446

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Gegenstand

Anwendung des Halbabzugsverbots bei Einbringung im Verlustfall


Leitsatz

1. NV: Wer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Anteilen in eine aufnehmende Kapitalgesellschaft einbringt, veräußert seine Anteile im Sinne von § 17 Abs. 1 EStG. Der dabei erzielte Veräußerungspreis in Form von Anteilen an der aufnehmenden Gesellschaft ist grundsätzlich mit dem Wert zu bemessen, den die aufnehmende Kapitalgesellschaft für die eingebrachten Anteile ansetzt (Anschluss an BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 26/09, BFH/NV 2010, 2067).

2. NV: Die als Gegenleistung für die Einbringung gewährten Anteile sind Einnahmen (Veräußerungspreis) i.S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG; daher ist das Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG) auch im Verlustfall anzuwenden (Bestätigung des BFH-Urteils vom 6. April 2011 IX R 40/10, BFHE 233, 442, BStBl II 2011, 785).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1998  40 % der Anteile an einer Treuhand GmbH (T-GmbH). Er finanzierte die Anschaffungskosten durch Darlehen. Im Januar 2003 brachte er seine Anteile an der T-GmbH in die E-GmbH ein, die dadurch die Mehrheit der Stimmrechte bei der T-GmbH erlangte. Der Kläger erhielt dafür einen Geschäftsanteil von 40.000 € an der [X.] Nach mehreren Gewinnausschüttungen veräußerte der Kläger den Geschäftsanteil an der E-GmbH im Jahr 2005.

2

Der Kläger erklärte im Rahmen seiner Veranlagungen zur Einkommensteuer für die Streitjahre (2002 und 2003) Schuldzinsen aus der Finanzierung der Anschaffungskosten (6.908 € für 2002 und 5.174 € für 2003) sowie --für das Streitjahr 2003-- einen [X.] von § 17 des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berücksichtigte die Schuldzinsen sowie den [X.] (von 73.692 €) zur Hälfte.

3

Die Klage war erfolglos. Nach Auffassung des Finanzgerichts ([X.]) seien die geltend gemachten Aufwendungen gemäß § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte zu berücksichtigen, auch wenn die Einbringung lediglich zu einem Verlust geführt habe.

4

Hiergegen richtet sich die Revision des [X.]. Das Halbeinkünfteverfahren sei nicht anwendbar, weil dem realisierten Verlust von 73.692 € keine "Vorbegünstigungen" auf [X.] der Kapitalgesellschaft entgegenstünden. Dem Kläger seien durch die Einbringung auch keine nur zur Hälfte steuerpflichtigen und damit begünstigten Einnahmen zugeflossen, so dass es keiner spiegelbildlichen Korrektur durch das [X.] bedürfe. § 3c Abs. 2 EStG sei in Verlustfällen teleologisch zu reduzieren. Den in den Streitjahren abgeflossenen Zinsaufwendungen stünden keine Einnahmen gegenüber, da der Veräußerungspreis vollständig im [X.] aufgehe.

5

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 5. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2006 und den Einkommensteuerbescheid für 2003 vom 22. August 2007 zu ändern und bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das [X.] weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 3.454 € und für das [X.] weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.587 € sowie einen weiteren Verlust gemäß § 17 EStG von 36.846 € zu berücksichtigen.

6

Das [X.] beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurü[X.]kzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgeri[X.]htsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat das Halbeinkünfteverfahren und [X.] (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.], § 3[X.] Abs. 2 EStG) im Streitfall ri[X.]htig angewendet.

8

1. Das [X.] hat im Streitjahr 2003 zutreffend einen Veräußerungsverlust in Höhe von 36.846 € der Besteuerung unterworfen.

9

a) Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb au[X.]h der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesells[X.]haft, wenn der Veräußerer --wie im Streitfall der [X.] innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesells[X.]haft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Der Kläger hat seine Anteile an der T-GmbH in die E-GmbH i.S. von § 20 Abs. 1 Satz 2 des Umwandlungssteuergesetzes i.d.[X.] (UmwStG 2002) eingebra[X.]ht und damit veräußert. Er hat als Gegenleistung neue Anteile an der E-GmbH vereinnahmt.

Na[X.]h § 20 Abs. 4 Satz 1 UmwStG 2002 gilt für den Einbringenden der Wert, mit dem die Kapitalgesells[X.]haft (hier die E-GmbH) das eingebra[X.]hte Betriebsvermögen ansetzt, als Veräußerungspreis. Bei Einbringung von Gesells[X.]haftsanteilen an einer Kapitalgesells[X.]haft gegen Gewährung von Anteilen an der aufnehmenden Kapitalgesells[X.]haft entspri[X.]ht der vom Einbringenden erzielte Veräußerungspreis grundsätzli[X.]h dem Wert, den die aufnehmende Kapitalgesells[X.]haft für die eingebra[X.]hten Anteile ansetzt (ständige Re[X.]htspre[X.]hung des [X.] --BFH--, vgl. z.B. Urteile vom 11. Mai 2010 [X.], [X.], 2067; vom 20. April 2011 [X.]/10, [X.], 1789, m.w.N.).

Na[X.]h diesen Maßstäben ist das [X.] zutreffend von 40.000 € als Veräußerungspreis ausgegangen, denn in Höhe dieses Betrages erlangte der Kläger einen Ges[X.]häftsanteil an der [X.] Diesem Veräußerungspreis standen unstreitig Ans[X.]haffungskosten von 113.692 € gegenüber.

b) Das [X.] hat Veräußerungspreis und Ans[X.]haffungskosten zutreffend jeweils zur Hälfte der Besteuerung na[X.]h § 17 Abs. 2 EStG unterworfen.

aa) Gemäß § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG ist die Hälfte des [X.] von § 17 Abs. 2 EStG steuerfrei. Die hiermit in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehenden Aufwendungen sind ebenfalls nur zur Hälfte abzuziehen; denn na[X.]h § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG dürfen [X.], Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in wel[X.]hem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Entspre[X.]hendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Ans[X.]haffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind. Bei steuerfreien Einnahmen soll kein doppelter steuerli[X.]her Vorteil dur[X.]h den zusätzli[X.]hen Abzug von unmittelbar mit diesen zusammenhängenden Aufwendungen erzielt werden. Fallen keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen an, kommt eine hälftige Steuerbefreiung na[X.]h § 3 Nr. 40 EStG ni[X.]ht in Betra[X.]ht. Folgeri[X.]htig tritt die na[X.]h § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebende Bedingung dafür, entspre[X.]henden Aufwand nur zur Hälfte zu berü[X.]ksi[X.]htigen, ni[X.]ht ein. Denn dieser steht ni[X.]ht --wie dies § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG s[X.]hon dem Wortlaut na[X.]h für die hälftige Kürzung [X.] in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang mit ledigli[X.]h zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen. Fließen keine Einnahmen zu, ist § 3[X.] Abs. 2 Satz 1 EStG ni[X.]ht anwendbar und der [X.] ist in vollem Umfang abziehbar. Dies entspri[X.]ht dem Gesetzeszwe[X.]k des [X.]s, eine Doppelbegünstigung auszus[X.]hließen (BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 [X.], [X.], 445, [X.], 220; vom 14. Juli 2009 IX R 8/09, [X.], 399; BFH-Bes[X.]hluss vom 18. März 2010 IX [X.]/09, [X.], 177, [X.], 627).

bb) Werden bei der Anteilsveräußerung i.S. von § 17 EStG indes veräußerungsbedingte Einnahmen (Veräußerungspreis) erzielt, sind Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. [X.] EStG) und [X.] (§ 3[X.] Abs. 2 EStG) au[X.]h im Verlustfall anzuwenden. Entgegen der Revision kommt eine --teleologis[X.]he oder ggf. verfassungskonforme-- Eins[X.]hränkung des [X.]s bei Verlusten in der Weise, dass die Ans[X.]haffungs- und Veräußerungskosten der jeweiligen Anteile voll berü[X.]ksi[X.]htigt werden, soweit sie den [X.] übersteigen, ni[X.]ht in Betra[X.]ht (siehe eingehend zur verfassungsre[X.]htli[X.]hen Problematik BFH-Urteil vom 6. April 2011 [X.]/10, [X.], 442, [X.], 785).

[X.][X.]) Selbst wenn man na[X.]h den vom Kläger in der mündli[X.]hen Verhandlung gebildeten Beispielen im Erstre[X.]ken des Anwendungsberei[X.]hs des Halbeinkünfteverfahrens auf [X.] eine übers[X.]hießende Tendenz sähe, liegt es denno[X.]h innerhalb des dem Gesetzgeber überantworteten Gestaltungsspielraums, der Besteuerung eine systematis[X.]he Grundkonzeption des Inhalts zugrunde zu legen, eine Kapitalgesells[X.]haft und deren Gesells[X.]hafter als voneinander zu unters[X.]heidende Re[X.]htssubjekte anzusehen und bei der Besteuerung des Gesells[X.]hafters positive und negative Einkünfte na[X.]h einem übereinstimmenden Maßstab zu behandeln. Mag die Begrenzung der Besteuerung beim Gesells[X.]hafter wirts[X.]haftli[X.]h zwar mit der Besteuerung der Kapitalgesells[X.]haft zusammenhängen, so wird in der re[X.]htli[X.]hen Ausgestaltung indes die Besteuerung des Gesells[X.]hafters von der Besteuerung der Gesells[X.]haft gelöst und es werden Erträge und Aufwendungen des Gesells[X.]hafters na[X.]h einem einheitli[X.]hen Prinzip (je zur Hälfte) --und damit folgeri[X.]htig-- berü[X.]ksi[X.]htigt (so grundlegend BFH-Urteil vom 20. April 2011 [X.]/10, [X.], 508, [X.], 815; zum [X.] als Belastungsgrundents[X.]heidung des Gesetzgebers siehe Bundesverfassungsgeri[X.]ht, Bes[X.]hluss vom 12. Oktober 2010  1 BvL 12/07, [X.] 127, 224 Rz 61).

2. Das [X.] hat au[X.]h die S[X.]huldzinsen zutreffend nur zur Hälfte gemäß § 3[X.] Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Bu[X.]hst. d EStG als Werbungskosten berü[X.]ksi[X.]htigt (vgl. dazu grundlegend BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 69/05, [X.], 251, [X.], 551). Diese Aufwendungen stehen in wirts[X.]haftli[X.]hem Zusammenhang mit den im Zuge der Einbringung vereinnahmten, zur Hälfte anzusetzenden neuen Anteile an der [X.] Es gelten deshalb die unter 1. dargelegten Maßstäbe, auf die der Senat --um Wiederholungen zu [X.] verweist.

Meta

IX R 1/11

07.02.2012

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 2. Dezember 2010, Az: 8 K 3349/06 E, Urteil

§ 3 Nr 40 EStG 2002, § 3c Abs 2 EStG 2002, § 17 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 20 Abs 1 UmwStG 2002, § 20 Abs 2 S 1 UmwStG 2002, Abs 4 S 1 UmwStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.02.2012, Az. IX R 1/11 (REWIS RS 2012, 9446)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9446

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1 BvL 12/07

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