Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.03.2014, Az. V B 24/13

5. Senat | REWIS RS 2014, 7049

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Gegenstand

Vorsteuerabzug - Greifbare Gesetzeswidrigkeit - Sachaufklärungsrüge


Leitsatz

1. NV: Nach der bis einschließlich 2003 bestehenden Rechtslage berechtigten Rechnungen auch ohne Angaben zum Leistungszeitpunkt zum Vorsteuerabzug.

2. NV: Eine greifbare Gesetzeswidrigkeit rechtfertigt keine Revisionszulassung, wenn das FG sein Urteil auch auf eine weitere rechtlich selbständige Begründung gestützt hat, hinsichtlich der kein Zulassungsgrund vorliegt.

3. NV: Die Rüge, das FG habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts näher aufklären müssen, setzt voraus, dass der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, aus Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und warum ein fachkundig vertretener Kläger nicht von sich aus entsprechende Anträge gestellt oder das Unterbliebene der Beweiserhebung in sonstiger Weise gemäß § 295 der ZPO i.V. § 155 FGO gerügt hat.

Gründe

1

Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.

2

1. Hat das Finanzgericht ([X.]) sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich allein das Entscheidungsergebnis trägt, ist hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) geforderten Form geltend zu machen. Um eine kumulative Begründung handelt es sich auch dann, wenn das [X.] seine Entscheidung --wie im [X.] auf eine [X.] sowie auf eine Hilfsbegründung stützt (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 24. April 2013 X B 179/12, [X.], 1229).

3

2. So ist es im Streitfall. Das [X.] hat die Klageabweisung zum einen damit begründet, dass die Rechnung, aus der die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Zum anderen hat das [X.] seine Entscheidung darauf gestützt, dass es sich bei der in der Rechnung ausgewiesenen Lieferung um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Ein Zulassungsgrund liegt dabei nur im Hinblick auf die erste, nicht aber auch hinsichtlich der zweiten Begründungsalternative vor.

4

a) In Bezug auf die Rechtsauffassung des [X.], dass die im Streitjahr 1999 erteilte Rechnung nicht ordnungsgemäß gewesen sei, macht die Klägerin inhaltlich zu Recht geltend, dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zugelassen werden könnte.

5

aa) Besonders schwerwiegende Fehler des [X.] bei der Anwendung materiellen Rechts, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, können die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ermöglichen ([X.] vom 16. Oktober 2013 I B 8/13, [X.], 378).

6

bb) Das [X.]-Urteil ist in diesem Sinne greifbar gesetzwidrig und nach Maßgabe der [X.]-Rechtsprechung zur alten Rechtslage auch unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar.

7

Nach dem Urteil des [X.] ist der Vorsteuerabzug im Streitjahr 1999 zu versagen, da die der Klägerin erteilte Rechnung vom 23. Februar 1999 kein Lieferdatum ausweise.

8

Rechnungen ohne Angaben zum Leistungszeitpunkt berechtigten zwar nicht zum Vorsteuerabzug, wie das [X.] entschieden hat (Urteil S. 8). Dies gilt aber entgegen dem [X.]-Urteil nicht im Streitjahr, sondern erst für die Rechtslage ab 2004.

9

Zu der im Streitjahr maßgeblichen Rechtslage hat der [X.] mit Urteil vom 27. Juli 2000 V R 55/99 ([X.]E 193, 156, [X.] 2001, 426) ausdrücklich entschieden, dass § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) mit den Worten "Rechnungen im Sinne des § 14" an die Regelung der Rechnung in § 14 Abs. 4 UStG anknüpfte, nicht aber an diejenige in § 14 Abs. 1 UStG (vgl. auch [X.]-Urteil vom 24. September 1987 V R 50/85, [X.]E 153, 65, [X.] 1988, 688). Deshalb brauchte eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nach der im Streitjahr geltenden Rechtslage nicht sämtliche der in § 14 Abs. 1 UStG aufgeführten Merkmale aufweisen.

b) Das Vorliegen des [X.] vermag der Beschwerde aber nicht zum Erfolg zu verhelfen, da in Bezug auf die zweite Begründungsalternative kein Zulassungsgrund vorliegt.

aa) Die von der Klägerin behauptete Verletzung rechtlichen Gehörs durch Überraschungsentscheidung (§ 96 Abs. 2 [X.]O) in Bezug auf die vom [X.] angenommene Steuerhinterziehung liegt nicht vor, da sich der [X.] bereits aus dem angefochtenen Steuerbescheid ergab, wie der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) zutreffend anmerkt. Das [X.] hatte zum Vorliegen einer Steuerhinterziehung zudem ausdrücklich in der Einspruchsentscheidung Stellung genommen.

bb) Ein Verstoß gegen die von Amts wegen vorzunehmende Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) ist nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O). Die bereits im Verfahren vor dem [X.] durch einen Rechtsanwalt fachkundig vertretene Klägerin berücksichtigt insoweit nicht hinreichend, dass die Rüge, das [X.] habe den Sachverhalt auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, voraussetzt, dass der Beschwerdeführer substantiiert darlegt, aus welchen --genau bezeichneten-- Gründen sich dem [X.] die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des --ggf. auch unrichtigen-- materiell-rechtlichen Standpunkts des [X.] zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und warum ein fachkundig vertretener Kläger nicht von sich aus --in der mündlichen [X.] entsprechende Anträge gestellt oder das Unterbliebene der Beweiserhebung in sonstiger Weise gemäß § 295 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 [X.]O gerügt hat ([X.]-Beschlüsse vom 22. Januar 2013 V B 85/12, juris; vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, [X.]/NV 2006, 803; vom 4. Dezember 2006 VIII B 61/06, [X.]/NV 2007, 451; vom 9. Januar 2007 VIII B 180/05, [X.]/NV 2007, 751, und vom 27. März 2007 VIII B 152/05, [X.]/NV 2007, 1335). Dem genügt der Vortrag der Klägerin nicht.

c) Das [X.] hat keinen Tatsachenvortrag unberücksichtigt gelassen.

Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O kann zwar gegeben sein, wenn das [X.] seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde gelegt hat ([X.] vom 13. Dezember 2011 V B 39/11, Zeitschrift für Steuern und Recht 2012, [X.]). Im [X.] behauptet die Klägerin im Streitfall nur einen materiell-rechtlichen Fehler der Vorentscheidung. Ein Verstoß des [X.] gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O kann aber nicht vorliegen, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das [X.] habe den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend seinen Vorstellungen gewürdigt oder wenn dem Beschwerdeführer die Würdigung des [X.] fehlerhaft erscheint (vgl. z.B. [X.] vom 26. Mai 2010 V B 70/09, [X.]/NV 2010, 1837).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 24/13

18.03.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. Januar 2013, Az: 6 K 1486/10, Urteil

§ 15 UStG 1999, § 76 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.03.2014, Az. V B 24/13 (REWIS RS 2014, 7049)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7049

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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