Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 24.01.2023, Az. 1 BvL 11/20

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2023, 945

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit des § 301 Abs 2 S 4 SGB V (RIS: SGB 5) idF vom 11.12.2018 - Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage mangels hinreichender fachgerichtlicher Ermittlungen zum im Ausgangsverfahren geltend gemachten Erstattungsanspruch nicht dargelegt


Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

1

Das [X.] betrifft die Frage der Verfassungsmäßigkeit der durch § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] in der Fassung des [X.] ([X.] - [X.]) vom 11. Dezember 2018 ([X.]) dem [X.] ([X.]) übertragenen Befugnis, bei Auslegungsfragen zu [X.] und [X.] im Zusammenhang mit einer Krankenhausbehandlung selbst Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vorzunehmen.

I.

2

1. § 301 [X.] regelt die Verpflichtung und Befugnis zur Übermittlung von Daten von Krankenhäusern beziehungsweise Krankenhausträgern an Krankenkassen bei Krankenhausbehandlungen. Während Absatz 1 die zu übermittelnden Daten aufführt, enthält Absatz 2 nähere Vorgaben für bestimmte zu übermittelnde Daten, namentlich für Haupt- und [X.], sowie für vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführte Operationen und sonstige Prozeduren. So enthielt § 301 Abs. 2 Satz 2 [X.] die Regelung, dass die Operationen und sonstigen Prozeduren nach dem vom [X.] im Auftrag des [X.] herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln sind. Nach § 301 Abs. 2 Satz 3 [X.] gibt das [X.] den [X.]punkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung des Prozedurenschlüssels im [X.] bekannt.

3

Das [X.] wurde durch Erlass vom 1. September 1969 ([X.] 1969, [X.]) als nichtrechtsfähige [X.] im Geschäftsbereich des [X.] errichtet. Es gibt seit 1993 im Auftrag des [X.] Klassifikationssysteme zur Verschlüsselung von Diagnosen und Operationen/Prozeduren heraus, auf die seit der 2003 beginnenden Einführung des Diagnosis Related Groups ([X.] auch für die Bestimmung der Vergütung von Krankenhausleistungen zurückgegriffen wird. Im Mai 2020 wurde das [X.] in das [X.] ([X.]) eingegliedert.

4

2. Der hier durch die Vorlage des [X.] zur Überprüfung gestellte § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] wurde durch Art. 7 Nr. 17 des [X.]es ([X.]) vom 11. Dezember 2018 ([X.]) mit Wirkung zum 1. Januar 2019 neu eingefügt. Heute findet sich die Regelung in § 301 Abs. 2 Satz 6 [X.]. Sie hat folgenden Wortlaut:

Das [X.] kann bei Auslegungsfragen zu den [X.] nach Satz 1 und den [X.] nach Satz 2 Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen.

5

In der Begründung des Gesetzentwurfs (BTDrucks 19/5593, [X.]) heißt es, die vom [X.] herausgegebenen Verschlüsselungen der [X.] (ICD) und des [X.] ([X.]) enthielten auch Ausführungen zur Anwendung dieser Schlüssel. In der Praxis sei die Auslegung struktureller Anforderungen bei Komplexziffern des [X.] streitig gewesen. Das zeigten die Urteile des [X.] vom 19. Juni 2018 zur Auslegung der Transportentfernung im [X.] 8-98b und [X.] 8-981 sowie vom 19. Dezember 2017 zur geriatrisch frührehabilitativen Komplexbehandlung ([X.] 8-550). Die Neuregelung solle vermeiden, dass aufgrund von [X.] eine Vielzahl zurückliegender Abrechnungsverfahren erneut aufgegriffen und abgerechnet würden. Sie stelle klar, dass das [X.] Klarstellungen und Änderungen der Formulierungen auch mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmen könne. Zur Vermeidung einer unzulässigen Rückwirkung dürften sich diese nicht zum Nachteil von Leistungserbringern nachträglich ändernd auf bereits abgeschlossene Sachverhalte auswirken.

II.

6

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine Krankenkasse, die Beklagte des Ausgangsverfahrens Trägerin einer Kreisklinik. Die Klinik verfügte 2014 über eine gefäßchirurgische Abteilung, nicht aber über eine Abteilung für neurochirurgische Notfalleingriffe oder interventionell-neuroradiologische Behandlungsmaßnahmen. [X.] hatte die Beklagte daher einen Kooperationsvertrag mit dem [X.] (...) im Rahmen eines Projekts zur integrierten Schlaganfallversorgung in der Region "zum Zweck der nachhaltigen und flächendeckenden Qualitätsförderung der regionalen Schlaganfallbehandlung in Krankenhäusern ohne spezialisierte Stroke Unit" geschlossen. In dem Kooperationsvertrag ist unter anderem geregelt:

§ 2 Leistungen des [X.] (...)

"1. - 3. …

4. Darüber hinaus verpflichtet sich das [X.] (…) dazu, die Aufnahmebereitschaft in den Stroke Units, neurologischen Intensivstationen und neurochirurgischen Behandlungseinheiten unter Einbezug der in der Region bereits etablierten Einrichtungen soweit möglich zu optimieren, jedoch unter Berücksichtigung der limitierten Aufnahmefähigkeit der involvierten Schlaganfallzentren (...) und Universitätsklinik (...).

Bei Verlegungen aus dem Krankenhaus [der [X.]] ist eine medizinische Verlegungsindikation Voraussetzung.

Das [X.] (...) stellt eine kontinuierliche neurologische und neuroradiologische Diagnostik - bzw. Interventionsbereitschaft durch Einbeziehung weiterer Schlaganfallzentren (siehe Punkt 4 oben) sicher.

5. Die Leistungen werden durch Einzelauftrag beim jeweiligen diensthabenden [X.] angefordert.

6. …

7. Das [X.] (...) ist berechtigt, diese Leistungen selbst oder durch das [X.] der Universitätskliniken (...) zu erbringen."

7

2. In der Klinik der [X.] wurde im August 2014 eine bei der Klägerin versicherte Person stationär behandelt. Die Klägerin beglich zunächst eine Rechnung über 3.490,07 Euro, der unter anderem der [X.]-98b (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) nach dem [X.] Version 2014 zugrundelag. Dieser [X.] setzte unter anderem voraus, dass eine Abteilung für neurochirurgische Notfalleingriffe im Hause oder mittels eines Kooperationspartners in höchstens halbstündiger Transportentfernung als der [X.] zwischen [X.] und [X.] verfügbar ist.

8

3. Die Klägerin macht vor dem Sozialgericht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 992,11 Euro nebst Zinsen geltend, als Differenz zwischen der von der [X.] abgerechneten Vergütung und der Vergütung, die ohne Kodierung der [X.]-Ziffer 8-98b angefallen wäre. Sie meint, die von [X.] 8-98b geforderte Transportzeit von einer halben Stunde beginne mit der Anforderung des Transportmittels und ende mit der Übergabe des Patienten an das kooperierende Krankenhaus. Damit sei die Behandlung nicht in der geforderten halben Stunde zu erreichen.

9

Auf Grundlage des mit Wirkung zum 1. Januar 2019 eingeführten § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] veröffentlichte das [X.] am 3. Dezember 2018 eine "Klarstellung und Änderung" zu [X.]-98b als Anhang zu [X.] 2019, die rückwirkend ab dem 1. Januar 2014 gelten solle. Zu den Mindestmerkmalen des [X.]-98b heißt es für den Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen:

"… Es gibt jeweils eine eigene Abteilung im Hause oder einen Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung ([X.] , der innerhalb einer halben Stunde zwischen [X.] und [X.]). (das ist die [X.], die der Patient im Transportmittel verbringt) erreichbar ist. Das [X.] ist erfüllt, wenn die halbstündige der Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar innerhalb einer halben Stunde möglich ist. Wenn der Transport eines Patienten erforderlich ist und das [X.]limit nur mit dem schnellstmöglichen Transportmittel eingehalten werden kann, muss dieses auch tatsächlich verwendet werden. Wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte, darf der [X.] nicht angegeben werden."

Auf die im Rahmen der Amtsermittlung vom Sozialgericht gestellte Anfrage an die [X.] erklärte diese, für die Strecke zwischen dem Ort der Stationierung zur Klinik der [X.] sowie von dort zur Kooperationsklinik (...) betrage die reine Regeltransportzeit zur Tages- und Nachtzeit jeweils etwa 25 Minuten. Sie könne sich durch wetterbedingte Umwege oder starke Gegen- oder Rückenwinde deutlich verändern. Die Übernahme- und Übergabezeiten blieben unberücksichtigt; sie könnten sich je nach Diagnose und Patientenvorbereitung beziehungsweise -zustand beim Eintreffen des Hubschraubers deutlich unterscheiden.

III.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2020 hat das Sozialgericht das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] folgende Fragen zur Entscheidung vorgelegt:

1. Verstößt der durch das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals ([X.] - [X.]) vom 11. Dezember 2018 ([X.], [X.]) hinzugefügte § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.], gültig ab dem 1. Januar 2019, insoweit gegen den Gesetzesvorbehalt der Art. 20 Abs. 2 und 3, Art. 87 Abs. 3 GG, als die in § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] ermächtigte Behörde des [X.] nur durch [X.] und nicht durch Parlamentsgesetz errichtet wurde?

2. Verstößt der durch das [X.] vom 11. Dezember 2018 ([X.], [X.]) hinzugefügte § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.], gültig ab dem 1. Januar 2019, insofern gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), als in § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] das [X.] zur rückwirkenden Klarstellung und damit ggf. auch Vernichtung materieller Rechtspositionen ermächtigt wird?

1. Das Sozialgericht hält die Vorlagefragen für entscheidungserheblich, da die Begründetheit der Klage von der Verfassungswidrigkeit des § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] abhänge. Wäre die Norm verfassungswidrig, sei die Klarstellung des [X.] nichtig, das im [X.]-[X.]-98b enthaltene Transportzeiterfordernis anders auszulegen und die Voraussetzungen des [X.] 8-98b nicht erfüllt. Die Klägerin hätte dann 992,11 Euro ohne Rechtsgrund gezahlt, so dass der Erstattungsanspruch bestehe. Laut Auskunft der [X.] betrage die reine Flugzeit des Hubschraubers mit Anflug sowie Flug zwischen Klinik und kooperierendem [X.] bereits 50 Minuten, und es seien nach Auskunft der [X.] jeweils mindestens 10 Minuten für das Ein- und Ausladen hinzuzurechnen. Damit werde das [X.] auf jeden Fall verfehlt. Sei § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] hingegen verfassungsgemäß und die darauf gestützte Klarstellung des [X.] wirksam, stünde der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Die Beklagte hätte dann zu Recht den [X.] 8-98b abgerechnet, denn die [X.], die ein zu verlegender Patient im Hubschrauber verbringe, liege mit 25 Minuten unterhalb der geforderten 30-Minuten-Grenze.

2. Das Sozialgericht hält § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] auch für verfassungswidrig, da, wie näher dargelegt wird, die erforderliche gesetzliche Grundlage für das Handeln des [X.] fehle, dieses gegen das [X.] verstoße und eine Mißachtung des Rechtsprechungsmonopols der Gerichte bewirke.

Eine verfassungskonforme Auslegung komme nicht in Betracht. Der Wortlaut stehe einem Verständnis, wonach sich die Ermächtigung in § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] nur auf reine Klarstellungen beziehe, klar und unmissverständlich entgegen, da die Norm das [X.] explizit zu "Änderungen" der [X.]-[X.]s ermächtige. Eine solche Deutung widerspräche zudem dem klar geäußerten Willen des Gesetzgebers, dem es gerade um eine rückwirkende Korrektur der Rechtsprechung des [X.] zum [X.]-[X.]-98b gegangen sei.

B.

Die Vorlage ist unzulässig. Sie genügt den aus § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] folgenden Darlegungsanforderungen nicht. Die nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage steht nach dem Stand der durch das vorlegende Gericht angestellten Ermittlungen nicht fest.

Die Unzulässigkeit der Vorlage kann die Kammer durch einstimmigen Beschluss feststellen (§ 81a Satz 1 [X.]).

I.

Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] muss ein vorlegendes Gericht darlegen, aus welchen Gründen es von der Verfassungswidrigkeit einer Norm überzeugt ist und dass und weshalb es im Falle der Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Fall ihrer Ungültigkeit (vgl. [X.] 141, 143 <160 Rn. 34>). Die Ausführungen müssen erkennen lassen, dass die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift sorgfältig geprüft worden ist ([X.] 148, 64 <67 f. Rn. 13> m.w.N.). Die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit richtet sich grundsätzlich nach der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts. Doch darf diese nicht offensichtlich unhaltbar sein (vgl. [X.] 143, 38 <50 Rn. 28>; stRspr). Die Norm muss unter Auseinandersetzung mit der Rechtslage und den in Literatur sowie Rechtsprechung entwickelten Auffassungen ausgelegt werden ([X.] 148, 64 <67 f. Rn. 13> m.w.N.). Insgesamt sind zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit alle naheliegenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. [X.] 80, 68 <71>; 86, 71 <78>). Fehlen insoweit nähere Erläuterungen, kann das [X.] diese nicht durch eigene Erwägungen ersetzen (vgl. [X.] 97, 49 <62>; 105, 61 <67>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 31. März 2022 - 1 BvL 8/21 -, Rn. 8).

II.

Diesen Anforderungen wird die Vorlage nicht gerecht. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen ist nicht ausreichend dargetan.

1. Zwar legt das Sozialgericht schlüssig dar, dass der Klage für den Fall der Verfassungswidrigkeit des § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] stattzugeben wäre. Dagegen ist die Annahme des [X.], im Falle der Verfassungsmäßigkeit des § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] wäre das nicht der Fall, weil die Abrechnung durch die Beklagte zuträfe, nicht hinreichend nachvollziehbar. Hier setzt das Sozialgericht die Verweildauer des Patienten im Transportmittel mit der mitgeteilten Regelflugzeit gleich, berücksichtigt aber weder den Hinweis der [X.] auf die wetterbedingten Faktoren, die schon diese verändern können, noch den Hinweis auf Übernahme- und Übergabezeiten, obwohl naheliegt, dass sich der Patient teilweise hierbei schon beziehungsweise noch im Transportmittel befindet. Damit ist nicht hinreichend dargelegt, warum dennoch eine Transportzeit von unter 30 Minuten gewahrt worden sein könne. Ohne weitere tatsächliche Feststellungen kann zumindest nicht davon ausgegangen werden, dass der Transport, wie nach dem [X.]-[X.] gefordert, "grundsätzlich" innerhalb einer halben Stunde erfolgen könne.

Darüber hinaus fehlen Feststellungen dazu, ob der erforderliche unmittelbare Zugang zu den relevanten Behandlungsmaßnahmen durch den Kooperationsvertrag gewährleistet war. In dem damals geltenden Kooperationsvertrag verpflichtete sich das kooperierende [X.] lediglich dazu, die Aufnahmebereitschaft in bestimmten Stationen unter Einbezug der in der Region bereits etablierten Einrichtungen soweit möglich zu optimieren, jedoch unter Berücksichtigung der limitierten Aufnahmefähigkeit der involvierten Schlaganfallzentren (...) und [X.] (...). Damit ist nicht klar, dass ein unmittelbarer Zugang zu allen erforderlichen medizinischen Leistungen durch den Kooperationspartner gewährleistet war. Zudem lässt das Sozialgericht unberücksichtigt, dass der Kooperationspartner nach dem Vertrag berechtigt war, die vereinbarten Leistungen auch durch das [X.] (...) zu erbringen, da Leistungen durch Einzelauftrag beim jeweiligen diensthabenden [X.] angefordert werden. Damit ist unklar, inwiefern hier allein die Verlegung an das (...) in Rede stand und die andere Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde.

2. Unklar ist die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage für den im Ausgangsverfahren geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zudem, weil jedenfalls nicht auf der Hand liegt, dass der Vergütungsanspruch als Rechtsgrund für die geleistete Zahlung von der Regelung des § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] sowie der hierauf gestützten Klarstellung durch das [X.] abhängig ist.

Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus bemisst sich grundsätzlich nach § 109 Abs. 4 Satz 3 [X.] in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausgesetz. Dazu vereinbaren der [X.] und der [X.] nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz mit der [X.] einen Fallpauschalen-Katalog. Dieser enthält auch die Bewertungsrelationen und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren, die [X.] ([X.]). Dies ist der vertragsrechtliche Rahmen der für eine Behandlung maßgeblichen Diagnosis Related Groups ([X.]. Ihre Verbindlichkeit folgt nach der Rechtsprechung des [X.] allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten [X.] einbezogen sind, nicht dagegen aus § 301 [X.] (vgl. [X.], 236 <244 f.>).

Das Sozialgericht setzt sich mit der Frage der Verbindlichkeit des Klassifikationssystems [X.] für den Vergütungsanspruch nicht weiter auseinander. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des [X.] hätte es aber entweder darlegen müssen, dass es hiervon abweichend das Klassifikationssystem [X.] nach § 301 [X.] für verbindlich hält, oder aber inwieweit sich die als unwirksam erachtete rückwirkende Änderung des Klassifikationssystems [X.] auf die vertraglich geregelte Rezeption des [X.] auswirkt. Insoweit wäre auch eine Auseinandersetzung mit den damals geltenden vertraglichen Regelungen erforderlich gewesen. Nicht ausreichend ist es, allgemein auf den in der Begründung zum Gesetzentwurf niedergelegten gesetzgeberischen Willen abzustellen, für zurückliegende Abrechnungsverfahren Klarstellungen und Änderungen der Formulierungen des [X.] vorzunehmen.

3. Ob die Ermächtigung des § 301 Abs. 2 Satz 4 [X.] in der Fassung vom 11. Dezember 2018 verfassungskonform so zu verstehen sein kann, dass nur Klarstellungen legitimiert sind, die keine inhaltlichen Änderungen mitbringen, muss hier nicht geklärt werden. Auch dies wird mit der Vorlage nicht den Anforderungen entsprechend dargelegt (vgl. [X.] 121, 108 <117>; 131, 88 <118>). So wird nicht näher geklärt, was daraus folgt, dass die Begründung zum Gesetzentwurf nur auf "Änderungen der Formulierungen" abhebt (vgl. BTDrucks 19/5593, [X.]) und ein auf die Ermächtigung zur Klarstellung und Änderung unter anderem des [X.] 8-98b bezogener Änderungsantrag (BTDrucks 19/5593, [X.]) keinen Eingang in den Gesetzestext gefunden hat.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvL 11/20

24.01.2023

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvL

vorgehend SG München, 25. Juni 2020, Az: S 12 KR 1865/18, Vorlagebeschluss

Art 20 Abs 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 87 Abs 3 GG, Art 100 Abs 1 GG, § 81a S 1 BVerfGG, § 7 Abs 1 S 1 KHEntgG, § 17 KHG, Nr 8-98b OPS vom 03.12.2018, Nr 8-550 OPS, Nr 8-981 OPS, Art 7 Nr 17 PpSG, § 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 301 Abs 2 S 4 SGB 5 vom 11.12.2018

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 24.01.2023, Az. 1 BvL 11/20 (REWIS RS 2023, 945)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 945

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

S 12 KR 1865/18 (SG München)

Vorlage an das BVerfG wegen Verfassungswidrigkeit des § 301 Abs. 2 S. 4 SGB V


S 12 KR 1865/18 (SG München)

Abrechnung neurologischer Komplexbehandlung


S 15 KR 2443/18 (SG München)

Krankenversicherung


S 15 KR 2433/18 (SG München)

Erstattungsanspruch


S 15 KR 2343/18 (SG München)

Kostenerstattung für eine Krankenhausbehandlung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvL 8/21

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.