Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.02.2010, Az. IV R 24/07

4. Senat | REWIS RS 2010, 8974

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Gegenstand

Unstatthaftes Teilurteil: Verstoß gegen Grundordnung des Verfahrens - Teilurteil über Steuermessbetrag nach Gewerbeertrag nicht statthaft - Keine Umdeutung des unstatthaften Teilurteils in ein Zwischenurteil - Streitgegenstand einer Anfechtungsklage gegen Gewerbesteuermessbetrag


Leitsatz

1. NV: Entscheidet das FG verfahrensfehlerhaft durch Teilurteil, so liegt darin ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens .

2. NV: Ein Teilurteil über die Höhe des Steuermessbetrags nach dem Gewerbeertrag ist nicht statthaft .

3. Ein unstatthaftes Teilurteil kann nicht in ein Zwischenurteil umgedeutet werden .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. [X.], deren Gesellschaftszweck der Erwerb des Erbbaurechts an bestimmten Grundstücken der [[X.].] sowie die Errichtung einer Tiefgarage, deren Vermietung oder Veräußerung ist. Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 6. Oktober 1989 bestellte die [[X.].] der Klägerin für die Dauer von 50 Jahren ein Erbbaurecht an den betreffenden Grundstücken. Die Klägerin verpflichtete sich darin zum Bau einer Tiefgarage. Am selben Tag schlossen die [X.] und die [[X.].] einen Mietvertrag über die von der Klägerin zu errichtende Tiefgarage. Das Mietverhältnis sollte mit der Übernahme des Mietobjekts durch die Mieterin, spätestens zum 1. Juli 1991, beginnen. Die Mietdauer sollte 22 Jahre betragen. In dem Mietvertrag bot die Klägerin der [[X.].] den Abschluss eines Kaufvertrags über das Erbbaurecht mit Tiefgarage an. Das Angebot konnte von der [[X.].] zum Ablauf des Mietverhältnisses angenommen werden; als Kaufpreis wurden die noch nicht durch die Mieten amortisierten Gesamtkosten einschließlich etwaiger rückständiger Leistungen zum Zeitpunkt des Verkaufs vereinbart.

2

Die Klägerin erklärte in ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 1991 einen Verlust, der u.a. aus Absetzungen für Abnutzung ([X.]) auf das Erbbaurecht und auf die Tiefgarage resultierte, und nahm die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 des [X.] in der für das Streitjahr geltenden Fassung ([X.]) in Anspruch. Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) die [X.] nicht mehr an, weil die [[X.].] wirtschaftliche Eigentümerin des Erbbaurechts sei. Auch eine Kürzung des [X.] nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 [X.] lehnte das [X.] ab. Außerdem berücksichtigte es, dass eine geänderte Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 ergangen war. Dementsprechend änderte das [X.] den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1991. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Über den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 hat das [X.] noch nicht entschieden.

3

Das Finanzgericht (FG) entschied auf die gegen den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1991 gerichtete Klage durch Teilurteil, dass der [X.] nach dem Gewerbeertrag für 1991 unter Berücksichtigung der [X.] auf das Erbbaurecht und auf die Tiefgarage sowie der erweiterten Kürzung des [X.] nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 [X.] festgesetzt wird; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1836 veröffentlicht. Die Klage sei dahin auszulegen, dass die Klägerin auch die Höhe des [X.]s nach dem [X.] angreife, weil sonst ohnehin nicht auf die begehrte Herabsetzung des einheitlichen [X.]s auf 0 DM erkannt werden könne. Dessen Höhe hänge jedoch vom Ausgang des [X.] gegen die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 ab. Da der Rechtsstreit jedoch hinsichtlich der Höhe des [X.]s nach dem Gewerbeertrag zur Entscheidung reif sei, sei es sachgerecht, durch Teilurteil über diesen Streitgegenstand zu entscheiden.

4

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO).

5

Es beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

[X.] Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

8

Das [X.] hat verfahrensfehlerhaft durch Teilurteil entschieden. Darin liegt ein von Amts wegen zu berücksichtigender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 9. Februar 2000 [X.]/99, [X.], 966; vgl. auch [X.]-Urteil vom 11. Februar 1998 [X.]/97, [X.] 1998, 1197, m.w.N., zum Grundurteil).

9

1. Nach § 98 [X.]O kann das Gericht ein Teilurteil erlassen, wenn nur ein Teil des Streitgegenstandes zur Entscheidung reif ist. Der Erlass eines Teilurteils setzt voraus, dass der Streitgegenstand teilbar ist ([X.]-Urteil vom 30. November 1993 [X.], [X.], 204, [X.] 1994, 403, m.w.N.). Ein Teilurteil darf nur zu einem abtrennbaren Teil des Streitgegenstandes ergehen (vgl. [X.]-Urteil vom 17. November 1992 [X.], [X.] 1993, 316, unter 1.b aa der Gründe; Urteil des [X.] vom 5. November 2003 [X.], [X.] 2004, 1036, m.w.N.; sowie [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 98 [X.]O Rz 9). Ein Teil eines einheitlichen Streitgegenstands ist abtrennbar, wenn er einer gesonderten tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zugänglich ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], VwGO § 110 Rz 4, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben durfte das [X.] über die Höhe des [X.] nach dem Gewerbeertrag nicht durch Teilurteil entscheiden.

a) Die Klägerin hat mit ihrer Klage den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1991 angefochten; denn sie begehrte die Herabsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für 1991 auf Null. Streitgegenstand ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag allein die Rechtmäßigkeit des durch ihn festgesetzten einheitlichen [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 6. August 1985 VIII R 280/81, [X.], 386, [X.] 1986, 17, unter [X.] der Gründe; Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 17. Juli 1967 [X.], [X.]E 91, 393, [X.] 1968, 344, unter I[X.]4. der Gründe). Die Steuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag und nach dem [X.] werden zwar nach den §§ 7 ff. und §§ 12 f. GewStG getrennt ermittelt (Selder in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 14 Rz 1). [X.] wird aber (nur) der einheitliche Steuermessbetrag, der durch die Zusammenrechnung der Steuermessbeträge nach dem Gewerbeertrag und nach dem [X.] gebildet wird (vgl. § 14 GewStG). Die beiden Steuermessbeträge sind ebenso wie die zu ihrer Feststellung führenden einzelnen Besteuerungsmerkmale nach § 157 Abs. 2 [X.] nicht selbständig anfechtbare Teile des Bescheids über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag (Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 91, 393, [X.] 1968, 344, unter I[X.]4. der Gründe).

b) Die Höhe des [X.] nach dem Gewerbeertrag ist als unselbständige Besteuerungsgrundlage i.S. des § 157 Abs. 2 [X.] einer gesonderten tatsächlichen und rechtlichen Würdigung nicht zugänglich; über unselbständige Besteuerungsgrundlagen kann nicht durch Teilurteil entschieden werden ([X.]-Urteil vom 9. Dezember 2003 [X.], [X.] 2004, 527; [X.] in [X.], § 98 [X.]O Rz 10; Tipke in Tipke/[X.], Finanzgerichtsordnung, § 98 [X.]O Rz 2; Gräber/von [X.], Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 98 Rz 2; [X.], Betriebs-Berater 1968, 1030, 1032; Gräber, [X.] Steuerrecht 1968, 491, 492; vgl. auch Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.]E 91, 393, [X.] 1968, 344, unter I[X.]3.c der Gründe). Das [X.] hat im Rahmen des Klagebegehrens die Rechtmäßigkeit des festgesetzten einheitlichen [X.] ohne Rücksicht auf die --nach Auffassung der Verfahrensbeteiligten bestehenden oder fehlenden-- Besteuerungsgrundlagen zu prüfen (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 26. November 1979 [X.] [X.]E 129, 117, [X.] 1980, 99, unter C.[X.]1. der Gründe, zum Steuerbescheid). Eine Herabsetzung (Erhöhung) des [X.] nach dem Gewerbeertrag kann daher mit einer entsprechenden Erhöhung (Herabsetzung) des [X.] nach dem [X.] saldiert werden (vgl. [X.]-Urteil in [X.], 386, [X.] 1986, 17, unter [X.] der Gründe).

3. Die Umdeutung des unstatthaften Teilurteils in ein Zwischenurteil i.S. des § 99 Abs. 2 [X.]O ist nicht möglich, weil bei Ergehen eines Zwischenurteils den [X.] als bei einem Teilurteil-- nach § 99 Abs. 2 [X.]O ein Widerspruchsrecht zusteht, auf das sie vom Gericht hingewiesen werden müssen. Die Möglichkeit, dieses Recht wahrzunehmen, würde eingeschränkt, wenn das Gericht ein Teilurteil erließe, das wahlweise als Zwischenurteil aufgefasst werden könnte ([X.]-Urteil in [X.] 2004, 527, m.w.N; [X.] in [X.], § 99 [X.]O Rz 52).

Meta

IV R 24/07

25.02.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 15. März 2007, Az: 10 K 104/01, Urteil

§ 98 FGO, § 99 Abs 2 FGO, § 157 Abs 2 AO, § 14 GewStG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.02.2010, Az. IV R 24/07 (REWIS RS 2010, 8974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8974

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