Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.03.2011, Az. IV B 115/09

4. Senat | REWIS RS 2011, 8279

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Gegenstand

Klagebefugnis im Falle einer Personengesellschaft in Liquidation


Leitsatz

1. NV: Befindet sich eine Personengesellschaft im Stadium der Liquidation, bleibt sie nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, wird aber durch ihre Liquidatoren vertreten. Nach § 730 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BGB sind dies alle Gesellschafter gemeinschaftlich, soweit nicht durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss etwas anderes bestimmt ist .

2. NV: Der Beschluss einer Gesellschafterversammlung, mit dem ein Gesellschafter zum alleinigen und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GbR bestellt wird, beinhaltet nicht auch die Bestellung zum alleinigen Liquidator. Die Auseinandersetzung einer GbR ist Aufgabe aller Gesellschafter als Geschäftsführer, auch wenn die Geschäftsführung vorher anders geregelt war .

3. NV: Eine Klagebefugnis der Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO kommt nur bei Publikumsgesellschaften in Betracht. Im Übrigen ist die Klage im Falle einer Personengesellschaft in Liquidation durch die Gesellschafter als gemeinschaftliche Liquidatoren zu erheben, wobei die Erben eines Gesellschafters ggf. durch einen Nachlasspfleger zu vertreten sind .

Tatbestand

1

I. Unternehmensgegenstand der im Jahre 1996 gegründeten Klägerin und [X.]eschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.) war die [X.]ebauung, Vermietung und Verwaltung von Grundstücken. [X.]er waren neben dem Kläger und [X.]eschwerdeführer zu 2. (Kläger zu 2.), der mit 4/12 beteiligt war, [X.] zu 2/12 sowie [X.], [X.] und [X.] jeweils zu 2/12. Zur Geschäftsführung und Vertretung waren der Kläger zu 2. und [X.] gemeinschaftlich berechtigt.

2

Auf den Grundstücken wurden vereinbarungsgemäß Gebäude errichtet und nach Fertigstellung im September 1999 von den [X.]ern [X.], [X.] und [X.] im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis genutzt. Mit [X.]escheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1996 und 1997 vom 2. Juni 1999 stellte der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) Verluste aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 495.066,24 [X.]M (1996) bzw. von 1.264.908,62 [X.]M (1997) fest. [X.]ie [X.]escheide ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

3

Im Mai 2001 wurde über das Vermögen der Gemeinschaftspraxis das Insolvenzverfahren eingeleitet. Im Jahre 2001 schieden die [X.]er [X.], [X.] und [X.] aus der [X.] aus. Im Rahmen der [X.]erversammlung vom 31. August 2001 wurde dem Kläger zu 2. die alleinige Geschäftsführungsbefugnis übertragen.

4

Mit am 22. März 2004 eingereichten Feststellungserklärungen für die Streitjahre wurden für die Klägerin zu 1. Einkünfte aus gewerblichem Grundstückshandel in Höhe von - 721.002 [X.]M (1996) bzw. von - 971.061 [X.]M (1997) erklärt. Eine Grundstücksveräußerung erfolgte nicht. [X.]as [X.] lehnte eine Änderung der Feststellungsbescheide ab.

5

Über das Vermögen von [X.] wurde im [X.]ezember 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. [X.]er [X.]er A ist Ende 2005 verstorben. Über das Vermögen der Klägerin zu 1. wurde am 30. Mai 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet.

6

Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2007 wies das [X.] den gegen den Ablehnungsbescheid vom 8. September 2004 eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen wandten sich die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. mit der Klage. [X.]as Finanzgericht ([X.]) wies die Klagen als unzulässig ab.

7

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügen die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. Verfahrensmängel.

8

Außerdem sind sie der Auffassung, die Rechtssache sei von grundsätzlicher [X.]edeutung bzw. es sei eine Entscheidung des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) zur Fortbildung des Rechts erforderlich.

9

[X.]as [X.] tritt der [X.]eschwerde entgegen.

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

a) Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] stellt es einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dar, wenn über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden wurde (vgl. [X.]-Beschluss vom 3. November 2010 [X.]/10, [X.]/NV 2011, 295). Das [X.] hat die erhobenen Klagen indes zu Recht als unzulässig angesehen.

Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O sind zur Vertretung einer Personengesellschaft berufene Geschäftsführer befugt, Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften zu erheben. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre Geschäftsführer Klage gegen den Feststellungsbescheid erheben kann. Befindet sich eine Personengesellschaft im Stadium der Liquidation, bleibt sie klagebefugt, wird aber nun durch ihre Liquidatoren vertreten. Liquidatoren einer GbR sind nach § 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich alle Gesellschafter gemeinschaftlich, es sei denn, durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss wäre etwas anderes bestimmt ([X.]-Beschluss vom 12. April 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 1923).

Im Streitfall enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über die Liquidation der Gesellschaft. Auch ein Gesellschafterbeschluss, mit dem der Kläger zu 2. zum Liquidator bestellt wurde, liegt nicht vor. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 31. August 2001, mit dem der Kläger zu 2. zum alleinigen und alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden war, beinhaltet nicht auch die Bestellung des [X.] zu 2. zum alleinigen Liquidator. Die Auseinandersetzung einer GbR ist Aufgabe aller Gesellschafter als Geschäftsführer, auch wenn die Geschäftsführung vorher anders geregelt war (vgl. Urteil des [X.] vom 29. Mai 1995  19 U 83/94, [X.]/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 1995, 1881). Für eine anderweitige Einigung über die Bestellung des [X.] zu 2. als Liquidator hat die Beweisaufnahme vor dem [X.] keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben. Insoweit liegt ein Verfahrensfehler auch nicht deshalb vor, weil das [X.] den Kläger zu 2. nicht zur Frage einer Übereinkunft über eine Alleinvertretungsbefugnis vernommen hat. Die [X.] (§§ 81 Abs. 1 und 82 [X.]O, §§ 450 ff. der Zivilprozessordnung) ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nur ein letztes Hilfsmittel zur Aufklärung des Sachverhalts. Sie dient nicht dazu, den Beteiligten Gelegenheit zu geben, ihre eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beeiden. Entsprechend kann sie unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn keine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens spricht. Die Prüfung dieser Voraussetzungen ist grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz. Ob das Gericht von der Möglichkeit der [X.] Gebrauch macht, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, und zwar unabhängig davon, ob der Beteiligte seine Vernehmung beantragt hat. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob die Vorinstanz ihr Ermessen unsachgemäß ausgeübt hat ([X.]-Beschluss vom 19. Mai 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 1685). Hieran fehlt es im Streitfall. Das [X.] hat im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme --Vernehmung des Zeugen [X.], die zur Überzeugung des [X.] geführt hatte, dass eine Alleinvertretungsbefugnis des [X.] zu 2. für die [X.] nicht vorgelegen hat, von einer [X.] abgesehen und dies im Urteil (unter [X.] der Entscheidungsgründe) nachvollziehbar begründet. Da es danach sein Ermessen sachgerecht ausgeübt hat, liegt ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O nicht vor.

Vorliegend bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Erben des [X.] nicht in seine Gesellschafterstellung eintreten sollten. Nach § 18 des Gesellschaftsvertrags sollte die [X.] mit den Erben, sonst mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werden. Für die Auffassung der Kläger, eine Fortsetzung mit den Erben könne im [X.] nicht gewollt gewesen sein, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch und gerade im Falle der Liquidation ist es von Bedeutung, dass die Angelegenheiten der Gesellschaft durch die von den ursprünglichen Gesellschaftern bestimmten Nachfolger --hier die [X.] betreut und geregelt werden. Haben die ursprünglichen Gesellschafter mithin die Fortführung der Gesellschaft mit ihren Erben bestimmt, so erschließt sich nicht, weshalb diese die Nachfolge nach dem Willen des Erblassers dann nicht antreten sollten, wenn sich die Gesellschaft in Liquidation befindet.

Da das Verfahren nach § 1965 BGB noch nicht abgeschlossen war und danach die Erben des [X.] noch nicht bekannt waren, hätte eine zulässige Klage der Klägerin zu 1. durch den Kläger zu 2. und die durch einen Nachlasspfleger gesetzlich vertretenen Erben des verstorbenen Gesellschafters als Liquidatoren erhoben bzw. genehmigt werden müssen (vgl. [X.]-Urteil vom 27. September 2006 [X.], 40/05, [X.]/NV 2007, 221). Hieran fehlt es im Streitfall. Entgegen dem klägerischen Vorbringen hat es das [X.] auch nicht an einem rechtlichen Hinweis auf das Erfordernis der Nachlasspflegschaft fehlen lassen. Vielmehr ist ein solcher Hinweis mit Schreiben vom 23. Januar 2009 erfolgt.

Auch die Zulässigkeit der Klage des [X.] zu 2. hat das [X.] nicht verfahrensfehlerhaft verneint. Insbesondere bestand keine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O, weil es nicht um Fragen ging, die einen Beteiligten persönlich angingen.

Auch das Vorbringen, bei der Vorentscheidung handele es sich um ein Überraschungsurteil, weil die Frage der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 44 [X.]O im Laufe des Verfahrens nicht zur Sprache gekommen sei, führt nicht zum Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde. Hat das [X.] seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss wegen jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegen. Ist eine Begründung --wie [X.] nicht erfolgreich mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen worden, so ist unerheblich, ob die zweite Begründung der Entscheidung verfahrens- oder in anderer Weise fehlerhaft war, weil das Urteil nicht auf diesen Mängeln beruht ([X.]-Beschluss vom 22. April 2008 [X.]/07, [X.]/NV 2008, 1345). Da das [X.] sein Urteil mit den übrigen Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage unabhängig von der weiteren Voraussetzung der Durchführung eines [X.] begründet hat, kann danach offenbleiben, ob die ergänzende Begründung die Voraussetzungen eines Überraschungsurteils erfüllen würde.

b) Die Revision war auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Kläger machen insoweit geltend, der zitierten Rechtsprechung ([X.]-Beschluss vom 15. Januar 1998 [X.]/97, [X.]/NV 1998, 994; [X.]-Urteile vom 29. Juni 2004 [X.], [X.]/NV 2004, 1371, und vom 6. Oktober 2004 [X.]/09, [X.]E 207, 24, [X.], 324) könne nicht entnommen werden, dass § 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O nur bei [X.] anzuwenden sei. Nach der Rechtsprechung des [X.] fehlt es bei [X.] in Form einer GbR an einem zur Vertretung berufenen Geschäftsführer mit der Folge, dass jeder Gesellschafter klagebefugt sein kann (§ 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O). Diese Rechtsprechung hat der [X.] indes auf den Anwendungsbereich der [X.] beschränkt, wie insbesondere aus dem [X.]-Urteil in [X.]/NV 2004, 1371 hervorgeht. Entsprechend vertritt der [X.] im Falle einer Personengesellschaft in Liquidation auch die Auffassung, dass eine Klage durch die Gesellschafter als gemeinschaftliche Liquidatoren zu erheben ist (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2007, 1923), wobei die Erben eines Gesellschafters ggf. durch einen Nachlasspfleger zu vertreten sind (vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2007, 221).

Meta

IV B 115/09

24.03.2011

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 17. August 2009, Az: 5 K 119/08, Urteil

§ 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 48 Abs 1 Nr 2 FGO, § 730 Abs 2 S 2 Halbs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 24.03.2011, Az. IV B 115/09 (REWIS RS 2011, 8279)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8279

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