Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.02.2012, Az. I ZR 162/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9560

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Gegenstand

Urheberrechtlicher Lizenzvertrag: Wirksamkeit bei fehlendem Urheberrechtsschutz des vermeintlichen Werkes;  Parteivereinbarung über die Rechtsfolgen der Übertragung eines Scheinrechts; Berechtigung der GEMA zur Erhebung von Aufführungsgebühren - Delcantos Hits


Leitsatz

Delcantos Hits

1. Ein urheberrechtlicher Lizenzvertrag über die Einräumung oder Übertragung von Nutzungsrechten an einem vermeintlichen Werk ist nicht deshalb unwirksam, weil das vermeintliche Werk tatsächlich keinen Urheberrechtsschutz genießt. Der Lizenzgeber eines solchen Lizenzvertrages kann grundsätzlich die vereinbarte Vergütung beanspruchen, solange der Lizenzvertrag besteht und dem Lizenznehmer eine wirtschaftliche Vorzugsstellung verschafft.

2. Den Parteien eines Lizenzvertrages ist es allerdings unbenommen, die Rechtsfolgen der Übertragung eines Scheinrechts anders zu regeln. Insbesondere können sie vereinbaren, dass ein Vergütungsanspruch nicht besteht, wenn der Lizenzgeber nicht nachweist, dass die materiellen Schutzvoraussetzungen des eingeräumten oder übertragenen Rechts vorliegen.

3. Die GEMA ist nach den Bestimmungen des Berechtigungsvertrages zur Erhebung und Verrechnung von Aufführungsgebühren nur berechtigt und verpflichtet, wenn der Bezugsberechtigte in Zweifelsfällen nachweist, dass die aufgeführten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 23. September 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger zu 1 und 2, Vater und [X.], schufen mithilfe von Keyboards und Computertechnik zahlreiche Musikstücke, die sie auf Tonträgern mit der Bezeichnung „[X.]: [X.]s Hits Vol. 1“ (Kläger zu 1) und [X.]: [X.] Hits Vol. 1“ (Kläger zu 2) aufnahmen. Die Klägerin zu 3 - eine Gesellschaft, deren Geschäftsanteile der Kläger zu 2 zu 2% und seine Ehefrau zu 98% halten - verlegt die Kompositionen der Kläger zu 1 und 2 und anderer Komponisten.

2

Die Beklagte ist die [X.] ([X.]). Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern aufgrund von Berechtigungsverträgen eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr. Die drei Kläger haben mit der Beklagten solche Berechtigungsverträge geschlossen.

3

Die Kläger zu 1 und 2 sind darüber hinaus Geschäftsführer und Gesellschafter der [X.] Geschäftsgegenstand dieses Unternehmens ist unter anderem die Verbreitung musikalischer Kompositionen, die Optimierung von Komponistenerträgen, die Organisation und Ausführung musikalischer Veranstaltungen sowie das Marketing für Musikverlage.

4

Die [X.] mietete Geschäftslokale in [X.], [X.], [X.] und [X.]. Die Kläger haben vorgetragen, die [X.] habe Musikern dort Gelegenheit gegeben, ihre Werke einem sachkundigen Publikum vorzustellen und sich über die Möglichkeiten der Verwertung zu informieren. Ein in den Läden anwesender Musiker habe Besuchern urheberrechtlich geschützte Musikstücke als Beispiele für Kompositionen und deren Verwertbarkeit vorgespielt. Im Hintergrund seien Tonträger mit Werken aus dem Verlag der Klägerin zu 3 abgespielt worden. Die Beklagte beauftragte im Jahr 2004 ein Detektivbüro mit Langzeitüberprüfungen der [X.] in [X.], [X.] und [X.]. Danach stellte sie die nach den Meldungen der [X.] in den Geschäftslokalen aufgeführten Musikstücke von der Verrechnung zugunsten der Bezugsberechtigten zurück.

5

Die Kläger nehmen die Beklagte wegen Aufführungen der von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen und von der Klägerin zu 3 verlegten Kompositionen durch die [X.] im Jahr 2004 auf Auszahlung eines Anteils an den Verwertungserlösen der Beklagten in Anspruch. Sie machen im vorliegenden Rechtsstreit allerdings keine Vergütungsansprüche wegen des Abspielens von Musik in Geschäftslokalen der [X.] geltend. Vielmehr stützen sie ihre Ansprüche auf von der [X.] in anderen Räumen - wie beispielsweise Hotels oder Restaurants - veranstaltete Musikaufführungen. Die Kläger zu 1 und 2 machen Komponistenanteile, die Klägerin zu 3 Verlagsanteile geltend. Die Forderung der Kläger entspricht einer Saldomitteilung der Beklagten zum 31. Oktober 2005.

6

Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 49.240,89 € an den Kläger zu 1, 49.240,89 € an den Kläger zu 2 und 102.974,79 € an die Klägerin zu 3 - jeweils zuzüglich Zinsen - zu zahlen und die dem Konto eines jeden Klägers seit dem 1. November 2005 gutzuschreibenden Beträge auszuzahlen.

7

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, die in Rede stehenden Kompositionen [X.] keinen Urheberechtsschutz. Außerdem hat sie die Aufrechnung mit [X.] erklärt. Dabei handelt es sich zum einen um Detektivkosten in Höhe von 72.029,69 €, die zu je einem Drittel auf die Forderung eines jeden Klägers anzurechnen seien. Zum anderen beansprucht sie die Rückzahlung von Ausschüttungen für Aufführungen in [X.]n im Jahr 2002, und zwar in Höhe von 27.226,81 € vom Kläger zu 1, in Höhe von 36.271,34 € vom Kläger zu 2 und in Höhe von 90.252,95 € von der Klägerin zu 3.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die eingeklagten Ansprüche seien nicht begründet, weil die Kläger nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des [X.] nicht bewiesen hätten, dass die Werke, für die sie eine Beteiligung am [X.] der [X.] verlangten, urheberrechtlich geschützt seien.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Kläger hat Erfolg. Die Klage kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung abgewiesen werden. Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche setzen zwar den von den Klägern zu erbringenden Nachweis voraus, dass es sich bei den in Rede stehenden Musikstücken um urheberrechtlich geschützte Werke handelt (dazu 2). Das Berufungsgericht hat sich jedoch zu Unrecht an die Feststellung des [X.] gebunden gesehen, die Kläger hätten nicht den Nachweis erbracht, dass die von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen Musikstücke urheberrechtlich geschützte Werke sind (dazu 3).

1. Die Kläger haben der [X.] aufgrund von [X.]n als Treuhänderin urheberrechtliche Nutzungsrechte an den von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen und von der Klägerin zu 3 verlegten Musikwerken zur Wahrnehmung eingeräumt. Sie können von der [X.] nach den [X.]n beanspruchen, mit einem Anteil an den Einnahmen der [X.] beteiligt zu werden, der den Erlösen entspricht, die die Beklagte durch die Auswertung dieser Rechte erzielt hat (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2005 - [X.], [X.]Z 163, 119, 126 - [X.]).

2. Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche setzen - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - voraus, dass es sich bei den von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen und von der Klägerin zu 3 verlegten Musikstücken, die die [X.] in anderen Räumen als in ihren Geschäftsräumen aufgeführt hat, um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Ansprüche der Kläger seien auch dann, wenn die in Rede stehenden Musikstücke keinen [X.]sschutz genössen, jedenfalls nach den Grundsätzen zur Vergütungspflicht bei Leerübertragungen begründet. Die von der Rechtsprechung im gewerblichen Rechtsschutz entwickelten Grundsätze zur Vergütungspflicht bei Leerübertragungen (dazu a) sind zwar grundsätzlich im [X.] entsprechend anwendbar (dazu b). Sie greifen im Streitfall jedoch nicht ein, weil die [X.]en in den [X.]n eine von diesen Grundsätzen abweichende Regelung getroffen haben (dazu c).

a) Die Rechtsprechung hat zunächst für das Patentrecht und das Gebrauchsmusterrecht den Grundsatz aufgestellt, dass die Schutzunfähigkeit des [X.] grundsätzlich weder die Rechtsverbindlichkeit des [X.] noch die Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Lizenzgebühren berührt (vgl. [X.], 45, 53 ff. - [X.]; zum Patentrecht [X.], Urteil vom 12. April 1957 - [X.], [X.], 595, 596 - [X.]; Urteil vom 26. Juni 1969 - [X.], GRUR 1969, 677, 678 - Rüben-Verladeeinrichtung; Urteil vom 25. Januar 1983 - [X.], [X.]Z 86, 330, 334 ff. - [X.]; Urteil vom 14. Mai 2002 - [X.], [X.], 787, 789 - Abstreiferleiste; Urteil vom 5. Juli 2005 - [X.], [X.], 935, 937 = [X.], 1415 - Vergleichsempfehlung II; [X.], [X.], 121, 122; zum Gebrauchsmusterrecht Urteil vom 28. September 1976 - [X.], GRUR 1977, 107, 109 - [X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 17. Oktober 1968 - [X.], GRUR 1969, 409, 410 f. - Metallrahmen, mwN zur Rechtsprechung des Kartellsenats; vgl. ferner [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 15 Rn. 192 ff.; Busse/Keukenschrijver, [X.], 6. Aufl., § 15 [X.] Rn. 120, jeweils mwN auch zur Rechtsprechung des Reichsgerichts).

Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, dass der Lizenzgeber regelmäßig eine verbindliche Zusage des [X.] seines Schutzrechts nicht geben kann und auch nicht gibt, dass aber auch das Interesse des Lizenznehmers weniger auf die Teilhabe an einer rechtlich unanfechtbaren Vorzugsstellung gerichtet ist als vielmehr auf die wirtschaftlichen Vorteile, die mit der Erlaubnis der Benutzung eines durch das Schutzrecht faktisch abgesicherten Monopols verbunden sind. Solange das Schutzrecht in Geltung steht und von den Nichtberechtigten geachtet wird, ist dem Lizenznehmer diese Vorzugsstellung sicher; der Lizenzgeber erfüllt damit seine vertragliche Verpflichtung und kann folglich auch das vereinbarte Entgelt beanspruchen (vgl. [X.]Z 86, 330, 334 - [X.], mwN).

Der [X.] hat sich dieser Rechtsprechung für Lizenzverträge über Geschmacksmuster für den Fall angeschlossen, dass das Geschmacksmuster seiner Art nach hätte entstehen können, aber infolge neuheitsschädlicher Vorverbreitung eines nach dem Muster hergestellten Erzeugnisses oder infolge fehlender Eigentümlichkeit nicht entstanden ist ([X.], Urteil vom 13. Februar 1970 - [X.], Umdruck S. 9 ff.; Urteil vom 13. Juli 1977 - [X.], GRUR 1978, 308, 310 - Speisekartenwerbung). Er hat diesen Fall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Fall als vergleichbar angesehen, dass ein Lizenzvertrag über ein eingetragenes Gebrauchsmuster geschlossen ist, ein Gebrauchsmuster jedoch wegen fehlender Neuheit nicht besteht (vgl. dazu [X.], 45, 56 f. - [X.]; [X.], GRUR 1977, 107, 109 - [X.]).

b) Der [X.] hat bislang offengelassen, ob dieser Rechtsprechung der allgemeine und damit auch auf das [X.] übertragbare Grundsatz entnommen werden kann, dass regelmäßig bei ungeprüften Schutzrechten die Übertragung eines Scheinrechts, das heißt eines Rechts, dessen materielle Schutzvoraussetzungen sich bei späterer Prüfung als nicht gegeben erweisen, jedenfalls dann nicht generell zur Unwirksamkeit des Vertrages wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit (§ 306 BGB aF), sondern nur zur Möglichkeit einer Kündigung des Vertrages mit sofortiger Wirkung führt, wenn der Lizenznehmer trotz einer solchen Leerübertragung eine wirtschaftliche Vorzugsstellung erlangt hat. Ebenso hat er offengelassen, ob die Erlangung einer derartigen wirtschaftlichen Vorzugsstellung nach Treu und Glauben eine angemessene - gegebenenfalls geminderte - Lizenzpflicht rechtfertigt (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 1991 - [X.], [X.]Z 115, 69, 74 f. - Keltisches Horoskop).

Diese Frage ist dahin zu beantworten, dass die im gewerblichen Rechtsschutz entwickelten Grundsätze zur Leerübertragung grundsätzlich im [X.] entsprechend anwendbar sind (ebenso [X.], [X.], 481, 484; [X.], [X.]., 2010, 67, 72; [X.]/[X.] in [X.], Handbuch des [X.]s, 2. Aufl., § 62 Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., vor §§ 31 ff. [X.] Rn. 174; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 3. Aufl., § 31 Rn. 14; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., vor §§ 31 ff. [X.] Rn. 124 f.; Schricker/[X.] in Schricker/[X.], [X.], 4. Aufl., § 31 [X.] Rn. 29; [X.], Urheber- und Urhebervertragsrecht, 5. Aufl., Rn. 1154; [X.] in [X.]/[X.], [X.] für die Praxis, 5. Aufl., Rn. 30; [X.]/[X.]/[X.], ZUM 2002, 409, 412 f.; zum Verlagsrecht Schricker, Verlagsrecht, 3. Aufl., § [X.] Rn. 2; vgl. auch O[X.], ZUM 2000, 870, 874). Danach ist ein urheberrechtlicher Lizenzvertrag über die Einräumung oder Übertragung von Nutzungsrechten an einem vermeintlichen Werk nicht deshalb unwirksam, weil das vermeintliche Werk tatsächlich keinen [X.]sschutz genießt. Der Lizenzgeber eines solchen [X.] kann grundsätzlich die vereinbarte Vergütung beanspruchen, solange der Lizenzvertrag besteht und dem Lizenznehmer eine wirtschaftliche Vorzugsstellung verschafft.

Im [X.] gilt wie auch im gewerblichen Rechtsschutz, dass das Interesse des Lizenznehmers regelmäßig nicht so sehr auf die Zusage des [X.] des Schutzrechts, sondern eher auf die Erlaubnis zur Benutzung des [X.] gerichtet ist. Ein Lizenzvertrag kann auch dem Zweck dienen, eine Unsicherheit der [X.]en über den Rechtsbestand des Schutzrechts und damit Zweifel an der Erforderlichkeit einer Lizenzierung auszuräumen. Der Erwerb eines Scheinrechts schafft damit auch für den Lizenznehmer eines urheberrechtlichen Scheinrechts eine dem Erwerb eines rechtsgültigen Schutzrechts ähnliche wirtschaftliche Lage, solange er das Scheinrecht unangefochten vom Lizenzgeber und respektiert von Mitbewerbern ausnutzen kann. Er erlangt dadurch eine wirtschaftliche Vorzugsstellung, die er ohne den Lizenzvertrag nicht innegehabt hätte. Dies rechtfertigt es, auch im [X.] von dem im gewerblichen Rechtsschutz für solche Fallgestaltungen entwickelten Grundsatz auszugehen, dass die Schutzunfähigkeit des [X.] regelmäßig weder die Rechtsverbindlichkeit des [X.] noch die Pflicht zur Zahlung der vereinbarten Lizenzgebühren berührt (vgl. [X.]Z 115, 69, 74 f. - Keltisches Horoskop).

Die Zahlungspflicht des Lizenznehmers eines Scheinrechts ist bei gewerblichen Schutzrechten in zeitlicher Hinsicht daran geknüpft, dass das Schutzrecht in Geltung steht. Die Schutzrechte, für die bislang nach der Rechtsprechung die Grundsätze der Leerübertragung gelten, erlangen und verlieren ihre Schutzwirkung jeweils aufgrund eines formellen Aktes. Die gesetzlichen Wirkungen des Patents treten mit der Veröffentlichung der Patenterteilung im [X.] ein (§ 58 Abs. 1 Satz 3 [X.]); der Schutz des Gebrauchsmusters und des Geschmacksmusters entsteht mit der Eintragung des Musters im Register (§ 11 [X.], § 27 Abs. 1 [X.]). Die Wirkungen des Patents gelten mit dem Widerruf (§ 21 [X.]) oder der Nichtigerklärung (§ 22 [X.]) als von Anfang an nicht eingetreten (§ 21 Abs. 3 Satz 1, § 22 Abs. 2 [X.]); der Schutz des Gebrauchsmusters und des Geschmacksmusters entfällt mit der Löschung (§ 15 [X.], § 36 [X.]). Dementsprechend erlischt die Zahlungspflicht des Lizenznehmers eines Scheinrechts mit dem Widerruf oder der Nichtigerklärung des Patents bzw. der Löschung des Gebrauchsmusters oder des Geschmacksmusters. Für das Markenrecht gilt Entsprechendes.

Entstehung und Beendigung des [X.]sschutzes setzen dagegen keinen formellen Akt voraus (vgl. A. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 64 [X.] Rn. 1). Der [X.]sschutz entsteht durch die Werkschöpfung (§ 2 Abs. 2 [X.]) und endet mit dem Ablauf der Schutzfrist (§§ 64 ff. [X.]). Deshalb kann die Zahlungspflicht des Lizenznehmers eines urheberrechtlichen Scheinrechts in zeitlicher Hinsicht nicht an einen formellen Akt anknüpfen (vgl. [X.]Z 115, 69, 74 - Keltisches Horoskop). Sie endet daher mit der Beendigung des urheberrechtlichen Nutzungsvertrages, der dem Lizenznehmer des urheberrechtlichen Scheinrechts eine wirtschaftliche Vorzugsstellung verschafft. Da der Nutzungsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist, kommt wegen des Nichtbestehens des Schutzrechts in der Regel zwar kein Rücktritt vom Vertrag (§ 326 Abs. 5 BGB), aber eine Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist in Betracht (§ 314 Abs. 1 BGB).

c) Die Grundsätze zur Vergütungspflicht bei Leerübertragungen [X.] greifen im Streitfall jedoch nicht ein, weil die [X.]en in den [X.]n eine von diesen Grundsätzen abweichende Regelung getroffen haben.

aa) Den [X.]en eines [X.] ist es unbenommen, von den Grundsätzen der Leerübertragung abweichende Absprachen zu treffen und die Rechtsfolgen der Übertragung eines Scheinrechts anders zu regeln (vgl. [X.], GRUR 1977, 107, 109 - [X.]). Insbesondere können sie vereinbaren, dass ein Vergütungsanspruch nicht besteht, wenn der Lizenzgeber nicht nachweist, dass die materiellen Schutzvoraussetzungen des eingeräumten oder übertragenen Rechts vorliegen.

bb) So verhält es sich im Streitfall. Nach § 6 Buchst. a der zwischen den [X.]en geschlossenen [X.] in der Fassung des Jahres 1996 bildet der Verteilungsplan einen Bestandteil dieser Verträge. Gemäß § 2 der Allgemeinen Grundsätze zum Verteilungsplan für das [X.] haben nur diejenigen Bezugsberechtigten einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Verteilung, die an den während des Geschäftsjahres zur Aufführung gelangten Werken nachgewiesenermaßen beteiligt sind. Danach setzt ein Anspruch auf Beteiligung am Vergütungsaufkommen bei berechtigten Zweifeln nicht nur den Nachweis voraus, dass der Bezugsberechtigte tatsächlich Komponist, Textdichter, Bearbeiter oder Verleger des Werkes ist (§ 4 Ziffer 1 der Allgemeinen Grundsätze zum Verteilungsplan, Abschnitt I Ziffer 2 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan der [X.] für das [X.]). Vielmehr erfordert ein solcher Anspruch darüber hinaus, dass der Bezugsberechtigte in Zweifelsfällen das Vorliegen der Schutzvoraussetzungen des Werkes nachweist (Abschnitt I Ziffer 16 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan). Der Bezugsberechtigte muss zudem gegebenenfalls nachweisen, dass das von ihm geschaffene Werk wirtschaftlich verwertbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2001 - [X.], [X.], 332, 334 = [X.], 442 - Klausurerfordernis).

Nach Abschnitt I Ziffer 16 Buchst. a der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan prüft der Werkausschuss der [X.] in Zweifelsfällen die Schutzfähigkeit der ihm vorgelegten Werke. Betrachtet er das Werk als aufführungsrechtlich ungeschützt, so hat die [X.] für das Werk weder [X.] zu erheben noch solche zu verrechnen (Abschnitt I Ziffer 16 Buchst. b der Ausführungsbestimmungen). Entscheidet der Werkausschuss, dass das Werk aufführungsrechtlich schutzfähig ist, so werden hierfür seitens der [X.] [X.] erhoben, die nach den Bestimmungen des [X.] verrechnet werden (Abschnitt I Ziffer 16 Buchst. c der Ausführungsbestimmungen). Gegen die Entscheidung des [X.] kann der Bezugsberechtigte Beschwerde beim Aufsichtsrat einlegen und - falls er dessen Entscheidung nicht billigt - den ordentlichen Rechtsweg beschreiten (vgl. Abschnitt I Ziffer 16 Buchst. c der Ausführungsbestimmungen).

Danach ist die Beklagte zur Erhebung und Verrechnung von [X.] nur berechtigt und verpflichtet, wenn die Kläger in Zweifelsfällen nachweisen, dass die aufgeführten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung werden die Kläger dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Das Gebot der möglichst leistungsgerechten Verteilung des Aufkommens (vgl. [X.]Z 163, 119, 134 - [X.]) verlangt, dass die Beklagte nur diejenigen Bezugsberechtigten an ihren Gesamteinnahmen beteiligt, die eine urheberrechtlich schützenswerte Leistung erbracht haben. Zudem ist es der [X.] im Blick auf die Vielzahl der angemeldeten Werke (vgl. § 5 Satz 1 des [X.]) nicht zumutbar, schon bei deren Anmeldung zuverlässig festzustellen, ob sie [X.]sschutz genießen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass nach dem Berechtigungsvertrag die Berechtigten das Risiko tragen, dass sie die materiellen Schutzvoraussetzungen nicht nachweisen können und in einem solchen Fall auch dann keine Vergütung beanspruchen können, wenn sie aufgrund des [X.] von einer eigenen Verwertung der Musikstücke abgesehen haben.

3. Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellung des [X.] gebunden, die Kläger hätten nicht bewiesen, dass es sich bei den von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen Musikstücken um urheberrechtlich geschützte Werke handele. Dieser Beurteilung kann nicht zugestimmt werden.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

b) Die Feststellung des [X.], es sei nicht bewiesen, dass es sich bei den in Rede stehenden Musikstücken um urheberrechtlich geschützte Werke handele, beruht - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auf einem Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht hat sich daher zu Unrecht an diese Feststellung gebunden gesehen.

aa) Das [X.] hat angenommen, die Kläger als für die Voraussetzungen des Anspruchs beweisbelastete [X.] hätten keinen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen nach § 144 ZPO gemäß Beweisbeschluss vom 20. März 2007 habe die Kammer Abstand genommen, nachdem die Kläger im Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 ausdrücklich darum gebeten hätten, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abzusehen. Die Beauftragung eines Gutachters gegen den offen ausgesprochenen entgegenstehenden Willen einer [X.] sei nicht veranlasst. Auch ein von Amts wegen einzuholendes Gutachten berge ein nicht unerhebliches Kostenrisiko für die Kläger, bei denen ein nach § 17 Abs. 3 GKG zu erhebender Auslagenvorschuss beizutreiben wäre. Zudem liege es im freien Ermessen einer [X.], sich ohne Angabe der Gründe gegen die Einholung eines Gutachtens auszusprechen.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beweisbeschluss des [X.] vom 20. März 2007 habe nur aufgrund eines Beweisantrags der Kläger ergehen können. Dieser sei in dem Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 16. März 2007 zu sehen, das Gericht könne den in Aussicht genommenen Sachverständigen beauftragen, wenn es sich keine eigene Einschätzung aufgrund eines Abhörens der Musikstücke zutraue. Von der Anordnung einer Beweiserhebung von Amts wegen habe das [X.] zu Recht abgesehen. Denn eine solche Beweiserhebung sei nicht bereits deshalb veranlasst, weil eine [X.] den ihr für ihren Beweisantritt auferlegten Auslagenvorschuss nicht eingezahlt habe. Vielmehr habe das [X.] bei der Ausübung seines Ermessens berücksichtigen dürfen, dass auch bei der Beauftragung eines Sachverständigen von Amts wegen ein nicht unerhebliches Kostenrisiko zu Lasten der Kläger verbleibe.

(1) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts beruht der Beweisbeschluss des [X.] vom 20. März 2007 nicht auf einem Beweisantrag der Kläger. Vielmehr handelt es sich dabei um eine gemäß § 144 Abs. 1 ZPO von Amts wegen angeordnete Begutachtung durch Sachverständige. Das [X.] hat mit diesem Beschluss die Beweiserhebung über die Behauptung der Kläger angeordnet, die auf den [X.] enthaltenen Titel stellten eine individuelle schöpferische Leistung der Kläger zu 1 und 2 dar. Es hat den Klägern unter anderem aufgegeben, einen Kostenvorschuss für das Sachverständigengutachten einzuzahlen und die verwendeten Computerprogramme zu benennen. Das [X.] hat in seinem Urteil ausgeführt, die Kläger hätten keinen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angetreten, und ist dementsprechend „von der Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen nach § 144 ZPO gemäß Beweisbeschluss vom 20. März 2007“ ausgegangen. In dem Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 16. März 2007, das Gericht könne den in Aussicht genommenen Sachverständigen beauftragen, wenn es sich keine eigene Einschätzung durch Abhören der Musikstücke zutraue, hat das [X.] demnach ersichtlich keinen Beweisantrag der Kläger, sondern eine Anregung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen gesehen.

(2) Das [X.] hat von der mit Beweisbeschluss vom 20. März 2007 angeordneten Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen rechtsfehlerhaft Abstand genommen. Die Revision rügt mit Recht, dass das [X.] bei seiner Beurteilung, die Kläger hätten im Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 ausdrücklich darum gebeten, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abzusehen, entscheidungserhebliches Vorbringen der Kläger außer [X.] gelassen hat. Die Kläger haben im Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 darum gebeten, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abzusehen, weil sie die Sachkunde des Gerichts zur Beurteilung des [X.]sschutzes der Musikstücke für ausreichend und die Beauftragung eines Sachverständigen deshalb für zeitraubend und überflüssig hielten. Im Schriftsatz vom 16. März 2007 haben sie ausgeführt, das Gericht könne den in Aussicht genommenen Sachverständigen beauftragen, wenn es sich keine eigene Einschätzung durch Abhören der Musikstücke zutraue. Es kann danach nicht angenommen werden, die Kläger hätten auch für den Fall, dass das [X.] sich nicht dazu in der Lage sieht, die Frage des [X.]sschutzes der Musikstücke selbst zu beurteilen, darum gebeten, von der Beauftragung eines Sachverständigen abzusehen. Dem Schriftsatz der Kläger vom 11. Dezember 2006 kann im Übrigen auch deshalb keine Bitte entnommen werden, von der durch Beweisbeschluss vom 20. März 2007 angeordneten Einholung eines Sachverständigengutachtens abzusehen, weil der Beweisbeschluss bei Abfassung dieses Schriftsatzes noch nicht ergangen war.

III. Danach ist auf die Revision der Kläger das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht zur Entscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Feststellung des [X.], die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die von den Klägern zu 1 und 2 geschaffenen Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind, auf einem Verfahrensfehler beruht, ist zur Frage des [X.]sschutzes der Musikstücke eine erneute Feststellung geboten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen zu den Forderungen getroffen, mit denen die Beklagte gegen die Forderungen der Kläger aufgerechnet hat. Auch dies wird gegebenenfalls nachzuholen sein.

[X.]                                               Pokrant                                            Büscher

                              Schaffert                                                Koch

Meta

I ZR 162/09

02.02.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 23. September 2009, Az: 24 U 136/08

§ 31 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.02.2012, Az. I ZR 162/09 (REWIS RS 2012, 9560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9560

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Referenzen
Wird zitiert von

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I ZR 198/13

I ZR 198/13

I ZR 162/09

20 U 117/19

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