Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. I ZR 249/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4179

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I [X.]
Verkündet am:
10. Juli 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]
ZPO § 287, § 922 Abs. 2, §§ 929, 945
a)
Wird eine im [X.] erlassene Verbotsverfügung vor einer förmli-chen [X.]zustellung formlos der Gegenseite übermittelt, führt dies noch nicht zu einem Vollstreckungsdruck, der die Schadensersatzpflicht nach §
945 ZPO auslösen kann.
b)
Mit der Zustellung der mit [X.] versehenen Unterlas-sungsverfügung muss der Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger [X.] von der Vollstreckungsmöglichkeit Gebrauch macht und im Falle [X.] ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung die Festsetzung von [X.] beantragt. Bei einer solchen Sachlage ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Befolgung einer Unterlassungsverpflichtung der Abwendung von [X.] dient und nicht freiwillig erfolgt.
[X.], Urteil vom 10. Juli 2014 -
I [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 10.
Juli 2014 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Dr.
[X.] und die Richterin Dr.
Schwonke

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20.
Zivilsenats des [X.] vom 3.
April 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]en handeln mit Bekleidung. Zum Sortiment der [X.] ge-hört die Jeanshose "'[X.]"
und
zum Produktprogramm
der Klägerin die Jeanshose "[X.]".

Die [X.] erwirkten gegen die Klägerin eine einstweilige Verfügung mit [X.] des [X.] vom 9.
Juni 2006, mit der der Klägerin verboten wurde, das Jeansmodell "[X.]" herzustellen, anzu-1
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-
bieten und/oder in den Verkehr zu bringen. Einen Abdruck der [X.] übersandten die [X.] der Klägerin vorab mit Schreiben vom 12.
Juni 2006. Spätestens am 20.
Juni 2006 beendete die Klägerin den weiteren [X.] ihres [X.]. Am 6.
Juli 2006 stellten
die [X.]
der Klägerin die Beschlussverfügung mit [X.] zu. Das [X.] bestätigte die einstweilige
Verfügung durch Urteil vom 17.
August 2006. Im Rechtsmittelverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg nahmen
die Be-klagten
in der mündlichen Verhandlung vom 14.
März 2007 den [X.] zurück.

In dem zwischen den [X.]en geführten Hauptsacheverfahren untersag-te das [X.] der Klägerin mit Urteil vom 27.
März
2007 den Vertrieb ihrer Jeanshose. Auf die Berufung der Klägerin wies das [X.] am 19.
Dezember 2007 die Klage ab. Die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] war erfolglos ([X.], Beschluss vom 13.
August 2009
I
ZR
15/08).
Bis zur Entscheidung des [X.] nahm die Klägerin die Produktion ihrer Jeanshose nicht wieder auf.

Die Klägerin hat geltend gemacht, durch die Einstellung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]" sei ihr in der [X.] von Juni 2006 bis Dezember 2007 ein Schaden durch entgangenen Gewinn in Höhe von mindestens 477.457,75

entstanden. Zudem habe sie für zwei [X.], die sie im [X.] vorgelegt habe, 14.100

Die Klägerin hat beantragt,

die [X.] zu verurteilen, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Voll-ziehung der ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung des [X.] vom 9.
Juni 2006 entstanden ist,
wobei die Ermittlung der tatsächlichen Schadenshöhe in das Ermessen des Gerichts gestellt
werde,
der Ersatz einen 3
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Betrag von 491.457,75

dem Basiszinssatz
seit dem 31.
August 2009 jedoch nicht unterschreiten
solle.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die [X.] beantragen, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen und dazu ausgeführt:

Der Klägerin stehe weder ein Schadensersatzanspruch aus §
945 ZPO noch aus §
823 Abs.
1 oder §
826 [X.] zu. Die Haftung des Antragstellers einer einstweiligen Verfügung auf Schadensersatz gemäß §
945 ZPO setze erst mit deren Vollziehung ein. Die Einstellung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]" durch die Klägerin sei bereits am 20.
Juni 2006 erfolgt. Dagegen sei die [X.] erst am 6.
Juli 2006 durch Zustellung im [X.]betrieb vollzogen
worden. Die Klägerin könne ihr
Schadensersatzbegehren auch nicht für die [X.] ab dem Zustellungszeitpunkt am 6.
Juli 2006 auf §
945 ZPO stützen. Die Voll-ziehung der einstweiligen Verfügung sei für die Beibehaltung der Vertriebsein-stellung nicht ursächlich geworden. Die Klägerin habe in der Berufungsbegrün-dung eingeräumt, Grund für die Einstellung des Vertriebs sei der Umstand ge-wesen, dass die [X.]
die Verbotsverfügung erwirkt hätten
und nicht erst deren
Vollziehung. Die Klägerin habe nach der Rücknahme des [X.]s am 14.
März 2007 den Vertrieb auch nicht wieder aufgenommen und dies 6
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-
mit der Ungewissheit über den Ausgang des Hauptsacheverfahrens begründet. Vor diesem Hintergrund sei für eine Anwendung des §
945 ZPO kein Raum.

Ein Schadensersatzanspruch nach §
823 Abs.
1 oder
§
826 [X.] sei ebenfalls nicht gegeben. Wer ein staatlich geregeltes Verfahren betreibe und subjektiv redlich handele, hafte nicht aus unerlaubter Handlung, auch wenn sein Begehren sachlich nicht begründet sei.

I[X.] Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass Schadensersatzansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt eines [X.] und schuldhaften Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Ge-werbebetrieb nach §
823 Abs.
1 [X.] und wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §
826 [X.] nicht bestehen. Gegen diese Beurteilung wen-det sich die Revision auch nicht.

2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach §
945 ZPO kann demgegenüber mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.
Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch die [X.] am 6.
Juli 2006 sei nicht ursächlich für einen der Klägerin durch die Einstellung des [X.]s der Jeanshose "[X.]" entstandenen Schaden.

a) Nach §
945 ZPO ist die [X.], die eine von Anfang an [X.] einstweilige Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus deren Vollziehung entsteht. §
945 ZPO beruht -
ebenso wie die Vorschrift des §
717 Abs.
2 ZPO, die
die Schadensersatzverpflichtung 10
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-
des Gläubigers bei einer Vollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil regelt, das später aufgehoben oder abgeändert wurde
-
auf dem Rechtsgedanken,
dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt
([X.], Urteil vom 2.
November 1995

IX
ZR
141/94, [X.]Z 131,
141, 143; Urteil vom 20.
Juli 2006 -
IX
ZR 94/03, [X.]Z 168, 352 Rn. 40).

b)
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die einstweilige Verfügung im Sinne von §
945 ZPO von Anfang an ungerechtfertigt war. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten der Klägerin zu unter-stellen, dass dies der Fall war.

c) Erweist sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung als von [X.] an unberechtigt, sind die [X.] nach §
945 ZPO verpflichtet, der Klä-gerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung des Verbots ent-standen ist. Dazu zählt vorliegend allerdings nicht derjenige Schaden, der der Klägerin durch die Einstellung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]" vor der Zu-stellung der Verbotsverfügung am 6.
Juli 2006 entstanden ist (dazu unter II
2
c
[X.]). Nicht umfasst von einem Anspruch aus §
945 ZPO ist weiter derjeni-ge Schaden, der darauf beruht, dass die Klägerin das ihr durch die einstweilige Verfügung auferlegte Verbot nach Rücknahme des [X.] am 14.
März 2007 weiter befolgt hat (dazu unter II
2
c
cc). Dagegen hat das [X.] zu Unrecht die Ursächlichkeit der Vollziehung der einstweiligen Verfügung am 6.
Juli 2006 für einen Schaden der Klägerin verneint (dazu unter II
2
c
dd).

aa) Nur eine Gläubigerhandlung, die als zwangsweise Durchführung ei-ner angeordneten Maßregel angesehen werden kann, ist eine Vollziehung im Sinne des §
945 ZPO und begründet die scharfe Haftung des Gläubigers. Die 15
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-
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-
Schadensersatzpflicht kann nie allein durch das Erwirken des
Titels
begründet werden. Vielmehr ist ein darüber hinausgehendes Verhalten erforderlich, das zumindest einen gewissen Vollstreckungsdruck erzeugt
([X.]Z 131, 141, 144; [X.]Z 168, 352 Rn. 15; [X.], Beschluss vom 22.
Januar 2009 -
I
ZB 115/07, [X.]Z 180, 72 Rn.
16). Ein solcher Vollstreckungsdruck geht von reinen Unter-lassungstiteln nicht aus. Unterlassungsgebote lassen sich nicht durch unmittel-baren Zwang durchsetzen, sie werden entweder beachtet oder durch [X.] verletzt. Ihre Durchsetzung erfolgt durch mittelbaren Zwang in der [X.], dass der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zu Ordnungsgeld oder [X.] nach §
890 Abs.
1 ZPO verurteilt wird. Deshalb setzt der für eine Schadensersatzpflicht nach §
945 ZPO notwendige Vollstreckungsdruck [X.],
dass der Schuldner das durch die einstweilige Verfügung verhängte Verbot beachten und im Fall der Zuwiderhandlung mit der Verhängung von [X.] rechnen muss (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Oktober 1992
IX
ZR
36/92, [X.]Z 120, 73, 82; [X.]Z 131, 141, 143; [X.]Z 180, 72 Rn.
16). Dies erfordert neben der Androhung des Ordnungsmittels nach §
890 Abs.
2 ZPO bei der [X.] deren Zustellung im [X.]betrieb nach §
922 Abs.
2 ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Juli 2006
IX
ZR
94/03, [X.]Z 168, 352 Rn.
15). Die Zustellung begründet zum einen die Wirksamkeit der gerichtlichen Entschei-dung. Sie leitet zum anderen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel ein und dokumentiert den Willen des Gläubigers, von diesem Titel Gebrauch zu ma-chen. Die formlose Übermittlung der gerichtlichen Entscheidung von [X.] zu [X.] genügt dagegen den Anforderungen des §
922 Abs.
2 ZPO an eine [X.] nach §§
191 bis 195 ZPO nicht. Die einstweilige Verfügung ist vor der förmlichen Zustellung nicht wirksam. Eine nicht wirksame einstweilige [X.] braucht der Schuldner nicht zu beachten.

[X.])
Ein Schadensersatzanspruch gemäß §
252 [X.] wegen des Ge-winns, der der Klägerin durch die Einstellung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]
-
8
-
ro" vor der Zustellung der einstweiligen Verfügung am 6.
Juli 2006 entgangen ist, besteht danach nicht.

(1) Dadurch, dass die [X.] der Klägerin vor einer förmlichen Zustel-lung im [X.]betrieb mit Schreiben vom 12. Juni 2006 eine Abschrift der einst-weiligen
Verfügung vom 9.
Juni 2006 übermittelt haben, haben sie keinen Voll-streckungsdruck erzeugt, der eine Schadensersatzverpflichtung der [X.] begründen kann. Die einstweilige Verfügung vom 9.
Juni 2006 war mangels Zustellung im [X.]betrieb zu diesem [X.]punkt noch nicht wirksam. Eine nicht wirksame einstweilige Verfügung brauchte die Klägerin nicht zu beachten.

Die gleichwohl bereits im Juni 2006 erfolgte Einstellung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]" stellt sich danach nicht als eine durch einen Vollstreckungs-druck ausgelöste Befolgung des Verbots dar.

(2) Nichts anderes ergibt sich aus der [X.]sentscheidung "[X.] nach Verbotsverfügung" ([X.]Z 180, 72), auf die sich die [X.] beruft.

Der [X.] hat darin entschieden, dass eine durch Urteil erlassene [X.] mit der Verkündung des Urteils wirksam wird und vom Schuldner ab diesem [X.]punkt zu beachten ist, wenn sie eine [X.] enthält. In diesem Fall kann gegen den Schuldner bei einer schuldhaften Zuwi-derhandlung nach Verkündung
des Urteils ein Ordnungsmittel festgesetzt wer-den
([X.]Z 180, 72 Rn.
11). Der Schuldner hat das Unterlassungsgebot bereits ab Urteilsverkündung zu beachten, auch wenn für den Gläubiger weiterhin die Notwendigkeit besteht, die Urteilsverfügung durch Zustellung zu vollziehen ([X.]Z 180, 72 Rn.
15). Grund hierfür ist, dass eine durch Urteil erlassene [X.] wie jedes Urteil mit der Verkündung wirksam ist und Grundlage 19
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der Zwangsvollstreckung in Form einer Ordnungsmittelfestsetzung sein kann, wenn die [X.] im Urteil enthalten ist. Anders liegt der hier zur Entscheidung stehende
Fall.
Die Beschlussverfügung war mangels förmli-cher Zustellung im [X.]betrieb noch nicht wirksam geworden. Sie konnte
da-her
vor der Zustellung am 6.
Juli 2006 noch nicht Grundlage einer
Ordnungsmit-telfestsetzung sein.

(3) Dieser rechtlichen Bewertung steht
anders als die Revision meint

auch nicht die zu §
717 Abs.
2 Satz
1 ZPO ergangene Entscheidung "Steroid-beladene Körner" ([X.], Urteil vom 16.
Dezember 2010
Xa
ZR
66/10, [X.], 364) entgegen. In dieser Entscheidung ist der [X.] davon ausgegangen, dass der notwendige Vollstreckungsdruck im Hinblick auf ein Unterlassungsgebot gegeben ist, wenn ein vorläufig vollstreckbares Urteil vor-liegt, der Gläubiger alle Vollstreckungsvoraussetzungen herbeigeführt hat und gegenüber dem Schuldner nicht deutlich macht, daraus keine Rechte herzulei-ten (vgl. [X.], [X.], 364 Rn.
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Steroidbeladene Körner). Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Vor der [X.]zustellung am 6.
Juli 2006 lagen die Vollstreckungsvoraussetzungen gerade nicht vor.

cc) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht weiterhin davon aus-gegangen, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß §
945 ZPO für solche Schäden ausgeschlossen ist, die der Klägerin wegen der Befolgung des [X.] nach der Rücknahme des [X.] durch die [X.] am 14.
März 2007 entstanden sind. Nach dem dadurch bedingten Wegfall des [X.] entfiel auch ein durch ihn erzeugter Vollstreckungsdruck. Schäden, die der Klägerin infolge der Beibehaltung der Vertriebseinstellung der Jeanshose "[X.]"
nach dem 14.
März 2007 entstanden sind, können nicht kausal auf der Vollziehung der einstweiligen Verfügung beruhen.

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-
Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, sie sei an einer Vertriebsauf-nahme nach der Rücknahme des [X.] in der Berufungsverhand-lung deshalb gehindert gewesen, weil wenige Tage später das sie benachteili-gende erstinstanzliche Urteil in der Hauptsache zu erwarten gewesen sei, kann dies allenfalls Schadensersatzansprüche nach §
717 Abs.
2 ZPO begründen. Auf diese Vorschrift hat die Klägerin die Klage jedoch nicht gestützt. Sie hat auch zu den Voraussetzungen einer Haftung der [X.] nach dieser Vor-schrift nichts vorgetragen.

dd) Die Revision rügt allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht auch nach Zustellung der Beschlussverfügung im [X.]betrieb am 6.
Juli 2006 eine Ursächlichkeit der Vollziehung der einstweiligen Verfügung für die Beibe-haltung der Vertriebseinstellung der Klägerin verneint hat.

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne ihr Schadensersatzbegehren auch nicht mit der weiteren Befolgung des Verbots in der [X.] seit dem 6.
Juli 2006 begründen. Ursächlich für die Vertriebseinstellung sei nach dem eigenen Vortrag der Klägerin die in dem Erlass der einstweiligen Verfügung zum Ausdruck gekommene Rechtsauffassung
des [X.]s und die hierdurch für die Klägerin begründete Rechtsunsicherheit
gewesen, die erst mit der Entscheidung des [X.] vom 13.
August 2009 beseitigt worden sei. Ursächlich für die Fortdauer der Einstellung des Vertriebs der Jeanshose sei dagegen nicht erst die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gewesen. Dies finde seine Bestätigung im Verhalten der Klägerin nach der Rücknahme des [X.] am 14.
März 2007. Die Klägerin habe nach dem Wegfall der einstweiligen Verfügung den Vertrieb nicht wieder [X.].

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(2) Diese Beurteilung beanstandet die Revision zu Recht. Die [X.] von den [X.] erwirkten einstweiligen Verfügung für die Einstel-lung des Vertriebs der Jeanshose "[X.]" ist als haftungsbegründender [X.] zwar von der geschädigten Klägerin zu beweisen. Ihr kommen dabei [X.] die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute ([X.]Z 168, 352 Rn.
25).

Die Revision weist zutreffend auf den Inhalt des Schriftverkehrs der [X.] vor der formlosen Übermittlung der einstweiligen Verfügung mit Schreiben vom 12.
Juni 2006 hin. Die [X.] hatten zunächst am
26.
April 2006 an einen Großkunden der Klägerin eine Abmahnung gerichtet. Am 9.
Juni 2006 vertraten die seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin in einem Schreiben an die Rechtsanwälte der [X.] die Auffassung, das Jeansmodell "[X.]" der Klägerin sei keine Nachahmung der Jeanshose "[X.]" der [X.], und lehnten die Vereinbarung einer Aufbrauchfrist für den Vertrieb des [X.] der Klägerin ab. Dieser Schriftverkehr, dessen Inhalt das Berufungsge-richt nicht berücksichtigt hat, macht deutlich, dass die Klägerin den Vertrieb ih-res [X.] zunächst nicht einstellen wollte. Erst unter dem Eindruck der einstweiligen Verfügung änderte die Klägerin ihre Sichtweise. Davon ist zwar im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch zu Unrecht an-genommen, die Befolgung des Verbots auch nach der [X.]zustellung sei aus-schließlich auf den Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuführen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.]zustellung sei für die wei-tere Befolgung des ausgesprochenen Unterlassungsgebots nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung im [X.]betrieb am 6.
Juli 2006 nicht ursächlich, wird der Situation der Klägerin als Vollstreckungsschuldnerin
nicht gerecht. Mit der Zustellung der mit [X.] versehenen [X.] im [X.]betrieb hatten die [X.] die Voraussetzungen für die 28
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-
Zwangsvollstreckung geschaffen. Der Schuldner muss bei einer solchen Sach-lage damit rechnen, dass
der Gläubiger jederzeit von der Vollstreckungsmög-lichkeit
Gebrauch macht und im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die in der Beschlussverfügung ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung die Festset-zung von [X.] beantragt. Bei einer solchen Sachlage ist [X.] davon auszugehen, dass die Befolgung
des Unterlassungsgebots nicht freiwillig, sondern zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt (vgl. [X.], [X.], 364 Rn.
25 -
Steroidbeladene Körner). Damit beugt der Schuldner sich einem Vollstreckungsdruck. Davon ist auch vorliegend auszu-gehen.

(3) Soweit die [X.] sich demgegenüber darauf berufen, die Kläge-rin habe ohnehin beabsichtigt, den Vertrieb der Jeanshose "[X.]" einzustellen, wird damit nicht die Kausalität der Zustellung der einstweiligen Verfügung für die Vertriebseinstellung
in Frage gestellt. Vielmehr berufen sich die [X.] damit auf eine [X.], die im Einzelfall zu einer Entlastung des [X.] führen kann (vgl. [X.]Z 168, 352 Rn. 22).
Für das Vorliegen einer derar-tigen [X.] ist der beklagte Schädiger darlegungs-
und beweisbelas-tet ([X.]Z 168, 352 Rn. 25). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungs-gericht nicht getroffen. Zugunsten der Klägerin ist im Revisionsverfahren des-halb davon auszugehen, dass sie nicht die Absicht hatte, den Vertrieb der frag-lichen Jeanshose ohnehin einzustellen.

Das Berufungsgericht konnte eine fehlende Ursächlichkeit zwischen Vollziehung der Unterlassungsverfügung und Fortdauer der Vertriebseinstellung auch nicht dem Vortrag der Klägerin entnehmen. Soweit es seine gegenteilige Ansicht auf das Vorbringen der Klägerin in der Berufungsbegründung stützt, wonach der einzige Grund für die Einstellung des weiteren Vertriebs die durch die [X.]
erwirkte einstweilige Verfügung gewesen sei, ist dieser Vortrag 31
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13
-
aus dem Zusammenhang gerissen und entstellt den Sinn des Vorbringens der Klägerin. Der Vortrag erlaubt deshalb nicht die vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung. Die Ausführungen der Klägerin, auf die das Berufungsgericht abhebt, stehen im Kontext mit einem Schaden seit der Vollziehung der einstwei-ligen Verfügung am 6.
Juli 2006. Hierzu hat die Klägerin unter Berufung auf ei-nen Zeugen geltend gemacht, wegen der Zustellung der einstweiligen Verfü-gung sei der Weitervertrieb eingestellt worden. Danach durfte das Berufungsge-richt aus dem nachfolgenden Hinweis auf die Erwirkung der einstweiligen [X.] nicht die gegenteilige Schlussfolgerung ziehen, nicht die Zustellung, sondern ausschließlich der Erlass der einstweiligen Verfügung sei ursächlich für die Fortdauer der
Einstellung des Vertriebs.

(4) Sollten
die [X.]
die Ursächlichkeit der Vollziehung der [X.] durch die Klägerin nicht widerlegen können und lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklag-ten
zum Ausdruck gebracht haben, dass sie aus der einstweiligen Verfügung keine Rechte herleiten, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben,
in welcher Höhe der Klägerin ein zurechenbarer Vollstreckungsschaden entstanden ist.

Für die Bemessung
des Schadens nach §
945 ZPO gelten die allgemei-nen Grundsätze der §§
249 ff. [X.]. Der Schadensersatzanspruch erfasst grundsätzlich den durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung adäquat-kausal verursachten, unmittelbaren oder mittelbaren Schaden einschließlich des infolge des [X.] entgangenen Gewinns des Schuldners ([X.]Z 168, 352 Rn. 19).
Auch insoweit kommen der Klägerin die Beweiserleichterungen des §
287 Abs.
1 ZPO zugute; bei besonderen Schwie-rigkeiten des Schadensnachweises ist ein Mindestschaden zu schätzen
([X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., §
287 Rn.
2). Zu dem ersatzfähigen Schaden rechnen auch Schäden, die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass sie den Vertrieb 33
34
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14
-
der Jeanshose "[X.]" nach dem Fortfall des Unterlassungstitels nach [X.] des [X.] am 14.
März 2007 nicht sofort wieder aufneh-men konnte, weil die [X.], die die Klägerin zum Wiederanlaufen des Vertriebs benötigte, noch auf den [X.]raum der Vollziehung der einstweiligen Verfügung vom 6.
Juli
2006 bis 17.
März 2007 entfällt.

Soweit die Klägerin Kosten in Höhe von 14.100

zwei [X.] als Teil ihres Schadens geltend macht, fehlt es gleichfalls an Feststellungen des Berufungsgerichts, die nachzuholen sind. [X.] wird die Klägerin ihren Vortrag dazu zu präzisieren haben, aus welchem Grund ihr Kosten in dieser Höhe entstanden sind.

Das Berufungsgericht wird im Weiteren zu beachten haben, dass -
auch wenn diese Kosten während der Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung ent-standen sind
-
insoweit Zweifel an der Zulässigkeit der Klage
bestehen. Sollte es sich bei den Kosten für diese Gutachten um notwendige Kosten der Rechts-verteidigung der Klägerin im vorausgegangenen Verfügungsverfahren im Sinne von §
91 ZPO gehandelt haben, kommt in Betracht, dass die Klägerin deren Erstattung als Privatgutachterkosten im Rahmen der Kostenfestsetzung gegen
die [X.] durchsetzen kann
(vgl. [X.], Beschluss vom 26.
Februar 2013

VI
ZB 59/12, [X.], 1823
Rn.
4). Wäre ein prozessualer Kostenerstat-tungsanspruch gegeben, den die Klägerin auch infolge
der entsprechend §
269 Abs.
3 Satz
2 ZPO ergangenen Kostengrundentscheidung des [X.] im Verfahren der einstweiligen Verfügung vom 14.
März 2007 durchset-zen könnte, bestünde

weil es sich bei dem Kostenfestsetzungsverfahren um ein einfacheres Verfahren handelt

für die Durchsetzung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs im ordentlichen Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis
([X.], Urteil vom 13.
April 1989 -
IX ZR 148/88, [X.], 514, 515).
35
36
-
15
-

Selbst wenn von einer Zulässigkeit der Klage insoweit ausgegangen werden muss, bedarf es einer besonderen Prüfung, ob diese im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten
infolge der Voll-ziehung der einstweiligen Verfügung entstanden sind oder ob diese Kosten
nicht vielmehr auf die Anordnung der einstweiligen Maßnahme
zurückzuführen sind (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 1.
April 1993
I
ZR
70/91, [X.]Z 122, 172, 176
-
Verfügungskosten).

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16
-
II[X.] Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Da
die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung
an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO).

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

[X.]
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.01.2011 -
12 [X.]/10 -

O[X.], Entscheidung vom 03.04.2012 -
I-20 [X.] -

38

Meta

I ZR 249/12

10.07.2014

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2014, Az. I ZR 249/12 (REWIS RS 2014, 4179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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