Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2021, Az. 1 StR 442/20

1. Strafsenat | REWIS RS 2021, 5755

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Gegenstand

Strafverfahren: Zulässigkeit einer Inbegriffsrüge


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]           und    S.    wird das Urteil des [X.] vom 5. Februar 2020, soweit es diese Angeklagten betrifft, im Adhäsionsausspruch dahingehend geändert, dass Zinsen seit dem 1. März 2019 zu zahlen sind und von einer Entscheidung über den im Adhäsionsverfahren gestellten Zinsantrag im Übrigen abgesehen wird.

Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten [X.]            und   S.   werden verworfen.

Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels und die hierdurch der Neben- und Adhäsionsklägerin entstandenen notwendigen Auslagen und besonderen Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

2. Die die Angeklagten [X.]        , A.           und      O.    betreffenden Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.

Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]        (im Folgenden: [X.]   ) und den Nichtrevidenten [X.]          (im Folgenden: [X.]) jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]    hat es deswegen eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und gegen den Nichtrevidenten [X.]  eine solche von fünf Jahren und sechs Monaten verhängt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten [X.]    in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Den Angeklagten [X.] hat das [X.] wegen Beihilfe zum schweren Raub und die Angeklagten    [X.] und      [X.]  jeweils wegen Beihilfe zum Raub verurteilt. Es hat deswegen den Angeklagten [X.]zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten    [X.] zu einer solchen von zwei Jahren und zehn Monaten und die Angeklagte        [X.] zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Neben der Anrechnung der Auslieferungshaft im Maßstab 1 : 1 hat das [X.] gegen alle Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 990 Euro angeordnet. Daneben hat es in einer Adhäsionsentscheidung ausgesprochen, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner der Adhäsionsklägerin 7.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. November 2017 zu zahlen haben.

2

Die Angeklagten [X.]   und    [X.] rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren vom [X.] vertretenen Revisionen zum Nachteil der Angeklagten [X.]    , [X.]und        [X.] die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revisionen der Angeklagten [X.]   und   [X.] erzielen lediglich bezüglich des [X.] einen Teilerfolg. Die weitergehenden Rechtsmittel dieser Angeklagten sowie die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben erfolglos.

I.

3

Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Seit seinem Eintreffen in [X.] im August 2017 ging der aus [X.] stammende Angeklagte [X.]   keiner Arbeit nach. Insbesondere aufgrund seiner Drogensucht hatte er aber einen hohen Geldbedarf. Er entschloss sich deshalb, wie bereits bei einer Raubtat im Jahr 2009 in [X.], sich durch einen Raubüberfall Wertgegenstände, vorzugsweise Schmuckstücke von einigem Wert zu verschaffen. Er plante, im [X.] an eine Schmuckmesse im Schutz der einsetzenden Dunkelheit einen Schmuckhändler oder Messeaussteller zu überfallen und diesem mit Gewalt Schmuckstücke wegzunehmen, die er anschließend auf dem Schwarzmarkt veräußern wollte. Als Fahrer des [X.] gewann er gegen Zusage eines Beuteanteils den in [X.] lebenden Angeklagten [X.]. Dieser reiste am 14. Oktober 2017 in [X.] ein. Eine Woche später mietete der Angeklagte [X.]   in [X.] unter Aliaspersonalien ein Auto an, das er am 23. Oktober 2017 in [X.] gegen einen weißen Pkw [X.] eintauschte. Dem Angeklagten [X.]  reiste seine Ehefrau, die Angeklagte      [X.] , hinterher und traf am 26. Oktober 2017 in [X.] ein. Sie wollte auf diese Weise nach Streitigkeiten ihre Ehe retten. Das Paar reiste fortan zusammen durch [X.]. Um das zukünftige Zusammenleben mit dem Angeklagten [X.]      nicht zu gefährden, entschloss sich die Angeklagte        [X.] , ihn bei seinem Vorhaben, durch einen neuerlichen Raubüberfall an Geld zu kommen, zu fördern und ihn sowohl bei der Tatvorbereitung als auch bei der Flucht zu unterstützen. Insbesondere buchte sie unter Einsatz ihrer Kreditkartendaten für sich und die übrigen Tatbeteiligten Hotelzimmer. Zudem gewährte sie ihrem Ehemann [X.]    Zugriff auf ihr Smartphone, damit dieser nach geeigneten [X.] suchen konnte. In die Einzelheiten der [X.]ung wurde die Angeklagte        [X.]nicht eingeweiht.

5

Auf der Suche nach weiteren Mitwirkenden wandte sich der Angeklagte [X.]   an seinen Bruder, den Nichtrevidenten [X.]   , und den gesondert Verfolgten [X.]     . Diese beiden Männer waren am 8. November 2017 von [X.] aus nach [X.] gereist. Zur Vorbereitung der Tat mieteten sich die Angeklagten [X.]und [X.], [X.]     und       [X.] sowie der gesondert Verfolgte [X.]     in einem Hotel in [X.] ([X.]) ein. ‚Von dort aus kundschaftete der Angeklagte [X.]   am 9. und 10. November 2017 die P.        in [X.], den Veranstaltungsort einer Schmuckmesse, aus. Er wurde dabei am ersten Tag von der Angeklagten      [X.] und am Folgetag von ihr und seinem Bruder [X.]  begleitet. Am 11. November 2017 kontaktierte der Angeklagte [X.]    einen weiteren Bekannten, den Angeklagten    [X.], um ihn gegen das Versprechen einer Entlohnung für die Flucht als weiteren Fahrer zu gewinnen.    [X.] stellte sich selbst als Fahrer und einen Pkw [X.] mit schweizerischem Kennzeichen zum Abtransport der Beute zur Verfügung.

6

Die Brüder [X.] und [X.]  verständigten sich darauf, bei der Tatbegehung zur Einschüchterung des [X.] eine ungeladene [X.] mitzuführen. Zudem sollte [X.] eine Dose Pfefferspray an den [X.] mitbringen, um dieses notfalls einsetzen zu können. Der Angeklagte [X.], der lediglich als Fluchtwagenfahrer vorgesehen war, wurde in die konkreten Planungen nicht einbezogen. Er hatte allerdings Kenntnis von der ungeladenen [X.], mit deren Einsatz er auch einverstanden war. Die Angeklagten    [X.]und       [X.] wurden weder über die [X.] noch das Pfefferspray informiert.

7

Zur Tatausführung begaben sich die Angeklagten [X.] und [X.]    , [X.]und    [X.] sowie der gesondert Verfolgte [X.]       am 12. November 2017 von [X.] nach [X.]. Die Angeklagte        [X.]blieb in [X.] und wartete auf die Rückkehr der anderen. In [X.] wurde zunächst der Pkw [X.] abgestellt. Dann fuhren die [X.]in einem von dem Angeklagten [X.]gesteuerten Pkw [X.] zur P.        . Der Angeklagte   [X.] wartete in der Nähe der [X.], um nach der Tat die Beute entgegenzunehmen und nach [X.] zu transportieren.

8

Die Tat selbst fand gegen 17:50 Uhr statt. Die Neben- und Adhäsionsklägerin (im Folgenden: Nebenklägerin), eine Ausstellerin und [X.], verließ mit einem Rollkoffer, in dem sich ihre zuvor auf der Messe präsentierten Schmuckstücke im Wert von insgesamt 239.715 Euro befanden, die P.        über einen Hinterausgang. Ihr folgten – von den Angeklagten unbemerkt – zwei Abbauhelfer, die der Nebenklägerin behilflich sein wollten, Gegenstände zu ihrem Auto zu tragen.

9

Als die Nebenklägerin neben ihrem Fahrzeug stand, brachte der Angeklagte [X.]den [X.] so hinter dem Pkw der Nebenklägerin zum Stehen, dass ihr ein Wegfahren unmöglich war; dies bemerkte die Nebenklägerin nicht. Sodann trat der Angeklagte [X.]    unter Vorhalt der mitgeführten ungeladenen [X.] und mit den Worten „Überfall“ an die völlig überraschte Nebenklägerin heran und versuchte sogleich, ihr den Koffer mit den Schmuckstücken zu entreißen. Aufgrund des heftigen Widerstands der Nebenklägerin gelang es dem Angeklagten [X.]   zunächst nicht, den Koffer an sich zu bringen. Außerdem eilten ihr die beiden Abbauhelfer zu Hilfe. Wie vorher für den Fall des Widerstands besprochen, stieg nun der Angeklagte [X.]    aus dem [X.] aus und sprühte der Nebenklägerin mit dem Pfefferspray ins Gesicht, so dass der Angeklagte [X.]    den Schmuckkoffer doch noch an sich bringen konnte. Den beiden Abbauhelfern gelang es nicht, die Wegnahme des Koffers und die Flucht der Angeklagten zu verhindern. Die Angeklagten [X.] und [X.]   sowie [X.]    verließen mit dem vom Angeklagten [X.] gesteuerten [X.] mit hoher Geschwindigkeit den [X.]. Am Standort des [X.] wechselten sie das Fahrzeug. Danach übernahm der Angeklagte    [X.] den Koffer mit der Beute und verlud ihn in seinen [X.]. In [X.] trafen die Angeklagten wieder mit der Mitangeklagten          [X.] zusammen. Sie fuhren dann gemeinsam weiter mit ihr in einen Vorort von [X.], wo die Angeklagte      [X.] [X.] gebucht hatte.

Um die Herkunft der Schmuckstücke zu verschleiern, entsorgten die Angeklagten [X.]    und    [X.] das Verpackungsmaterial in der Nähe des Hotels in einem öffentlichen Abfallbehälter. Hierbei wurden sie von der [X.] Polizei, die gegen die Angeklagten wegen in [X.] begangener Straftaten ermittelte und Observationen durchführte, beobachtet. Die Polizei konnte mehrere Schmuckverpackungen sicherstellen, die anhand der Firmenaufschrift der Nebenklägerin zugeordnet werden konnten. Sodann wurden alle sechs Personen festgenommen. Bis auf vier Schmuckstücke im Gesamtwert von 990 Euro konnte die gesamte [X.] bei der Durchsuchung der von den Angeklagten genutzten Hotelzimmer sichergestellt werden.

2. In der Hauptverhandlung haben die Angeklagten die Tat und ihre jeweilige Beteiligung – wie festgestellt – gestanden. Wegen Verwendung des Pfeffersprays und der gemeinschaftlichen Begehung hat das [X.] das Verhalten der Angeklagten [X.] und [X.]  jeweils als besonders schweren Raub (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) gewertet. Die Tatbeteiligung des Angeklagten [X.] hat das [X.] lediglich als Beihilfe zum schweren Raub (§ 250 Abs. 1 Nr. 1b, § 27 Abs. 1 StGB) eingestuft. Insbesondere wegen fehlender eigener Tatherrschaft sei dieser Angeklagte kein Mittäter gewesen. Den Angeklagten    [X.] hat das [X.] lediglich wegen Beihilfe zum Raub (§ 249 Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB) verurteilt. Auch er habe keine Tatherrschaft gehabt; zudem sei nicht nachgewiesen, dass der Angeklagte   [X.] von der [X.] und dem mitgeführten Pfefferspray Kenntnis gehabt habe. Die Tatbeiträge der Angeklagten       [X.] hat das [X.] ebenfalls nur als Beihilfe zum Raub gewertet. [X.] Anhaltspunkte dafür, dass sie von der [X.] und dem Pfefferspray Kenntnis gehabt und deren Einsatz gebilligt haben könnte, habe die Hauptverhandlung nicht ergeben. In die konkrete [X.]ung sei sie ebenso wenig eingebunden gewesen wie in die eigentliche Tatausführung. Von einer Bande, insbesondere einer Bandenabrede, konnte sich das [X.] nicht überzeugen.

II.

Die Revisionen der Angeklagten [X.]     und    [X.]erzielen nur einen geringen Teilerfolg.

1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat zum Schuldspruch und zum Rechtsfolgenausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Lediglich die Adhäsionsentscheidung hält aus den in der Antragsschrift des [X.]s genannten Gründen rechtlicher Überprüfung insoweit nicht stand, als das [X.] diese Angeklagten zur Zahlung von Zinsen für die Zeit vor dem 1. März 2019 verurteilt hat. Der [X.] ändert den Adhäsionsausspruch entsprechend ab. Von einer Entscheidung über den im Adhäsionsverfahren gestellten weitergehenden Zinsantrag sieht der [X.] ab, da ansonsten die Sache allein deshalb an das [X.] zurückzuverweisen wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Februar 2012 – 4 [X.] Rn. 6).

2. Angesichts des nur geringen Erfolgs der Revisionen ist es nicht unbillig, die Angeklagten mit den gesamten Kosten ihrer Rechtsmittel zu belasten (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 [X.]).

III.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft zum Nachteil der Angeklagten [X.]   , [X.] und       [X.] haben keinen Erfolg.

1. Das [X.] hat seine Überzeugung vom festgestellten Tatgeschehen auf die Geständnisse der Angeklagten gestützt. Dabei konnte es sich weder von einer Bandenabrede der Angeklagten noch von einem täterschaftlichen Handeln der Angeklagten [X.]  und      [X.] überzeugen. Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen diese die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.

2. Die den Angeklagten [X.]   betreffende Revision ist konkludent auf den Strafausspruch beschränkt, weil die von der Staatsanwaltschaft erstrebte Annahme der Qualifikation aus § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB neben derjenigen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes unberührt ließe. Diese Beschränkung ist wirksam (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 344 Rn. 4 ff., § 318 Rn. 16 ff.). Die Revisionen der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten [X.] und         [X.] richten sich auch gegen den Schuldspruch.

3. Den Verfahrensrügen bleibt insgesamt der Erfolg versagt.

a) Die [X.] (§ 261 [X.]) betreffend die richterlichen Vernehmungen des Angeklagten [X.]in [X.] vom 20. Februar 2018 und 26. Juni 2018 hat keinen Erfolg.

aa) Ziel dieser Rüge ist eine Verurteilung der Angeklagten wegen schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB bzw. besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 2 StGB als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von [X.] verbunden hat. Hintergrund ist, dass das [X.] sich nicht von einer Bandenabrede der Angeklagten überzeugen konnte, obwohl eine Beteiligung einzelner Angeklagter an weiteren [X.] im In- und Ausland im Raum stand. Der Angeklagte [X.]wurde am 20. Februar 2018 und am 26. Juni 2018 in [X.] wegen des Vorwurfes der Beteiligung an dort begangenen [X.] vernommen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet, dass der Inhalt der im Wege der Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungsprotokolle in den Urteilsgründen unvollständig bzw. unzutreffend wiedergegeben worden sei.

bb) Die [X.] ist zulässig erhoben. Mit einer Verfahrensbeschwerde kann geltend gemacht werden, dass eine verlesene Urkunde oder Erklärung unvollständig oder unrichtig im Urteil gewürdigt worden sei, wenn der Nachweis ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung geführt werden kann (vgl. [X.], Beschlüsse vom 11. März 1993 – 4 StR 31/93, [X.]R [X.] § 261 Inbegriff der Verhandlung 30 und vom 22. November 1988 – 1 StR 559/88, [X.]R [X.] § 261 Inbegriff der Verhandlung 15; Urteil vom 13. Juli 2017 – 3 [X.] Rn. 7; vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 19. August 2008 – 3 [X.] Rn. 6 und vom 10. Juli 2018 – 3 [X.] Rn. 3). Dies ist hier der Fall, weil mit der [X.] allein beanstandet wird, dass die durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmungen des Angeklagten [X.]in den Urteilsgründen unvollständig oder unzutreffend wiedergegeben und entsprechend falsch gewürdigt wurden. Ob dies der Fall ist, kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung allein durch Vergleich des Inhalts der verlesenen Vernehmungsprotokolle mit deren inhaltlichen Wiedergabe in den Urteilsgründen festgestellt werden.

cc) Die [X.] ist jedoch unbegründet. Die Wiedergabe der Angaben des Angeklagten [X.]aus den richterlichen Vernehmungen in [X.] vom 20. Februar 2018 und 26. Juni 2018 in den Urteilsgründen ist weder unrichtig noch unvollständig.

In der Vernehmung vom 20. Februar 2018 wurde der Angeklagte [X.]vor dem Berufungsgericht in [X.] zu unter seiner Beteiligung an am 27. und 28. Oktober 2017 in [X.] begangenen Raubüberfällen befragt. Dabei wurde ihm vorgehalten, dass hierbei ein weißer [X.] mit dem Kennzeichen [X.]       eine Rolle gespielt haben könnte. Ausweislich der verlesenen Vernehmungsprotokolle gab der Angeklagte hierzu an, dass er unter Begleitung von zwei Personen im Fahrzeug und einer weiteren Person auf einem Motorrad den [X.] gefahren habe, als von einem Opfer Uhren gestohlen worden seien. Den [X.] habe er in dem Hotel der drei anderen übernommen. In den Urteilsgründen hat das [X.] aus dieser Vernehmung die Angabe des Angeklagten u.a. wiedergegeben, dass die zwei anderen in seinem Pkw befindlichen Personen die eigentlichen Taten durchgeführt hätten. Er sei nur der Fahrer gewesen, wofür er 300 Euro erhalten habe; der Angeklagte [X.]   sei an diesen Taten nicht beteiligt gewesen. Hierdurch wird die Aussage des Angeklagten [X.] nicht unrichtig wiedergegeben.

Die Wiedergabe der Angaben des Angeklagten [X.] ist auch nicht unvollständig. Zwar erwähnt das [X.] die Aussage des Angeklagten nicht, dass der von ihm bei den [X.] am 27. und 28. Oktober 2017 gesteuerte Pkw [X.] dasselbe Fahrzeug war, das auch bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat genutzt wurde. Hierzu musste sich das [X.] aber auch nicht gedrängt sehen. § 261 [X.] verpflichtet das Tatgericht, sein Urteil aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen. Es muss alle wesentlichen Tatsachen und Beweisergebnisse, die dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu entnehmen sind, erschöpfend in einer Gesamtschau würdigen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, bzw. sich die Erörterung aufdrängt ([X.], Urteil vom 3. Juni 2015 – 2 [X.], [X.]R [X.] § 261 Inbegriff der Verhandlung 50 Rn. 10). Demgegenüber dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren. Sie sollen das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen. Dazu ist der Tatrichter gehalten, die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel, sofern sie für die Entscheidung von Bedeutung sind, zusammenfassend zu würdigen. Mit der Beweiswürdigung soll der Tatrichter lediglich belegen, warum er bestimmte, bedeutsame tatsächliche Umstände so festgestellt hat. Es ist etwa regelmäßig verfehlt, die Aussagen sämtlicher vernommener Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen. Dies kann vielmehr die Besorgnis begründen, der Tatrichter sei davon ausgegangen, eine breite Darstellung der erhobenen Beweise könne die gebotene eigenverantwortliche Würdigung ersetzen. Solches wäre rechtsfehlerhaft und könnte unter Umständen den Bestand des Urteils gefährden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. April 1998 – 4 [X.] Rn. 4; vom 14. Mai 2013 – 3 [X.] und vom 30. März 2021 – 2 [X.] Rn. 8).

Gemessen an diesen Maßstäben war der Umstand, dass der Angeklagte [X.] in [X.] in einer richterlichen Vernehmung angegeben hatte, das am 12. November 2017 bei der verfahrensgegenständlichen Tat von ihm gesteuerte Fahrzeug bereits zuvor zur Begehung einer Straftat erhalten zu haben, nicht zwingend erörterungsbedürftig. Das [X.] hat eine Tatbeteiligung des Angeklagten [X.]    bei den Taten am 27. und 28. Oktober 2017 in [X.] rechtsfehlerfrei ausgeschlossen und sich mit allen wesentlichen Umständen, die auf eine Bandenabrede hindeuten konnten, auseinandergesetzt. Allein der Umstand, dass der Angeklagte [X.]eingeräumt hatte, ein bei der verfahrensgegenständlichen Tat benutztes und zuvor von dem Angeklagten [X.]    angemietetes Fahrzeug bereits bei einer kurz zuvor begangenen Straftat benutzt zu haben, konnte bei der im Übrigen gegebenen Beweislage das Beweisergebnis weder zum Nachweis einer Bandenabrede noch zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme erkennbar beeinflussen.

Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Angaben des Angeklagten [X.], den ebenfalls bei der verfahrensgegenständlichen Tat benutzten [X.] bereits vor dieser Tat in [X.] gefahren und bei Recherchen über [X.] mitgewirkt zu haben. Angesichts der Beweislage im Übrigen musste sich das [X.] zur Erörterung dieser Umstände nicht gedrängt sehen.

b) Auch die Rüge der Staatsanwaltschaft, das [X.] habe einen Beweisantrag auf Inaugenscheinnahme eines im [X.] veröffentlichten Firmenlogos nicht verbeschieden, dringt im Ergebnis nicht durch. Mit dem Beweisantrag erstrebte die Staatsanwaltschaft die Feststellung, dass die Angeklagte      [X.] keiner geregelten Arbeit nachging und hierzu unzutreffende Angaben machte, wobei es sich bei einer von ihr vorgelegten Arbeitsbescheinigung um ein Falsifikat mit einem Firmenlogo einer anderen Firma aus den [X.] handelte. Zwar liegt der behauptete Verstoß gegen § 244 Abs. 6 [X.] vor. Der [X.] kann aber sicher ausschließen (§ 337 Abs. 1 [X.]), dass das [X.], hätte es über den Beweisantrag entschieden, den von der Staatsanwaltschaft erstrebten Schluss gezogen hätte, dass die Angeklagte        [X.]ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen durch die Begehung von Straftaten bestritt.

c) Den weiteren Verfahrensrügen der Staatsanwaltschaft bleibt ebenfalls der Erfolg versagt. Sie sind aus den in der Antragsschrift des [X.]s genannten Gründen entweder bereits unzulässig oder unbegründet.

4. Die Nachprüfung des Urteils auf die von der Staatsanwaltschaft erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.

a) Insbesondere beanstandet die Staatsanwaltschaft ohne Erfolg die Beweiswürdigung der [X.], die eine bandenmäßige Tatbegehung durch die Angeklagten verneint hat. Die Urteilsfeststellungen beruhen nicht auf einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung des [X.]s.

aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 [X.]). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 26. Januar 2021 – 1 [X.] Rn. 71; vom 21. August 2019 – 1 [X.] Rn. 8; vom 9. Mai 2017 – 1 [X.] Rn. 11; vom 16. Juni 2016 – 1 StR 49/16 Rn. 11; vom 21. April 2016 – 1 [X.], [X.]R [X.] § 261 Beweiswürdigung 43 Rn. 9 und vom 14. Dezember 2011 – 1 [X.] Rn. 15; jeweils mwN).

bb) Solche Rechtsfehler liegen hier auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht vor. Die [X.] ist nach einer wertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagten eine Bandenabrede getroffen haben und die übrigen Angeklagten Mitglieder dieser Bande waren. Die diesen Schlüssen zugrundeliegenden Würdigungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung stand. Die von der [X.] in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.

b) Rechtsfehler bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme (vgl. dazu [X.], StGB, 68. Aufl., § 25 Rn. 26 ff.) lassen die Urteilsgründe ebenfalls nicht erkennen.

Insbesondere stellt das Versperren des [X.] durch den vom Angeklagten [X.] gesteuerten Fluchtwagen unter den hier gegebenen Umständen keine weitere Ausübung von Gewalt dar. Es handelte sich hierbei lediglich um einen vorsorglichen und absichernden Tatbeitrag, der sich nach dem gemeinsamen [X.] erst dann hätte auswirken sollen, wenn der Einsatz der [X.] wider Erwarten nicht das Entreißen des Koffers ermöglicht hätte.

5. Die Überprüfung des Urteils auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hat innerhalb des Anfechtungsumfangs (§§ 327, 352 [X.]) auch keine Rechtsfehler zum Nachteil (vgl. § 301 [X.]) der Angeklagten [X.] , [X.]und     [X.] ergeben.

Raum     

      

Jäger     

      

Hohoff

      

Leplow     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 442/20

19.05.2021

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 5. Februar 2020, Az: 116 Js 110828/17 - 17 KLs

§ 261 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2021, Az. 1 StR 442/20 (REWIS RS 2021, 5755)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5755

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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