Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 11.12.2014, Az. III ZR 169/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 431

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Gegenstand

Haftung der Jagdgenossenschaft für Wildschäden bei nur eingeschränkter Übernahme der Haftung durch den Pächter des Jagdbezirks


Leitsatz

Übernimmt der Pächter eines Jagdbezirks im Vertrag mit der Jagdgenossenschaft die Haftung für Wildschäden nur eingeschränkt - indem etwa im Vertrag nach der Art der geschädigten Pflanzen oder nach der Art des schadensverursachenden Wildes differenziert, die Haftung durch Höchstbeträge oder Quoten begrenzt, vom Verschulden des Pächters, der Erstellung von Schutzvorrichtungen durch den Eigentümer oder von sonstigen Bedingungen abhängig gemacht wird - verbleibt es im nicht übernommenen Umfang bei der Haftung der Jagdgenossenschaft gegenüber dem geschädigten Eigentümer.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 9. Mai 2014 im Kostenpunkt - ausgenommen die Entscheidung über die von den Beklagten zu 1 und 2 zu tragenden Gerichtskosten sowie deren außergerichtliche Kosten - und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2013 in Richtung auf die Beklagte zu 3 zurückgewiesen sowie die in der Berufungsinstanz erweiterte Klage gegenüber der Beklagten zu 3 abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eigentümer mehrerer in der Gemarkung [X.]      liegender Waldgrundstücke, die Teil des gemeinschaftlichen Jagdbezirks der beklagten Jagdgenossenschaft (Beklagte zu 3) sind. Diese hatte den Jagdbezirk mit Vertrag vom 4. Februar 2000 vom 1. April 2000 bis 31. März 2012 an den Beklagten zu 1 verpachtet. Zum [X.] enthält der Vertrag und die diesem beigefügte Anlage Nr. 2 folgende Regelungen:

"§ 7 [X.]

(1) Der Pächter ist zum [X.] [X.]

§ 13 Zusätzliche Vereinbarungen

vergleiche hierzu

Anlage Nr. 2 zum Jagdpachtvertrag vom 04. Februar 2000"

"Jagdgenossenschaft A.

Anlage Nr. 2

zum Jagdpachtvertrag vom 04. Februar 2000

§ 13 - Zusätzliche Vereinbarungen zum

Jagdpachtvertrag

2. In Verbindung mit § 7 des oben angeführten [X.] ([X.]) verpflichtet sich der Jagdpächter, eine im [X.] vorgegebene Schwerpunktbejagung vorrangig durchzuführen. Durch den Grundstückseigentümer, den [X.] und Jagdpächter festgestellte Wildschäden sind nachfolgend zu erstatten:

2.1 Erstattung der Pflanzen - Gestehungskosten

2.2 pro 100 Stück Forstpflanzen werden zusätzlich DM 50,00 Arbeitslohn für die Pflanzung erstattet."

2

Ab 1. April 2012 hatte die Beklagte zu 3 den Jagdbezirk mit Vertrag vom 20. Juni 2011 an den Beklagten zu 2 verpachtet. Der Vertrag enthielt zum [X.] eine identische Regelung; lediglich der Arbeitslohn für die Pflanzung war mit 30 € festgelegt.

3

Die Kläger haben die Beklagten - in unterschiedlicher Höhe - nach Durchführung eines Vorverfahrens auf (weiteren) Ersatz von in den Monaten Oktober 2011 bis einschließlich April 2012 entstandener Wildschäden in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt und in zweiter Instanz die Klage erweitert. Die Berufung und die erweiterte Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 haben Erfolg gehabt. Bezüglich der Beklagten zu 3 hat das [X.] die Berufung zurückgewiesen und die erweiterte Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Kläger.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.], soweit es um die Haftung der [X.] zu 3 geht.

5

Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu befinden. Die Entscheidung beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis der [X.] zu 3, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 22. Januar 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 601 Rn. 8; [X.], Versäumnisurteil vom 19. Juli 2011 - [X.], [X.]Z 190, 291 Rn. 7 mwN).

I.

6

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den Klägern bereits dem Grunde nach kein Anspruch gegen die beklagte [X.] zu. Denn die [X.] zu 1 und 2 hätten die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Beklagte zu 3 treffende Verpflichtung zum [X.] nach § 29 Abs. 1 Satz 3 [X.] übernommen. Zwar bleibe bei nur teilweiser Übertragung der Ersatzpflicht auf den Pächter im Übrigen die Haftung der [X.] bestehen. Die [X.] zu 1 und 2 hätten die Ersatzpflicht jedoch in § 7 Abs. 1 der Pachtverträge uneingeschränkt übernommen. Daran ändere der Umstand nichts, dass durch § 13 der Pachtverträge in Verbindung mit der dort jeweils in Bezug genommenen Anlage diese Ersatzpflicht inhaltlich eingeschränkt worden sei. Denn danach sei vom Pächter [X.] nicht für alle geschädigten, sondern lediglich für diejenigen Pflanzen zu leisten, die nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft schadensbedingt ersetzt werden müssten. Dies folge daraus, dass nur die Kosten einer Ersatzpflanzung - und diese dann auch nur in der angegebenen (eingeschränkten) Höhe - zu erstatten seien. Diese beschränkte Ersatzpflicht, die auch der Verurteilung der [X.] zu 1 und 2 zugrunde liege, könne aber nicht mit einer nur teilweisen Übernahme der Ersatzpflicht gleichgesetzt werden. Auch aus § 29 Abs. 1 Satz 4 [X.] folge keine Haftung der [X.] zu 3. Zwar bleibe die Ersatzpflicht der [X.] bestehen, soweit der Geschädigte Ersatz vom Pächter nicht erlangen könne. Hiermit sei aber lediglich eine Ausfallhaftung für den Fall gemeint, dass der Pächter nicht leistungsfähig sei. Dazu hätten die Kläger aber nichts vorgetragen. Soweit sich die haftungsbeschränkende Regelung im Pachtvertrag damit im Ergebnis zu Lasten der Kläger auswirke, bestünden hiergegen keine rechtlichen Bedenken. Die Kläger seien nach § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] selbst Mitglieder der [X.] zu 3 und hätten in der Versammlung der Jagdgenossen, die nach der Satzung der [X.] zu 3 über die Pachtverträge zu entscheiden habe, auf die Willensbildung der Versammlung Einfluss nehmen können. Dass es insoweit um [X.] (§ 9 Abs. 3 [X.]) gehe und den Klägern kein Vetorecht zugestanden habe, sei dagegen nicht entscheidungserheblich. Die Kläger könnten jedenfalls nicht wie ein außerhalb des Vertrags stehender Dritter behandelt werden, sodass nicht von einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gesprochen werden könne.

II.

7

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des [X.]s haftet die Beklagte zu 3 nach § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.], soweit in den streitgegenständlichen Pachtverträgen inhaltliche Einschränkungen der Haftung der Pächter vereinbart worden sind.

8

Die Ersatzpflicht für Wildschäden ist in § 29 Abs. 1 [X.] wie folgt geregelt:

"

9

Die Ersatzpflicht trifft damit grundsätzlich die [X.]. Hat diese vertraglich die Haftung ganz oder teilweise auf den Pächter übertragen, vermittelt § 29 Abs. 1 Satz 3 [X.] dem Geschädigten insoweit einen unmittelbaren Anspruch gegen den Pächter (vgl. nur Senat, Urteil vom 5. Mai 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1106 Rn. 15 mwN). Hat der Pächter den Ersatz des [X.] nur teilweise übernommen, verbleibt es logischerweise in dem nicht übernommenen Umfang bei der Haftung der [X.] gegenüber dem Geschädigten nach § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. auch [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, [X.], Loseblattsammlung, Stand September 2011, § 29 [X.] Rn. 7; [X.], [X.], § 29 [X.] Rn. 9 i.V.m. Rn. 11; [X.], Jagdrecht, Loseblattsammlung, Stand September 2014, § 29 [X.] [X.]. 7.1.3; [X.]/[X.]/Stöckel, Jagdrecht, 4. Aufl., § 29 [X.] Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 4. Aufl., § 29 Rn. 11; [X.], Jagdrecht in [X.], Loseblattsammlung, Stand Mai 2014, § 29 [X.] [X.]. 4.1; [X.]/[X.], [X.], § 29 Rn. 24; [X.], Wild- und Jagdschaden, 9. Aufl., S. 37 f; siehe auch [X.], [X.], 210, 211; [X.], [X.], 238, 239).

Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass eine inhaltliche Einschränkung der Verpflichtung des Pächters zum [X.] im Pachtvertrag keine (nur) teilweise Übernahme des [X.] sei. Übernimmt der Pächter den [X.] nicht in dem vollen Umfang, wie es der Haftung der [X.] nach § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.] entspricht, liegt hierin denknotwendig nur eine teilweise Übernahme, die dazu führt, dass die [X.] weiter insoweit haftet, als keine Haftungsübernahme des Pächters vorliegt. Hierbei spielt es keine Rolle, wie die Beschränkung ausgestaltet ist. Insoweit ist es ohne Bedeutung, ob etwa nach der Art der geschädigten Pflanze oder nach der Art des schadensverursachenden Wildes differenziert wird, die Haftung durch Höchstbeträge oder Quoten begrenzt, vom Verschulden des Pächters, der Erstellung von Schutzvorrichtungen durch den Eigentümer oder von sonstigen Bedingungen abhängig gemacht wird (vgl. zu entsprechenden Einschränkungen nur [X.] aaO und - Stand Juli 2013 - [X.]. 1.5; [X.]/[X.] aaO Rn. 10; [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO S. 38). Dementsprechend wird im Schrifttum, soweit sich dieses näher mit der Frage der teilweisen Übernahme des [X.]es befasst, zutreffend nicht nach der Art der Haftungsbeschränkung differenziert, sondern in allen Fällen die [X.] als haftbar angesehen (vgl. nur [X.] aaO Rn. 11; [X.] aaO [X.]. 7.1.3; [X.]/[X.] aaO Rn. 11; [X.] aaO; [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO).

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie mangels Feststellungen des [X.]s im angefochtenen Urteil zum Umfang des weitergehenden ersatzpflichtigen [X.] noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).

Schlick                     Herrmann                      Wöstmann

               Seiters                             [X.]

Meta

III ZR 169/14

11.12.2014

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Traunstein, 9. Mai 2014, Az: 5 S 1918/13

§ 29 Abs 1 S 1 BJagdG, § 29 Abs 1 S 3 BJagdG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 11.12.2014, Az. III ZR 169/14 (REWIS RS 2014, 431)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 431

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

III ZR 169/14

Zitiert

II ZR 246/09

III ZR 91/10

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