Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.04.2015, Az. XI R 10/14

11. Senat | REWIS RS 2015, 12257

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Gegenstand

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung


Leitsatz

1. Führt ein Verein u.a. für Langzeitarbeitslose Arbeitsförderungs-, Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen durch, die durch Zahlungen eines Landkreises, eines Bundeslandes bzw. der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden, handelt es sich um umsatzsteuerbare Leistungen des Vereins, wenn dessen Leistungen derart mit den Zahlungen verknüpft sind, dass sie sich auf die Erlangung der Zahlungen richten.

2. Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist ohne Bedeutung, ob der (gemeinnützige) Unternehmer damit auch einen seiner Satzungszwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt.

3. Zu dem bei einer Vorsteueraufteilung zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren Tätigkeiten im Rahmen einer Schätzung maßgeblichen "Gesamtumsatz" gehören auch Zuschüsse.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 30. April 2013  2 K 2191/08 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein. Er realisierte in den Jahren 2003 und 2004 (Streitjahre) [X.], Qualifizierungs- und Weiterbildungsprojekte für Frauen, Jugendliche, Schwerbehinderte, Langzeitarbeitslose und andere Teilnehmer, die jeweils durch Zuschüsse des [X.] (Landkreis), des Landes [X.] (Land) und der [X.] ([X.]) finanziert wurden (Leistungen I). Im Rahmen der Projekte beschäftigte der Kläger im Jahr mehrere Hundert Teilnehmer beim Kommunalbau, im Rahmen des Naturschutzes sowie bei Projekten, in denen die Teilnehmer in [X.] Fragen oder hinsichtlich ihrer Eignung für berufliche Tätigkeiten geschult und fortgebildet wurden.

2

Mit dem Verkauf von hergestellten Produkten, der Erteilung von Unterricht für Dritte, dem Betrieb einer Kantine sowie eines "[X.]" (Leistungen II) führte der Kläger daneben weitere Leistungen aus.

3

Ab dem Jahr 2003 wurden Verwaltungs- und Projektbearbeitungsleistungen für den Kläger von der zu diesem Zweck gegründeten Z-GmbH (GmbH) übernommen, an der der Kläger zu 70 % beteiligt war. Daneben führte die GmbH auch Leistungen an externe Auftraggeber aus.

4

Der Kläger ging davon aus, dass er nur mit den Leistungen II unternehmerisch tätig sei, während es sich bei den Leistungen I um nichtunternehmerische Tätigkeiten handele. Weiter nahm er an, er sei Organträger der GmbH, und nahm u.a. aus den [X.] "der GmbH" den vollen Vorsteuerabzug vor. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) nach Durchführung einer Außenprüfung hinsichtlich des vollen Vorsteuerabzugs aus den genannten Leistungen nicht, sondern vertrat die Auffassung, dass die Vorsteuer aufzuteilen sei. Die Prüferin stellte dabei zunächst auf das Verhältnis der nicht steuerbaren Innenumsätze zu den [X.] der GmbH ab. Dem schloss sich das [X.] in den [X.] für die Jahre 2003 und 2004 (Streitjahre) vom 10. Juli 2006 an und ließ lediglich Vorsteuer in Höhe von 7.522,87 € (im Jahr 2003) und 8.824,83 € (im Jahr 2004) zum Abzug zu.

5

Die Einsprüche des [X.] hatten keinen Erfolg; vielmehr kürzte das [X.] nach vorheriger Androhung in den [X.] vom 25. Juli 2008 den Vorsteuerabzug weiter (abziehbare Vorsteuer 2003: 6.240,72 €; abziehbare Vorsteuer 2004: 7.451,31 €). Es vertrat zwar nun --wie der [X.] die Auffassung, bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuer sei nicht nur auf die Ausgangsumsätze der GmbH, sondern die des gesamten [X.] abzustellen. Für die nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge sei analog § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) eine Aufteilung im Wege sachgerechter Schätzung vorzunehmen. Einzig sachgerecht sei ein Umsatzschlüssel. Maßgeblich für den Prozentsatz der abziehbaren Vorsteuer sei --entgegen der Auffassung des [X.]-- auf das Verhältnis von umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen (des [X.] und der GmbH) im Zähler zu den Gesamtumsätzen (des [X.] und der GmbH) sowie den Zuschüssen im Nenner abzustellen. Die Zuschüsse kennzeichneten den nichtwirtschaftlichen Bereich des [X.]. Der Beschluss des [X.] ([X.]) vom 14. April 2008 XI B 171/07 ([X.]/NV 2008, 1215) stehe nicht entgegen, weil es dort um die Aufteilung von [X.] innerhalb des unternehmerischen Bereichs gegangen sei.

6

Im Laufe des Klageverfahrens, mit dem der Kläger im Hauptpunkt sein Begehren nach vollem Vorsteuerabzug [X.], reichte er hilfsweise eine eigene Berechnung der aufteilbaren Vorsteuerbeträge ein, wobei er im Nenner auf die Innenumsätze der GmbH an den Kläger (statt auf die Zuschüsse) abstellte.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, die hilfsweise eingereichte Schätzung des [X.] sei nicht sachgemäß. [X.] sei nur die vom [X.] gewählte Methode.

8

Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 12. Mai 2003 V B 211, 220/02, [X.]E 202, 88, [X.] 2003, 784) sei auf den Gesamtumsatz im [X.] abzustellen. Der Hinweis des [X.] darauf, dass der Leistungsbezug der [X.] bei der GmbH erfolgt sei, sei unbeachtlich.

9

Entgegen der Auffassung des [X.] seien die Zuschüsse in die Berechnung der abziehbaren Vorsteuer einzubeziehen.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sowohl aus § 15 Abs. 2 UStG als auch aus Art. 17 Abs. 2, Art. 19 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) könne geschlossen werden, dass nicht steuerbare "Entgelte" nicht zu einer Vorsteuerkürzung führen.

Außerdem trägt der Kläger vor, es komme für die Nichtsteuerbarkeit von [X.] nicht darauf an, ob der Organträger die von der Organgesellschaft bezogene Leistung für unternehmerische oder nichtunternehmerische Zwecke verwende; allenfalls erfolge die Besteuerung einer unentgeltlichen [X.]. Es sei deshalb zu fragen, ob keine andere wirtschaftliche Zuordnung der abziehbaren Vorsteuer möglich sei als durch einen Umsatzschlüssel unter Einbeziehung der nicht steuerbaren "Einnahmen".

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie die [X.] für die Jahre 2003 und 2004 vom 10. Juli 2006 dahin gehend zu ändern, dass Vorsteuerbeträge in Höhe von 11.588,75 € (für 2003) und 11.051,12 € (für 2004) berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist aus anderen Gründen als geltend gemacht begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Da der Kläger seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt hat, hat der Senat gemäß dem Grundsatz der Vollrevision (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 11. November 2004 V R 30/04, [X.], 560, [X.] 2005, 802, unter [X.]) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, [X.], 444, [X.] 1999, 316; vom 7. Mai 2014 [X.], [X.], 1736).

Danach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen nicht seine Annahme, der Kläger sei mit den Leistungen I nicht unternehmerisch tätig geworden (dazu 1.). Auch hat das [X.] keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Zuschüsse der [X.], des [X.] und des [X.] möglicherweise Entgelt von dritter Seite für Leistungen an die Teilnehmer oder die Begünstigten der Projekte sein könnten (dazu 2.).

1. Die konkludente Annahme des [X.], die Leistungen I, die durch Zuschüsse des [X.], des [X.] und der [X.] finanziert wurden, seien nicht steuerbar, wird von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.

a) Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 18. März 2004 V R 101/01, [X.], 342, [X.] 2004, 798; vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, [X.], 560, [X.], 326; s. auch Urteile des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 8. März 1988 [X.]/86, [X.]:C:1988:120, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --[X.]-- 1989, 452, Rz 11; [X.] vom 29. Februar 1996 [X.]/94, [X.]:[X.], [X.] 1996, 294; [X.] vom 18. Dezember 1997 [X.]/95, [X.]:[X.], [X.] 1998, 315).

aa) In Fällen, in denen ein anderer die Erfüllung der Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, ist für die Beantwortung der Frage, ob die Leistung des Unternehmers derart mit der Zahlung (Zuschuss) verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet, in erster Linie auf die Vereinbarungen des Leistenden mit dem Zahlenden (vgl. [X.]-Urteil vom 13. November 1997 V R 11/97, [X.], 137, [X.] 1998, 169, m.w.N.), den Bewilligungsbescheid (vgl. [X.]-Urteil vom 27. November 2008 V R 8/07, [X.], 520, [X.] 2009, 397, unter [X.]) oder die Vereinssatzung ([X.]-Urteil vom 29. Oktober 2008 XI R 59/07, [X.], 493, [X.], 324) abzustellen.

bb) Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor (vgl. [X.]-Urteile vom 21. April 2005 V R 11/03, [X.], 50, [X.] 2007, 63; vom 8. November 2007 V R 20/05, [X.], 403, [X.] 2009, 483). Zahlungen der öffentlichen Hand können auch dann Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 403, [X.] 2009, 483, m.w.N.; vom 29. Oktober 2008 XI R 76/07, [X.], 795; [X.] vom 28. Dezember 2010 XI B 109/09, [X.] 2011, 858; vom 14. November 2011 XI B 66/11, [X.] 2012, 460). In der Rechtsprechung des [X.] sind daneben vielfältige andere "Zuschüsse" als Entgelt für eine steuerbare Leistung angesehen worden (vgl. [X.]-Urteile vom 25. März 1993 V R 84/89, [X.] 1994, 59, Luftaufsicht; vom 18. Januar 1995 XI R 71/93, [X.]E 177, 154, [X.] 1995, 559, Rettungswache; in [X.], 137, [X.] 1998, 169, Tiefgarage; vom 20. Dezember 2001 V R 81/99, [X.]E 197, 352, [X.] 2003, 213, Abwasserbeseitigung; vom 11. April 2002 V R 65/00, [X.]E 198, 233, [X.] 2002, 782, unter II.3., Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft; in [X.], 342, [X.] 2004, 798, Blutspendetermine; in [X.], 50, [X.] 2007, 63, Betrieb einer Bahnstrecke; [X.]-Beschluss vom 21. September 2005 V B 160/04, [X.] 2006, 144, Konferenzzentrum; [X.]-Urteile vom 9. November 2006 V R 9/04, [X.]E 215, 372, [X.] 2007, 285, Erschließung; in [X.], 403, [X.] 2009, 483, Baumaßnahmen für Kommunen; vom 5. Dezember 2007 V R 63/05, [X.] 2008, 996, Abfallentsorgung; [X.]-Beschluss vom 19. Februar 2009 XI B 68/08, [X.], 975, Befreiung von hoheitlichen Aufgaben; [X.]-Urteile vom 18. Juni 2009 V R 4/08, [X.]E 226, 382, [X.] 2010, 310, Tierpark u.a.; vom 20. August 2009 V R 30/06, [X.]E 226, 465, [X.] 2010, 863, Entsorgung von Klärschlamm; vom 19. November 2009 V R 29/08, [X.] 2010, 701, Schwimmbad; vom 2. September 2010 V R 23/09, [X.] 2011, 458, Tierkörperbeseitigung; vom 19. Juni 2011 XI R 8/09, [X.]E 234, 455, [X.] 2011, 2184, Lieferung von Zeitungen gegen Zustellgebühr; in [X.], 560, [X.], 326, [X.]; vom 28. Mai 2013 XI R 32/11, [X.]E 243, 419, [X.] 2014, 411, Naturschutz; vom 29. Januar 2014 XI R 4/12, [X.]E 244, 131, [X.], 992, Betriebskantine).

cc) Keine Leistung gegen Entgelt liegt vor, wenn der "Zuschuss" lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll (z.B. [X.]-Urteile vom 26. Oktober 2000 V R 10/00, [X.]E 193, 165, [X.] 2001, 400; vom 18. Dezember 2008 V R 38/06, [X.]E 225, 155, [X.] 2009, 749).

dd) Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist ohne Bedeutung, ob der (gemeinnützige) Unternehmer damit auch einen seiner Satzungszwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 342, [X.] 2004, 798; vom 24. September 2014 V R 54/13, [X.] 2015, 364, Rz 31). Unerheblich ist auch, ob der Unternehmer ein Verein ist; auf die Rechtsform, in der Leistungen gegen Entgelt erbracht werden, kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. [X.] vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, [X.]E 244, 79, [X.] 2014, 417; vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, [X.]E 244, 94, [X.] 2014, 428). Ebenso nicht von Bedeutung ist die Bezeichnung der Zuwendung (vgl. [X.]-Beschluss vom 29. März 2007 V B 208/05, [X.] 2007, 1542, zur "Spende"). Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustausches ebenfalls unerheblich (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 234, 455, [X.] 2011, 2184, Rz 11). Nicht entscheidend ist im Fall der Aufgabenübernahme auch, ob es sich um eine Pflichtaufgabe oder eine freiwillige Aufgabe der betreffenden Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt (vgl. [X.]-Urteil vom 5. August 2010 V R 54/09, [X.]E 231, 289, [X.] 2011, 191; [X.]-Beschluss vom 6. Mai 2014 XI B 4/14, [X.], 1406).

b) Der [X.] hat in Anwendung dieser Grundsätze Leistungen einer als gemeinnützig anerkannten [X.], die durch Zuschüsse geförderte Projekte zur Arbeitsförderung durchgeführt hat, als steuerbar angesehen (vgl. [X.]-Beschluss vom 29. Juni 2007 V B 28/06, [X.] 2007, 1938; s. auch [X.]-Urteile vom 21. März 2007 V R 28/04, [X.]E 217, 59, [X.] 2010, 999, zu Fortbildungsmaßnahmen im Auftrag der [X.]; vom 23. Juli 2009 V R 93/07, [X.]E 226, 435, [X.], 2073, unter [X.], zu Leistungen an das [X.] gegen Aufwendungsersatz).

c) Die mögliche Steuerbarkeit der hier zu beurteilenden Leistungen des [X.] belegt das Handeln des Gesetzgebers: Zum 1. Januar 2015 wurde mit § 4 Nr. 15b UStG i.d.[X.] an den Beitritt [X.] zur [X.] und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ([X.], 1266) eine Steuerbefreiung für Eingliederungsleistungen nach dem [X.], Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem [X.] und vergleichbare Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden, geschaffen. Der Gesetzgeber führt dazu aus, diese Leistungen seien als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen" nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem umsatzsteuerfrei, auch wenn das Verhältnis zwischen dem Sozialleistungsträger und der leistungserbringenden Einrichtung im Einzelnen unterschiedlich ausgestaltet sei (BTDrucks 18/1529, S. 76 f.). Dies zeigt, dass auch der Gesetzgeber von der Steuerbarkeit solcher Leistungen ausgeht.

d) Soweit demgegenüber das [X.] ([X.]) Leistungen der Arbeitsförderung bisher ohne Angabe von Gründen in weitem Umfang als nicht steuerbar ansieht (s. bereits [X.][X.]chreiben vom 21. März 1983 IV A 2 [X.] 7200- 25/83, [X.] 1983, 262; in den Streitjahren Abschn. 150 Abs. 7 der [X.] 2000; jetzt: Abschn. 10.2 Abs. 7 des [X.]), handelt es sich um norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die Gerichte nicht binden (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 243, 419, [X.] 2014, 411; vom 3. Juli 2014 V R 1/14, [X.]E 246, 562, [X.], 2014).

e) Ob angesichts dieser Grundsätze die übereinstimmende Annahme der Beteiligten, die Leistungen I seien nicht steuerbar, zutreffend ist, kann nicht beurteilt werden. Das [X.] hat nämlich keine Feststellungen zu dem konkreten Inhalt der Projekte des [X.], zu den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen mit den Zahlenden ([X.], Land und Landkreis), den (vom [X.] nicht festgestellten) Begünstigten (eventuell z.B. Kommunen, Vereine oder Landwirte) und den Teilnehmern (z.B. Langzeitarbeitslose) sowie zu den Grundlagen für die "Zuschüsse" getroffen. Kann anhand der Feststellungen des [X.] nicht nachgeprüft werden, ob das [X.] zu Recht zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist, liegt ein materieller Fehler vor, der ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (vgl. [X.]-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 12/98, [X.] 2001, 899, unter II.3.; vom 6. Oktober 2004 VI R 107/01, juris; Lange in [X.]/[X.]/ [X.], § 118 [X.]O Rz 100 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des [X.]).

2. Auch ist das [X.] nicht der Frage nachgegangen, ob die Zuschüsse des [X.], des [X.] und der [X.] Entgelt von dritter Seite für steuerbare Umsätze des [X.] an die Begünstigten oder die Teilnehmer der Projekte sein könnten.

a) Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehört "zum Entgelt auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt". Diese Vorschrift setzt Art. 11 Teil A Buchst. a Abs. 1 der [X.]/[X.] um, wonach zur Besteuerungsgrundlage alles zählt, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, "einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen" (vgl. dazu auch [X.] des produits [X.] vom 22. November 2001 [X.]/00, [X.]:[X.], [X.] 2002, 177; Kommission/[X.] vom 15. Juli 2004 [X.]/02, [X.]:[X.], Rz 34).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 9. Oktober 2003 V R 51/02, [X.]E 203, 515, [X.] 2004, 322, Leitsatz; vom 26. September 2012 V R 22/11, [X.]E 239, 369, [X.], 486, Rz 14; vom 20. März 2014 V R 4/13, [X.]E 245, 397, [X.], 1470) gehören Zahlungen der öffentlichen Hand an einen Unternehmer, der Leistungen an Dritte erbringt --unabhängig von der Bezeichnung als "Zuschuss"--, gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG zum Entgelt für diese Umsätze, wenn
- der Zuschuss dem Leistungsempfänger zugutekommt,
- der Zuschuss gerade für die Erbringung einer bestimmten Leistung gezahlt wird und
- mit der Verpflichtung der den Zuschuss gewährenden Stelle zur Zuschusszahlung das Recht des Zahlungsempfängers (Unternehmers) auf Auszahlung des Zuschusses einhergeht, wenn er einen steuerbaren Umsatz bewirkt hat.

c) Im [X.]-Urteil vom 6. Oktober 1988 V R 101/85 ([X.] 1989, 327) hat der [X.] angenommen, dass Zahlungen der Träger der Sozialhilfe an eine gemeinnützige Einrichtung Entgelt für eine Leistung der Einrichtung an die Nutzer der Einrichtung sind. Im [X.]-Urteil vom 27. Juni 1996 V R 35/95 ([X.] 1997, 155) hat der [X.] dies für Zahlungen an einen Verein als Betriebshelfereinrichtung bejaht.

d) Ob gemessen daran die Zuschüsse des [X.], des [X.] und der [X.] Entgelt von dritter Seite für eine steuerbare Leistung des [X.] an die Teilnehmer oder ggf. an die Begünstigten der Projekte sein könnten, was das [X.] konkludent verneint hat, kann ebenfalls nicht beurteilt werden; denn das Urteil des [X.] enthält dazu keine ausreichenden Feststellungen.

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Das [X.] wird die zur Beurteilung der genannten Vorfragen notwendigen tatsächlichen Feststellungen nachholen und die bestehenden Rechtsverhältnisse würdigen müssen.

b) Sollten die Leistungen des [X.] steuerbar sein, wird das [X.] der Frage nachgehen müssen, ob die Umsätze nach nationalem Recht (z.B. § 4 Nr. 21 oder 22 UStG) oder --sollte sich der Kläger darauf berufen-- ggf. nach Unionsrecht (z.B. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g oder i der [X.]/[X.]) steuerfrei sind. Der als gemeinnützig anerkannte Kläger, dem die Kosten von Sozialleistungsträgern erstattet worden sind, könnte eine anerkannte Einrichtung sein (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 217, 59, [X.] 2010, 999, Rz 34).

c) Käme es danach für den Erfolg oder Misserfolg der Klage noch auf die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage an, weist der Senat auf das [X.]-Urteil vom 24. September 2014 V R 54/13 ([X.] 2015, 364, unter [X.]) hin: Zu dem bei einer Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG im Rahmen einer Schätzung maßgeblichen "Gesamtumsatz" gehören auch Zuschüsse, weil sie den Umfang der nicht steuerbaren Tätigkeit des Unternehmers widerspiegeln. Die konkrete Würdigung, ob ein dazu vorrangiger, direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen besteht, obliegt dem [X.] (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2015, 364, Rz 30).

Aus dem [X.]-Beschluss in [X.] 2008, 1215, unter 2., Rz 3, 4 und 7 folgt insoweit nichts anderes; denn der Senat hat es in Rz 7 als nicht hinreichend dargelegt angesehen, aus welchen Rechtsgründen bei der gebotenen schätzungsweisen Aufteilung der Vorsteuern von der öffentlichen Hand gezahlte, echte Zuschüsse unberücksichtigt bleiben sollten, d.h. die Vorsteuern ausschließlich dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen wären.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 10/14

22.04.2015

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 30. April 2013, Az: 2 K 2191/08, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 1999, § 10 Abs 1 S 3 UStG 1999, § 15 Abs 4 UStG 1999, Abschn 150 Abs 7 UStR 2000, Abschn 10.2 Abs 7 UStAE

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.04.2015, Az. XI R 10/14 (REWIS RS 2015, 12257)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12257

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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