Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2015, Az. XI R 27/13

11. Senat | REWIS RS 2015, 5382

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Gegenstand

Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung - Vorsteueraufteilung - Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG - Bindungswirkung norminterpretierender Verwaltungsvorschriften


Leitsatz

1. NV: Führt eine gemeinnützige GmbH Qualifizierungs-, Ausbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Arbeitslose, Jugendliche und gesellschaftlich benachteiligte Menschen durch, die durch Zahlungen einer Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung (ARGE) finanziert werden, handelt es sich um umsatzsteuerbare Leistungen, wenn die Leistung der GmbH derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung der Zahlung richtet .

2. NV: Übt ein Unternehmer wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten aus, sind im Rahmen der Vorsteueraufteilung auf Basis eines Umsatzschlüssels im Nenner auch die Zuschüsse für die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten zu berücksichtigen .

3. NV: Die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG ist nur möglich, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter des erkennenden Senats des FG bestehen .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 24. April 2013  3 K 734/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 2005 gegründete und in das Handelsregister eingetragene GmbH. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der Volks- und Berufsausbildung und Jugendhilfe, insbesondere der freien Wohlfahrtspflege, durch Eingliederung von [[[X.].].], Jugendlichen und gesellschaftlich benachteiligten Menschen in die Arbeit und Gestaltung der Freizeit für Jugendliche sowie Anregungen von Freizeit- und Erholungsaktivitäten im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahmen für Erwachsene (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Diesen Zweck verwirklicht die Klägerin durch Qualifizierungs-, Ausbildungs-, Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Arbeitslose, Jugendliche und gesellschaftlich benachteiligte Menschen und durch Schaffung von Arbeitsplätzen (§ 2 Abs. 3 der Satzung). Nach § 4 Abs. 2 der Satzung liegt das Schwergewicht der Tätigkeit der Gesellschaft in der beruflichen Qualifizierung und insbesondere in der [[[X.].].] Betreuung sowie der Integration in das Arbeitsleben.

2

[[[X.].].] (Streitjahr) betrieb die Klägerin im Wesentlichen die Rückgewinnung von Rohstoffen aus Elektrogeräten (im Folgenden: [[[X.].].]); dabei wurden bei der Zerlegung der Geräte ausschließlich sog. Langzeitarbeitslose und sonst schwer vermittelbare, ungelernte Personen zur Verwirklichung der vorgenannten satzungsmäßigen Ziele eingesetzt.

3

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr ging die Klägerin davon aus, sie verfüge über einen unternehmerischen und einen nichtunternehmerischen Bereich; sie berechnete eine negative Umsatzsteuer und machte dabei abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 86.270,83 € geltend.

4

Nach Durchführung einer [[[X.].].] für die Jahre 2005 und 2006 nahm auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[[[X.].].]--) an, die Klägerin verfüge über einen nichtunternehmerischen Bereich und vertrat ferner die Auffassung, die Klägerin habe von der [[[X.].].] ([[[X.].].]) "echte" Zuschüsse für eine nicht steuerbare, nichtunternehmerische Tätigkeit erhalten.

5

Das [[[X.].].] erkannte im [[[X.].].] für das [[[X.].].] vom 7. Mai 2008 Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 30.744,41 € als abziehbar an. Es ließ die auf die Anschaffung von Investitionsgütern entfallende Umsatzsteuer voll zum Vorsteuerabzug zu und setzte eine unentgeltliche Wertabgabe (zum ermäßigten Steuersatz) für die nichtunternehmerische Verwendung der Investitionsgüter (Anlagevermögen) an. Die auf die übrigen vorsteuerbelasteten [[[X.].].] entfallende Vorsteuer sah das [[[X.].].] nur zu 13 % als abziehbar an. In die Berechnung dieses Prozentsatzes bezog es die Zahlungen der [[[X.].].] im Nenner mit ein. Der Einspruch blieb erfolglos.

6

Mit der Klage brachte die Klägerin u.a. vor, sie verfolge gemeinnützige Zwecke und unterhalte dazu einen Zweckbetrieb "[[[X.].].]", der ihr Unternehmen darstelle. Daneben bestehe ein abgegrenzter, ideeller, nichtunternehmerischer Bereich. Sie habe eine exakte sachliche Aufgliederung der gesamten Vorsteuerbeträge im Verlauf der [[[X.].].] vorgenommen. Dieser Zuordnung sei das [[[X.].].] aber nur zum Teil gefolgt.

7

Nachdem eine in einem Erörterungstermin am 24. Oktober 2012 von den Beteiligten in Aussicht gestellte Einigung für das [[[X.].].] nicht zustande gekommen war, legitimierte sich im Februar 2013 der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als [[[X.].].] und der damalige Prozessbevollmächtigte beantragte Fristverlängerung bis Mai 2013. Der Vorsitzende des zuständigen Senats des Finanzgerichts ([X.]), [[X.].], lud daraufhin die bereits seit Februar 2010 anhängige Sache zur mündlichen Verhandlung am 13. März 2013 und lehnte die beantragte Fristverlängerung ab.

8

Den daraufhin gestellten Befangenheitsantrag der Klägerin gegen [[X.].] lehnte das [X.] durch Beschluss vom 24. April 2013 ab.

9

Das [X.] wies die Klage durch Urteil vom selben Tag ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1532 veröffentlicht. Auch das [X.] ging davon aus, die Klägerin verfüge über einen wirtschaftlichen (unternehmerischen) und einen nichtwirtschaftlichen (nichtunternehmerischen) Bereich; dies sei "zwischen den Beteiligten unstreitig". Wirtschaftlicher Bereich sei der Zweckbetrieb "[[[X.].].]". Der nichtwirtschaftliche Bereich der Klägerin bestehe in der Wiedereingliederung von schwer vermittelbaren Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt. Wirtschaftliche, aber von der Mehrwertsteuer befreite (steuerfreie) Tätigkeiten, übe die Klägerin dagegen nicht aus. Weiter gehe das [X.] davon aus, dass es sich bei den der Klägerin im Streitjahr gewährten Zuschüssen der [[[X.].].] um echte, nicht steuerbare Zuschüsse für eine Maßnahme nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des [X.] handele. Zur Begründung dieser Annahme führte das [X.] an, von dieser Sichtweise gingen "auch die Beteiligten übereinstimmend aus".

Gemessen am Inhalt der Satzung und der Intensität der im Streitjahr tatsächlich verwirklichten Gesamttätigkeit sei Hauptzweck der Tätigkeit der Klägerin der nichtunternehmerische Bereich, dem eine etwaige unternehmerische Tätigkeit als Zweckbetrieb dienend unterzuordnen sei; er könne deshalb auch nicht als "unternehmensfremd" betrachtet werden. Zutreffend sei zwar der Ansatz der Klägerin, dass sie einen wirtschaftlichen und einen nichtwirtschaftlichen Bereich unterhalte. Diese Bereiche seien allerdings innerhalb eines einheitlichen Steuersubjekts und Unternehmens mit dem genannten Hauptzweck betrieben worden; denn der Betrieb des "[[[X.].].]s" (wozu im weiteren Sinn auch der Verkauf reparierter Geräte zu rechnen sei) sei das zentrale Instrument der Klägerin zur Verwirklichung ihres gemeinnützigen Zwecks, der Wiedereingliederung von schwer vermittelbaren Arbeitnehmern in den sog. ersten Arbeitsmarkt. Insoweit dienten auch alle Maschinen und Werkzeuge sowie alle anderen [[[X.].].] in erster Linie dem (nichtwirtschaftlichen) Hauptzweck.

Da die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung der abziehbaren Vorsteuerbeträge nicht sachgerecht (§ 15 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- analog) sei, habe das Gericht sie zu schätzen. Dabei sei auf das Verhältnis der im Streitjahr erhaltenen Zuschüsse zu den Entgelten der ausgeführten Umsätze abzustellen, weil sowohl die Klägerin als auch ihre Zuschussgeber davon ausgingen, dass die Klägerin zur Verwirklichung ihrer gemeinnützigen Zwecke in Höhe der staatlichen Zuwendungen nicht kostendeckend tätig sein könne. Daraus errechne sich eine Quote von (aufgerundet) 11 % (8.979,40 €) für den unternehmerischen Teil der "Umsätze". Da das [X.] die Rechtsposition der Klägerin nicht verschlechtern dürfe (Verböserungsverbot), verbleibe es bei der vom [[[X.].].] zum Abzug zugelassenen Vorsteuer.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin als Revisionsgründe Verfahrensfehler (vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts wegen unzutreffender Ablehnung des [X.]) sowie die Verletzung materiellen Rechts (§ 15 UStG) geltend. Es könne kein vorsteuerbelasteter Eingangsumsatz hinweggedacht werden, ohne dass die steuerpflichtigen Ausgangsumsätze vermindert oder beeinträchtigt würden. Die Vorsteuerbeträge seien nach Art und Struktur für ihr Recyclingunternehmen betriebstypisch. Die Vorsteuer sei daher voll abziehbar und nicht der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin zuzurechnen. Es liege eine reine Anschubfinanzierung vor. Ein permanenter [X.] sei auch nicht unlogisch oder systemwidrig. [X.] habe vom Wahlrecht, Subventionen in die Berechnung des [X.] einzubeziehen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin bringt unter Hinweis auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. k, l und m der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem weiter vor, ideelle Tätigkeiten seien für die Frage der Steuerbarkeit irrelevant; nicht jede ideelle Tätigkeit sei der nichtwirtschaftlichen Sphäre zuzurechnen.

Außerdem macht die Klägerin geltend, ihr sei wegen des Schreibens des [X.] ([X.]) vom 21. März 1983 IV A 2 -S 7200- 25/83 (BStBl I 1983, 262) sowie Abschn. 150 Abs. 7 der [X.] ([X.]) 2005 Vertrauensschutz zu gewähren.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2010 aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid vom 7. Mai 2008 dahingehend zu ändern, dass die unentgeltlichen [X.] um 34.051,52 € vermindert werden und Vorsteuer in Höhe von 74.509,85 € zum Abzug zugelassen wird, hilfsweise, den Rechtsstreit an einen anderen Senat des [X.] zurückzuverweisen, weiter hilfsweise, den Gerichtshof der [X.] ([X.]) um Vorabentscheidung der Frage zu ersuchen, ob Vorsteuern auf [[[X.].].], die für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze unverzichtbar sind, nur deshalb nicht abziehbar sind, weil die Wertschöpfungskette aus Gründen des Ausbildungskonzepts eines Qualifizierungsbetriebs ineffizient ist.

Das [[[X.].].] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Es trägt unter Hinweis auf eine Vereinbarung der Klägerin mit der [[[X.].].] vom November 2005 vor, die Zuschüsse seien keine reine Anschubfinanzierung. Das [[[X.].].] sehe nicht den permanenten [X.] als schädlich an, sondern den fehlenden Zusammenhang der [[[X.].].] mit besteuerten [X.]. Jedenfalls habe das [X.] keine ausreichenden Feststellungen zur Steuerbarkeit der Umsätze getroffen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Da die Klägerin ihre Revision auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt hat, hat der Senat gemäß dem Grundsatz der Vollrevision (vgl. z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 11. November 2004 V R 30/04, [X.], 560, [X.] 2005, 802, unter [X.]) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, [X.], 444, [X.] 1999, 316; vom 7. Mai 2014 [X.], [X.], 1736).

Danach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] tragen nicht seine Annahme, dass die Klägerin mit der Durchführung von "Qualifizierungs-, Ausbildungs-, [X.] und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen" nicht unternehmerisch tätig geworden sei (dazu 1.). Auch hat das [X.] keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, um beurteilen zu können, ob die Zuschüsse der [X.] möglicherweise Entgelt von Dritter Seite für Leistungen an die Teilnehmer der von ihr durchgeführten Maßnahmen oder an die Empfänger der Entsorgungsdienstleistungen sein könnten (dazu 2.), so dass der Rechtsstreit zur Nachholung der fehlenden Feststellungen an das [X.] zurückverwiesen werden muss. Ob der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

1. Die Annahme des [X.], die Leistungen der Klägerin an die [X.] seien nicht steuerbar, wird von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht getragen.

a) Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 18. März 2004 V R 101/01, [X.], 342, [X.] 2004, 798; vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, [X.], 560, [X.], 326; s. auch [X.] vom 8. März 1988 [X.]/86, [X.]:C:1988:120, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --[X.]-- 1989, 452, Rz 11; [X.] vom 29. Februar 1996 [X.]/94, [X.]:[X.], [X.] 1996, 294; [X.] vom 18. Dezember 1997 [X.]/95, [X.]:[X.], [X.] 1998, 315).

b) Welche Grundsätze insoweit für Leistungen im Bereich der [X.], insbesondere für Beschäftigungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose u.ä. gelten, hat der Senat in seinem Urteil vom 22. April 2015 XI R 10/14 ([X.], 268, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2015, 1914, Rz 19 bis 25) ausführlich dargelegt. Darauf nimmt er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

c) Ob angesichts dieser Grundsätze die Leistungen der Klägerin an die [X.] steuerbar sind, kann mangels Feststellungen des [X.] vom Senat nicht beurteilt werden. Das [X.] hat nämlich das zwischen der Klägerin und der [X.] bestehende Rechtsverhältnis nicht festgestellt. Auch hat das [X.] keine weiteren Feststellungen z.B. zu Geschäftsgegenstand und Tätigkeit der [X.], einer (privatrechtlichen) GmbH, getroffen. Kann anhand der Feststellungen des [X.] nicht nachgeprüft werden, ob das [X.] zu Recht zu einem bestimmten Ergebnis gelangt ist, liegt ein materieller Fehler vor, der ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (vgl. [X.]-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 12/98, [X.] 2001, 899, unter II.3.; vom 6. Oktober 2004 VI R 107/01, juris; Lange in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 118 [X.]O Rz 100 ff., m.w.N. aus der ständigen Rechtsprechung des [X.]).

aa) Das [X.] hat auf Seite 9 seines Urteils ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen nichtunternehmerischen Bereich. Dies sei "unstreitig". Der nichtwirtschaftliche Bereich bestehe in der Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke laut Satzung. Wirtschaftliche, aber steuerfreie Tätigkeiten habe die Klägerin nicht ausgeübt.

bb) Diese Annahmen werden jedoch von den tatsächlichen Feststellungen des [X.] nicht getragen (vgl. auch [X.] vom 7. September 2011 V B 54/11, [X.] 2011, 2091). Allein der Hinweis, dies sei "unstreitig", lässt keine Subsumtion des Sachverhalts des Streitfalls unter die unter [X.]a und b genannten Grundsätze zu, zumal die Feststellung des Vorliegens eines nichtunternehmerischen Bereichs juristische Wertungen verlangt und überdies das Revisionsvorbringen der Beteiligten zeigt, dass in der Beurteilung der --vom [X.] nicht festgestellten-- Vereinbarungen der Klägerin mit der [X.] durchaus Differenzen bestehen. Zudem hat die Klägerin in anderem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass auch gemeinnützige, aus ideellen Zwecken verfolgte Tätigkeiten wirtschaftlich sein können, wie u.a. die Existenz des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der im Streitjahr noch anwendbaren [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/[X.]) zeigt. Deshalb kann nicht aus der vom [X.] festgestellten Satzung geschlossen werden, die Tätigkeit sei nichtwirtschaftlich. Vielmehr hätte das [X.] zunächst den Inhalt der Verträge der Klägerin mit der [X.], nach den Ausführungen des [X.] wohl u.a. vom November 2005 --auf die das [X.] nicht Bezug genommen hat-- feststellen müssen. Sollte(n) diese(r), was aus Sicht des Senats nahe liegt, als synallagmatisch anzusehen sein, liegt grundsätzlich ein steuerbarer Leistungsaustausch vor, obwohl die Klägerin eine gemeinnützige GmbH ist.

cc) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist im Streitfall nicht "geklärt" --und im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] sowie im [X.]-Urteil auf Seite 16 unter 2. "ausreichend [X.], dass es sich um eine "Fehlbedarfsfinanzierung" und "Anschubfinanzierung" handelt. Die entsprechende Passage im [X.]-Urteil enthält (lediglich) die Begründung, warum das [X.] die von der Klägerin angebotenen Beweise nicht erhoben hat, aber --auch unter Berücksichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem [X.]-- keine den [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden tatsächlichen Feststellungen. Diese bezögen sich zudem nicht auf den konkreten Inhalt der oder des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse(s).

d) Soweit die Klägerin ferner geltend gemacht hat, ihr sei Vertrauensschutz zu gewähren, greift dieser Einwand nicht durch.

aa) Weder das BMF-Schreiben in [X.], 262 noch Abschn. 150 Abs. 7 UStR 2005 beziehen sich ausdrücklich auf Leistungen einer [X.] der vorliegenden Art.

bb) [X.] Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, haben überdies keine Rechtsnormqualität (z.B. [X.] vom 11. Mai 2007 IV B 28/06, juris, unter 1., Rz 4 f.; [X.]-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, [X.]E 232, 261, [X.] 2012, 61, Rz 68). Sie stehen konkludent unter dem Vorbehalt einer davon abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung ([X.]-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 48/01, [X.]E 203, 531, [X.] 2004, 196, unter [X.], Rz 40); darüber, ob die Auslegung einer Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall Bestand hat, entscheidet das Gericht ([X.]-Urteil vom 22. Juni 2006 IV R 31-32/05, [X.]E 214, 239, [X.] 2007, 687, unter [X.]), Rz 26). [X.] Verwaltungsvorschriften können deshalb im Allgemeinen weder eine einer Rechtsverordnung vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen (vgl. [X.]-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, [X.]E 178, 4, [X.] 1995, 754; vom 10. November 2011 V R 34/10, [X.] 2012, 803, Rz 21; [X.] vom 3. April 2013 V B 125/12, [X.]E 240, 447, [X.] 2013, 973, Rz 21; [X.]-Urteil vom 22. August 2013 V R 30/12, [X.]E 243, 35, [X.] 2014, 133, Rz 23; vom 26. Juni 2014 IV R 10/11, [X.]E 246, 76, [X.] 2015, 300, Rz 24).

cc) Der Einwand der Klägerin, nach der Rechtsprechung des [X.] sei Vertrauensschutz zu gewähren, wenn Handlungen oder Zusicherungen einer Verwaltungsbehörde in der Vorstellung eines umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers vernünftige Erwartungen begründet haben und diese Erwartungen berechtigt sind (vgl. dazu [X.]-Urteile Elmeka vom 14. September 2006 [X.]/04 bis [X.]/04, [X.]:C:2006:563, [X.] Beilage 2007, 61, Rz 32; [X.] vom 9. Juli 2015 C-144/14, [X.]:C:2015:452, [X.], 601, Rz 43 ff.; Salomie und [X.] vom 9. Juli 2015 [X.]/14, [X.]:[X.], [X.], 594, Rz 44 ff.), greift ebenfalls nicht durch. Eine ausdrückliche Zusage des [X.] hat die Klägerin nicht erhalten und sich auch nicht um eine solche bemüht (vgl. dazu [X.]-Urteil Salomie und [X.], [X.]:[X.], [X.], 594, Rz 49). Überdies wäre, was das [X.] noch festzustellen haben wird, bei Vorliegen eines Leistungsaustauschs die Erwartung der Klägerin, ihre Leistung werde nicht besteuert, nicht berechtigt.

2. Auch ist das [X.] nicht hinreichend der Frage nachgegangen, ob bei anderer Sichtweise die Zuschüsse der [X.] Entgelt von dritter Seite für steuerbare Umsätze der Klägerin an die Begünstigten oder die Teilnehmer der Maßnahmen sein könnten.

a) Der Senat hat die dafür maßgeblichen Grundsätze in seinem Urteil in [X.], 268, DStR 2015, 1914, Rz 28 bis 30 ausführlich dargestellt. Auch darauf nimmt er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

b) Ob nach diesen Grundsätzen die "Zuschüsse" der [X.] Entgelt von dritter Seite für eine steuerbare Leistung der Klägerin an die Teilnehmer oder an die Empfänger der steuerpflichtigen Leistungen sein könnten, kann ebenfalls nicht beurteilt werden; denn das Urteil des [X.] enthält (auch) dazu keine ausreichenden Feststellungen. Zu dieser Frage hat das [X.] auf Seite 10 des Urteils lediglich ausgeführt, es gehe "weiter davon aus, dass es sich bei den ... Zuschüssen der [X.] um echte, nicht steuerbare Zuschüsse" handele, und darauf hingewiesen, davon gingen auch die Beteiligten übereinstimmend aus. Dies genügt --insbesondere angesichts der partiellen Nichtanwendung der Grundsätze der Rechtsprechung durch die [X.] aus den unter [X.]c genannten Gründen ebenfalls nicht.

3. Die Sache geht mangels Spruchreife zur Nachholung weiterer Feststellungen an das [X.] zurück.

a) Das [X.] wird die zur Beurteilung der genannten Vorfragen notwendigen Feststellungen nachholen und die bestehenden Rechtsverhältnisse würdigen müssen.

b) Sollten die Leistungen der Klägerin steuerbar sein, wird das [X.] der Frage nachgehen müssen, ob die Umsätze nach nationalem Recht (z.B. § 4 Nr. 21 oder 22 UStG) oder --sollte sich die Klägerin darauf berufen-- ggf. nach Unionsrecht (z.B. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g oder i der Richtlinie 77/388/[X.]) steuerfrei sind. Die als gemeinnützig anerkannte Klägerin, der Leistungen von einem Träger der Grundsicherung vergütet worden sind, könnte eine anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung sein (vgl. [X.]-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, [X.]E 217, 59, [X.] 2010, 999, Rz 34).

c) Käme es danach für den Erfolg oder Misserfolg der Klage überhaupt noch auf die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage an, weist der Senat auf das [X.]-Urteil vom 24. September 2014 V R 54/13 ([X.] 2015, 364, Rz 35 ff.) hin: Zu dem bei einer Vorsteueraufteilung analog § 15 Abs. 4 UStG im Rahmen einer Schätzung maßgeblichen "Gesamtumsatz" gehören auch Zuschüsse, weil sie den Umfang der nicht steuerbaren Tätigkeit des Unternehmers widerspiegeln.

aa) Aus dem [X.] vom 14. April 2008 XI B 171/07 ([X.] 2008, 1215, unter 2., Rz 3, 4 und 7) folgt nichts anderes; denn der Senat hat es dort in Rz 7 als nicht hinreichend dargelegt angesehen, aus welchen Rechtsgründen bei der gebotenen schätzungsweisen Aufteilung der Vorsteuern von der öffentlichen Hand gezahlte, echte Zuschüsse unberücksichtigt bleiben sollten, d.h. die Vorsteuern ausschließlich dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen wären.

bb) Der Einwand der Klägerin, diese Sichtweise widerspreche Rz 28 des [X.]-Urteils [X.] vom 16. Juli 2015 C-108/14 und [X.]/14 [X.]:[X.], [X.], 1673) und den Schlussanträgen der Generalanwältin [X.] in der Rechtssache [X.] vom 22. April 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]), führt zu keiner anderen Beurteilung.

(1) Denn Rz 28 des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:[X.], [X.], 1673), trifft lediglich eine Aussage zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft. Die Klägerin macht jedoch selbst geltend, sie übe auch eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit aus.

(2) Die Generalanwältin [X.] geht in Rz 52 ihrer Schlussanträge in der Rechtssache [X.] vom 22. April 2015 [X.]/14 ([X.]:[X.]) davon aus, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang der Eingangsumsätze mit der Erbringung besteuerter Umsätze u.a. dann unterbrochen ist, wenn die primäre Verwendung des Leistungsbezugs eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit darstellt, weil nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteile [X.] vom 13. März 2008 [X.]/06, [X.]:C:2008:166, [X.] 2008, 727, Rz 30; [X.] vom 12. Februar 2009 [X.]/07, [X.]:C:2009:88, DStR 2009, 369, Rz 37) kein Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich der Aufwendungen eines Steuerpflichtigen besteht, soweit sie mit der Ausübung nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten zusammenhängen. Von der primären Verwendung der Leistungsbezüge für die nichtwirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin ist das [X.] auf Seite 10 f. seines Urteils ausgegangen. Die konkrete Würdigung, ob ein vorrangiger, direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen besteht, obliegt dem [X.] (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2015, 364, Rz 30).

Überdies vermag --anders als die Klägerin meint-- auch nach Auffassung der Generalanwältin [X.] ein bloßer Kausalzusammenhang keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang im Sinne der genannten Rechtsprechung des [X.] zu begründen (vgl. auch [X.]-Urteil [X.] vom 21. Februar 2013 [X.], [X.]:[X.], [X.], 411, Rz 31).

d) Für die beantragte Zurückverweisung an einen anderen Senat des [X.] besteht kein Anlass.

aa) Die Zurückverweisung an einen anderen Senat des [X.] ist nur möglich, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit [X.] des erkennenden Senats des [X.] bestehen (vgl. [X.]-Urteil vom 14. Februar 2008 V R 12-13/06, [X.] 2008, 1365; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 126 [X.]O Rz 41, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 15). Da eine solche Maßnahme das Recht beider Beteiligter auf [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes, § 119 Nr. 1 [X.]O) berührt, müssen hierfür besondere sachliche Gründe vorliegen (vgl. [X.]-Urteil vom 4. September 2002 XI R 67/00, [X.]E 200, 1, [X.] 2003, 142, [X.] in [X.], § 126 [X.]O Rz 53, m.w.N.).

bb) Der Vortrag der Klägerin hierzu und der Verfahrensablauf im ersten Rechtszug rechtfertigen eine solche Maßnahme nicht.

Da sich die Frage einer Zurückverweisung generell nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des [X.] nicht allein mit der [X.] oder verfahrensrechtlichen Unrichtigkeit des Urteils begründet werden (vgl. [X.] vom 2. Dezember 2013 III B 157/12, [X.], 545). Sachliche Meinungsverschiedenheiten in Fragen der richterlichen Prozessführung reichen für eine Besorgnis der Befangenheit nicht aus (vgl. [X.] vom 22. Februar 2001 VIII B 103/00, [X.] 2001, 1126). Die Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des [X.] zeigt sich schon daran, dass er die Revision selbst zugelassen und damit sein Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung des [X.] gestellt hat (vgl. [X.]-Urteil vom 19. Oktober 2011 [X.], [X.]E 235, 304, [X.] 2012, 345).

4. Der von der Klägerin beantragten [X.]-Vorlage bedarf es nicht, weil die von ihr aufgeworfene Frage mangels tatsächlicher Feststellungen hypothetisch ist (vgl. dazu [X.]-Urteil [X.] u.a. vom 18. Dezember 2014 [X.]/13 u.a., [X.]:C:2014:2455, [X.] 2015, 200, Rz 31, 36 und 39). Überdies obliegt die Beurteilung, ob im Einzelfall ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen besteht, den nationalen Gerichten (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 XI R 17/11, [X.]E 244, 79, [X.] 2014, 417, Rz 37; vom 11. Dezember 2013 XI R 38/12, [X.]E 244, 94, [X.] 2014, 428).

5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 27/13

16.09.2015

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 24. April 2013, Az: 3 K 734/10, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 10 Abs 1 S 3 UStG 2005, § 15 Abs 4 UStG 2005, Art 17 Abs 5 EWGRL 388/77, § 155 FGO, § 563 Abs 1 S 2 ZPO, UStG VZ 2006, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 119 Nr 1 FGO, § 42 ZPO, § 51 Abs 1 S 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2015, Az. XI R 27/13 (REWIS RS 2015, 5382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5382

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