Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. II ZR 349/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16518

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
[X.]
349/13
Verkündet am:

27. Januar 2015

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27.
Januar 2015
durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann
und die Richterin [X.] sowie die Richter [X.], [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 11.
Zivilsenats des [X.] vom 27.
September 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger zeichnete am 3. März 2004 eine Beteiligung an der Beklagten als atypisch stiller [X.]er nach dem [X.] in Höhe von

Mit seiner Klage hat der Kläger im Wege des Schadensersatzes Rück-abwicklung seiner Beteiligung mit der Begründung verlangt, er sei bei seinem Beitritt nicht hinreichend aufgeklärt worden, weil der Emissionsprospekt der Be-1
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klagten erhebliche Fehler aufweise und bei der Beratung durch den Vermittler die Anlage als zur Altersvorsorge geeignete und sichere Kapitalanlage empfoh-len worden sei. Hilfsweise hat er nach der Erklärung des Widerrufs der [X.] die Berechnung und Zahlung seines Auseinandersetzungsguthabens aus der stillen [X.]sbeteiligung begehrt.
Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das die [X.] abweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision des [X.] ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Klage sei mit den Hauptanträgen schon deshalb unbegründet, weil dem Kläger ein Anspruch auf Rückabwicklung der atypisch stillen Beteiligung unabhängig von der Frage des Vorliegens von Prospektfehlern grundsätzlich nicht zustehe. Bei der Beklagten handele es sich um eine mehrgliedrige aty-pisch stille [X.], auf die die Grundsätze der fehlerhaften [X.] wie bei einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Folge anzuwenden seien, dass der einzelne [X.]er gegen die [X.] grundsätzlich nur einen etwaigen Abfindungsanspruch geltend machen könne.

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Der Kläger könne sein Rückabwicklungsbegehren auch nicht mit Erfolg auf den Widerruf der Beteiligung stützen. Unabhängig
von der Frage, ob über-haupt ein Widerrufsrecht bestanden habe und es rechtzeitig ausgeübt worden sei, führe auch der Widerruf nur zu einer Beendigung der Beteiligung ex nunc. Im Übrigen liege auch kein wirksam erklärter Widerruf vor, weil die Widerrufsbe-lehrung nicht zu beanstanden sei. Selbst wenn dem Kläger ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt worden sein sollte, hätte er dieses nicht rechtzeitig ausgeübt.
Die hilfsweise erhobene Stufenklage sei daher ebenfalls unbegründet, weil dem Kläger zumindest im Zeitpunkt des von ihm erklärten Widerrufs ein Widerrufsrecht nicht mehr zugestanden habe. Eine Umdeutung der [X.] in eine Kündigung aus wichtigem Grund komme nicht in Betracht. Die Widerrufserklärung sei ausschließlich darauf gestützt worden, dass dem Kläger aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung ein Wi-derrufsrecht zugestanden habe. Ein sachlicher Zusammenhang dieser [X.] mit einem Kündigungsrecht des [X.] aus wichtigem Grund unter dem gänzlich abweichenden rechtlichen Gesichtspunkt etwaiger Willens-mängel seiner [X.] sei nicht erkennbar.
I[X.] Die Revision des [X.] ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges [X.]sverhältnis zustande gekommen ist, son-dern der Kläger einer mehrgliedrigen stillen [X.] in Form einer Publi-kumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall et-waiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte [X.] Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat für die vorliegende Beteiligungsgestaltung bereits entschieden hat (vgl. 7
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[X.], Urteil vom 16. Dezember 2014 -
[X.] 376/13 Rn. 11 f. unter [X.] auf [X.], Urteil vom 19. November 2013 -
[X.] 383/12, [X.]Z 199, 104 Rn.
17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
[X.] 320/12, juris, Rn. 14 ff.). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Annahme eines mehrgliedrigen stillen [X.]sverhältnisses allein auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ankommt und es entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich ist, ausdrücklich aufgeführt wird, wie es in der Entscheidung des Senats vom 19.
November 2013 -
II
ZR
383/12 ([X.]Z 199, 104 Rn. 18) der Fall war.
Den Regelungen des zwischen den Anlegern und der Beklagten hier vereinbarten atypisch stillen [X.]svertrags (im Folgenden: [X.]) hat das Berufungsgericht mit Recht das Vorliegen eines mehrgliedrigen Innenverbands entnommen. So werden insbesondere nach den §§ 7, 8 [X.] [X.]sbe-schlüsse in [X.]erversammlungen oder im schriftlichen Beschlussver-fahren gefasst, wobei die Beklagte als Geschäftsinhaberin je volleingezahlte zehn Euro ihres Grundkapitals eine Stimme hat (§ 7 Nr. 3 [X.]). Nach § 6 Nr. 1 Satz 1 [X.] steht die Geschäftsführung zwar allein der Geschäftsinhaberin zu. Für im Einzelnen aufgeführte, über den laufenden Betrieb hinausgehende [X.] bedarf die Beklagte aber eines zustimmenden [X.]sbeschlus-ses nach § 7 [X.]. Die [X.] hat weiter einen Anlageausschuss, der die Geschäftsführung der Geschäftsinhaberin überwacht und dessen (drei) [X.] durch [X.]sbeschluss gewählt werden (§ 9 [X.]). Ferner hat nach §
16 Nr. 4 [X.] die Kündigung eines stillen [X.]ers (oder der Geschäfts-inhaberin) nicht die Auflösung der atypisch stillen [X.] insgesamt, son-dern lediglich das Ausscheiden des betroffenen [X.]ers zur Folge. Der Umstand, dass die stillen [X.]er sich von vornherein mit unterschiedli-chen Laufzeiten an der [X.] beteiligen und ihr [X.]sverhältnis 11
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unabhängig von den anderen [X.]ern gesondert beenden können, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Annahme bloß zweigliedriger Ge-sellschaftsverhältnisse.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwen-dung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] aber einen Anspruch des [X.] auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihm -
nach seinem Vorbringen
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durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit seinem Beitritt zur [X.] entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesell-schaft kann, wie der Senat in den Entscheidungen vom 19. November 2013 ausgeführt hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesell-schaft beteiligt hat, das stille [X.]sverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) [X.]s-verhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Ge-schäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs-
oder Ausei-nandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013 -
II
ZR
383/12, [X.]Z 199, 104 Rn.
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ff.).
3. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
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Da in der Erklärung eines [X.]ers, seinen Beitritt mit [X.] beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die [X.] und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1974 -
[X.] 27/73, [X.]Z 63, 338,
344
f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 -
II
ZR
109/01, [X.]Z
153, 214, 223), kann auch im vorliegenden Fall bereits in der Klageerhe-bung eine Kündigung des (stillen) [X.]sverhältnisses durch den Kläger gesehen werden. Dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwaigen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 4 mwN) und dem Kläger daher Gelegenheit gegeben werden muss, sein Klagevorbringen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten rechtlichen Vorga-ben der Senatsentscheidungen vom
19. November 2013 anzupassen.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegeh-ren des [X.] zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinanderset-zungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch des [X.]
gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung 14
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eines bestimmten [X.] gerichtete Leistungsbegehren des [X.] dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei-nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonsti-gen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeit-punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tat-sächlichen Voraussetzungen des vom Kläger geltend gemachten Schadenser-satzanspruchs treffen kann. Soweit der Kläger neben [X.] im Rahmen des mit dem Vermittler geführten Beratungsgesprächs auch
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fehlerhafte oder unvollständige Angaben im Emissionsprospekt geltend ge-macht hat, wird auf die Beschlüsse des Senats vom 23. September 2014 -
II
ZR
314/13, juris Rn. 14 ff. und [X.] 317/13, juris Rn. 14 ff. hingewiesen.

Bergmann

[X.]

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.12.2012 -
326 O 47/12 -

O[X.], Entscheidung vom 27.09.2013 -
11 U 19/13 -

Meta

II ZR 349/13

27.01.2015

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2015, Az. II ZR 349/13 (REWIS RS 2015, 16518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16518

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II ZR 383/12

II ZR 320/12

VI ZR 17/11

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