Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2014, Az. II ZR 376/13

II. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 348

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
[X.]
376/13
Verkündet am:

16. Dezember 2014

Vondrasek

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16.
Dezember 2014 durch
den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Bergmann
und die Richterin [X.] sowie [X.], [X.] und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11.
Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts
[X.] vom 27. September 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin zeichnete am 15. Juni 2005 eine Beteiligung an der [X.] als atypisch stille [X.]erin nach dem Anlagemodell Classic
in Höhe

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst im Wege des Schadensersat-zes Rückabwicklung ihrer Beteiligung mit der Begründung verlangt, sie sei bei ihrem Beitritt nicht hinreichend aufgeklärt worden, weil der Emissionsprospekt 1
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der Beklagten erhebliche Fehler aufweise und die Beratung durch den [X.] grob fehlerhaft gewesen sei.
Gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.] hat sie Beru-fung eingelegt und nach der Erklärung des Widerrufs ihrer Beitrittserklärung ihre Klage erweitert und hilfsweise die Feststellung, dass der Widerruf wirksam sei, sowie die Verurteilung der Beklagten begehrt, das Auseinandersetzungsgutha-ben der Klägerin zum Widerrufszeitpunkt, hilfsweise zum 31. Dezember 2013 zu errechnen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung (mit den erweiterten Klageanträ-gen) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
[X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Die Klage sei mit den Hauptanträgen schon deshalb unbegründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung der atypisch stillen Beteiligung unabhängig von der Frage des Vorliegens von Prospektfehlern oder einem an-derweitigen Aufklärungsverschulden
grundsätzlich nicht zustehe. Bei der [X.] handele es sich um eine mehrgliedrige atypisch stille [X.], auf die die Grundsätze der fehlerhaften [X.] wie bei einer Publikumsgesell-schaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Folge anzuwenden sei-3
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en, dass der einzelne [X.]er gegen die [X.] grundsätzlich nur einen etwaigen Abfindungsanspruch geltend machen könne.
Die Klägerin könne ihr Rückabwicklungsbegehren auch nicht mit Erfolg auf den Widerruf der Beteiligung stützen. Unabhängig von der Frage, ob über-haupt ein Widerrufsrecht bestanden habe und es rechtzeitig ausgeübt worden sei, führe auch der Widerruf nur zu einer Beendigung der Beteiligung ex nunc. Ein gesetzliches Widerrufsrecht komme nicht in Betracht, da die Klägerin die Voraussetzungen eines Haustürgeschäftes nicht vorgetragen habe. Selbst wenn der Klägerin ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt worden sein sollte, hätte sie dieses nicht rechtzeitig ausgeübt.
Die hilfsweise erhobene Stufenklage sei daher ebenfalls unbegründet, weil der Klägerin zumindest im Zeitpunkt des von ihr erklärten Widerrufs ein Widerrufsrecht nicht mehr zugestanden habe. Eine Umdeutung der [X.] in eine Kündigung aus wichtigem Grund komme nicht in Betracht. Die Widerrufserklärung sei ausschließlich darauf gestützt worden, dass der Klägerin aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung ein Wi-derrufsrecht zugestanden habe. Ein sachlicher Zusammenhang dieser [X.] mit einem Kündigungsrecht der Klägerin aus wichtigem Grund unter dem gänzlich abweichenden rechtlichen Gesichtspunkt etwaiger Willens-mängel ihrer [X.] sei nicht erkennbar.
I[X.] Die Revision der Klägerin ist begründet.
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges [X.]sverhältnis zustande gekommen ist, son-dern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen [X.] in Form einer Publi-kumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall et-waiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte [X.] 8
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Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat für eine in den wesentlichen Vertragsbestimmungen übereinstimmende Beteiligungsgestaltung in den am 19. November 2013 verkündeten Entschei-dungen im Einzelnen begründet hat ([X.], Urteil vom 19.
November 2013 -
II
ZR 383/12, [X.]Z 199, 104 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 -
[X.] 320/12, juris, Rn. 14 ff.). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegan-gen, dass es für die Annahme eines mehrgliedrigen stillen [X.]sver-hältnisses allein auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen nach all-gemeinen Auslegungsgrundsätzen ankommt und es entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich ist, dass im [X.]svertrag das Wort ücklich aufgeführt wird, wie es in der Entscheidung des Se-nats vom 19. November 2013 -
[X.] 383/12 ([X.]Z 199, 204 Rn. 18) der Fall war.
Den Regelungen des zwischen den Anlegern und der Beklagten hier vereinbarten atypisch stillen [X.]svertrags
(im Folgenden: [X.]) hat das Berufungsgericht mit Recht das Vorliegen eines mehrgliedrigen Innenverbands entnommen. So werden insbesondere nach den §§ 7, 8 [X.] [X.]sbe-schlüsse in [X.]erversammlungen oder im schriftlichen Beschlussver-fahren gefasst, wobei die Beklagte als Geschäftsinhaberin je volleingezahlte 10
Euro ihres Grundkapitals eine Stimme hat (§ 7 Nr. 3 [X.]). Nach § 6 Nr. 1 Satz 1 [X.] steht die Geschäftsführung zwar allein der Geschäftsinhaberin zu. Für im Einzelnen aufgeführte, über den laufenden Betrieb hinausgehende [X.] bedarf die Beklagte aber eines zustimmenden [X.]sbeschlus-ses nach § 7 [X.]. Die [X.] hat weiter einen Anlageausschuss, der die Geschäftsführung der Geschäftsinhaberin überwacht und dessen (drei) [X.] durch [X.]sbeschluss gewählt werden (§ 9 [X.]). Ferner hat nach §
16 Nr. 4 [X.] die Kündigung eines stillen [X.]ers (oder der Geschäfts-inhaberin) nicht die Auflösung der atypisch stillen [X.] insgesamt, [X.]
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dern lediglich das Ausscheiden des betroffenen [X.]ers zur Folge. Der Umstand, dass die stillen [X.]er sich von vornherein mit unterschiedli-chen Laufzeiten an der [X.] beteiligen und ihr [X.]sverhältnis unabhängig von den anderen [X.]ern gesondert beenden können, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Annahme bloß zweigliedriger Ge-sellschaftsverhältnisse.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwen-dung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr -
nach ihrem Vorbringen
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durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zur [X.] entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesell-schaft kann, wie der Senat in den Entscheidungen vom 19. November 2013 ausgeführt hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesell-schaft beteiligt hat, das stille [X.]sverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) [X.] durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) [X.]s-verhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Ge-schäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs-
oder Ausei-nandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er nicht gefährdet ist ([X.], Urteil vom 19. November 2013
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[X.] 383/12, [X.]Z 199,104 Rn. 28 ff.).
3. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht ge-prüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage 13
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daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Da in der Erklärung eines [X.]ers, seinen Beitritt mit [X.] beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die [X.] und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. [X.], Urteil vom 19. Dezember 1974 -
[X.] 27/73, [X.]Z 63, 338, 344 f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 -
[X.] 109/01, [X.]Z 153, 214, 223), kann auch im vorliegenden Fall bereits in der Klageerhebung eine Kündigung des (stillen) [X.]sverhältnisses durch die Klägerin ge-sehen werden. Dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwaigen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI [X.], [X.], 50 Rn. 4 mwN) und der Klägerin daher Gelegenheit gegeben werden muss, ihr Klagevorbringen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten rechtlichen Vorga-ben der [X.] vom 19. November 2013 anzupassen.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegeh-ren der Klägerin zur Sicherung etwaiger Abfindungs-
oder Auseinanderset-zungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesell-schafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen-über darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungs-
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und Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen [X.]er zumin-dest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens ei-nes Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonsti-gen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ge-geben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeit-punkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungs-
oder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
II[X.] Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§
562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tat-sächlichen Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten [X.] treffen kann. Soweit die Klägerin neben [X.] im Rahmen des mit dem Berater geführten [X.] auch fehlerhafte oder unvollständige
Angaben im Emissionsprospekt
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geltend gemacht hat, wird auf die Beschlüsse des Senats vom 23. September 2014 -
[X.] 314/13, juris Rn. 14 ff. und [X.] 317/13, juris Rn. 14 ff. [X.].

Bergmann

[X.]

Drescher

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.01.2012 -
321 O 32/11 -

O[X.], Entscheidung vom 27.09.2013 -
11 U 4/13
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Meta

II ZR 376/13

16.12.2014

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2014, Az. II ZR 376/13 (REWIS RS 2014, 348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 348

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VI ZR 17/11

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