Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2013, Az. I ZR 115/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2157

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
I [X.]/12
Verkündet am:

9.
Oktober 2013

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] Art. 1 § 3
Das Tatbestandsmerkmal "in Ergänzung" in Art.
1 §
3 [X.] erfordert nicht, dass die Bahn den Übernahme-
oder den Ablieferungsort
etwa wegen Fehlens ei-nes Gleisanschlusses
nicht auf der Schiene erreichen kann. Maßgeblich ist vielmehr, dass der [X.]nbeförderung im Verhältnis zur Schienenbeförderung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt.
[X.], Urteil vom 9. Oktober 2013 -
I [X.]/12 -
OLG [X.]

LG [X.]-Fürth

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom
20.
Juni 2013 durch [X.] Dr.
Büscher,
Pokrant, Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff und Dr.
Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Streithelferin zu
2 der [X.] wird der Be-schluss des [X.]

12.
Zivilsenat
vom 31.
Mai 2012
aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der [X.] in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] besteht
ein im März 2006 geschlossener Rahmenvertrag über die Durchführung von Transpor-ten. Die Versicherungsnehmerin erwarb im Januar 2009 von einem in [X.]/[X.] ansässigen Unternehmen Waren aus dem Bereich der Unterhaltungs-1
2
-
3
-
elektronik. [X.] verlud die Verkäuferin in einen
anschließend von ihren
Mit-arbeitern verplombten
Container mit der Nummer
PSSU
982457.

Mit dem Transport des Containers von [X.] nach [X.] beauf-tragte die Versicherungsnehmerin die Beklagte, die den Auftrag an ihre
Streit-helferin zu
2 weitergab, die ihrerseits die ebenfalls auf Seiten der [X.] beigetretene Streithelferin zu
1 beauftragte. Ob ein Fahrer der [X.] bei der Beladung des Containers in [X.] anwesend war oder ob der Fahrer den bereits verschlossenen und verplombten Container übernahm, ist zwischen den Parteien streitig. Von der Versenderin in [X.] zum dortigen [X.] erfolgte der Transport per Lkw. Vom Containerbahnhof in
[X.] bis [X.] wurde der Container auf der Schiene
transportiert. Nach der Ankunft im Containerbahnhof von [X.] übernahm ein Fahrer der Streithelferin zu
1 den Container und beförderte ihn zur [X.] der Versicherungsnehmerin, bei der es sich um ein in [X.] ansässiges [X.] Tochterunternehmen der [X.] handelt.

Die Klägerin hat behauptet, die in dem Container transportierten Waren hätten einen Wert von 117.649

i-ners hätten Mitarbeiter der [X.] festgestellt, dass auf der Ladeliste aufgeführte Waren im Wert von 30.719

gefehlt hätten. Den Betrag
von 30.719

sowie 13,5% entgangenen Gewinn und 659,72

s-ten (insgesamt 35.525,78

nebst Zinsen
macht die
Klägerin gegenüber der [X.] geltend.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Be-rufung der [X.] und ihrer Streithelferinnen hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß §
522 Abs.
2 ZPO zurückgewiesen.

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-
4
-
Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Streithelferin
zu
2 ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

[X.] Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzan-spruch gemäß §
452 Satz
1, §
425 Abs.
1, §
429 Abs.
1, §
435
HGB in Verbin-dung mit §
398 BGB für begründet erachtet. Dazu hat
es
ausgeführt:

Auf das Vertragsverhältnis
zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.]
komme aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen Rahmenver-trags [X.] Recht zur Anwendung.

Bei dem streitgegenständlichen [X.] handele es sich um einen Multimodalvertrag (§
452 HGB), weil die Durchführung des Transports verein-barungsgemäß mit verschiedenartigen Transportmitteln erfolgt sei. Die Haftung der [X.] beurteile
sich nach den §§
407
ff. HGB; der Vertrag unterliege [X.] Sachrecht, da der Schadensort unbekannt sei
und deswegen
§
452a HGB nicht zur Anwendung komme. Der Anwendungsbereich der [X.], die zwar vorrangige kollisionsrechtliche Regelungen enthalte, sei im Streitfall nicht eröffnet.

Die Beklagte hafte für den von der Klägerin behaupteten [X.] grundsätzlich nach §
425 Abs.
1 HGB. Die
Klägerin, die wegen Verlustes von Transportgut Schadensersatz verlange,
müsse darlegen und beweisen, dass [X.] in der Obhut des Frachtführers verlorengegangen und wie hoch der dadurch entstandene Schaden sei. Im Streitfall habe die Klägerin bewiesen, 6
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-
5
-
dass der an den Fahrer der [X.] übergebene Container zum Zeitpunkt der Übergabe die in der Handelsrechnung vom 29.
Januar 2009 aufgeführten Wa-ren enthalten habe. Dies ergebe sich aus den Angaben in der Handelsrech-nung, in der Ladeliste vom 28.
Januar 2009, in der Vorverladeliste und im "Schadensbericht der [X.] Tochtergesellschaft der [X.]" vom 6.
Februar 2009. Aus einer Gesamtschau der genannten Schriftstücke lasse sich die Verladung von 25
Paletten mit TV-Geräten in den Container mit der Nummer
PSSU
982457bleiten.

Die von den Frachtdokumenten ausgehende Beweiswirkung gelte auch dann, wenn der von der Versenderin beladene
Container bei der Übernahme durch den Fahrer der [X.] in [X.] bereits verschlossen und verplombt gewesen sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass während der Obhutszeit der [X.] 125
TV-Geräte mit einem Netto-Warenwert von 30.719

o-rengegangen seien.

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die in §
431 Abs.
1 HGB vorgesehene Haftungsbegrenzung berufen, da ihr ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von §
435 HGB anzulasten sei. Die Beklagte habe keinerlei Angaben
zu den näheren Umständen des [X.] gemacht. Der [X.] sei völlig ungeklärt geblieben. Das rechtfertige den Schluss auf ein grobes Or-ganisationsverschulden im Betriebsbereich der [X.]. Die Einwendungen der [X.] gegen
die von der Klägerin geltend gemachte Schadenshöhe seien unbegründet. Die Klägerin habe den Wert des abhandengekommenen
Transportgutes zutreffend mit Hilfe der Angaben in der Handelsrechnung vom 29.
Januar 2009 ermittelt und zur Grundlage ihrer Klageforderung gemacht.

I[X.] Die
Revision der Streithelferin zu
2 ist begründet und führt
zur Aufhe-bung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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-
6
-

Die Revision wendet sich mit Erfolg
gegen die Annahme des Berufungs-gerichts, eine Haftung der [X.] für den von der Klägerin behaupteten [X.] beurteile sich
im Streitfall
nach den Vorschriften des deut-schen Landfrachtrechts (§§
407
ff. HGB),
da die
Einheitlichen [X.] für den [X.] ([X.]
Anhang
B zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnver-kehr [[X.]], BGBl. 2002, [X.], 2221) nicht anwendbar seien.

1.
Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass auf den
zwischen
der [X.] und
der Versicherungsnehmerin abge-schlossenen [X.] grundsätzlich [X.] Sachrecht zur Anwendung kommt. Dies ergibt sich aus Ziffer
12.2 des im März 2006 geschlossenen [X.]. Darin haben die
Versicherungsnehmerin und die Beklagte
verein-bart, dass von der [X.] durchgeführte Beförderungen dem [X.] Recht unterliegen. Diese Vereinbarung ist gemäß Art.
27 Abs.
1 EGBGB
gültig. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

2.
Da es sich bei der streitgegenständlichen Beförderung um einen
Mul-timodaltransport handelte
der Transport des Gutes von der Versenderin zur Empfängerin sollte mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln (Lkw und [X.]) erfolgen
kommt grundsätzlich §
452 HGB zur Anwendung. Nach Satz
1 dieser Vorschrift unterliegt ein derartiger Vertrag den §§
407
ff. HGB, sofern §§
452a bis d HGB sowie anzuwendende internationale Übereinkommen nichts anderes vorschreiben. Nach Art.
1 §
3 [X.] findet die [X.] Anwendung, wenn eine internationale Beförderung, die Gegenstand eines einzigen Vertrags ist, in Ergänzung der grenzüberschreitenden Beförderung auf der Schiene eine Beförderung auf der [X.] oder auf Binnengewässern im Binnenverkehr eines Mitgliedstaats einschließt.

14
15
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-
7
-
3.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Vorausset-zungen des Art.
1 §
3 [X.] seien im Streitfall nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfordert das Tatbestandsmerkmal "in Ergänzung" in Art.
1 §
3 [X.] nicht, dass die Bahn den
Übernahmeoder den Ablieferungsort

etwa wegen Fehlens eines Gleisanschlusses
nicht auf der Schiene erreichen kann.

a) Nach Art.
1 §
3 [X.] werden [X.] und Nachläufe auf der [X.] im Binnenverkehr eines Mitgliedstaats den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.] unter-stellt, sofern diese Beförderungen Teil einer durchgehenden internationalen Beförderung sind und eine grenzüberschreitende Beförderung auf der Schiene ergänzen. Die [X.]nbeförderung muss in einem Mitgliedstaat stattfinden und darf
zur Vermeidung von Überschneidungen
mit anderen internationalen Übereinkommen wie etwa der [X.]
nicht grenzüberschreitend sein (Koller, Transportrecht, 8.
Aufl., Art.
1 [X.] Rn.
4a; [X.].HGB/Freise, 2.
Aufl., Art.
1 [X.] Rn.
11; [X.]., [X.] 2012, 1, 3). Im Verhältnis zur [X.] darf der [X.]nbeförderung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Dies ergibt sich aus der Formulierung "in Ergänzung" in Art.
1 §
3
[X.]. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass Hauptgegenstand des einheit-lichen [X.]s die Schienenbeförderung sein muss. Die Strecke, die auf der [X.] zurückgelegt wird, muss daher kurz im Verhältnis
zu der Strecke
sein, die auf Schienen zurückgelegt wird (vgl. auch Begründung des
Regie-rungsentwurfs
eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3.
Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens vom 9.
Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr [[X.]], [X.]. 929/01, S.
197; [X.].HGB/Freise aaO Art.
1 [X.] Rn.
11; [X.]., [X.] 1999, 417, 421; [X.], [X.] 2005, 329, 338). Mithin
können auch multimodale Beförderungen nach den Vorschriften der [X.] zu beurteilen sein, wenn der Hauptanteil des Transports 17
18
-
8
-
auf Schienen erfolgt und die Beförderung einem einzigen Beförderungsvertrag unterliegt.

Der Wortlaut von Art.
1 §
3 [X.] bietet keine hinreichenden Anhaltspunk-te für die Annahme, dass diese Vorschrift nur Hilfstransporte auf der [X.] erfasst, die deshalb erfolgen, weil der Übernahmeoder der Ablieferungsort auf der Schiene nicht erreicht werden kann. Auch wenn der Absender oder der Empfänger über einen Gleisanschluss verfügen
und daher grundsätzlich auf der Schiene zu erreichen sind,
können es Wirtschaftlichkeits-
oder Zweckmäßig-keitsgründe
etwa wegen der Art oder Menge des zu befördernden Gutes, der Schwierigkeiten bei seiner Verladung oder der Anbindung des vorhandenen Gleisanschlusses an das überregionale Schienennetz
nahelegen oder [X.],
eine Zubringerbeförderung auf der
[X.] vorzunehmen. Von derartigen Wirtschaftlichkeits-
oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen kann die Anwendung der [X.] schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abhängen. Auch Sinn und Zweck des Art.
1 §
3 [X.], den Anwendungsbereich der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.] auszuweiten (vgl. Begründung des [X.] eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3.
Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens vom 9.
Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr [[X.]] aaO S.
197), sprechen gegen die vom Berufungsgericht [X.] einschränkende Auslegung.

Der entgegenstehenden, vereinzelt gebliebenen Ansicht im Schrifttum [X.] Art.
1 [X.] Rn.
4a), die anregt, für die
Auslegung des Art.
1 §
3 [X.] eine Parallele zu Art.
18 Abs.
3 Satz
2 WA 1955 und Art.
18 Abs.
4 Satz
2 [X.] zu ziehen, vermag der [X.] nicht beizutreten. Sowohl in Art.
18 Abs.
3 Satz
1 WA 1955 als auch in Art.
18 Abs.
4 Satz
1 [X.] ist zunächst ausdrücklich
be-stimmt, dass der Zeitraum der Luftbeförderung nicht die Beförderung zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines Flughafens umfasst. Von 19
20
-
9
-
einem [X.]ntransport als "Ergänzung" ist in Art.
18 Abs.
3 WA 1955 und Art.
18 Abs.
4 [X.]
an[X.] als
in Art.
1 §
3 [X.]
keine Rede. Der Wortlaut der genannten Vorschriften legt daher schon keine einheitliche Auslegung mit
Art.
1 §
3 [X.] nahe. Es kommt hinzu, dass Art.
18 Abs.
3 Satz
2 WA 1955 und Art.
18 Abs.
4 Satz
2 [X.] lediglich eine widerlegbare Vermutungsregelung enthalten. Die Vorschrift des Art.
1 §
3 [X.] bestimmt demgegenüber klar und eindeutig, dass sie die Anwendung des Haftungsbereichs der [X.]
in besonderen Fällen eines multimodalen Transports für die gesamte [X.] eröffnet. Der Unterschied zwischen den luftfrachtrechtlichen Bestimmungen und Art.
1 §
3 [X.] wird
vor allem
deutlich, wenn der Schadensort dem vorgelagerten oder dem nachfolgenden [X.]ntransport zugeordnet werden kann.
Für diesen Fall kommen die Vorschriften des [X.] und des [X.] nicht zur Anwendung (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Mai 2012

I
ZR
109/11, [X.] 2012, 466 Rn.
28
= RdTW 2013, 58). Nach Art.
1 §
3 [X.] gelten in einem solchen Fall dagegen grundsätzlich auch die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.].

b) Die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung von Art.
1 §
3 [X.] sind im Streitfall
ebenfalls
erfüllt. Die Beklagte wurde von der Versicherungs-nehmerin einheitlich mit der Beförderung des hier in Rede stehenden Contai-ners von [X.]
nach [X.] beauftragt. Die Hilfstransporte auf der [X.] waren sowohl in der [X.] als auch in [X.] im Verhältnis zur Schie-nenbeförderung lediglich von untergeordneter Bedeutung. Es handelte sich [X.] um
einen
Binnentransport über wenige Kilometer in [X.]elben Stadt ([X.] und [X.]).
Sowohl die [X.] als auch [X.] sind ohne Vor-behalte (Art.
1 §
6 [X.]) Mitgliedstaaten der [X.] (vgl. Koller aaO Art.
1 [X.] Rn.
5).

21
-
10
-
c)
Bei der [X.]
handelt es sich

ebenso wie bei der [X.] und dem Mont-realer Übereinkommen
um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mit-gliedstaaten, der zugleich innerstaatliches materielles Recht enthält [X.] Vor Art.
1 [X.] Rn.
2). In Art.
5 Satz
1 [X.] ist bestimmt, dass jede Vereinba-rung, die unmittelbar oder mittelbar von den Einheitlichen Rechtsvorschriften abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung ist, es sei denn die [X.] lassen eine Abweichung ausdrücklich zu. Daher
steht die Anwendbarkeit der [X.]-Vorschriften
grundsätzlich
nicht zur Disposition der Parteien.
Sofern die Voraussetzungen
wie im Streitfall

für die Anwendung der [X.]-Vorschriften erfüllt sind, beurteilt sich die Haftung des Frachtführers ([X.]) für Verluste (auch Teilverluste) zwingend nach den Art.
23 bis 29 ([X.]) und den Art.
30 bis 38 [X.] (Höhe der Haftung).

Da das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der [X.] auf der Grundlage des [X.] Landfrachtrechts (§§
407
ff. HGB) angenommen hat, kann seine
die Berufung zurückweisende Entscheidung
keinen Bestand haben.

4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der [X.] nach Art.
267 Abs.
3 A[X.]V zur Auslegung von Art.
1 §
3 [X.] ist im Streitfall nicht erforderlich. Der Rat der [X.] hat allerdings durch Beschluss vom 16.
Juni 2011 den Beitritt der [X.] zum Übereinkommen über den [X.] ([X.]) auf der Grundlage von Art.
38 [X.] im Namen der [X.] genehmigt (Beschluss 2013/103/[X.], [X.] [X.], [X.]). Der Beitritt der [X.] zum [X.] ist nach Art.
9 Satz
1 der Vereinbarung zwischen der [X.] für den [X.] ([X.]) und der [X.] vom 23.
Juni 2011 ([X.] [X.] vom 23.
Februar 2013
S.
8) am 1.
Juli 2011 in [X.] getreten. Durch den Beitritt der [X.] zum [X.] sind dessen Vorschriften Bestandteil der Rechtsordnung der [X.] geworden. Für das Montrealer Über-22
23
24
-
11
-
einkommen, dem die [X.] ebenfalls beigetreten ist, hat der Gerichtshof
der [X.] aufgrund dieses Beitritts eine Befugnis zur Auslegung der Vorschriften dieses Übereinkommens in Anspruch genommen
(vgl. [X.], Ur-teil vom 22.
November 2012

[X.]/11, [X.] 2013, 201 Rn.
20

Sánchez/[X.], [X.]). Da die Bestimmungen des [X.] und der [X.], deren Vorschriften als Anlage
B integraler Bestandteil des Übereinkommens sind, Gegenstand der [X.]srechtsordnung sind, kommt auch insoweit eine Befugnis des Gerichtshofs der [X.] zur Auslegung der Bestimmungen der [X.] im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art.
267 Abs.
1 A[X.]V in Betracht. Ob sich daraus auch eine Vorlagepflicht eines letztinstanzli-chen Gerichts eines Mitgliedstaats der [X.] nach Art.
267 Abs.
3 A[X.]V ergeben kann
(bejahend [X.], Festschrift Schlechtriem, 2003, S.
165, 186; [X.], [X.] 2004, 106, 107; differenzierend [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 4.
Aufl., Art.
267 A[X.]V Rn.
10; Ehricke in [X.], [X.]V/EGV, 2003, Art.
234 EGV Rn.
19), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.

Im vorliegenden Fall ist eine Vorlage zur Auslegung der Tatbestandsvor-aussetzung "in Ergänzung der grenzüberschreitenden Beförderung auf der Schiene" in Art.
1 §
3 [X.] ohnehin nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] bedarf es keiner Vorabentscheidung nach Art.
267 Abs.
3 A[X.]V, wenn hinsichtlich der Auslegung des sekundären [X.]srechts keine vernünftigen Zweifel bestehen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 1982
283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn.
16
C.[X.]L.F.[X.]T.; Urteil vom 15.
September 2005 -
C-495/03, [X.]. 2005, [X.] Rn.
33
Intermodal Trans-ports). Das ist hier der Fall. Die Lkw-Beförderungen in [X.] und [X.] umfassten jeweils
nur eine kurze Strecke von wenigen
Kilometern. Sie hatten daher keinen eigenständigen, sondern lediglich einen die Schienenbeförderung von [X.] nach [X.] ergänzenden Charakter. Das reicht für das Vorlie-gen der Voraussetzungen des Art.
1 §
3 [X.] aus.
25
-
12
-

5. Der [X.] kann in der Sache
nicht selbst entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO), weil noch weitere Feststellungen zur Frage erforderlich sind, ob und ge-gebenenfalls in welchem Umfang Transportgut während der Obhutszeit der [X.] (Art.
23 Abs.
1 [X.]) abhandengekommen ist (dazu nachfolgend un-ter
II[X.]). Zudem haben die Vorinstanzen keine Feststellungen dazu getroffen, ob Ansprüche der Versicherungsnehmerin
wie die Beklagte geltend gemacht hat
emäß Art.
47 §
1 [X.] erloschen sind.

Auf die Revision
der Streithelferin zu
2 ist der angefochtene Beschluss
daher
aufzuheben. Die Sache ist zur
Verhandlung und
neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen.

II[X.] Für das
neue Berufungsverfahren weist der
[X.] auf Folgendes hin:

1. Entgegen der Annahme des
Berufungsgerichts
steht
aufgrund der
von der Klägerin vorgelegten
Schriftstücke nicht
fest, dass der von der [X.] übernommene [X.] mit der Nummer PSSU
982457 die von der Klägerin behauptete Anzahl von Artikeln der Unterhaltungselektronik enthalten hat.

a) Die Klägerin macht gegen die Beklagte
Schadensersatz
wegen des Verlusts von Transportgut (Waren der Unterhaltungselektronik) geltend. Sie muss daher substantiiert darlegen und, da die Beklagte die Sachdarstellung der Klägerin insoweit bestritten hat, auch beweisen, dass [X.] während der Ob-hutszeit der [X.] (Art.
23 §
1 [X.]) abhandengekommen und wie hoch der eingetretene Schaden ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom
26.
April 2007

I
ZR
31/05, [X.] 2007, 418 Rn.
13; Urteil vom 13.
September 2012

I
ZR
14/11, [X.] 2013, 192 Rn.
13 =
RdTW 2013, 201 [X.], jeweils zu 26
27
28
29
30
-
13
-
Art.
17 [X.]). Dies umfasst neben dem Beweis der Übernahme von [X.] als solchen auch den Nachweis
ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres [X.]. Die Frage, ob der Schadensersatz verlangende Kläger den ihm oblie-genden Beweis geführt hat, ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts, insbesondere nach §
286 ZPO, zu beurteilen ([X.], [X.]
2013, 192 Rn.
13; [X.], Frachtrecht
II, [X.], Art.
17 Rn.
46). Die rich-terliche
Überzeugung davon, dass sich in dem von der [X.] übernomme-nen [X.] Waren in dem von der Klägerin behaupteten Umfang befanden, setzt einen Grad an Gewissheit voraus, der Zweifeln Schweigen ge-bietet (vgl. [X.], Urteil vom 4.
November 2003
VI
ZR
28/03, NJW 2004, 777, 778 =
[X.], 118; [X.],
[X.] 2013, 192 Rn.
13).

b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht bei seiner Beurtei-lung, dass die Klägerin den von ihr behaupteten Schadensumfang bewiesen habe, im Ansatz
auch ausgegangen. Seine weitere Annahme, aus einer [X.] der von der Klägerin vorgelegten Dokumente ergebe sich, dass die Beklagte die in der Handelsrechnung vom 29.
Januar 2009 aufgeführten Waren zum Transport übernommen habe, trifft jedoch nicht zu.

aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung insbesondere auf vier von der Klägerin vorgelegte Schriftstücke gestützt: auf die Handelsrechnung vom 29.
Januar 2009, eine Ladeliste vom 28.
Januar 2009 (Anlage
K
2), eine "Vorverladekontrollliste" (Anlage
K
3) sowie einen Schadensbericht vom 6.
Februar 2009 (Anlage
K
5). Der Inhalt dieser Dokumente rechtfertigt entge-gen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht den
Schluss auf die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin zum Inhalt des von der [X.] übernommenen Trans-portcontainers mit der Nummer PSSU
982457

Die Anlagen
K
2, K
3 und K
5 sind für die Beurteilung der Frage, welchen Inhalt der hier in Rede stehende [X.] zum Zeitpunkt der Über-31
32
33
-
14
-
nahme zur Beförderung hatte, unergiebig. Die
"Vorverladeliste" lässt
nicht er-kennen, wann sie
angefertigt wurde und welche Kontrolle durch die handschrift-lich hinzugesetzten Haken zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Beklagte hat überdies mit Recht darauf hingewiesen, dass die angeblich dokumentierte Prüfung bereits lange Zeit vor der Beladung des Containers stattgefunden ha-ben könnte. Zudem sind die mit Haken versehenen Spalten und Zeilen unleser-lich und daher nicht verständlich. Der Beweiswert der
"Ladeliste" ist zweifelhaft. Nach der Darstellung der [X.] lautet die Übersetzung der [X.] dieses Schriftstücks nicht "Ladeliste" sondern "Lieferschein". Da das Berufungsgericht hierzu keine
Feststellungen getroffen hat, ist im [X.] zugunsten der [X.] von deren Vortrag auszugehen. Damit hat die Beklagte gerade in Zweifel gezogen, dass eine Kontrolle des verladenen Gutes bei geöffnetem Container stattgefunden hat und dass das Ergebnis einer sol-chen Kontrolle auf dem fraglichen Schriftstück durch Abhaken zum Ausdruck gebracht wurde. Dem "Schadensbericht" vom 6.
Februar 2009 kann schon des-halb keine Beweiswirkung für den Inhalt des an die Beklagte übergebenen [X.]s entnommen werden, weil dieses Dokument erst bei der Entladung in [X.] erstellt wurde. Als einziges Schriftstück, das Rück-schlüsse auf den Umfang des in den Container mit der Nummer PSSU
982757 verladenen Gutes zulässt, verbleibt mithin die Handelsrech-nung vom 29.
Januar 2009.

bb) Für vom Anspruchsteller behauptete [X.] hat der [X.] zwar entschieden, dass sich der Tatrichter die Überzeugung von der Richtigkeit des angegebenen Inhalts anhand eines Lieferscheins und
einer dazu [X.] Rechnung bilden kann. Es kann allerdings auch ausreichen, dass nur eines der beiden Dokumente vorgelegt wird und der beklagte Frachtführer da-gegen keine substantiierten Einwände erhebt ([X.], Versäumnisurteil vom 22.
Oktober 2009
I
ZR
119/07, [X.] 2010, 73 Rn.
20; [X.], [X.] 2013, 192 Rn.
16).
34
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15
-

Die zum Inhalt von verlorengegangenen Paketen aufgestellten Grund-sätze sind auf die im Streitfall zu beurteilende Fallgestaltung jedoch nicht ohne weiteres übertragbar. Das Berufungsgericht hat zugunsten der [X.] unter-stellt, dass sie einen bereits vorgeladenen und anschließend verschlossenen und verplombten Container zum Transport übernommen hat. Der übernehmen-de Lkw-Fahrer konnte mit einer Unterschrift daher nur bestätigen, bei der türki-schen Absenderin einen Container mit der Nummer PSSU
982457übernom-men zu haben (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Oktober 2002
I
ZR
104/00, [X.] 2003, 156, 158; [X.], [X.] 2013, 192 Rn.
19).
Das Verpacken von Waren in Kartons kann auch nicht gleichgesetzt werden
mit dem Beladen eines Lkw, einer Wechselbrücke oder eines Containers. Bei der Versendung von Paketen ist eine in Täuschungsabsicht vorgenommene Fehlbestückung durch den [X.] oder seine Bediensteten im Allgemeinen eher unwahrscheinlich, weil nicht vorausgesehen werden kann, ob gerade dasjenige Paket verlorengeht, das nur unzureichend bestückt wurde. Bei einem vom Versender selbst vorge-ladenen und verplombten [X.], dessen Inhalt

wie das [X.] unterstellt hat

vom Frachtführer
bei der Übernahme nicht über-prüft werden kann, besteht dagegen die Möglichkeit, gerade diesen Container gezielt entwenden zu lassen. Der Anreiz für eine Fehlbeladung eines vom [X.] selbst verschlossenen und verplombten [X.]s ist daher deutlich größer als bei einem Paket.

Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten [X.]
gegebenenfalls durch die Vernehmung von Zeugen
klären müssen, ob nach diesen Grundsätzen zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass der Container mit der Nummer PSSU
982457
den von der Kläge-rin behaupteten Inhalt hatte, als er von der [X.] zur Beförderung über-nommen wurde. Dabei wird das Berufungsgericht insbesondere auch den un-streitigen Umstand zu berücksichtigen haben, dass alle vier Plomben, mit de-35
36
-
16
-
nen der Container versiegelt wurde, bei der Ankunft am [X.] in [X.] unversehrt waren. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die ver-wendeten Plomben seien manipulationssicher, so dass eine Entwendung des
Transportgutes aus dem Container unter Umgehung oder durch Manipulation der Plomben nicht möglich gewesen sei.
Der
Beweisantritt der [X.] durfte auch nicht mit der Begründung unbeachtet bleiben, es sei denkbar, dass [X.] tätige Diebesbanden über ein Verplombungsgerät verfügten, mit [X.] Hilfe es möglich sei, eine
Plombe aufzubrechen und danach wieder den Eindruck einer ordnungsgemäßen Verplombung zu erzeugen.

2. Da sich eine mögliche Schadensersatzpflicht der [X.] nach dem Haftungsregime der [X.] beurteilt, sind für den Umfang des von der [X.] geschuldeten Ersatzes die Art.
30
ff. [X.] maßgeblich. Ob ein dem Beförderer (Frachtführer) anzulastendes qualifiziertes Verschulden gegeben ist, das zum Wegfall von gesetzlich vorgesehenen Haftungsbegrenzungen führt, ist nach Art.
36 [X.] zu beurteilen. Liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art.
36 [X.] vor, kommen, da die [X.]-Vorschriften keinen eigenen Schadensbegriff enthalten, die Bestimmungen des
allgemeinen
Schadensersatzrechts
des ergänzend heranzuziehenden
nationa-len Rechts
und damit
nach [X.] Recht die §§ 249
ff. BGB zur Anwen-dung ([X.].HGB/Freise aaO Art.
36 [X.] Rn.
5; Thume, [X.] 2008, 78, 79).

37
-
17
-
Der von der Klägerin geltend gemachte entgangene Gewinn ist grund-sätzlich nach §
252 BGB zu ersetzen. Macht der Geschädigte diesen geltend, ist allerdings nicht die anteilige Fracht gemäß Art.
30 §
4 [X.] erstattungsfähig (vgl. [X.].HGB/Freise aaO Art.
36 [X.] Rn.
6).

Büscher
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Koch
Vorinstanzen:
LG [X.]-Fürth, Entscheidung vom 28.09.2010 -
2 HKO 8146/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom
31.05.2012 -
12 U 2078/10 -

38

Meta

I ZR 115/12

09.10.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2013, Az. I ZR 115/12 (REWIS RS 2013, 2157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2157

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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