Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2013, Az. I ZR 115/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2169

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Gegenstand

Warenverlust im Multimodaltransport von Containern auf Schiene und Straße: Anwendbarkeit des Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr


Leitsatz

Das Tatbestandsmerkmal "in Ergänzung" in Art. 1 § 3 CIM erfordert nicht, dass die Bahn den Übernahme- oder den Ablieferungsort - etwa wegen Fehlens eines Gleisanschlusses - nicht auf der Schiene erreichen kann. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Straßenbeförderung im Verhältnis zur Schienenbeförderung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommt.

Tenor

Auf die Revision der Streithelferin zu 2 der Beklagten wird der Beschluss des [X.] - 12. Zivilsenat - vom 31. Mai 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Transportversicherer der [X.] in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem und abgetretenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten besteht ein im März 2006 geschlossener Rahmenvertrag über die Durchführung von Transporten. Die Versicherungsnehmerin erwarb im Januar 2009 von einem in [X.]/[X.] ansässigen Unternehmen Waren aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik. [X.] verlud die Verkäuferin in einen anschließend von ihren Mitarbeitern verplombten Container mit der Nummer PSSU 9824579.

3

Mit dem Transport des Containers von [X.] nach [X.] beauftragte die Versicherungsnehmerin die Beklagte, die den Auftrag an ihre Streithelferin zu 2 weitergab, die ihrerseits die ebenfalls auf Seiten der Beklagten beigetretene Streithelferin zu 1 beauftragte. Ob ein Fahrer der Beklagten bei der Beladung des Containers in [X.] anwesend war oder ob der Fahrer den bereits verschlossenen und verplombten Container übernahm, ist zwischen den Parteien streitig. Von der Versenderin in [X.] zum dortigen Containerbahnhof erfolgte der Transport per Lkw. Vom Containerbahnhof in [X.] bis [X.] wurde der Container auf der Schiene transportiert. Nach der Ankunft im Containerbahnhof von [X.] übernahm ein Fahrer der Streithelferin zu 1 den Container und beförderte ihn zur [X.] der Versicherungsnehmerin, bei der es sich um ein in [X.] ansässiges [X.] Tochterunternehmen der Beklagten handelt.

4

Die Klägerin hat behauptet, die in dem Container transportierten Waren hätten einen Wert von 117.649 € netto gehabt. Bei der Entladung des Containers hätten Mitarbeiter der [X.] festgestellt, dass auf der Ladeliste aufgeführte Waren im Wert von 30.719 € netto gefehlt hätten. Den Betrag von 30.719 € sowie 13,5% entgangenen Gewinn und 659,72 € anteilige Frachtkosten (insgesamt 35.525,78 €) nebst Zinsen macht die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten und ihrer Streithelferinnen hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Streithelferin zu 2 ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gemäß § 452 Satz 1, § 425 Abs. 1, § 429 Abs. 1, § 435 HGB in Verbindung mit § 398 BGB für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

8

Auf das Vertragsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der [X.] komme aufgrund des zwischen ihnen geschlossenen Rahmenvertrags [X.] Recht zur Anwendung.

9

Bei dem streitgegenständlichen [X.] handele es sich um einen Multimodalvertrag (§ 452 HGB), weil die Durchführung des Transports vereinbarungsgemäß mit verschiedenartigen Transportmitteln erfolgt sei. Die Haftung der [X.] beurteile sich nach den §§ 407 ff. HGB; der Vertrag unterliege [X.] Sachrecht, da der Schadensort unbekannt sei und deswegen § 452a HGB nicht zur Anwendung komme. Der Anwendungsbereich der [X.], die zwar vorrangige kollisionsrechtliche Regelungen enthalte, sei im Streitfall nicht eröffnet.

Die Beklagte hafte für den von der Klägerin behaupteten [X.] grundsätzlich nach § 425 Abs. 1 HGB. Die Klägerin, die wegen Verlustes von Transportgut Schadensersatz verlange, müsse darlegen und beweisen, dass das Gut in der Obhut des Frachtführers verlorengegangen und wie hoch der dadurch entstandene Schaden sei. Im Streitfall habe die Klägerin bewiesen, dass der an den Fahrer der [X.] übergebene Container zum Zeitpunkt der Übergabe die in der [X.] vom 29. Januar 2009 aufgeführten Waren enthalten habe. Dies ergebe sich aus den Angaben in der [X.], in der Ladeliste vom 28. Januar 2009, in der Vorverladeliste und im "[X.] der [X.] Tochtergesellschaft der [X.]" vom 6. Februar 2009. Aus einer Gesamtschau der genannten Schriftstücke lasse sich die Verladung von 25 Paletten mit TV-Geräten in den Container mit der Nummer [X.] ableiten.

Die von den Frachtdokumenten ausgehende Beweiswirkung gelte auch dann, wenn der von der Versenderin beladene Container bei der Übernahme durch den Fahrer der [X.] in [X.] bereits verschlossen und verplombt gewesen sei. Es sei deshalb davon auszugehen, dass während der Obhutszeit der [X.] 125 TV-Geräte mit einem Netto-Warenwert von 30.719 € verlorengegangen seien.

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf die in § 431 Abs. 1 HGB vorgesehene Haftungsbegrenzung berufen, da ihr ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von § 435 HGB anzulasten sei. Die Beklagte habe keinerlei Angaben zu den näheren Umständen des [X.] gemacht. Der [X.] sei völlig ungeklärt geblieben. Das rechtfertige den Schluss auf ein grobes Organisationsverschulden im Betriebsbereich der [X.]. Die Einwendungen der [X.] gegen die von der Klägerin geltend gemachte Schadenshöhe seien unbegründet. Die Klägerin habe den Wert des abhandengekommenen Transportgutes zutreffend mit Hilfe der Angaben in der [X.] vom 29. Januar 2009 ermittelt und zur Grundlage ihrer Klageforderung gemacht.

II. Die Revision der Streithelferin zu 2 ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, eine Haftung der [X.] für den von der Klägerin behaupteten Verlust von Transportgut beurteile sich im Streitfall nach den Vorschriften des [X.] Landfrachtrechts (§§ 407 ff. HGB), da die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.] ([X.] - Anhang B zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr [[X.]], BGBl. 2002, [X.], 2221) nicht anwendbar seien.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass auf den zwischen der [X.] und der Versicherungsnehmerin abgeschlossenen [X.] grundsätzlich [X.] Sachrecht zur Anwendung kommt. Dies ergibt sich aus Ziffer 12.2 des im März 2006 geschlossenen Rahmenvertrags. Darin haben die Versicherungsnehmerin und die Beklagte vereinbart, dass von der [X.] durchgeführte Beförderungen dem [X.] Recht unterliegen. Diese Vereinbarung ist gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB gültig. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

2. Da es sich bei der streitgegenständlichen Beförderung um einen Multimodaltransport handelte - der Transport des Gutes von der Versenderin zur Empfängerin sollte mit verschiedenartigen Beförderungsmitteln (Lkw und Eisenbahn) erfolgen , kommt grundsätzlich § 452 HGB zur Anwendung. Nach Satz 1 dieser Vorschrift unterliegt ein derartiger Vertrag den §§ 407 ff. HGB, sofern §§ 452a bis d HGB sowie anzuwendende internationale Übereinkommen nichts anderes vorschreiben. Nach Art. 1 § 3 [X.] findet die [X.] Anwendung, wenn eine internationale Beförderung, die Gegenstand eines einzigen Vertrags ist, in Ergänzung der grenzüberschreitenden Beförderung auf der Schiene eine Beförderung auf der [X.] oder auf Binnengewässern im Binnenverkehr eines Mitgliedstaats einschließt.

3. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen des Art. 1 § 3 [X.] seien im Streitfall nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfordert das Tatbestandsmerkmal "in Ergänzung" in Art. 1 § 3 [X.] nicht, dass die Bahn den Übernahme oder den Ablieferungsort - etwa wegen Fehlens eines Gleisanschlusses - nicht auf der Schiene erreichen kann.

a) Nach Art. 1 § 3 [X.] werden auch Vor und Nachläufe auf der [X.] im Binnenverkehr eines Mitgliedstaats den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.] unterstellt, sofern diese Beförderungen Teil einer durchgehenden internationalen Beförderung sind und eine grenzüberschreitende Beförderung auf der Schiene ergänzen. Die [X.]nbeförderung muss in einem Mitgliedstaat stattfinden und darf - zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen internationalen Übereinkommen wie etwa der [X.] - nicht grenzüberschreitend sein ([X.], Transportrecht, 8. Aufl., Art. 1 [X.] Rn. 4a; [X.]HGB/Freise, 2. Aufl., Art. 1 [X.] Rn. 11; [X.]., [X.] 2012, 1, 3). Im Verhältnis zur Schienenbeförderung darf der [X.]nbeförderung lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Dies ergibt sich aus der Formulierung "in Ergänzung" in Art. 1 § 3 [X.]. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass Hauptgegenstand des einheitlichen [X.]s die Schienenbeförderung sein muss. Die Strecke, die auf der [X.] zurückgelegt wird, muss daher kurz im Verhältnis zu der Strecke sein, die auf Schienen zurückgelegt wird (vgl. auch Begründung des [X.] eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr [[X.]], [X.]. 929/01, [X.]; [X.]HGB/Freise aaO Art. 1 [X.] Rn. 11; [X.]., [X.] 1999, 417, 421; [X.], [X.] 2005, 329, 338). Mithin können auch multimodale Beförderungen nach den Vorschriften der [X.] zu beurteilen sein, wenn der Hauptanteil des Transports auf Schienen erfolgt und die Beförderung einem einzigen Beförderungsvertrag unterliegt.

Der Wortlaut von Art. 1 § 3 [X.] bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass diese Vorschrift nur Hilfstransporte auf der [X.] erfasst, die deshalb erfolgen, weil der Übernahme oder der Ablieferungsort auf der Schiene nicht erreicht werden kann. Auch wenn der Absender oder der Empfänger über einen Gleisanschluss verfügen und daher grundsätzlich auf der Schiene zu erreichen sind, können es Wirtschaftlichkeits- oder Zweckmäßigkeitsgründe - etwa wegen der Art oder Menge des zu befördernden Gutes, der Schwierigkeiten bei seiner Verladung oder der Anbindung des vorhandenen Gleisanschlusses an das überregionale Schienennetz - nahelegen oder erfordern, eine Zubringerbeförderung auf der [X.] vorzunehmen. Von derartigen Wirtschaftlichkeits- oder Zweckmäßigkeitsüberlegungen kann die Anwendung der [X.] schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht abhängen. Auch Sinn und Zweck des Art. 1 § 3 [X.], den Anwendungsbereich der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.] auszuweiten (vgl. Begründung des [X.] eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 3. Juni 1999 betreffend die Änderung des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 über den internationalen Eisenbahnverkehr [[X.]] aaO [X.]), sprechen gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene einschränkende Auslegung.

Der entgegenstehenden, vereinzelt gebliebenen Ansicht im Schrifttum ([X.] aaO Art. 1 [X.] Rn. 4a), die anregt, für die Auslegung des Art. 1 § 3 [X.] eine Parallele zu Art. 18 Abs. 3 Satz 2 WA 1955 und Art. 18 Abs. 4 Satz 2 [X.] zu ziehen, vermag der [X.] nicht beizutreten. Sowohl in Art. 18 Abs. 3 Satz 1 WA 1955 als auch in Art. 18 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist zunächst ausdrücklich bestimmt, dass der Zeitraum der Luftbeförderung nicht die Beförderung zu Land, zur See oder auf Binnengewässern außerhalb eines Flughafens umfasst. Von einem [X.]ntransport als "Ergänzung" ist in Art. 18 Abs. 3 WA 1955 und Art. 18 Abs. 4 [X.] - an[X.] als in Art. 1 § 3 [X.] - keine Rede. Der Wortlaut der genannten Vorschriften legt daher schon keine einheitliche Auslegung mit Art. 1 § 3 [X.] nahe. Es kommt hinzu, dass Art. 18 Abs. 3 Satz 2 WA 1955 und Art. 18 Abs. 4 Satz 2 [X.] lediglich eine widerlegbare Vermutungsregelung enthalten. Die Vorschrift des Art. 1 § 3 [X.] bestimmt demgegenüber klar und eindeutig, dass sie die Anwendung des Haftungsbereichs der [X.] in besonderen Fällen eines multimodalen Transports für die gesamte [X.] eröffnet. Der Unterschied zwischen den luftfrachtrechtlichen Bestimmungen und Art. 1 § 3 [X.] wird vor allem deutlich, wenn der Schadensort dem vorgelagerten oder dem nachfolgenden [X.]ntransport zugeordnet werden kann. Für diesen Fall kommen die Vorschriften des [X.] und des [X.] nicht zur Anwendung (vgl. [X.], Urteil vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.] 2012, 466 Rn. 28 = RdTW 2013, 58). Nach Art. 1 § 3 [X.] gelten in einem solchen Fall dagegen grundsätzlich auch die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den [X.].

b) Die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 1 § 3 [X.] sind im Streitfall ebenfalls erfüllt. Die Beklagte wurde von der Versicherungsnehmerin einheitlich mit der Beförderung des hier in Rede stehenden Containers von [X.] nach [X.] beauftragt. Die Hilfstransporte auf der [X.] waren sowohl in der [X.] als auch in [X.] im Verhältnis zur Schienenbeförderung lediglich von untergeordneter Bedeutung. Es handelte sich jeweils um einen Binnentransport über wenige Kilometer in [X.]elben Stadt ([X.] und [X.]). Sowohl die [X.] als auch [X.] sind ohne Vorbehalte (Art. 1 § 6 [X.]) Mitgliedstaaten der [X.] (vgl. [X.] aaO Art. 1 [X.] Rn. 5).

c) Bei der [X.] handelt es sich - ebenso wie bei der [X.] und dem [X.] Übereinkommen - um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten, der zugleich innerstaatliches materielles Recht enthält ([X.] aaO Vor Art. 1 [X.] Rn. 2). In Art. 5 Satz 1 [X.] ist bestimmt, dass jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Einheitlichen Rechtsvorschriften abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung ist, es sei denn die Rechtsvorschriften lassen eine Abweichung ausdrücklich zu. Daher steht die Anwendbarkeit der [X.]-Vorschriften grundsätzlich nicht zur Disposition der Parteien. Sofern die Voraussetzungen - wie im Streitfall - für die Anwendung der [X.]-Vorschriften erfüllt sind, beurteilt sich die Haftung des Frachtführers ([X.]) für Verluste (auch Teilverluste) zwingend nach den Art. 23 bis 29 ([X.]) und den Art. 30 bis 38 [X.] (Höhe der Haftung).

Da das Berufungsgericht eine Schadensersatzpflicht der [X.] auf der Grundlage des [X.] Landfrachtrechts (§§ 407 ff. HGB) angenommen hat, kann seine die Berufung zurückweisende Entscheidung keinen Bestand haben.

4. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V zur Auslegung von Art. 1 § 3 [X.] ist im Streitfall nicht erforderlich. Der Rat der [X.] hat allerdings durch Beschluss vom 16. Juni 2011 den Beitritt der [X.] zum Übereinkommen über den [X.] ([X.]) auf der Grundlage von Art. 38 [X.] im Namen der [X.] genehmigt (Beschluss 2013/103/[X.], [X.] [X.], [X.]). Der Beitritt der [X.] zum [X.] ist nach Art. 9 Satz 1 der Vereinbarung zwischen der Zwischenstaatlichen Organisation für den [X.] ([X.]) und der [X.] vom 23. Juni 2011 ([X.] [X.] vom 23. Februar 2013 S. 8) am 1. Juli 2011 in [X.] getreten. Durch den Beitritt der [X.] zum [X.] sind dessen Vorschriften Bestandteil der Rechtsordnung der [X.] geworden. Für das [X.] Übereinkommen, dem die [X.] ebenfalls beigetreten ist, hat der [X.] aufgrund dieses Beitritts eine Befugnis zur Auslegung der Vorschriften dieses Übereinkommens in Anspruch genommen (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 2012 - [X.]/11, [X.] 2013, 201 Rn. 20 - [X.]/[X.], [X.]). Da die Bestimmungen des [X.] und der [X.], deren Vorschriften als Anlage B integraler Bestandteil des Übereinkommens sind, Gegenstand der [X.]srechtsordnung sind, kommt auch insoweit eine Befugnis des Gerichtshofs der [X.] zur Auslegung der Bestimmungen der [X.] im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 1 A[X.]V in Betracht. Ob sich daraus auch eine Vorlagepflicht eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V ergeben kann (bejahend [X.], Festschrift Schlechtriem, 2003, [X.]65, 186; [X.], [X.] 2004, 106, 107; differenzierend [X.] in [X.]/[X.], [X.]V/A[X.]V, 4. Aufl., Art. 267 A[X.]V Rn. 10; Ehricke in [X.], [X.]V/[X.], 2003, Art. 234 [X.] Rn. 19), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden.

Im vorliegenden Fall ist eine Vorlage zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "in Ergänzung der grenzüberschreitenden Beförderung auf der Schiene" in Art. 1 § 3 [X.] ohnehin nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] bedarf es keiner Vorabentscheidung nach Art. 267 Abs. 3 A[X.]V, wenn hinsichtlich der Auslegung des sekundären [X.]srechts keine vernünftigen Zweifel bestehen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 16 - [X.]; Urteil vom 15. September 2005 - [X.]/03, [X.]. 2005, [X.] Rn. 33 - [X.]). Das ist hier der Fall. Die Lkw-Beförderungen in [X.] und [X.] umfassten jeweils nur eine kurze Strecke von wenigen Kilometern. Sie hatten daher keinen eigenständigen, sondern lediglich einen die Schienenbeförderung von [X.] nach [X.] ergänzenden Charakter. Das reicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 § 3 [X.] aus.

5. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil noch weitere Feststellungen zur Frage erforderlich sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Transportgut während der Obhutszeit der [X.] (Art. 23 Abs. 1 [X.]) abhandengekommen ist (dazu nachfolgend unter [X.]). Zudem haben die Vorinstanzen keine Feststellungen dazu getroffen, ob Ansprüche der Versicherungsnehmerin - wie die Beklagte geltend gemacht hat - gemäß Art. 47 § 1 [X.] erloschen sind.

Auf die Revision der Streithelferin zu 2 ist der angefochtene Beschluss daher aufzuheben. Die Sache ist zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] Für das neue Berufungsverfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

1. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Schriftstücke nicht fest, dass der von der [X.] übernommene [X.] mit der Nummer [X.] die von der Klägerin behauptete Anzahl von Artikeln der Unterhaltungselektronik enthalten hat.

a) Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen des Verlusts von Transportgut (Waren der Unterhaltungselektronik) geltend. Sie muss daher substantiiert darlegen und, da die Beklagte die Sachdarstellung der Klägerin insoweit bestritten hat, auch beweisen, dass [X.] 1 [X.]) abhandengekommen und wie hoch der eingetretene Schaden ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 26. April 2007 - [X.], [X.] 2007, 418 Rn. 13; Urteil vom 13. September 2012 - [X.], [X.] 2013, 192 Rn. 13 = RdTW 2013, 201 [X.], jeweils zu Art. 17 [X.]). Dies umfasst neben dem Beweis der Übernahme von [X.] als solchen auch den Nachweis ihrer Identität, ihrer Art, ihrer Menge und ihres Zustands. Die Frage, ob der Schadensersatz verlangende Kläger den ihm obliegenden Beweis geführt hat, ist grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln des Zivilprozessrechts, insbesondere nach § 286 ZPO, zu beurteilen ([X.], [X.] 2013, 192 Rn. 13; [X.], [X.], [X.], Art. 17 Rn. 46). Die richterliche Überzeugung davon, dass sich in dem von der [X.] übernommenen [X.] Waren in dem von der Klägerin behaupteten Umfang befanden, setzt einen Grad an Gewissheit voraus, der Zweifeln Schweigen gebietet (vgl. [X.], Urteil vom 4. November 2003 - [X.], [X.], 777, 778 = [X.], 118; [X.], [X.] 2013, 192 Rn. 13).

b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, dass die Klägerin den von ihr behaupteten Schadensumfang bewiesen habe, im Ansatz auch ausgegangen. Seine weitere Annahme, aus einer Gesamtschau der von der Klägerin vorgelegten Dokumente ergebe sich, dass die Beklagte die in der [X.] vom 29. Januar 2009 aufgeführten Waren zum Transport übernommen habe, trifft jedoch nicht zu.

aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung insbesondere auf vier von der Klägerin vorgelegte Schriftstücke gestützt: auf die [X.] vom 29. Januar 2009, eine Ladeliste vom 28. Januar 2009 (Anlage [X.]), eine "Vorverladekontrollliste" (Anlage [X.]) sowie einen [X.] vom 6. Februar 2009 (Anlage [X.]). Der Inhalt dieser Dokumente rechtfertigt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht den Schluss auf die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin zum Inhalt des von der [X.] übernommenen [X.]s mit der Nummer [X.].

Die Anlagen [X.], [X.] und [X.] sind für die Beurteilung der Frage, welchen Inhalt der hier in Rede stehende [X.] zum Zeitpunkt der Übernahme zur Beförderung hatte, unergiebig. Die "Vorverladeliste" lässt nicht erkennen, wann sie angefertigt wurde und welche Kontrolle durch die handschriftlich hinzugesetzten Haken zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Beklagte hat überdies mit Recht darauf hingewiesen, dass die angeblich dokumentierte Prüfung bereits lange Zeit vor der Beladung des Containers stattgefunden haben könnte. Zudem sind die mit Haken versehenen Spalten und Zeilen unleserlich und daher nicht verständlich. Der Beweiswert der "Ladeliste" ist zweifelhaft. Nach der Darstellung der [X.] lautet die Übersetzung der [X.] Bezeichnung dieses Schriftstücks nicht "Ladeliste" sondern "Lieferschein". Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist im Revisionsverfahren zugunsten der [X.] von deren Vortrag auszugehen. Damit hat die Beklagte gerade in Zweifel gezogen, dass eine Kontrolle des verladenen Gutes bei geöffnetem Container stattgefunden hat und dass das Ergebnis einer solchen Kontrolle auf dem fraglichen Schriftstück durch Abhaken zum Ausdruck gebracht wurde. Dem "[X.]" vom 6. Februar 2009 kann schon deshalb keine Beweiswirkung für den Inhalt des an die Beklagte übergebenen [X.]s entnommen werden, weil dieses Dokument erst bei der Entladung in [X.] erstellt wurde. Als einziges Schriftstück, das Rückschlüsse auf den Umfang des in den Container mit der Nummer [X.] 9827579 verladenen Gutes zulässt, verbleibt mithin die [X.] vom 29. Januar 2009.

bb) Für vom Anspruchsteller behauptete [X.] hat der [X.] zwar entschieden, dass sich der Tatrichter die Überzeugung von der Richtigkeit des angegebenen Inhalts anhand eines Lieferscheins und einer dazu korrespondierenden Rechnung bilden kann. Es kann allerdings auch ausreichen, dass nur eines der beiden Dokumente vorgelegt wird und der beklagte Frachtführer dagegen keine substantiierten Einwände erhebt ([X.], Versäumnisurteil vom 22. Oktober 2009 - I ZR 119/07, [X.] 2010, 73 Rn. 20; [X.], [X.] 2013, 192 Rn. 16).

Die zum Inhalt von verlorengegangenen Paketen aufgestellten Grundsätze sind auf die im Streitfall zu beurteilende Fallgestaltung jedoch nicht ohne weiteres übertragbar. Das Berufungsgericht hat zugunsten der [X.] unterstellt, dass sie einen bereits vorgeladenen und anschließend verschlossenen und verplombten Container zum Transport übernommen hat. Der übernehmende Lkw-Fahrer konnte mit einer Unterschrift daher nur bestätigen, bei der [X.] Absenderin einen Container mit der Nummer [X.] übernommen zu haben (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2002 - [X.]/00, [X.] 2003, 156, 158; [X.], [X.] 2013, 192 Rn. 19). Das Verpacken von Waren in Kartons kann auch nicht gleichgesetzt werden mit dem Beladen eines Lkw, einer Wechselbrücke oder eines Containers. Bei der Versendung von Paketen ist eine in Täuschungsabsicht vorgenommene Fehlbestückung durch den Versender oder seine Bediensteten im Allgemeinen eher unwahrscheinlich, weil nicht vorausgesehen werden kann, ob gerade dasjenige Paket verlorengeht, das nur unzureichend bestückt wurde. Bei einem vom Versender selbst vorgeladenen und verplombten [X.], dessen Inhalt - wie das Berufungsgericht unterstellt hat - vom Frachtführer bei der Übernahme nicht überprüft werden kann, besteht dagegen die Möglichkeit, gerade diesen Container gezielt entwenden zu lassen. Der Anreiz für eine Fehlbeladung eines vom Versender selbst verschlossenen und verplombten [X.]s ist daher deutlich größer als bei einem Paket.

Das Berufungsgericht wird daher im wiedereröffneten Berufungsverfahren - gegebenenfalls durch die Vernehmung von Zeugen - klären müssen, ob nach diesen Grundsätzen zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden kann, dass der Container mit der Nummer [X.] den von der Klägerin behaupteten Inhalt hatte, als er von der [X.] zur Beförderung übernommen wurde. Dabei wird das Berufungsgericht insbesondere auch den unstreitigen Umstand zu berücksichtigen haben, dass alle vier Plomben, mit denen der Container versiegelt wurde, bei der Ankunft am [X.] in [X.] unversehrt waren. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die verwendeten Plomben seien manipulationssicher, so dass eine Entwendung des Transportgutes aus dem Container unter Umgehung oder durch Manipulation der Plomben nicht möglich gewesen sei. Der Beweisantritt der [X.] durfte auch nicht mit der Begründung unbeachtet bleiben, es sei denkbar, dass international tätige Diebesbanden über ein Verplombungsgerät verfügten, mit dessen Hilfe es möglich sei, eine Plombe aufzubrechen und danach wieder den Eindruck einer ordnungsgemäßen Verplombung zu erzeugen.

2. Da sich eine mögliche Schadensersatzpflicht der [X.] nach dem Haftungsregime der [X.] beurteilt, sind für den Umfang des von der [X.] geschuldeten Ersatzes die Art. 30 ff. [X.] maßgeblich. Ob ein dem Beförderer (Frachtführer) anzulastendes qualifiziertes Verschulden gegeben ist, das zum Wegfall von gesetzlich vorgesehenen Haftungsbegrenzungen führt, ist nach Art. 36 [X.] zu beurteilen. Liegen die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Verschuldens im Sinne von Art. 36 [X.] vor, kommen, da die [X.]-Vorschriften keinen eigenen Schadensbegriff enthalten, die Bestimmungen des allgemeinen Schadensersatzrechts des ergänzend heranzuziehenden nationalen Rechts und damit nach [X.] Recht die §§ 249 ff. BGB zur Anwendung ([X.]HGB/Freise aaO Art. 36 [X.] Rn. 5; Thume, [X.] 2008, 78, 79).

Der von der Klägerin geltend gemachte entgangene Gewinn ist grundsätzlich nach § 252 BGB zu ersetzen. Macht der Geschädigte diesen geltend, ist allerdings nicht die anteilige Fracht gemäß Art. 30 § 4 [X.] erstattungsfähig (vgl. [X.]HGB/Freise aaO Art. 36 [X.] Rn. 6).

Büscher                         Pokrant                     Schaffert

                 [X.]

Meta

I ZR 115/12

09.10.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 31. Mai 2012, Az: 12 U 2078/10

Art 1 § 3 CIM, § 407 HGB, §§ 407ff HGB, § 452 S 1 HGB, Art 27 Abs 1 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.10.2013, Az. I ZR 115/12 (REWIS RS 2013, 2169)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2169

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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