Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2022, Az. 2 StR 100/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4459

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Gegenstand

Strafsache: Beihilfe durch Zurverfügungstellen einer Wohnung zur Begehung von Straftaten; Rückschluss aus dem Schweigen der Angeklagten


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. November 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen schweren [X.]s sowie wegen Beihilfe zum versuchten schweren [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat es [X.] getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen bewohnte die Angeklagte im Zeitraum Ende 2020 bis etwa Mitte April 2021 eine Wohnung im Erdgeschoss in der [X.] in [X.] zusammen mit ihrem damaligen Freund, dem gesondert verfolgten [X.]  , der jedoch nicht dort gemeldet war. Die Wohnung hatte über ein rückwärtiges Fenster direkten Zugang über den Garten auf das im Übrigen eingezäunte Firmengebäude der [X.], die verschiedene Handwerkerleistungen anbietet.

3

Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 31. März 2021 schloss sich die Angeklagte mit den gesondert verfolgten [X.]  , [X.]und [X.]zu einer Bande zur fortgesetzten Begehung von [X.] zusammen, wobei der gesondert verfolgte [X.]als Hehler fungieren sollte. Die Wohnung der Angeklagten sollte als Basis für die Diebestouren dienen, mit denen sich die Bandenmitglieder eine Einnahmequelle von gewisser Dauer und Erheblichkeit verschaffen und so ihren Lebensunterhalt bestreiten wollten.

4

Am 31. März 2021 um 4.06 Uhr betraten die Angeklagte sowie [X.]  , [X.]und [X.]‒ gefilmt von einer Überwachungskamera ‒ durch das rückwärtige [X.] das Firmengelände der [X.], hebelten die Zugangstür zu dem Bürokomplex auf und entwendeten diverse elektrische Geräte, Werkzeuge sowie mehrere Fahrzeugschlüssel zu auf dem Innenhof des Firmengeländes geparkten Fahrzeugen. Mit einem [X.] und einem [X.], die einige Tage später beschädigt aufgefunden wurden, fuhren sie vom Hof. Der [X.] entstand für die entwendeten Gegenstände ein Schaden in Höhe von 23.550 Euro (Fall 1 der Urteilsgründe).

5

Am 5. April 2021 betraten [X.]   , [X.]und [X.]um 1.10 Uhr ‒ erneut aus dem rückwärtigen Fenster der Wohnung ‒ das Firmengelände der [X.], um mit den bei dem vorangegangenen Einbruch erbeuteten Schlüsseln weitere Fahrzeuge zu entwenden. Dieses Vorhaben scheiterte, weil Firmenmitarbeiter vorsorglich die [X.] mit schweren Kiessäcken blockiert hatten und weil alsbald die von Zeugen alarmierte Polizei eintraf. Die Angeklagte hielt sich während der Tatausführung nicht in der Wohnung auf, führte aber unmittelbar vor der Tat mehrere Telefonate mit dem gesondert verfolgten [X.]   (Fall 2 der Urteilsgründe).

6

2. a) [X.] hat aus „dem Gesamtzusammenhang“, dem auffälligen Telefonverhalten der Angeklagten unmittelbar vor Tatbegehung und aus dem Umstand, dass diese ihre damalige Wohnung als Ausgangspunkt zur Begehung auch der weiteren Tat zum Nachteil der [X.] zur Verfügung gestellt habe, gefolgt, dass die Angeklagte ‒ obwohl nicht vor Ort anwesend gewesen ‒ zu dem am 5. April 2021 begangenen [X.] Beihilfe geleistet habe. Zwar sei der Inhalt der Telefonate nicht bekannt, jedoch sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Angeklagte diese Tat nicht gebilligt habe. Zudem sei die Angeklagte auf die Erlöse aus der [X.] zur Finanzierung ihres Betäubungsmittelkonsums angewiesen gewesen.

7

b) Die auf einer stillschweigenden Abrede beruhenden [X.] der Angeklagten folge aus der die beiden abgeurteilten Taten verbindenden Logistik und der vergleichbaren Tatbegehung.

II.

8

Die Revision der Angeklagten hat Erfolg.

9

1. Die Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten schweren [X.] (Fall 2 der Urteilsgründe) hat keinen Bestand. Zwar ist das [X.] in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, dass im Zurverfügungstellen einer Wohnung zur Begehung von Straftaten grundsätzlich eine strafbare Beihilfehandlung liegen kann (vgl. Senat, Urteil vom 29. September 1993 ‒ 2 StR 397/93, [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 10; [X.], Beschluss vom 30. April 2013 ‒ 3 StR 85/13, [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 32). Nicht bedacht hat es jedoch, dass nach den Feststellungen nicht nur die Angeklagte als rechtliche Wohnungsinhaberin, sondern vielmehr auch der dort unangemeldet wohnhafte, gesondert verfolgte [X.]   die tatsächliche „Wohnhoheit“ innehatte und die Wohnung beliebig zu seinen Zwecken nutzte. So hatte dieser die Angeklagte wenige Tage nach der zweiten Tat sogar aus der Wohnung „geworfen“.

Was die kurz vor Begehung der zweiten Tat mit dem gesondert verfolgten [X.]   geführten Telefonate unbekannten Inhalts anbelangt bleibt bereits offen, welchen relevanten Tatbeitrag die nicht ortsanwesende Angeklagte fernmündlich hätte leisten sollen. Dass die [X.] eine Billigung der Taten durch die Angeklagte daraus schließt, dass sie Gegenteiliges nicht vorgetragen habe, ist durchgreifend rechtsfehlerhaft. Aus dem Schweigen der Angeklagten, die sich zur Sache nicht eingelassen hat, dürfen keine ihr nachteiligen Schlüsse gezogen werden ([X.], NStZ 1995, 555; [X.], Urteil vom 2. April 1987 ‒ 4 StR 46/87, [X.]St 34, 324, 326 mwN).

Soweit die [X.] schließlich als Indiz für die Beteiligung der Angeklagten ihr Interesse am Erlös der [X.], auf den sie zur Finanzierung ihres Betäubungsmittelkonsums angewiesen gewesen sei, angeführt hat, steht dies in Widerspruch zu den [X.] betreffend eine mögliche Anordnung nach § 64 StGB. So hat das [X.] keine Gefahr für die Begehung künftiger erheblicher rechtswidriger Taten festzustellen vermocht, weil die Angeklagte ihren Drogenkonsum in der Vergangenheit „überwiegend durch Prostitution (und damit auf legale Weise) finanziert“ habe, ohne auf irgendwelche Einnahmen aus Beschaffungskriminalität angewiesen zu sein.

2. Die Aufhebung im Fall 2 der Urteilsgründe bedingt auch die Aufhebung der Verurteilung im Fall 1 der Urteilsgründe, weil die [X.] die ausgeurteilte [X.] der Angeklagten mit einer Gesamtschau beider Fälle begründet hat. Die Sache bedarf deshalb umfassend neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]     

      

Appl     

      

Meyberg

      

Schmidt     

      

Lutz     

      

Meta

2 StR 100/22

24.05.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 9. November 2021, Az: 60 KLs 18/21

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 27 Abs 1 StGB, § 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 261 StPO, § 337 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.05.2022, Az. 2 StR 100/22 (REWIS RS 2022, 4459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4459

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