Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2011, Az. 1 StR 592/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7589

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 592/10 vom 13. April 2011 in der Strafsache 1. 2. wegen Untreue - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 13. April 2011 beschlossen: Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2010 werden als unbegründet [X.]. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Gründe: [X.] Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Untreue in zwei Fällen zu einer zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstre-ckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, den Angeklagten [X.]hat es we-gen Untreue in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren ver-urteilt. 1 Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, die sie auf Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge stützen. Die Nach-prüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). 2 I[X.] Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] bedarf nähe-rer Erörterung lediglich die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue 3 - 3 - (§ 266 StGB) im Zusammenhang mit zwei Kreditaufnahmen. Auch diese hält umfassender sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. 1. Nach den [X.] Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte [X.]im Tatzeitraum Erster Bürgermeister der Marktgemeinde [X.], der Angeklagte [X.]

deren Kämmerer (zugleich Leiter der [X.]). Nach der Haushaltssatzung der Marktgemeinde war die Aufnahme von Kassenkrediten (Art. 73 [X.]) bis zu einer Höhe von insgesamt 3 Mio. Euro gestattet. Um zu verschleiern, dass dieser Betrag (als Summe aus einem Kontokorrentkredit und —festen Kassenkreditenfi mit fixen Zinsen und [X.]) seit dem Jahr 2001 zum Teil erheblich überschritten wurde, ver-buchten die Angeklagten - beginnend mit dem Jahresabschluss für den [X.] - im Haushaltsjahr angefallene Ausgaben in das darauf folgende. Mit Einnahmen verfuhren sie umgekehrt. Über das Jahresende weiterlaufende feste Kassenkredite wurden nicht ausgewiesen. Dem [X.] präsentierten die Angeklagten auf diese Weise einen von ihnen so [X.] —ordentlichen Haushaltfi, der Schuldenstand der Marktgemeinde [X.] sich ständig reduziert, für als erforderlich dargestellte Investitionen seien Kreditaufnahmen —nicht mehr geplantfi (Haushalt 2007) bzw. —nicht vorgesehenfi (Haushalt 2008). Im Vertrauen auf diese Angaben beschloss der [X.] jeweils die vorgeschlagenen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen. 4 Um die bestehenden und dem [X.]rat vorenthaltenen Finanzie-rungslücken zu decken (die den Angeklagten bekannte Summe bestehender Kassenkredite belief sich bereits auf mehr als 4 Mio. Euro), nahmen die Ange-klagten im Juli 2007 und im März 2008 für die Marktgemeinde weitere feste Kassenkredite in Höhe von jeweils 2 Mio. Euro auf, wobei sie gegenüber den Kreditgebern wahrheitswidrig behaupteten, die gesetzlichen und [X.] - 4 - gen Bestimmungen seien eingehalten. Die [X.] wurden Konten der [X.] [X.] und —sämtlich für Aufgaben der [X.] [X.] ([X.]). 2. Das [X.] hat die Kreditaufnahmen - ebenso wie die drei Fälle, in denen der Angeklagte [X.]private Aufwendungen über den [X.]-haushalt abgerechnet und sich dadurch persönlich bereichert hat - jeweils als Untreue (§ 266 StGB) gewertet. Der Marktgemeinde [X.] sei durch die pflichtwidrige Kreditaufnahme ein Schaden in Höhe der Zinsverpflichtung ge-genüber der Bank (88.279,94 Euro und 92.766,67 Euro) entstanden; es sei nicht feststellbar, dass das Ermessen des allein zur Entscheidung berufenen [X.]rats hinsichtlich der Investitionen aus dem Bereich kommunaler Pflichtaufgaben (Art. 57 Abs. 1 [X.]) in zeitlicher Hinsicht oder der Höhe nach —auf Null reduziert gewesen [X.] ([X.]). 6 3. Dies ist frei von [X.]. 7 a) Die Angeklagten, deren Amtsstellung vermögensrechtliche Aufgaben umfasste, waren der Marktgemeinde gegenüber vermögensbetreuungspflichtig (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2007 - 5 [X.], [X.], 579; [X.], Urteil vom 9. Dezember 2004 - 4 [X.], [X.], 83; [X.], Urteil vom 8. Mai 2003 - 4 [X.], [X.], 540; [X.], Beschluss vom 20. Mai 1994 - 2 StR 202/94, [X.], 586). Der Angeklagte [X.] hat [X.] missbraucht, weil er gemäß Art. 38 Abs. 1 [X.] die [X.] im Außenverhältnis wirksam verpflichtete. Der Angeklagte [X.] handel-te treuwidrig. Es wurden entgegen den Bestimmungen der Haushaltssatzung und entgegen Art. 73 [X.], die jeweils - zumindest mittelbar - dem Schutz des gemeindlichen Vermögens dienen, weitere (feste) Kassenkredite aufge-nommen. Für die Investitionen, die nicht aus dem Vermögenshaushalt der [X.] - 5 - meinde bestritten werden konnten und deren Finanzierung - auch nach dem [X.] - die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Kredite bedingte, hätte es einer in der Haushaltssatzung festzusetzenden (Art. 63 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) und genehmigungspflichtigen (Art. 71 Abs. 2 [X.]) [X.] bedurft. Kassenkredite dürfen nicht dazu einge-setzt werden, Investitionen zu finanzieren, sondern dienen ausschließlich der Erhaltung der Kassenliquidität bzw. der Behebung oder Überbrückung von [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.]ordnung des [X.], Art. 73 GO Erl. 3.; [X.]/[X.], [X.], Art. 73 GO Rn. 2; [X.]/[X.]/[X.], [X.] [X.]ordnung, Art. 73 GO Rn. 2 f.). b) Durch die Kreditaufnahme haben die Angeklagten der [X.] in Höhe der Kreditzinsen einen Vermögensnachteil zugefügt. 9 aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] kann Untreue i.S.d. § 266 StGB auch bei Verstößen gegen haushaltsrechtliche Vorgaben [X.] gegeben sein (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2003 - 5 [X.], NJW 2003, 2179; [X.], Urteil vom 17. April 2002 - 2 StR 531/01, [X.], 237; [X.], Urteil vom 14. Dezember 2000 - 5 [X.], [X.], 248; [X.], Urteil vom 4. November 1997 - 1 [X.], [X.]St 43, 293; [X.], Urteil vom 21. Oktober 1994 - 2 StR 328/94, [X.]St 40, 287; [X.], Urteil vom 6. Mai 1986 - 4 [X.], [X.], 455; [X.], Urteil vom 1. August 1984 - 2 StR 341/84, [X.], 549; vgl. auch [X.] in MünchKomm-StGB, § 266 Rn. 219 ff.; [X.] in [X.], StGB, § 266 Rn. 94 ff. [X.]). § 266 StGB schützt jedoch als ein Vermögens- und [X.] ([X.], Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, Rn. 115) nur das (private oder öffentliche) Ver-mögen des Geschäftsherrn oder [X.] als Ganzes, nicht aber seine [X.] - 6 - positionsbefugnis. Deshalb begründet nicht jeder Verstoß gegen haushalts-rechtliche Vorschriften einen Vermögensnachteil. Vielmehr bedarf es auch in Fällen pflichtwidriger Verfügungen über Haushaltsmittel der eigenständigen, wirtschaftlich nachvollziehbaren Feststellung, dass das Vermögen des Berech-tigten im Ganzen in einer bestimmten Höhe unter Berücksichtigung der durch die Verfügung erlangten [X.] vermindert ist (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2003 - 5 [X.], NJW 2003, 2179; [X.], Urteil vom 4. No-vember 1997 - 1 [X.], [X.]St 43, 293 jew. [X.]). [X.]) Nach der Haushaltssatzung sollten die beschlossenen [X.] ausschließlich aus dem Vermögenshaushalt bestritten werden. Die Ange-klagten haben für die genehmigten Zwecke - Tief- und Hochbaumaßnahmen - die falschen [X.] (Darlehen) eingesetzt. Durch die Verpflichtung zur Zahlung von Kreditzinsen haben sie dem Haushalt ohne Gegenwert für die [X.] [X.] in Höhe dieser Zinsen endgültig und dauerhaft entzogen. Die Darle-hensaufnahme stellt angesichts der Rückzahlungsverpflichtung keinen wirt-schaftlichen Vorteil für die [X.] dar, ein anderer wirtschaftlicher Vorteil ist nicht ersichtlich. Auf das angestrebte oder erhoffte wirtschaftliche Gesamter-gebnis am Ende des Haushaltsjahres kommt es nicht an ([X.], Urteil vom 17. April 2002 - 2 StR 531/01, [X.], 237 [X.]; [X.] in [X.], § 266 Rn. 219). Vage oder nur mittelbare Vorteile aus der - wenn auch von Anfang an beabsichtigten - Verwendung der Kreditmittel für kommu-nale Baumaßnahmen (die Revision nennt z.B. die erhöhte Attraktivität der [X.]) stellen keinen den Nachteil ausgleichenden vermögenswerten Vorteil dar. Im Übrigen ergeht sich die Revision insoweit - was in der Natur derartiger Überlegungen liegt - in reinen Spekulationen. Der in der pflichtwidrig eingegan-genen Zinszahlungsverpflichtung liegende Schaden hat sich - sukzessive - in 11 - 7 - voller Höhe realisiert und konnte - rechtsfehlerfrei - in dieser Höhe der [X.] der Angeklagten zugrunde gelegt werden. Die Angeklagten können sich hier auch nicht darauf berufen, durch einen von ihnen durch Manipulationen und Täuschung herbeigeführten [X.]-ratsbeschluss oder aufgrund der Dringlichkeit der die Kreditaufnahme bedin-genden Investitionen zum [X.]einsatz verpflichtet gewesen zu sein oder der Marktgemeinde eine sonst unumgängliche Inanspruchnahme anderweitiger Mit-tel oder eine anderweitige Kreditaufnahme erspart zu haben. Eine Ermessens-reduzierung auf Null war nicht feststellbar, ebenso wenig, dass der Gemeindrat auch bei Kenntnis der wahren Vermögensverhältnisse die Investitionen mit [X.] beschlossen hätte. 12 c) Die Feststellungen des [X.]s begründen tragfähig den Vorsatz der Angeklagten hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit und hinsichtlich des aufgezeig-ten Vermögensschadens, auch wenn die Kreditaufnahmen ohne unmittelbaren Eigennutz für die Angeklagten erfolgten. Die Angeklagten handelten in Kenntnis aller Tatumstände, ihnen war die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens und des [X.] bewirkten Vermögensschadens bewusst. Obwohl der Angeklagte [X.] den Angeklagten [X.] wiederholt und ausdrücklich auf die Notwendigkeit eines Nachtragshaushalts hinwies, unterließ dieser es, einen entsprechenden Beschluss herbeizuführen, —um sein Renommee als erfolgreicher Bürgermeister im Hinblick auf die anstehende Landratswahl nicht zu [X.] ([X.]). Hieraus den Schluss zu ziehen, die Angeklagten haben den Eintritt des oben dargestellten Vermögensschadens zumindest billigend in Kauf genommen, ist möglich - wenn nicht sogar nahe liegend. Die allgemeine Absicht, mit den pflichtwidrigen Handlungen —letztlichfi (aber nach eigenem Gutdünken) den Inte-ressen des [X.] nicht schaden oder ihnen dienen zu wollen, schließt den 13 - 8 - Vorsatz nicht aus [X.], StGB, 58. Aufl., § 266 Rn. 175 mit Hinweis auf [X.], Urteil vom 29. August 2008 - 2 StR 587/07 Rn. 48, [X.]St 52, 323, 329). 4. Angesichts der Schadenshöhe hat die Strafkammer den Strafrahmen zutreffend den §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB entnom-men. Rechtsfehler bei der vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmenden Strafzumessung werden von der Revision nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. 14 Nack Rothfuß Hebenstreit Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Elf Nack

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1 StR 592/10

13.04.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.04.2011, Az. 1 StR 592/10 (REWIS RS 2011, 7589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7589

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