Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. B 3 KR 16/16 R

3. Senat | REWIS RS 2017, 8859

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenkasse - Apotheker - Geltendmachung einer Vertragsstrafe wegen Pflichtverstoß im Wege einer Leistungsklage und nicht durch Verwaltungsakt


Leitsatz

Krankenkassen haben auf Pflichtverstöße gestützte rahmenvertraglich vorgesehene Vertragsstrafen gegenüber Apothekern wegen Fehlens eines Subordinationsverhältnisses zwischen den Rahmenvertragspartnern im Wege einer Leistungsklage und nicht durch Verwaltungsakt geltend zu machen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 20. September 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 6560 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Vertragsstrafe im Zusammenhang mit der Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) mit Arzneimitteln durch eine Apotheke.

2

Die Arzneimittel "Metoprolol Succinat Beta 47.5" und "[X.]" waren in den Monaten Juni und Juli 2011 Gegenstand eines Rabattvertrags zwischen der klagenden [X.] (die zugleich die Funktion eines Krankenkassen-Landesverbandes innehat) und dem Hersteller dieser Arzneimittel. Beide Arzneimittel standen in diesen Monaten indessen noch nicht für die Belieferung an Apotheken zur Verfügung. In beiden Monaten gab die Beklagte als Inhaberin einer Apotheke in M. deshalb in insgesamt 44 Fällen andere wirkstoffgleiche Arzneimittel an Versicherte der Klägerin ab. Gleichwohl bedruckte die Beklagte die entsprechenden ärztlichen Verordnungen mit der [X.] ([X.]) der [X.]. Anschließend legte die Beklagte die mit diesem Aufdruck versehenen Verordnungen der Klägerin zur Abrechnung vor und erhielt diese entsprechend den Verordnungen vergütet. Ähnliche Vorfälle traten in ca 1200 Apotheken auf.

3

Ein auf den Sachverhalt gestütztes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte wurde - mangels eines mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führenden strafbaren Verhaltens - eingestellt. Die Beklagte hatte insoweit [X.] angegeben, sie habe seinerzeit noch mit veralteter Computersoftware gearbeitet, sodass die Verordnungsblätter ohne Prüfung der Verfügbarkeit des verordneten Arzneimittels mit der [X.] bedruckt worden seien; es sei "wohl versehentlich versäumt" worden, die [X.] manuell zu korrigieren.

4

In der Folge stimmte sich die Klägerin mit dem [X.] ([X.]) über die Verhängung von Vertragsstrafen bezüglich der Falschabrechnungen und deren Berechnung ab. Ferner informierte die Klägerin den [X.] ([X.]) über beabsichtigte Verwarnungen und Vertragsstrafen gegenüber zehn Apotheken auf der Grundlage des bundesweit geltenden Rahmenvertrags über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 [X.]B V und des in [X.] geltenden [X.] über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 5 [X.]B V; diese Apotheken hätten in den beiden Monaten zwischen 37 und 120 Packungen fehlerhaft abgerechnet. Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Verwarnung/Vertragsstrafe von 9200 Euro äußerte der [X.] [X.], die Vertragsstrafen seien nach Art sowie Höhe unverhältnismäßig und willkürlich; stattdessen sei eine "deutliche Verwarnung" ausreichend und angemessen.

5

Mit Schreiben vom 28.11.2012 forderte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe von 6560 Euro: Die Beklagte habe mit ihren Falschabrechnungen in 44 Fällen schwerwiegende Pflichtverletzungen begangen und dadurch das Vertrauensverhältnis schwer und nachhaltig beschädigt. Die in den [X.] noch geltende Friedenspflicht (wegen Nichtlieferfähigkeit der Arzneimittel) rechtfertige das Fehlverhalten der Apotheken nicht, sondern habe diese nur von der Pflicht zur Abgabe des Rabattarzneimittels befreit.

6

Die Beklagte führte nachfolgend [X.] aus, dass der Klägerin allenfalls ein [X.] von maximal 18,92 Euro entstanden sei und keinesfalls von Abrechnungsmanipulationen gesprochen werden könne. Die Klägerin habe den Apotheken vielmehr den Verkauf eines Arzneimittels aufoktroyiert, das gar nicht verfügbar gewesen sei.

7

Die Klägerin hat daraufhin gegen die Beklagte Klage auf Zahlung der Vertragsstrafe von 6560 Euro nebst Zinsen erhoben. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klägerin das dafür nötige Rechtsschutzbedürfnis fehle. Sie habe die Forderung nämlich selbst durch einen Verwaltungsakt (VA) festsetzen können. Unabhängig davon sei das Vertragsstrafenverlangen in mehrfacher Hinsicht sachlich unberechtigt (Urteil vom 20.1.2015).

8

Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Da sie eine Vertragsstrafe bei fehlerhafter Abrechnung im Rahmen der Arzneimittelversorgung nur nach Ausübung von Ermessen und nur mittels VA geltend machen könne, sei eine Leistungsklage mangels [X.] unzulässig. Die Verhängung einer Vertragsstrafe durch eine Krankenkasse erfülle alle Voraussetzungen eines VA iS von § 31 S 1 [X.]B X. Die entsprechende [X.] ergebe sich aus § 129 Abs 4 [X.]B V iVm Regelungen des für die Belieferung einschlägigen Rahmenvertrags und des landesrechtlichen Zusatzvertrags. Das dem Rahmenvertrag zugrunde liegende [X.] führe nicht zwingend zum Ausschluss einer [X.] für Sanktionen. Die bislang ergangene Rechtsprechung des B[X.] betreffe ausschließlich Erstattungsansprüche der Krankenkassen und Retaxierungen. Auch der für das Vertragsarztrecht zuständige 6. Senat des B[X.] bejahe bei Sanktionen gegen Vertragsärzte zu Gunsten der Krankenkassen in ständiger Rechtsprechung eine [X.]. Der Wortlaut des § 129 Abs 4 [X.]B V spreche auch bei den Apothekern eher für eine solche Befugnis als für ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß bzw analog § 315 Abs 1 BGB. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs 2 [X.]B V sei zudem als öffentlich-rechtlicher [X.] auch unabhängig von einer durch Mitgliedschaft oder Beitritt vermittelten Einverständniserklärung der Apotheke wirksam; dies schließe die Bewertung als bloßes - zudem viel zu unbestimmtes - [X.] aus. Gleiches folge aus § 11 Abs 1 Rahmenvertrag. Sanktionen bis hin zum zweijährigen Ausschluss eines Apothekenleiters von der Versorgung der Versicherten erschienen wegen des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs schwerlich nur im Wege einer bloßen Leistungsklage durchsetzbar. Bei alledem könne offenbleiben, ob § 129 Abs 4 [X.]B V überhaupt eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Ermächtigungsgrundlage sei, ob das Benehmen der Klägerin mit dem [X.] wirksam hergestellt worden sei und ob die konkrete Vertragsstrafe verhältnismäßig sei (Urteil vom 20.9.2016).

9

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin - mit umfänglichem Vorbringen - sinngemäß [X.] die Verletzung von § 54 [X.]G, § 129 Abs 2 und 5 [X.]B V und § 31 S 1 [X.]B X. Das L[X.] nehme nicht die ständige Rechtsprechung des 3. Senats des B[X.] in den Blick, wonach zwischen den Parteien eines Rahmenvertrags über die Beziehungen zwischen Apotheken und Krankenkassen nach § 129 Abs 2 und 5 [X.]B V ein [X.] bestehe. Diese Gleichordnung stehe der Annahme einer [X.] in Bezug auf vertragsgestützte Sanktionen entgegen. Eine Parallele zur Sit[X.]tion im Vertragsarztrecht lasse sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ziehen, schon weil Vertragsärzte kraft Gesetzes Mitglied einer Kassenärztlichen Vereinigung seien und § 81 Abs 5 [X.]B V den Erlass von [X.] vorsehe. Auch eine Vergleichbarkeit mit dem Handeln [X.] oder staatlicher Aufsichtsbehörden sei nicht gegeben. Einseitigkeit und Sanktionscharakter von Maßnahmen seien keine Anzeichen von ausgeübter Hoheitsgewalt, vielmehr gebe es Vertragsstrafen auch in zivilrechtlichen Verträgen zwischen [X.]. An Grundrechte und verfahrensrechtliche Mindesterfordernisse (Anhörung, Ermessen) seien die Krankenkassen unabhängig von der Rechtsform ihres Handelns gebunden. Anderes folge auch nicht aus der Rechtsnatur des Rahmenvertrags als normsetzender Vertrag. Es gebe schließlich auch gar keine dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes entsprechende Grundlage für das Handeln durch VA ("[X.]"). Auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei die Festsetzung von Vertragsstrafen durch Leistungsklage (und nicht durch VA) anerkannt, zumindest bestehe insoweit ein Wahlrecht des Handelnden. Die Leistungsklage sei zudem - wie näher ausgeführt wird - begründet.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts [X.] vom 20. September 2016 und des [X.] vom 20. Jan[X.]r 2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr (der Klägerin) eine Vertragsstrafe in Höhe von 6560 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 18. Jan[X.]r 2013 zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.] aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Der [X.] sieht die Revision der klagenden [X.] (zugleich ein [X.]rankenkassen-Landesverband iS von § 207 Abs 4 [X.]) - auch unter dem Blickwinkel der sich aus § 164 Abs 2 S 3 [X.] ergebenden Begründungserfordernisse - (noch) als zulässig an. Diese Revision ist im Sinne der Aufhebung des [X.] und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 [X.]) begründet.

Die Vorinstanzen haben die [X.]lage zu Unrecht aus prozessrechtlichen Gründen abgewiesen. Entgegen der Ansicht des SG und des [X.] ist die von der [X.]lägerin gegen die beklagte Apothekerin erhobene echte Leistungsklage nicht unzulässig. Es fehlt der [X.]lage nicht an einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis im Hinblick darauf, dass die [X.]lägerin die gegenüber der Beklagten verhängte Vertragsstrafe ohne ein [X.]lageverfahren unmittelbar durch [X.] hätte festsetzen können (dazu 1. und 2.). Der [X.] kann allerdings mangels dazu hinreichender Feststellungen des [X.] nicht abschließend selbst in der Sache über den Erfolg der Revision entscheiden (dazu 3.).

1. Die von der klagenden [X.]rankenkasse erhobene Leistungsklage auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 6560 Euro nebst Zinsen war entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht unzulässig.

Zwar ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass der Leistungsklage einer Behörde das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn sie das mit der [X.]lage verfolgte Ziel auf einfacherem Weg, insbesondere durch Erlass eines [X.] erreichen kann ([X.]-1500 § 54 [X.] 22; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, Rd[X.] 17 vor § 51 mwN). Unbeschadet der Frage, ob eine Entscheidung mittels [X.] über das Eingreifen einer Vertragsstrafe nach der dem vorliegenden Fall zugrunde liegenden, grundsätzlich vertragsrechtlich ausgestalteten [X.]onstellation überhaupt rechtlich zulässig war (dazu näher im Folgenden 2.), gilt dies indessen nicht uneingeschränkt. So kann eine Leistungsklage auch dann prozessrechtskonform erhoben werden, wenn Zweifel daran bestehen, ob im konkreten Fall aus Rechtsgründen überhaupt durch [X.] entschieden werden dürfte. Eine Behörde kann dann, wenn (wie nach der Vorkorrespondenz im vorliegenden Fall) ohnehin mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen ist und die Zulässigkeit des Ergehens eines [X.] Zweifel aufwerfen kann (wie hier die gegensätzlichen im Revisionsverfahren von den Beteiligten eingenommenen Positionen zeigen), freiwillig die schwächere Rolle eines [X.]lägers wählen und braucht sich nicht des Instruments eines [X.] zu bedienen. In einem derartigen Fall kann die Behörde vielmehr gegen den Schuldner im Wege der Leistungsklage vorgehen (so [X.] <7. [X.]> [X.] 3-7610 § 823 [X.] 5 S 8; [X.] <11. [X.]> E 66, 176, 181 f = [X.] 3-4100 § 155 [X.] 1 ; ebenso BVerwGE 80, 164, 165 f = [X.] 11 Art 8 GG [X.] 4 mwN <[X.]ostenerstattungsanspruch für Sonderstraßenreinigung>). Damit besteht für das Vorgehen einer Behörde in derartigen oder vergleichbaren [X.]onstellationen faktisch ein Wahlrecht, zumal auch nicht erkennbar ist, dass der Rechtsschutz des Betroffenen insoweit wesentlich verkürzt wird.

2. Unbeschadet dessen verhält es sich unter Zugrundelegung der schon ergangenen - gefestigten - Rechtsprechung des erkennenden 3. [X.]s des [X.] zu ähnlichen [X.]onstellationen bei Streitigkeiten über Inhalt und Befugnisse der [X.]rankenkassen aus öffentlich-rechtlichen Verträgen mit nichtärztlichen Leistungserbringern so, dass der Erlass von [X.]en durch [X.]rankenkassen in diesem Bereich grundsätzlich ausgeschlossen ist, weil ein Gleichordnungssystem und kein Subordinationsverhältnis zwischen den Beteiligten besteht. Dies gilt gerade auch im Verhältnis zu Apotheken nach §§ 129 ff [X.] (vgl bereits [X.], 194, 197 = [X.] 3-2500 § 129 [X.] 1 S 3 f; [X.], 213 Rd[X.] 8 = [X.] 4-5570 § 30 [X.] 1 Rd[X.] 7; zuletzt [X.] vom [X.] [X.]R 17/14 R, [X.] 4-2500 § 130 [X.] 3 Rd[X.] 10 mwN).

a) Obwohl die Beziehungen zwischen [X.]rankenkassen einerseits und nichtärztlichen Leistungserbringern in der ambulanten Versorgung andererseits bei Heil-, Hilfs- und Arzneimitteln (sowie auch bei [X.]rankenhausbehandlung) im [X.] jeweils bereichsspezifisch unterschiedlich geregelt sind, besteht insoweit die übergreifende Gemeinsamkeit, dass diese Beziehungen durch ein Vertragsregime gekennzeichnet sind, welches im [X.] durch die Gleichordnung der beteiligten Rechtssubjekte geprägt ist.

Demgemäß entscheiden die [X.]rankenkassen bzw ihre Verbände jedenfalls über Einzelfragen, die innerhalb eines vertraglich geprägten Sonderrechtsverhältnisses auftreten, nicht durch [X.]. Soweit Fragen innerhalb dieses vertraglichen Rahmens (nur) Einzelheiten der Befugnis zur Abgabe und Abrechnung bestimmter Leistungen zu Lasten der [X.] zum Gegenstand haben, müssen die [X.]rankenkassen - bei nicht einvernehmlich mit Hilfe des [X.] konfliktfrei lösbaren Streitigkeiten - selbst gerichtlichen Rechtsschutz im Wege der Leistungsklage nach § 54 Abs 5 [X.] suchen. Wie der [X.] bereits wiederholt entschieden hat, gilt Gleiches umgekehrt für Apotheker, für [X.] ihrer (freiwilligen) Mitgliedschaft in einem vertraglich gegenüber den [X.]rankenkassen gebundenen Apothekerverband oder [X.] gesonderten (freiwilligen) Beitritts (vgl § 129 Abs 3 [X.] 1 und 2 iVm Abs 5 [X.]) die rahmenvertraglichen Regelungen - unbeschadet ihrer rechtlichen Einordnung als [X.] (vgl dazu [X.] [X.] 4-2500 § 130 [X.] 3 Rd[X.] 12 mwN) - Anwendung finden. Das Rechtsschutzbegehren eines Apothekers, der von den [X.]rankenkassen vertretene Rechtspositionen bzw von ihnen geltend gemachte Ansprüche für rechtswidrig und als seine eigenen Rechte verletzend erachtet, kann daher nach ständiger Rechtsprechung auch nicht im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs 4 [X.] verfolgt werden, sondern - so die prozessuale [X.]onsequenz - im Wege einer allgemeinen Leistungsklage (so zum Ganzen: [X.], 194, 197 = [X.] 3-2500 § 129 [X.] 1 S 3 f; [X.], 213 Rd[X.] 8 = [X.] 4-5570 § 30 [X.] 1 Rd[X.] 7; [X.] [X.] 4-2500 § 129 [X.] 1 Rd[X.] 10 mwN; [X.] [X.] 4-2500 § 129 [X.] 2 Rd[X.] 13; [X.], 157 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 5, Rd[X.] 12 ff mwN; [X.] <1. [X.]> E 106, 303 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 6, Rd[X.] 10, 13; [X.]E 120, 122 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 11, Rd[X.] 14 mwN; ähnlich aus dem [X.] zB: [X.]E 66, 159, 161 = [X.] 3-2200 § 376d [X.] 1; [X.] [X.] 4-2500 § 124 [X.] 4 Rd[X.] 14; [X.] [X.] 4-2500 § 125 [X.] 6 Rd[X.] 11 f mwN; [X.]surteil vom 16.3.2017 - B 3 [X.]R 24/15 R - Juris Rd[X.] 13, zur [X.] in [X.]E und [X.] vorgesehen, s insoweit [X.]-Terminbericht [X.] 8/17 vom 16.3.2017 zu Fall 1 - im [X.] an [X.] [X.] 4-2500 § 125 [X.] 6 Rd[X.] 11 ; aus dem Hilfsmittelbereich: [X.] [X.] 4-2500 § 127 [X.] 5 Rd[X.] 9 mwN; [X.]E 115, 40 = [X.] 4-2500 § 302 [X.] 1, Rd[X.] 11 mwN; aus dem [X.]rankenhausbereich [X.]E 86, 166, 167 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 1; [X.]E 90, 1 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 3 S 20; [X.]E 100, 164 = [X.] 4-2500 § 39 [X.] 12, Rd[X.] 10; [X.]E 102, 172 = [X.] 4-2500 § 109 [X.] 13, Rd[X.] 9; [X.]E 120, 122 = [X.] 4-2500 § 129 [X.] 11, Rd[X.] 14 mwN; [X.] [X.] 4-2500 § 129a [X.] 1 Rd[X.] 11 mwN ). An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest.

b) Im vorliegenden Streit über die Berechtigung eines Vertragsstrafenverlangens lässt sich - entgegen der Ansicht des [X.] - aus den gesetzlichen Regelungen dem einschlägigen vertraglichen Regelwerk nicht ausnahmsweise etwas Abweichendes im Sinne einer Anerkennung der Befugnis oder Berechtigung einer [X.]rankenkasse zum Erlass eines [X.] gegenüber einem Apotheker herleiten.

aa) § 11 des bundesweit geltenden zwischen dem [X.]-Spitzenverband und dem [X.] eV geschlossenen "Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs 2 [X.]" idF vom 1.2.2011 lautet wie folgt:

"(1) Bei Verstößen gegen § 129 Absatz 1 [X.], gegen die Auskunftspflicht nach § 293 Absatz 5 Satz 4 [X.], gegen diesen Rahmenvertrag oder gegen die ergänzenden Verträge nach § 129 Absatz 5 [X.] können die zuständigen Landesverbände der [X.]rankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen nach Anhörung des Betroffenen, bei Mitgliedsapotheken im Benehmen mit dem zuständigen Mitgliedsverband des [X.]es, folgende [X.] aussprechen:
 1. Verwarnung
 2. Vertragsstrafe bis zu 25.000 Euro
 3. bei gröblichen und wiederholten Verstößen Ausschluss des Apothekenleiters/der
 Apothekenleiterin von der Versorgung der Versicherten bis zur Dauer von zwei Jahren.

(2) [X.] nach Absatz 1 Ziffer 1 und 2 können auch nebeneinander verhängt werden."

§ 5 des zwischen der [X.]lägerin (und einer weiteren [X.]rankenkasse) einerseits und dem [X.] andererseits geschlossenen "Ergänzungsvertrag zum Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 [X.] in [X.]" (Stand 1.4.2005) hat nach den Feststellungen des [X.] folgenden Inhalt:

"(1) Erfüllt eine Apotheke die sich aus diesem Vertrag ergebenden Vertragsverpflichtungen nicht, so können Maßnahmen gemäß § 6 in Betracht kommen. Bei [X.] durch einen Vertragspartner ([X.]rankenkasse, [X.]) gilt diese Regelung entsprechend.

(2) Als schwere Vertragsverstöße gelten insbesondere:
a) Zahlung von Vergütungen für die Zuweisung von Versicherten oder von Verordnungen,
b) Berechnung nicht ausgeführter Leistungen und Lieferungen
c) Abrechnung von Leistungen [X.] gemäß § 129 [X.]
d) unberechtigte Änderungen der ärztlichen Verordnung
e) Verstoß gegen § 7 Abs. 1 und 2 (Regelungen zur Allgemeinen Zusammenarbeit)."

In § 6 des [X.] (Maßnahmen bei [X.], Wiedergutmachung des Schadens) heißt es danach: "Es gelten die Bestimmungen des Rahmenvertrages nach § 129 [X.]."

bb) Diesen Regelungen kann auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entnommen werden, dass dadurch [X.]rankenkassen trotz Fehlens eines Subordinationsverhältnisses ausnahmsweise aufgrund der gesetzlichen Ermächtigungen in § 129 Abs 2 bis 5 [X.] nur legitimiert sein sollen, gegenüber Apothekern ausdrücklich als solche bezeichnete "[X.]" ausschließlich durch [X.] durchzusetzen (so aber [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 129 Rd[X.] 41, 45, [X.]ommentierungsstand 12/2016). Abgesehen von dem dagegen sprechenden Wortlaut der Regelungen sollen nach § 5 Abs 1 S 2 iVm S 1 Ergänzungsvertrag die Maßnahmen nach § 6 Ergänzungsvertrag iVm § 129 [X.] bei [X.] durch die vertraglich gebundenen [X.]rankenkassen (= quasi Vertragspartner der [X.]) entsprechend gelten. Für einen solchen Fall ist aber das Verlangen des als eingetragener Verein privatrechtlich organisierten [X.] auf Festsetzung einer Vertragsstrafe gegen eine [X.]rankenkasse ohne entsprechende gesetzlich geregelte Befugnisse nicht möglich. Ein solches Recht oder gar eine Pflicht der allgemein strengeren öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegenden [X.]rankenkassenseite zum Vorgehen im Wege des [X.] bedürfte daher - ohne explizite gesetzliche oder untergesetzliche Regelung - unter dem Blickwinkel der Waffengleichheit jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung.

Parallelen zum Charakter von Maßnahmen der Aufsicht gegenüber Sozialversicherungsträgern (dazu [X.]E 31, 247, 249 = [X.] [X.] 1 zu § 690 RVO) oder zu den Befugnissen von mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben "Beliehenen" (dazu zB [X.] in von [X.]/Schütze, [X.], 8. Aufl 2014, § 31 Rd[X.] 11 mwN) lassen sich in diesem Zusammenhang in Bezug auf [X.]rankenkassen mangels klar erkennbaren, auf die streitige Materie bezogenen Beleihungsakts auch dann nicht ziehen, wenn man allgemein den Normenvertragscharakter der rahmenvertraglichen Regelungen mit in Rechnung stellt (aA demgegenüber - gleichermaßen für den [X.] - [X.], aaO, [X.] § 129 [X.] Rd[X.] 42, [X.]ommentierungsstand 12/2016).

c) Es ist auch insbesondere rechtlich nicht tragfähig, mit dem [X.] im vorliegend betroffenen Bereich des Leistungserbringungsrechts in Bezug auf die Befugnisse der [X.]lägerin im Verhältnis zu Apothekern Parallelen zu dem bereichsspezifisch detailliert ausgestalteten Vertragsarztrecht (§§ 72 ff [X.]) zu ziehen.

Anders als die [X.]assenärztlichen Vereinigungen in Ausübung des für Vertragsärzte geltenden [X.] nach der speziellen Regelung in § 81 Abs 5 [X.] nehmen die [X.]rankenkassen bzw ihre Verbände als Vertragspartner gegenüber betroffenen Apothekern bei der Geltendmachung von Vertragsstrafen keine vergleichbaren öffentlich-rechtlichen [X.] wahr (ebenso Hencke in [X.], Handbuch der [X.]rankenversicherung Teil II, [X.], § 129 [X.] Rd[X.] 11, [X.]ommentierungsstand 1.1.2012). Das vertragsärztliche Leistungserbringungsrecht enthält historisch gewachsene, in der [X.] einzigartig und detailliert in §§ 72 ff [X.] ausgestaltete Rechtsbeziehungen (dazu ausführlich jüngst [X.] Urteil vom 30.11.2016 - [X.] [X.]A 38/15 R - Juris Rd[X.] 43 ff, zur [X.] in [X.]E und [X.] 4-2500 § 75 [X.] 18 vorgesehen). Es weist durch Gesetz allein den [X.]assenärztlichen Vereinigungen als besondere auf der [X.] zwischengeschaltete Institution öffentlich-rechtliche Befugnisse im Verhältnis zu den bei ihr erfassten Vertragsärzten zu. Dort geht es dagegen nicht - wie im [X.] - um die Ausübung der den [X.]rankenkassen als auf der anderen Seite des Vertrags stehender Vertragspartner der Leistungserbringer im Einzelnen rahmenvertraglich zustehende Rechte. Regelungen aus dem besonderen Teilbereich des [X.] sind daher weder analogiefähig noch sonst einer unkritischen Übertragung von Rechtsgedanken auf das zwischen [X.]rankenkassen und Apotheken geltende Leistungserbringungsrecht (§§ 129 ff [X.]) zugänglich. Dies gilt jedenfalls ohne ausdrückliche gesetzliche Geltungsanordnung und anders als es für die allgemeinen Grundsätze über die Beziehungen der [X.]rankenkassen zu den Leistungserbringern bereichsübergreifend in §§ 69 bis 71 [X.] geregelt worden ist.

d) Für die Frage der rechtlichen Einordnung des Vorgehens der [X.]lägerin ist es schließlich ohne Belang, dass vorliegend ein [X.]omplex betroffen ist, mit dem sich die höchstrichterliche Rechtsprechung - die überwiegend Fragen der Vergütung und deren Rückzahlung bzw Erstattung von Leistungen zum Gegenstand hatte - bislang noch nicht befasst hat. Indessen besteht nach dem oben unter 2. a) dargestellten gemeinsamen rechtlichen Hintergrund in Bezug auf die Art und Weise der eigenen [X.] einer [X.]rankenkasse gegenüber Leistungserbringern kein wesentlicher Unterschied zu [X.] oder sonstigen Ansprüchen auf Rückzahlung gezahlter Vergütung, die auf rahmenvertraglicher Basis gegenüber Apothekern vorgenommenen wurde und für die der [X.] die Befugnis der [X.]rankenkassen, Ansprüche durch [X.] durchzusetzen, regelmäßig verneint hat (vgl erneut die dort zitierte Rechtsprechung des [X.]).

Ebenso nicht gerechtfertigt ist es, aus dem rechtlich gebotenen Anstellen von Ermessenserwägungen oder bestehenden Anhörungs- und Beteiligungspflichten unmittelbar Betroffener und Dritter darauf zu schließen, dass dies den Ausschlag für das Erfordernis des Handels mittels eines [X.] geben könne. Derartige Anforderungen vor Geltendmachung einer Vertragsstrafe können und müssen ggf gleichermaßen (rahmen-)vertraglich vereinbart werden und sagen nichts über die rechtlich zulässige Handlungsform bei einer bestimmten streitigen Maßnahme aus. Auch eine im [X.] vertraglich vorgesehene Vertragsstrafe darf nur unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit festgesetzt werden.

Vorliegend geht es darüber hinaus nicht um eine Vertragsstrafe, die die äußerste Grenze der rahmenvertraglich vorgesehenen Maßnahmen auch nur annähernd ausschöpfte (vgl § 11 Abs 1 [X.] 3 Rahmenvertrag: bis zu zweijähriger Ausschluss betroffener Apothekenleiter von der Versorgung der [X.]-Versicherten), sondern eine selbst die [X.] (= 25 000 Euro) deutlich unterschreitende Summe. Allenfalls mit Blick auf eine im Raum stehende besondere Eingriffsintensität könnte man aber möglicherweise erwägen, dass aus Gründen der durch Art 12 GG gewährleisteten Berufsfreiheit betroffener Apotheker ein besonderes rechtsförmiges Verfahren platzgreifen müsse. Insoweit ist indessen darauf hinzuweisen, dass zB auch in Teilbereichen des Zivil- und Arbeitsrechts das Einfordern von vereinbarten Vertragsstrafen bei geltend gemachten Pflichtverstößen gravierende Auswirkungen auf die existenzielle Lage eines Schuldners haben kann, ohne dass deshalb eine bestimmte Handlungsform des Gläubigers bei der Durchsetzung seiner vermeintlichen Ansprüche geboten wäre oder dass deshalb nicht hinnehmbare Defizite im Rechtsschutz der Betroffenen zu besorgen wären.

3. Der [X.] folgt nach alledem - abweichend vom Berufungsgericht - auch im zu entscheidenden Fall den oben aufgezeigten Grundsätzen. Dieses hat zur Folge, dass von einer Prüfung der Begründetheit der auf die Zahlung einer Vertragsstrafe von 6560 Euro gerichteten [X.]lage nicht abgesehen werden kann. Indessen hat das [X.] - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - ausdrücklich keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob den rechtlichen Anforderungen für eine Vertragsstrafe gemäß das Benehmen der [X.]lägerin mit dem [X.] hergestellt wurde und ob die konkrete Vertragsstrafe mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz/Übermaßverbot in Einklang steht. Feststellungen und damit zusammenhängende rechtliche Würdigungen müssen vom [X.] nachgeholt werden. Der [X.] musste die Sache daher nach § 170 Abs 2 S 2 [X.] an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

4. Die [X.]ostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des [X.] vorbehalten.

5. Die Entscheidung über den Streitwert für das Revisionsverfahren beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 G[X.]G.

Meta

B 3 KR 16/16 R

29.06.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mannheim, 20. Januar 2015, Az: S 9 KR 3065/13, Urteil

§ 129 Abs 2 SGB 5, § 129 Abs 5 SGB 5, § 31 S 1 SGB 10, § 54 Abs 5 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2017, Az. B 3 KR 16/16 R (REWIS RS 2017, 8859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8859

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