Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2020, Az. IX B 117/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 3487

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Durchgreifende Verfahrensrüge unterlassener Sachaufklärung - Berücksichtigung eines Beweisantrags


Leitsatz

NV: Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann .

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 29.10.2019 - 2 K 1093/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet.

2

Es liegt ein von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Finanzgerichts ([X.]) beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 [X.]O).

3

1. Das [X.] hat seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]O) verletzt, indem es den in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellten Antrag auf Vernehmung des als sachverständigen Zeugen präsenten [X.] übergangen hat.

4

a) Das [X.] hat gemäß § 76 Abs. 1 [X.]O den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 [X.]O) zu erheben. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 29.06.2011 - X B 242/10, [X.], 1715, Rz 8, und vom 11.04.2016 - X B 77/15, [X.], 1171, Rz 9; s.a. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 [X.]O Rz 39; Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 76 Rz 31, jeweils m.w.[X.]). Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags vor.

5

b) Auch verstößt das [X.] gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung, wenn es erhebliche Beweisantritte eines Beteiligten mit der Begründung übergeht, von der Erhebung des Beweises sei kein zweckdienliches Ergebnis zu erwarten ([X.] vom 23.12.2002 - III B 77/02, [X.]NV 2003, 502 Rz 10) oder weil das Gericht anhand anderer Indizien das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 81 [X.]O Rz 39). Dem steht es gleich, wenn das [X.] --wie hier-- ausführt, der Beweisantrag sei zum Nachweis des Geldabflusses hinsichtlich der geltend gemachten Umbaukosten in Höhe von [X.] "ungeeignet" und die Annahme der vom Zeugen ggf. zu bestätigenden Tatsache sei im Hinblick auf den Vortrag der Kläger im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren "unschlüssig".

6

c) Das Urteil des [X.] kann auf dem Übergehen des Beweisantrags beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das [X.] nach Vernehmung des Zeugen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Der sachverständige Zeuge [X.] hat in seinem zur Gerichtsakte gereichten Gutachten umfangreiche Angaben zu den Umbaumaßnahmen gemacht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass zumindest die Beweisaufnahme ergibt, dass ein Teil dieser Maßnahmen nicht in Eigenleistung erbracht und noch im Streitjahr beglichen worden ist. In diesem Fall wäre der bereits erfolgte Ansatz von Werbungskosten im Streitjahr 2006 ggf. noch im [X.] zu erhöhen.

7

2. Der Senat hält es für sachgerecht, nach § 116 Abs. 6 [X.]O zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

8

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

9

4. Von einer Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2  2. Halbsatz [X.]O ab.

Meta

IX B 117/19

05.06.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 29. Oktober 2019, Az: 2 K 1093/18, Urteil

§ 76 Abs 1 FGO, § 81 Abs 1 S 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2020, Az. IX B 117/19 (REWIS RS 2020, 3487)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3487

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX B 86/22 (Bundesfinanzhof)

Beweiserhebung durch Beteiligtenvernehmung; Verbot vorweggenommener Beweiswürdigung


VIII B 14/11 (Bundesfinanzhof)

NZB: unterlassene Beweiserhebung, Tatsachenunterstellung als wahr


X B 64/17 (Bundesfinanzhof)

Sachaufklärungspflicht - vorweggenommene Beweiswürdigung


V B 1/14 (Bundesfinanzhof)

Übergehen eines ordnungsgemäß gestellten Beweisantrags - Aufhebung eines Beweisbeschlusses - Unterlassene Zeugenvernehmung - Verstoß gegen …


X B 121/22 (Bundesfinanzhof)

Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines ordnungsgemäß gestellten Beweisantrags


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.