Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2014, Az. IX ZB 35/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5764

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB
35/12

vom

8. Mai 2014

in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
Brüssel I-VO Art. 1 Abs. 2 Buchst. b, Art. 34 Nr. 1;
[X.] Art. 1, Art. 26

a)
Die Frage, ob die [X.] oder die [X.] anwendbar ist, die lückenlos inei-nander greifen, ist hinsichtlich eines geltend gemachten [X.] nicht entscheidungserheblich, wenn sich die Auslegung des Art.
26 [X.] bei einer insolvenzbezogenen Einzelentscheidung in einem kontradiktorischen Verfah-ren an den zu Art. 34 Nr. 1 [X.] entwickelten Maßstäben orientiert (Fortfüh-rung von [X.], [X.], 45 Rn. 3).
b)
Zur Vollstreckbarerklärung einer zu Lasten eines Zeugen in einem [X.] In-solvenzverfahren erlassenen [X.].
[X.], Beschluss vom 8. Mai 2014 -
IX ZB 35/12 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
[X.]
und
die [X.], [X.], Grupp
und die Richterin Möhring

am
8. Mai 2014
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 1.
März
2012
wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert
für das
Rechtsbeschwerdeverfahren
wird auf 25.000

festgesetzt.

Gründe:

I.

Die
Antragstellerin ist die
Treuhänderin
eines in [X.] über das Ver-mögen des M.

R.

(fortan: Schuldner)
eröffneten [X.]. Während
einer Hausdurchsuchung beim Schuldner wurden zwei Post-sendungen beschlagnahmt, welche von der
Rechtsanwaltskanzlei des Antrags-gegners an den Schuldner versandt worden waren. Hierin befanden sich 10.000

die zwischen den Seiten von Zeitschriften
eingeklebt waren.

Der Schuldner hat
in [X.] Klage auf Herausgabe des Geldes
erho-ben
und behauptet, das Geld sei
ihm nur darlehensweise
vom Antragsgegner
1
2
-

3

-
zur Verfügung gestellt worden. Der Antragsgegner wurde in dem Verfahren als Zeuge gehört. Mit Urteil vom 15. Februar 2008 hat der High Court of Justice entschieden, dass d

zur Insolvenzmasse gehören
und von der [X.] an die Antragstellerin
herauszugeben seien.
Zudem hat der High Court of Justice auf deren Antrag hin
am 24. April 2008 eine sogenannte [X.] gegen den Antragsgegner
erlassen.
Auf dieser
Grund-lage verpflichtete der High Court of Justice mit einer Costs Order
vom 29. Juli 2008 den Schuldner und den Antragsgegner als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Abschlags auf die Verfahrenskosten in Höhe von 20.000 [X.]. Pfund.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Entscheidung des High Court of Justice vom 29. Juli 2008 in [X.] für vollstreckbar zu erklären. Das [X.] hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde des [X.] ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbe-schwerde.

II.

Die gemäß § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder
die
Fortbildung des Rechts noch
die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdege-richts erfordert

574 Abs.
2 ZPO).

1.
Soweit die
Rechtsbeschwerde die Zulässigkeitsgründe
des [X.]s und der [X.] mit Blick auf die
sachliche Anwendbarkeit der vom Beschwerdegericht herangezogenen Verordnung ([X.]) 3
4
5
-

4

-
Nr.
44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-
und Handelssachen
vom 22.
Dezember 2000 ([X.]. [X.] L 12 S. 1 vom 16. Januar 2001, fortan: [X.]) geltend macht, sind die aufgeworfenen Rechtsfragen jedenfalls nicht entschei-dungserheblich. An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es, wenn die angegrif-fene Entscheidung aus anderen Gründen -
unter Aussparung
der als klärungs-bedürftig angesehenen Rechtsfrage
-
im Ergebnis richtig ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2003 -
V
ZR 187/02, [X.], 46, 47 f mwN; Hk-ZPO/[X.]/
[X.], 5.
Aufl., §
544 Rn. 14, § 574 Rn. 16).
Selbst wenn
die Vollstreckbarerklä-rung der [X.] Costs Order nicht auf
Art. 32 ff [X.] hätte gestützt werden dürfen, weil es sich um eine vom Anwendungsbereich der [X.] ausgeschlossene insolvenzrechtliche Annexentscheidung handeln könnte
(vgl. Art.
1 Abs. 2 Buchst.
b [X.]), wäre die Vollstreckbarerklärung
nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts
nicht gescheitert.

a) Die
Vollstreckbarerklärung
hätte dann
unter den Voraussetzungen des Art. 26
der Verordnung ([X.]) Nr.
1346/2001 des Rates vom 29.
Mai 2000 über Insolvenzverfahren ([X.].
[X.] L 160
S. 1 vom 30. Juni 2000, fortan:
[X.]) geprüft werden müssen, weil die Exequatur von insolvenzrechtlichen Annexentscheidungen nach dem
ausdrücklichen
Wortlaut des Art.
25 Abs.
1 Unterabs.
2 [X.] von den Regelungen der [X.]
erfasst wird. Dass die [X.] der [X.] und der
[X.] lückenlos ineinander greifen, wird durch den
Erläuternden
Bericht zum Entwurf des zunächst geplan-ten Europäischen Insolvenzrechtsübereinkommens
bestätigt
([X.]/[X.] in [X.], Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Überein-kommens über Insolvenzverfahren im [X.] Recht, 1997, Rn. 195, 197; vgl. auch [X.]/[X.], 2. Aufl., Art. 25 VO ([X.]) 1346/2000 Rn.
2; [X.] in [X.]/[X.][X.], 6
-

5

-
[X.], Art. 25 Rn. 50; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art.
1 Rn.
19, 21d; Leipold
in
Festschrift Ishikawa, 2001, [X.], 224 f).
Der von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Meinungsstreit
zu einer möglichen Regelungs-lücke
betrifft nicht die Exequatur
von insolvenzrechtlichen Annexentscheidun-gen, sondern die Regelung der internationalen Zuständigkeit für Annexverfah-ren (eingehend dazu [X.], Die Abgrenzung zwischen [X.] und [X.] im Bereich insolvenzbezogener Einzelentscheidungen, 2006, S.
86 ff). Auch dieser
Streit
dürfte
aber
seit der
neueren Rechtsprechung des [X.] weitestgehend überholt sein
([X.], Urteil vom 12.
Februar 2009
-
Rs. [X.]/07, [X.]/[X.] NV, [X.] 2009, 99
Rn. 19 ff; vom 19.
April 2012
-
Rs. [X.]/10, [X.], [X.], 1049 Rn. 27; vom 16. Januar 2014 -
Rs. [X.], [X.][X.], [X.], 181
Rn. 30; vgl. auch
Kropholler/von [X.], [X.], 9. Aufl., Art. 1 Rn.
36

EuGVO; [X.], [X.], 4. Aufl.,
Art. 25 Rn. 2a, 18 ff).

b) Bei der
Vollstreckbarerklärung wirkt sich
die Qualifizierung der Costs Order als
zivilrechtliche oder
insolvenzrechtliche Entscheidung im Ergebnis nicht aus, weil nach beiden in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für die Exequatur dieselben Versagungsgründe zu prüfen sind. Die
Auslegung des Art.
26 [X.]
orientiert sich bei insolvenzbezogenen Einzelentscheidungen, die in einem kontradiktorischen Verfahren ergangen sind, an den zu Art.
34 [X.] entwickelten Maßstäben ([X.], Beschluss vom 8. November 2012
-
IX ZB
120/11, [X.], 45 Rn. 3
mwN). So gilt auch bei Art. 26 [X.] der
Grundsatz, dass die
Ordre public-Klausel
nur in Ausnahmefällen anzuwenden ist
([X.], Urteil vom 2. Mai 2006 -
Rs. [X.]/04, [X.], [X.], 360 Rn.
63 f).
Mit
Art. 26 [X.] sollen neben dem materiellen Ordre public auch verfahrensrechtliche Garantien,
wie sie in
Art.
34 Nr. 2 [X.] vorgesehen sind, gewahrt bleiben
(vgl. [X.], Urteil vom 2. Mai 2006, aaO Rn.
66
f; 7
-

6

-
[X.], aaO Art.
26 Rn.
6
ff), insbesondere soweit es um [X.] gegenüber bestimmten Gläubigern geht ([X.]/[X.], aaO Rn.
206). Die Möglichkeit einer abweichenden
Entscheidung des [X.] bei Anwendung der
Art. 25 Abs. 1, Art. 26 [X.] ist damit nicht er-sichtlich.

2.
Ebenso wenig besteht
Rechtsfortbildungsbedarf, soweit die
Höhe der dem Antragsgegner als Gesamtschuldner auferlegten Verfahrenskosten bean-standet wird. Rechtsfortbildungsbedarf
wäre nur dann gegeben, wenn [X.] dargelegt würde, inwiefern eine abstrakte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und im Streitfall auch geklärt werden kann ([X.], Beschluss vom 22. Oktober 2009 -
IX ZB 50/09, [X.], 237 Rn. 4; Hk-ZPO/[X.]/[X.], aaO § 574 Rn.
17). [X.] ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die Frage noch nicht gerichtlich, nicht zwingend höchstrichterlich, geklärt ist (Hk-ZPO/[X.]/[X.], aaO
§ 543 Rn. 8). Es bestehen jedoch keine Zweifel, dass eine nicht am Streitwert ausgerichtete, sondern nach zeitlichem Aufwand konkret
berechnete anwaltliche Vergütung
eines ausländischen Rechtsanwalts
im Allgemeinen nicht gegen grundlegende Prinzipien des inländischen Rechts im Sinne von Art.
34 Nr. 1 [X.] oder Art. 26 [X.] verstößt. Ein hoher Vergütungsanspruch
eines Rechtsanwalts ist
auch
nicht
generell
unverhältnis-mäßig, weil er
die Justizgewährung erschweren könnte
(vgl. [X.], NJW-RR 2010, 259 Rn.
24 ff). Soweit die Höhe der nach [X.] abgerechne-ten Vergütung im konkreten Einzelfall gegen die inländische öffentliche Ord-nung verstoßen könnte, wird
nicht deutlich, inwieweit sich daraus der Bedarf ergibt, allgemeine Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen, des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu 8
-

7

-
schließen
(vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2002 -
V
ZB 16/02, [X.]Z 151, 221, 225).

Der Umstand, dass ein Verstoß gegen die inländische öffentliche Ord-nung darin liegen könnte, dass einem nicht
verfahrensbeteiligten Dritten die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden,
begründet ebenfalls keinen [X.].
Die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass sich in diesem Zusammenhang eine klärungsbedürftige, also zweifelhafte oder streitige Rechtsfrage stellt. Vielmehr ist die Möglichkeit, einem Dritten Verfahrenskosten aufzuerlegen, auch dem [X.] Recht nicht fremd (vgl. § 81 Abs. 4 FamFG, §
380 Abs.
1, Abs. 2, § 390 Abs. 1, Abs. 2, § 409 Abs. 1 ZPO)
und allgemein anerkannt.
Es ist regelmäßig hinzunehmen, dass in anderen Rechtssystemen von dieser Möglichkeit unter anderen Voraussetzungen und mit weitreichende-ren Folgen insbesondere dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn wie im

9
-

8

-
Streitfall besondere Umstände des Einzelfalles für diese
Kostenfolge
herange-zogen werden.

[X.]
Vill
Pape

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2011 -
13 O 49/11 -

O[X.], Entscheidung vom 01.03.2012 -
I-3 [X.]/11 -

Meta

IX ZB 35/12

08.05.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2014, Az. IX ZB 35/12 (REWIS RS 2014, 5764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5764

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