Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. XII ZR 209/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4515

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[X.]BESCHLUSS [X.] ZR 209/05 vom 15. März 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 98 Zur Verteilung der Kosten des Rechtsstreits, wenn sich die Parteien in einem außergerichtlichen Vergleich zur Hauptsache und wegen eines Teils der pro-zessbezogenen Kosten (hier: Anwaltsgebühren) verständigen und der [X.] danach eine von ihm eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zu-rücknimmt. [X.], Beschluss vom 15. März 2006 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 15. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Der Beklagte wird, nachdem er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am 19. Oktober 2005 verkündete Urteil des 3. Zivil-senats des [X.] zurückgenommen hat, dieses Rechtsbehelfs für verlustig erklärt (§§ 565, 516 Abs. 3 ZPO entsprechend). Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Streitwert: 87.651 •. Gründe: [X.] Die Parteien sind geschiedene Eheleute, die um die Verteilung des [X.] aus dem Verkauf des ehemaligen [X.] streiten. Die Klägerin hatte von dem Beklagten in erster Instanz die Zahlung von 102.182 • verlangt, wovon ihr 87.650,82 • zugesprochen wurden. Gegen die Entscheidung des [X.] legte der Beklagte Berufung ein, die vom [X.] zu-rückgewiesen wurde. Hiergegen richtete sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten, die vor Ablauf der Begründungsfrist zurückgenommen worden 1 - 3 - ist. Der Rücknahme dieses Rechtsmittels lag ein außergerichtlicher Vergleich der Parteien zugrunde, nach dem sich der Beklagte verpflichtete, auf der Grundlage des erstinstanzlichen Urteils als Vollstreckungstitel an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 40.000 • zu zahlen; darüber hinaus waren die [X.] sich einig, dass jede Seite ihre eigenen Rechtsanwaltskosten zu tragen ha-be. Weitere Regelungen zur Verteilung der Kosten des Rechtsstreits enthält der Vergleich nicht. I[X.] 1. Die Parteien haben eine ausdrückliche Regelung dahingehend getrof-fen, dass jede Partei die bei ihr angefallenen Anwaltskosten selbst zu tragen hat. Die Verteilung der Kosten eines Rechtsstreits steht zur Disposition der Pro-zessparteien, so dass eine ausdrückliche Parteivereinbarung sowohl § 98 ZPO als auch den sonstigen gesetzlichen Kostentragungsvorschriften gegenüber vorrangig ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn den Parteien - wie im vor-liegenden Fall der Klägerin - Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, denn auch der Vergütungsanspruch des beigeordneten Anwalts gehört zu den außerge-richtlichen Parteikosten, die Gegenstand einer außergerichtlichen Vereinbarung der Parteien über die Kostentragung sein können (vgl. [X.] 1994, 366; [X.] [X.] 1990, 929 mit [X.]. Mümmler [X.] 1990, 1284). 2 2. Hinsichtlich der Gerichtskosten und etwaiger sonstiger außergerichtli-cher Kosten fehlt es im Vergleich an einer ausdrücklichen Regelung der [X.]. Insoweit gilt die gesetzliche Vermutung der Kostenaufhebung gemäß § 98 Satz 2 ZPO, deren Anwendung auch bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch einen außergerichtlichen Vergleich in Betracht kommt ([X.] 39, 60, 69; [X.] Beschluss vom 6. Oktober 1964 - [X.] - NJW 1965, 103; [X.] Be-3 - 4 - schluss vom 14. Juli 1969 - [X.] - [X.] 1970, 46; [X.] Urteil vom 25. Mai 1988 - [X.] - [X.], 1460, 1462). Zwar kann § 98 Satz 2 ZPO von den Parteien nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend in der Weise abgedungen werden, dass über die Kosten des Rechtsstreits nach den allgemeinen Kostenvorschriften (insbesondere §§ 91 a, 269 Abs. 3, 516 Abs. 3 ZPO) zu entscheiden sei. Bei der Auslegung des vorliegenden [X.] ergeben sich jedoch keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass dies dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprechen würde. a) Die Anwendung des § 91 a ZPO setzt im Ausgangspunkt voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung zur Beendigung eines [X.] der Parteien notwendig wird, was auch bei einem außergerichtlichen Vergleich dann nicht der Fall ist, wenn sich die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits - [X.] einer ausdrücklichen Bestimmung oder auf Grund der gesetzlichen Vermu-tung des § 98 Satz 2 ZPO - aus dem Inhalt des Vergleichs selbst ergibt (vgl. [X.] [X.] 1970 aaO; OLG Saarbrücken NJW-RR 1996, 320; [X.] VersR 1976, 395; [X.]/[X.], 2. Aufl., § 98 [X.]. 3). Allerdings steht es den Parteien frei, die Kostenregelung einer Entscheidung des Gerichts unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu unterstellen. Hierzu muss dem Vergleich zumindest eine positive Andeutung dahin zu entnehmen sein, dass wegen der Kosten des Rechtsstreits eine sachbezogene Klärung durch das Gericht erwünscht ist. Ob es hierfür be-reits ausreicht, dass die Parteien im Vergleich die Feststellung treffen, sich [X.] der Kosten nicht geeinigt zu haben (Mümmler [X.] 1993, 558; dagegen Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl. § 98 [X.]. 3; [X.]/[X.], aaO [X.]. 4), kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Eine Entscheidung nach § 91 a ZPO ist auf keinen Fall veranlasst, wenn die Parteivereinbarung zur Kostentra-gung nichts aussagt, denn dies ist der typische Anwendungsbereich des § 98 ZPO. Haben sich die Parteien - wie hier - nur über außergerichtliche Kosten 4 - 5 - oder nur über Gerichtskosten ausdrücklich verständigt, gilt § 98 Satz 2 ZPO nur für den jeweils nicht geregelten Teil (Musielak/[X.] aaO [X.]. 3; [X.]/Schütze/[X.], ZPO 3. Aufl. § 98 [X.]. 9). 5 b) Auch die Anwendung der allgemeinen Kostentragungsvorschriften für die Rücknahme einer Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 565, 516 Abs. 3 ZPO entsprechend) kommt unter den hier obwaltenden Umständen nicht in Betracht. Durch die Rücknahme des Rechtsmittels erfüllte der Beklagte eine in dem [X.] - zumindest mittelbar - übernommene Verpflichtung. Steht es bei der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde im Vordergrund, die von den Parteien gewünschte Beendigung des Rechtsstreits prozessual umzusetzen, geht die von den Parteien gewollte Kostenverteilung, die gegebe-nenfalls mit Hilfe der gesetzlichen Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO ermittelt werden muss, der Anwendung von §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor. Der Rückgriff auf die allgemeinen Kostenvorschriften über die Rücknahme von Rechtsmitteln wird nur dann dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspre-chen, wenn der Vergleich in materieller Hinsicht im Wesentlichen eine Aner-kennung der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hat und daher anzuneh-men ist, dass die Parteien die Anwendung des § 98 Satz 2 ZPO ausschließen wollten ([X.] [X.] aaO; [X.] VersR 1988, 280; vgl. auch O[X.] [X.] 1986, 503; [X.] [X.] 1992, 424; OLG Stuttgart [X.] 2004, 717, jeweils zu § 269 Abs. 3 ZPO). Dies steht hier angesichts des [X.] (40.000 •) zu dem in zweiter Instanz zuer-kannten Betrag (87.650,82 •) erkennbar nicht in Rede. Eine weitergehende Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde ist dem Senat allein schon deshalb verwehrt, weil die Parteien in den Fällen, in denen eine gerichtliche Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nicht gewollt ist, die Frage der Kostentragung gerade nicht von einer solchen Prüfung abhängig machen wollen. Ob ein stillschwei-- 6 - gender Ausschluss des § 98 Satz 2 ZPO dann in Betracht kommt, wenn das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. 6 Aus den gleichen Gründen kann der Vergleich auch nicht dahin ausge-legt werden, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen im Kostenpunkt weiter gelten sollen, soweit hier nicht wegen der Rechtsanwaltskosten etwas anderes ausdrücklich vereinbart worden ist. Zwar geht bei der Rücknahme eines Rechtsmittels auf der Grundlage eines außergerichtlichen Vergleichs ein auf Fortgeltung der vorinstanzlichen Kostenentscheidung gerichteter Wille der [X.] der gesetzlichen Vermutung des § 98 Satz 2 ZPO vor ([X.]/[X.]/ [X.], ZPO, 25. Aufl. § 516 [X.]. 18). Auch ein solcher Wille kann aber nur angenommen werden, wenn der Vergleich die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen bestätigt, was hier nicht der Fall ist. 3. Da die Kostenverteilung einer Vereinbarung der Parteien folgt, ist grundsätzlich für eine gerichtliche Kostenentscheidung kein Raum mehr, und zwar auch soweit zur Auslegung der Vereinbarung auf die gesetzliche Vermu-tung des § 98 Satz 2 ZPO zurückgegriffen worden ist. Allerdings kann in den Fällen einer rein außergerichtlichen Verständigung über die Kostenlast zur Klarstellung ein deklaratorischer Beschluss angezeigt sein (vgl. Musielak/[X.] 7 - 7 - aaO [X.]. 8; [X.] NJW 1972, 1840, 1843). Von dieser Möglichkeit hat der Senat Gebrauch gemacht. Hahne [X.] [X.] Wagenitz [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 13.01.2005 - 7 O 3652/03 - [X.], Entscheidung vom 19.10.2005 - 3 U 1918/05 -

Meta

XII ZR 209/05

15.03.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2006, Az. XII ZR 209/05 (REWIS RS 2006, 4515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4515

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