Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 30 W (pat) 44/11

30. Senat | REWIS RS 2012, 4235

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "PILLOLA" – Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 81 454.8

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2012 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, der Richterin [X.] und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

[X.] ist als Wortmarke für „Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Gynäkologika sowie Sexualhormone und ihre Hemmstoffe“ zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

2

Die Markenstelle für Klasse 5 des [X.] hat die Anmeldung mit [X.] vom 29. April 2009 wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das [X.] Wort „pillola“ im [X.] „Tablette, [X.]“ bedeute und von den beteiligten [X.] Verkehrskreisen aufgrund des gleichen Wortstamms verstanden werde; hinzu komme, dass unter die beanspruchten Waren auch Antibabypillen fallen könnten, welche umgangssprachlich mit „[X.]“ bezeichnet würden. „[X.]“ werde daher als Angabe zur Beschaffenheit und Anwendung der angemeldeten Waren aufgefasst. Darüber hinaus bestehe auch das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], welches das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolge, beschreibende Angaben allen Mitbewerbern zur freien Verfügung offen zu halten. Dabei seien nicht notwendig die Sprachkenntnisse des inländischen Durchschnittsverbrauchers entscheidungserheblich. Beachtlich sei vielmehr, ob die beschreibende Bedeutung für die am Handel mit den betroffenen Waren, insbesondere für die am zwischenstaatlichen Handelsverkehr beteiligten Fachkreise erkennbar sei. Im Warenverkehr mit [X.] und im Rahmen von mehrsprachigen Produktbeschreibungen, Gebrauchsanleitungen oder Beipackzetteln könne „[X.]“ zur Bezeichnung der Beschaffenheit der beanspruchten Waren dienen und werde deshalb für Zwecke des Im- und Exports als Sachhinweis benötigt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle durch Beschluss vom 20. Januar 2011 zurückgewiesen, weil der angemeldeten Bezeichnung als Sachhinweis jegliche Unterscheidungskraft fehle und sich zur Begründung insoweit - im Wesentlichen - auf die Begründung im [X.] bezogen.

3

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist mit näheren Ausführungen der Auffassung, dass das Zeichen unterscheidungskräftig sei. Das angesprochene [X.] Publikum besitze nicht so ausreichende [X.]ischkenntnisse, um der angemeldeten Bezeichnung „[X.]“ eine Bedeutung zuzumessen. Es werde keine analysierende Betrachtung oder Übersetzung vornehmen, sondern die Marke schlicht als Phantasiebegriff betrachten. Da das Zeichen keinen beschreibenden Inhalt aufweise, unterliege es auch keinem Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Die Verwendung von Wörtern der [X.]n Sprache sei im hier maßgeblichen Warenbereich weder üblich noch naheliegend. Auch habe das [X.] Markenamt die Marke „LA [X.] [X.]´AMORE“ eingetragen und somit selbst für [X.] keine Eintragungshindernisse gesehen.

4

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

5

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des [X.] vom 29. April 2009 und vom 20. Januar 2011 aufzuheben,

6

hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 66 [X.] zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

9

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sind Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der [X.] der beanspruchten Waren oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen können. Der Zweck dieser Vorschrift besteht vor allem darin, beschreibende Angaben oder Zeichen vom markenrechtlichen Schutz auszuschließen, weil ihre Monopolisierung einem berechtigten Bedürfnis der Allgemeinheit an ihrer ungehinderten Verwendbarkeit widerspricht, wobei bereits die bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerbsrechtlichen Grundfreiheiten ausreichen kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 265). Es genügt also, wenn das angemeldete Zeichen in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 30, 31 - [X.]; [X.], 674, Rn. 56 - Postkantoor). Hierbei schließt § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] alle [X.] vom Schutz aus und betrifft nicht nur solche, die wichtige Eigenschaften der Waren beschreiben (vgl. [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 323 m. w. N.).

Dies kann auch bei im Inland unbekannten fremdsprachlichen Wörtern der Fall sein, deren beschreibende Bedeutung von den inländischen [X.] nicht ohne weiteres erkannt wird, wenn eine beschreibende Verwendung des Wortes im Geltungsbereich des [X.] ernsthaft in Betracht zu ziehen ist - z. B. bei mehrsprachigen Gebrauchsanleitungen oder Beipackzetteln und beim Export von Waren (vgl. [X.]/[X.] , [X.], 10. Aufl., § 8, Rn. 391 m. w. N.).

Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers als maßgebliche Verkehrskreise abzustellen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 29 - [X.]; [X.], 411, Nr. 24 - Matratzen [X.]/[X.]). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, und für die Beurteilung des beschreibenden Charakters fremdsprachiger Marken nicht notwendig die - teilweise sehr beschränkten - Fremdsprachen- und Branchenkenntnisse der inländischen Durchschnittsverbraucher der jeweiligen Waren entscheidungserheblich sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, § 8 Rn. 100; [X.] [X.] 2006, 433, 435).

Dabei kommt es in erster Linie auf die aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren an, jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der jeweiligen Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 35 - [X.]; [X.], 674, Nr. 56 - Postkantoor). Ist die Eignung der angemeldeten Marke für die Beschreibung von Merkmalen der beanspruchten Waren festgestellt, setzt das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] keinen weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweis voraus, dass und in welchem Umfang sie als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. [X.] GRUR 1999, 723, Nr. 30 - [X.]; [X.], 146, Nr. 32 - [X.]; [X.], 674, [X.] - Postkantoor).

Als eine in diesem Sinn Merkmale der beanspruchten Waren beschreibende Angabe, an deren freien ungehinderten Verwendung die Mitbewerber der Anmelderin ein berechtigtes Interesse haben, ist die angemeldete Marke zu beurteilen.

Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, dass das [X.] Wort „[X.]“ im [X.] „[X.], Tablette“ bedeutet (Sansoni, Wörterbuch der [X.]n [X.] Sprache, 2. Aufl., [X.], [X.]). Eine Tablette ist eine Darreichungsform eines Arzneistoffs. In dieser Bedeutung ergibt sich eine unmittelbar beschreibende Angabe des [X.]n Markenwortes „[X.]“ für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren, die ohne Weiteres die Darreichungsform einer Tablette aufweisen können. Es kann davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die am Handel mit den betroffenen Waren, insbesondere die am entsprechenden zwischenstaatlichen Handelsverkehr mit [X.] beteiligten Fachkreise im Stande sind, den [X.]n Begriff „[X.]“ als die beschreibende Beschaffenheitsangabe „Tablette“ zu erkennen. Dem Teil des inländischen Handels, der europaweit agiert, können entsprechende Sprachkenntnisse unterstellt werden.

Vor dem Hintergrund, dass die am Warenverkehr mit [X.] beteiligten inländischen Händler für den Export dorthin bestimmte Waren der angemeldeten Art vor dem Versand noch im Inland mit den erforderlichen Sachangaben in [X.]r Sprache versehen können oder Waren aus [X.] mit [X.]r Originalbeschriftung nach [X.] einführen, kann mithin das [X.] Markenwort „[X.]“ im - inländischen - Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit der mit der Anmeldung beanspruchten Waren dienen. Dasselbe gilt für mehrsprachige Produktbeschreibungen, Gebrauchsanleitungen usw., die regelmäßig auch in [X.]r Sprache abgefasst sind. Da es insoweit auch nicht entscheidend darauf ankommt, wie groß die Zahl der Konkurrenten ist, die ein Interesse an der Verwendung der beschreibenden Angabe haben (vgl. [X.] a. a. O. Nr. 58 Postkantoor), genügt es bereits, dass die am Im- und Exporthandel mit [X.] beteiligten Fachkreise das italienischsprachige Markenwort „[X.]“ in der dargelegten beschreibenden Bedeutung verstehen und ein Interesse daran haben, es im Rahmen des Handelsverkehrs mit dem EU-Mitglied [X.] ungehindert von Monopolrechten Einzelner zur Beschreibung einsetzen zu können. Unerheblich ist, ob sich die Mitbewerber hierzu noch anderer - [X.]r oder [X.]r - Begriffe bedienen können, da ihnen grundsätzlich die freie Wahl zwischen allen unmittelbar beschreibenden Angaben erhalten bleiben muss (vgl. [X.] [X.], 674, [X.], 56 - Postkantoor; [X.], 680, Nr. 36 - [X.]; [X.](pat) 110/05 - [X.]; 24 W(pat) 558/11 - VENTAS).

Da die angemeldete Bezeichnung nach § 8 Abs. 2. Nr. 2 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist, kommt es nicht darauf an, ob auch ein Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] besteht. Es kann deshalb dahinstehen, ob der gemeinsame Wortstamm zum [X.] Wort „[X.]“ vom allgemeinen Verkehrskreis erkannt und „[X.]“ deswegen beschreibend verstanden wird.

Darauf, dass die Bezeichnung „LA [X.] [X.]´AMORE“ in [X.] für Waren der Klassen 5, 29 und 30 als Marke eingetragen worden ist, kommt es für das in [X.] angemeldete Zeichen „[X.]“ nicht an ([X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8, Rn. 45, 46 m. w. Nw.). Maßgeblich für ein im Inland angemeldetes Wortzeichen ist zudem allein der übliche Sprachgebrauch in den betreffenden Adressatenkreisen in [X.] (vgl. [X.], [X.], 1145-1148 - Baby-dry; [X.], 411, 412 Nr. 26 - Matratzen [X.]/[X.]).

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Das Vorliegen der Zulassungsgründe nach § 83 Abs. 2 [X.] ist weder ersichtlich noch ist hierzu von der Anmelderin etwas vorgetragen.

Meta

30 W (pat) 44/11

26.07.2012

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 26.07.2012, Az. 30 W (pat) 44/11 (REWIS RS 2012, 4235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4235

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Referenzen
Wird zitiert von

24 W (pat) 534/13

30 W (pat) 47/12

27 W (pat) 30/13

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