Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. IV ZR 148/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6838

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 148/09 Verkündet am:

11. Mai 2011

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 -

[X.] hat durch die [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2011 für Recht erkannt: Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des [X.] - 3. Zivilsenat - vom 3. Juni 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihre bei der [X.] genommene Risikolebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfä-higkeits-Zusatzversicherung fortbestehe. Außerdem beansprucht sie für den [X.]raum von Juni bis Dezember 2006 Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente und Freistellung von der [X.]. 1 Dem Vertragsschluss ging der von der Klägerin unterzeichnete schriftliche Antrag vom 28. Mai 2003 voraus. Die Gesundheitsfragen in dem Antragsformular beantwortete die Klägerin unter anderem wie folgt: 2 - 3 -

"1. Bestehen oder bestanden in den letzten 5 Jahren Krankheiten, Unfallfolgen oder körperliche Schäden 1.1 der Atmungsorgane (auch Nasennebenhöhleninfek-tion, Heuschnupfen, Kehlkopferkrankung)?
nein – 1.10 der Haut (auch Allergie)?
ja – 3. Nehmen oder nahmen Sie in den letzten 5 Jahren re-gelmäßig Medikamente ein (d.h. mehr als 1 Monat lang täglich Medikamente oder an mehr als 20 Tagen im Jahr ein gleichartiges Medikament; –)?
nein – 6. Sind Sie in den letzten 5 Jahren von Ärzten, Heil-praktikern oder Psychologen untersucht, beraten oder behandelt worden (auch Operationen, Strahlen-, Chemotherapie)?
nein" Zu der Frage 1.10 ergänzte die Klägerin handschriftlich: "[X.] seit Geburt". Dazu nannte sie die Medikamente "[X.]" und "[X.]" mit der Erläuterung "bei Bedarf max. 2x/Woche 1 Tablet-te". Als behandelnden Arzt gab sie [X.]an. 3 Für die [X.] verlangte die [X.] wegen "[X.] einschließlich eventuell eintretender [X.] - 4 -

gen" einen Leistungsausschluss, der Inhalt des am 1. Juli 2003 [X.] Versicherungsverhältnisses wurde.
Infolge einer Brustkrebserkrankung war die Klägerin in ihrem Beruf als Erzieherin von Juni bis Dezember 2006 zu 100% berufsunfähig. Nachdem sie Ende Mai 2006 Leistungen aus der [X.] beantragt hatte, holte die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung Auskünfte ein. Aus diesen ergab sich, dass der [X.]die Klägerin unter anderem vom 26. August 1998 bis 19. November 2002 wegen Asthma bronchiale behandelt und ihr die Medikamente "Zyrtec" und "[X.]" verordnet hatte. Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 28. August 2006 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. 5 Die Klägerin meint, sie habe ihre vorvertragliche Anzeigepflicht er-füllt und insbesondere die Gesundheitsfrage 1.10 zutreffend beantwortet. Das Krankheitsbild der [X.] umfasse sämtliche Allergien, auch das so genannte allergische Asthma. Die von dem Arzt [X.]

ver-ordneten Medikamente hätten ebenfalls der Behandlung der [X.] gedient. 6 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] der Klage stattgegeben. Mit der [X.] erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. 7 - 5 -

Entscheidungsgründe: 8 Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.

[X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift die von der [X.]n erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht durch. Zwar habe die Klägerin ihre Asthmaerkrankung auf die Frage nach Er-krankungen der Atmungsorgane nicht mitgeteilt. Sie habe dies aber plausibel damit erklärt, dass sie eine Verbindung zwischen der angege-benen [X.] und dem allergischen Asthma gesehen habe. Diese Auffassung der Klägerin werde durch den von der [X.] vorgelegten "Wikipedia"-Auszug zum Thema [X.] gestützt. Daraus ergebe sich, dass ein Großteil der Patienten mit [X.] zusätzlich unter Allergien leide und bei Patienten mit atopischen Ekzemen neben den Hauterscheinungen in einigen Fällen Heuschnupfen oder Asthma aufträ-ten. Überdies seien bei der Frage nach Erkrankungen der Haut in dem Klammerzusatz auch Allergien genannt worden. Die Klägerin habe ihr [X.] Asthma nur der falschen Rubrik zugeordnet. Die ihr verordne-ten Antihistaminika "Zyrtec" und "[X.]" habe sie zwar nicht ange-geben, indessen bei den Erläuterungen zur Frage 1.10 die Medikamente "[X.]" und "[X.]" genannt. Hierzu habe sie in der mündli-chen Verhandlung erklärt, "[X.]" sei an die Stelle der beiden erstgenannten Medikamente getreten. Daher könne nicht von einem Ver-schweigen einer Medikation in Täuschungsabsicht ausgegangen werden. 9 Die [X.] nach Behandlungen und Untersuchungen in den letzten fünf Jahren habe die Klägerin objektiv falsch beantwortet, indem 10 - 6 -

sie die Asthmabehandlungen nicht mitgeteilt habe. Da sie aber angege-ben habe, seit Geburt unter [X.] zu leiden, und diese Krankheit nach dem "Wikipedia"-Auszug als nicht heilbar gelte, habe sich der [X.]n aufdrängen müssen, dass diese Frage unzutreffend beantwortet worden sein müsse. Wenn die Beklagte ungeachtet dessen einen klären-den Hinweis oder eine klärende Nachfrage unterlassen habe, könne sie sich nicht auf ihr Rücktritts- oder Anfechtungsrecht berufen.

I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 11 1. Das Berufungsgericht hat der [X.] zu Unrecht die Arglist-anfechtung und den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen Verlet-zung der Nachfrageobliegenheit versagt. 12 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s muss der [X.] beim künftigen Versicherungsnehmer nachfragen, wenn dieser bei Antragstellung ersichtlich unvollständige oder unklare Angaben macht ([X.]surteil vom 5. März 2008 - [X.], [X.], 668 Rn. 10 m.w.N.). Aufgrund solcher Angaben ist dem Versicherer eine ordnungs-gemäße Risikoprüfung nicht möglich ([X.]surteil vom 5. März 2008 aaO). Diese soll die Schaffung klarer Verhältnisse in Bezug auf den [X.] schon vor Vertragsschluss gewährleisten und darf deshalb nicht auf die [X.] nach Eintritt des Versicherungsfalles verscho-ben werden ([X.]surteile vom 5. März 2008 aaO; vom 11. November 1992 - [X.], [X.], 871 unter 3 b [X.]. [X.]; vom 25. März 1992 - [X.], [X.], 385, 388). Unterlässt der [X.] eine ihm obliegende Rückfrage und sieht er insoweit von einer 13 - 7 -

ordnungsgemäßen Risikoprüfung ab, so ist es ihm im Weiteren nach [X.] und Glauben verwehrt, gestützt auf die Unvollständigkeit der Anga-ben des Versicherungsnehmers wirksam vom Versicherungsvertrag zu-rückzutreten ([X.]surteile vom 5. März 2008 aaO Rn. 12; vom 3. Mai 1995 - [X.], [X.], 901 unter 3; vom 2. November 1994 - [X.], [X.], 80 unter II 2 b; vom 11. November 1992 aaO; vom 25. März 1992 aaO).
b) Eine Nachfrageobliegenheit hat das Berufungsgericht mit nicht tragfähiger Begründung angenommen. Allein deshalb, weil die Klägerin erläuternd zu der Frage 1.10 angegeben hatte, sie leide seit Geburt an [X.], musste es sich der [X.] nicht aufdrängen, dass die Frage nach ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen in den letzten fünf Jahren unzutreffend beantwortet war. Eine Nachfrage obliegt dem Versicherer nur dann, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bisher von dem Versicherungsinteressenten erteilten Auskünfte nicht abschließend oder nicht richtig sein können und deshalb weitere In-formationen für eine sachgerechte Risikoprüfung erforderlich sind (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]. §§ 16, 17 Rn. 25; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 2. Aufl. § 14 Rn. 61). So liegt der Fall hier nicht. Daraus, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer [X.] die Medikamente "[X.]" und "[X.]" und als behandelnden Arzt Dr. B. genannt hatte, konnte die Beklagte lediglich ersehen, dass die [X.]n 3 und 6 in Bezug auf diese Erkrankung nicht richtig beantwortet waren. Dies musste die Beklagte nicht zu einer Nachfrage veranlassen, weil sie die [X.] sowie den Namen des behandelnden Arztes aus den ergänzenden Angaben zu der Frage 1.10 entnehmen konnte. Sie brauchte aber nicht anzunehmen, dass die Klägerin wegen weiterer Krankheiten, selbst wenn 14 - 8 -

diese mit der [X.] zusammenhingen, von anderen Ärzten be-handelt worden war.
c) Zudem hat das Berufungsgericht verkannt, dass der Versicherer das Recht zur [X.] nicht schon deshalb verliert, weil er [X.] verletzt hat ([X.]sbeschlüsse vom 4. Juli 2007 - [X.], [X.], 1256 Rn. 2; vom 15. März 2006 - [X.], [X.], 96 [X.]. [X.]; offen gelassen im [X.]sur-teil vom 10. Oktober 2001 - [X.], [X.], 1541 unter II 2; vgl. [X.]surteil vom 7. März 2001 - [X.]/00, [X.], 620 unter 2 [X.]). An der früheren Rechtsprechung, nach der sich ein Versiche-rungsnehmer auch bei arglistiger Verletzung seiner Anzeigeobliegenheit auf die Verletzung einer Nachfrageobliegenheit durch den Versicherer berufen kann (so noch [X.]surteil vom 25. März 1992 aaO), hat der [X.] ausdrücklich nicht festgehalten. 15 2. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts kann der [X.] nicht ausschließen, dass die von der [X.] erklärte Anfechtung durchgreift. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon aus-gegangen, dass der Versicherer die Beweislast für die [X.] trägt. Weiterhin hat es richtig gesehen, dass den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn objektiv falsche Angaben vorliegen; er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist ([X.]sbeschlüsse vom 7. November 2007 - [X.], [X.], 242 Rn. 1 m.w.N.; vom 12. März 2008 - [X.], [X.], 809 Rn. 8). Ob die Klägerin nachvollziehbar erklären kann, warum sie die [X.] nicht in dem Versicherungsantrag angegeben [X.], wird das Berufungsgericht nunmehr zu prüfen haben. Falls es auch 16 - 9 -

insoweit eine arglistige Täuschung verneint, wird es sich erneut mit den Voraussetzungen des Rücktrittsrechts zu befassen haben.
Dr. [X.][X.]

[X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.11.2007 - 2/23 O 40/07 - [X.], Entscheidung vom [X.]/07 -

Meta

IV ZR 148/09

11.05.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2011, Az. IV ZR 148/09 (REWIS RS 2011, 6838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6838

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 148/09

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