Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.05.2011, Az. II ZR 227/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6908

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

BGB-Gesellschaft: Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter


Leitsatz

Der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter aus § 739 BGB verjährt nach § 195 BGB (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19. Juli 2010, II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637) .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 14. September 2009 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] vom 19. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien haben im November 1993 rückwirkend zum 1. Februar 1993 einen schriftlichen [X.]svertrag einer [X.] bürgerlichen Rechts mit dem [X.]szweck „Führung des Restaurants [X.]“ geschlossen. Am [X.]svermögen waren sie je zur Hälfte beteiligt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 des [X.]svertrags, künftig: [X.]). Alle bereits bestehenden betrieblichen Dauerschuldverhältnisse wurden von der [X.] übernommen (§ 5 Abs. 5 [X.]). Der Beklagte verpflichtete sich, das bestehende [X.], das damals mit einem Restwert von ca. 40.000 DM valutierte, als [X.]sverbindlichkeit anzuerkennen (§ 5 Abs. 6 [X.]). § 17 Abs. 1 [X.] sah unter anderem für den Fall der Kündigung durch einen [X.]er vor, dass das [X.]svermögen dem anderen [X.]er anwachsen sollte.

2

Bereits Mitte 1994 erschien der Beklagte nicht mehr in der Gaststätte; die Parteien betrachteten ihr [X.]sverhältnis zum 31. Dezember 1994 als beendet. Der Kläger betrieb im Hinblick auf den noch bis November 1997 laufenden Mietvertrag die Gaststätte zunächst als Einzelkaufmann weiter; er stellte dann jedoch Ende Januar 1995 den Betrieb ein, nachdem er sich mit dem Vermieter auf eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses hatte einigen können. Im Gegenzug hierfür und zur Ablösung eines vom Vermieter der [X.] gewährten Darlehens über 10.000 DM überließ der Kläger dem Vermieter das [X.] sowie sämtliche [X.]. Mit den noch bestehenden Forderungen der [X.] sowie deren Bankguthaben tilgte der Kläger anschließend einen Teil der [X.]sschulden. Den übrigen Teil der Verbindlichkeiten der [X.] beglich der Kläger aus eigenen Mitteln.

3

Die von den Parteien gemeinsam festgestellte Bilanz der [X.] zum 31. Dezember 1994 wies auf der Passivseite einen Betrag von 131.989,87 DM aus; darin waren Verbindlichkeiten in Höhe von 126.289,87 DM enthalten, denen Aktiva in Höhe von lediglich 13.326,98 DM (u.a. Bar- und Kassenbestand: 2.953,46 DM) gegenüberstanden. Das Kapitalkonto des [X.] wies ein [X.] von 40.731,92 DM (= [X.] €), das des Beklagten ein [X.] von 77.864,74 DM (= 39.811,61 €) aus.

4

Im Jahre 2000 hatte der Kläger gegen den Beklagten Klage auf Ausgleich seines negativen [X.] erhoben. Auf den Hinweis des Gerichts, dass vor Erstellung einer Auseinandersetzungsrechnung nicht auf Leistung geklagt werden könne, beantragte er festzustellen, dass in die Auseinandersetzungsrechnung der Parteien ein Anspruch gegen den Beklagten auf Ausgleich seines negativen [X.] einzustellen sei. Diesem Antrag entsprach das [X.] mit rechtskräftigem Urteil vom 8. April 2004 - 3 O 73/00, nachdem es ein Sachverständigengutachten über die Höhe des negativen [X.] des Beklagten eingeholt hatte.

5

Im Juli 2004 erhob der Kläger die vorliegende Klage auf Zahlung von 39.811,61 € mit der Begründung, er könne nunmehr von dem Beklagten Ausgleich verlangen, weil das übrige [X.]svermögen inzwischen abgewickelt sei. Das [X.] hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.] hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

7

I. Das Berufungsgericht ([X.], [X.] 2009, 1426) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Nachschuss gemäß § 735 BGB nach § 160 [X.] ausgeschlossen sei und im Übrigen nach § 159 [X.] verjährt wäre.

8

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch die Haftung des [X.]n als ausgeschiedener [X.]er auf den Ausgleich des [X.] nach § 739 BGB ist. Gegenüber diesem Anspruch greift die vom [X.]n erhobene Verjährungseinrede nicht durch.

9

1. Der Umstand, dass der Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Klageschrift zunächst als einen Nachschussanspruch aus § 735 BGB bezeichnet und erst in der Berufungsinstanz beiläufig auch § 739 BGB genannt hat, ist für die Frage, welchen prozessualen Anspruch er mit seiner Klage geltend gemacht hat, ohne Bedeutung. Dieser ergibt sich allein aus dem Klageantrag und dem zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Es ist weder nötig, dass der Kläger den rechtlichen Gesichtspunkt bezeichnet, unter dem sein Sachvortrag den Klageantrag stützen soll, noch lässt eine solche Angabe die Pflicht des Gerichts entfallen, den vorgetragenen Sachverhalt unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 1997 - [X.], [X.]Z 135, 140, 149 f.).

Nach dem vorgetragenen und vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ist die [X.] nicht, wie bei der Nachschusspflicht gemäß § 735 BGB vorausgesetzt, zum 31. Dezember 1994 aufgelöst worden. Der [X.] ist vielmehr durch seine konkludente Kündigung zum 31. Dezember 1994 aus der [X.] ausgeschieden und das [X.]svermögen ist nach § 17 Abs. 1 GV in Verbindung mit § 738 BGB dem Kläger angewachsen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 7. Juli 2008 - [X.], [X.], 1677 Rn. 9 m.w.[X.]). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger die Gaststätte nach dem Ausscheiden des [X.]n - wenn auch letztlich wegen der Einigung mit dem Vermieter nur bis Ende Januar 1995 - fortgeführt und hätte sie, ohne diese Einigung, wegen des fortbestehenden Mietvertrages noch bis November 1997 betrieben. Auch bei einer - ursprünglich mehrgliedrigen oder wie hier von Anfang an nur - zweigliedrigen [X.] bürgerlichen Rechts führt im Falle des Vorhandenseins einer Fortsetzungs- oder Übernahmeklausel das Ausscheiden eines [X.]ers zur Anwendbarkeit von § 739 BGB, d.h. zu einer [X.]haftung des [X.], soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 1999 - [X.], [X.], 1003; [X.] KommBGB/Ulmer/[X.], 5. Aufl., § 739 Rn. 2 m.w.[X.]).

2. Die vom [X.]n erhobene Verjährungseinrede greift gegenüber dem Anspruch aus § 739 BGB nicht durch.

a) Entgegen der Ansicht der Revision folgt dies allerdings nicht aus der rechtskräftigen Feststellung des [X.] mit Urteil vom 8. April 2004, dass ein Anspruch gegen den [X.]n auf Ausgleich seines negativen [X.] in Höhe von 39.811,61 € in die Auseinandersetzungsrechnung der BGB-[X.] zwischen den Parteien einzustellen ist.

Die Bindungswirkung eines [X.]s ergibt sich aus dem Umfang der Rechtskraft. Diese reicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO so weit, wie das [X.] über den durch den Feststellungsantrag erhobenen Anspruch entschieden hat (vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2008 - [X.], [X.], 2716 Rn. 13 m.w.[X.]). Der Inhalt des Urteils und damit der Umfang der Rechtskraft ergeben sich aus der Urteilsformel, zu deren Auslegung erforderlichenfalls Tatbestand und Entscheidungsgründe heranzuziehen sind. Danach ist durch das [X.] vom 8. April 2004 zwischen den Parteien rechtskräftig nur festgestellt, dass in die Auseinandersetzungsrechnung der Parteien ein Anspruch gegen den [X.]n auf Ausgleich seines negativen [X.] in der festgestellten Höhe einzustellen ist. Das negative Kapitalkonto bezeichnet den wirtschaftlichen Wert der negativen Beteiligung des [X.]n am [X.]svermögen in Form einer buchmäßigen Rechnungsziffer. Es zeigt bei der Auflösung oder Auseinandersetzung der [X.] durch Ausscheiden eines [X.]ers lediglich an, in welcher Höhe der betreffende [X.]er seinen Mitgesellschaftern "gegebenenfalls" ausgleichspflichtig ist ([X.], Urteil vom 3. Mai 1999 - [X.], [X.], 1003 m.w.[X.]). Ob sich aus dem negativen Kapitalkonto auch ein Zahlungsanspruch gegen den ausgeschiedenen [X.]er in identischer Höhe ergibt, folgt aus der Einstellung in die Auseinandersetzungsrechnung noch nicht. Dies kann das Ergebnis der Auseinandersetzungsrechnung sein, ist es aber schon dann nicht, wenn noch andere im Rahmen der Auseinandersetzung zu berücksichtigende Ansprüche gegen den [X.]er gegeben sind oder ihm solche zustehen.

Die vorliegend erhobene Leistungsklage bezieht sich auf den "Saldo" der Auseinandersetzungsrechnung der Parteien, der sich nach Ansicht des [X.] zu seinen Gunsten ergibt. Dieser Anspruch ist von der Rechtskraft des [X.]s nicht erfasst.

b) Der Kläger hat die Klage in unverjährter Zeit erhoben.

Für Ansprüche nach § 739 BGB galt die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB a.F. und damit greift hier nunmehr - gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB - die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n.F. ein (vgl. [X.], Urteil vom 19. Juli 2010 - [X.], [X.], 1637 Rn. 7). Die Verjährungsfrist begann hier frühestens am 1. Januar 2002 zu laufen und endete frühestens am 31. Dezember 2004. Der Prozesskostenhilfeantrag des [X.] wurde bereits am 27. Juli 2004 eingereicht und die Klage nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe am 11. November 2004 und damit in unverjährter Zeit zugestellt.

Eine entsprechende Anwendung der §§ 159, 160 [X.] auf den Anspruch aus § 739 BGB kommt nicht in Betracht ([X.], [X.] 2010, 2093, 2095 f.; [X.] in Großkomm.[X.], 5. Aufl., § 159 Rn. 13). Ein zeitlicher Gleichlauf von Innen- und Außenhaftung ist gesetzlich nicht vorgesehen und wegen der Unterschiedlichkeit ihrer Zusammensetzung und Herleitung auch nicht geboten. Die Innenhaftung aus § 739 BGB beruht nicht, jedenfalls nicht zwingend auf einer Unterdeckung wegen bestehender, durch das [X.]svermögen nicht gedeckter [X.]sschulden, für die der Ausgeschiedene gegenüber den [X.]sgläubigern persönlich haftet. Sie besteht z.B. ebenso im Falle einer schuldenfreien [X.], wenn der ausgeschiedene [X.]er Überentnahmen getätigt hat, die er nach § 739 BGB erstatten muss.

III. Dem Kläger steht gegen den [X.]n aus § 739 BGB ein Anspruch in Höhe von 39.811,61 € zu. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Dabei hat der [X.] die Feststellungen des Berufungsgerichts im (unstreitigen) Tatbestand des Berufungsurteils zugrunde zu legen. Tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts, zu denen auch die gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils gehören, können nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO oder mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des [X.] angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf [X.] nach § 320 ZPO beseitigt werden (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2001 - [X.], [X.], 397 Rn. 14; Urteil vom 11. Januar 2011 - [X.], [X.], 309 Rn. 13; Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, [X.] 2007, 428 Rn. 11 m.w.[X.]). Einen solchen Antrag hat der [X.] nicht gestellt.

2. Der Kläger hat durch Vorlage der von beiden Parteien festgestellten und damit als zwischen ihnen verbindlich anerkannten (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 1960 - [X.], [X.], 187, 188; Urteil vom 13. Januar 1966 - [X.], [X.], 448, 449; Urteil vom 29. März 1996 - [X.], [X.]Z 132, 263, 266; Urteil vom 2. März 2009 - [X.], [X.], 1111 Rn. 15) Bilanz zum 31. Dezember 1994 dargetan, dass zum Ausgleich der Verbindlichkeiten der [X.] zu diesem Stichtag über den Wert der Aktiva hinaus nicht nur der Kläger, sondern auch der [X.] den vollen Betrag seines negativen [X.] in die [X.]skasse hätte zahlen müssen. Der Betrag des negativen [X.] des [X.]n ist zwischen den Parteien rechtskräftig festgestellt. Da der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sämtliche nach Verwertung der Aktiva noch zu berichtigenden [X.]sverbindlichkeiten getilgt hat, hat er damit auch den - als bilanzielles Kapitalkonto auch das bewertete [X.]svermögen abbildenden - Verlustanteil des [X.]n in Höhe von 39.811,61 € aus seinem Vermögen ausgeglichen mit der Folge, dass ihm ein Anspruch gegen den [X.]n aus § 739 BGB in dieser Höhe zusteht.

[X.]                                        Caliebe                                        Drescher

                              [X.]

Meta

II ZR 227/09

10.05.2011

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 14. September 2009, Az: 12 U 1496/07, Urteil

§ 195 BGB vom 02.01.2002, § 739 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.05.2011, Az. II ZR 227/09 (REWIS RS 2011, 6908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6908

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II ZR 227/09 (Bundesgerichtshof)


II ZR 210/08 (Bundesgerichtshof)


II ZR 200/19 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlegerbeteiligung an einer Filmfonds-Publikums-KG: Auswirkung des Ausscheidens eines Kommanditisten vor Fälligkeit seiner restlichen Einlageleistung


II ZR 214/13 (Bundesgerichtshof)

Zweigliedrige BGB-Gesellschaft: Vereinfachte Auseinandersetzungsrechnung bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft und Darlegungslast bei Geltendmachung eines Anspruchs auf …


II ZR 131/08 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.