Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2023, Az. III ZB 93/22

3. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7426

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Gegenstand

Berufungssumme: Rechtsmittelbeschwer nach Abweisung eines Eigentumsherausgabeanspruchs für ein Grundstück wegen der Einwendung eines bestehenden Kleingartenpachtvertrags


Leitsatz

Zur Bemessung der Rechtsmittelbeschwer des die Herausgabe eines in seinem Eigentum stehenden Grundstücks begehrenden, in der Vorinstanz unterlegenen Klägers, wenn sich der Beklagte auf einen das Grundstück betreffenden Kleingartenpachtvertrag beruft.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des [X.] vom 24. Oktober 2022 - 10 U 920/22 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des [X.] trägt der Kläger.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Herausgabe der Teilfläche eines im Eigentum des [X.] stehenden Grundstücks. Zwischen den [X.]en ist streitig, ob dem Beklagten ein Nutzungsrecht an dieser Teilfläche aufgrund eines konkludent mit dem Voreigentümer des Grundstücks geschlossenen Pachtvertrages über die Nutzung als Kleingarten zusteht. Das [X.] hat die auf § 985 BGB und hilfsweise auf § 581 Abs. 2, § 546 Abs. 1 BGB gestützte Klage abgewiesen.

2

Das [X.] hat die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen, weil der Wert des [X.] entgegen § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Betrag von 600 € nicht übersteige, und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 45,63 € festgesetzt. Es hat ausgeführt, der Wert des [X.] bestimme sich in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Herausgabekläger meine, dass zwischen den [X.]en kein Nutzungs- oder Pachtverhältnis bestehe, während sich der Beklagte auf ein Recht zum Besitz aus einem Zwischenpachtvertrag berufe, nach den §§ 8, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahrespachtzins. Dieser belaufe sich nach den Behauptungen des Beklagten auf 45,63 €. Die Beschwer des [X.] betrage mithin 159,71 €. Maßgeblich sei, dass der Beklagte sich auf einen Zwischenpachtvertrag nach dem Bundeskleingartengesetz mit der Rechtsvorgängerin des [X.] mit einem jährlichen Pachtzins von 45,63 € berufe, in den später der Kläger eingetreten sei. Es komme auch nicht darauf an, dass die Rechtsvorgängerin des [X.] zunächst einen Pachtzins von 0,50 € pro Monat und Quadratmeter gefordert gehabt habe. Von dieser Forderung habe sie in der Folge Abstand genommen und den Pachtzins von 45,63 € jährlich akzeptiert. Das Bestehen eines Pachtvertrags sei zwischen den [X.]en streitig. Sei in einem solchen Fall - wie hier - das Ende des umstrittenen Pachtverhältnisses weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, sei im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden.

3

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.], mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begehrt.

II.

4

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Denn die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Die Rechtssache erfordert insbesondere - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - keine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn Veranlassung gegeben ist, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.; zB [X.], Beschluss vom 23. Januar 2018 - [X.], juris Rn. 15 mwN). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

5

1. Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, wie die Beschwer des [X.] einer Herausgabeklage zu bestimmen ist, wenn er diese vorrangig auf sein Eigentum und nur hilfsweise auf Herausgabeansprüche aus einem Pachtvertrag stützt, dessen Zustandekommen er bestreitet.

6

Nach der Rechtsprechung des Senats findet § 8 ZPO auch auf Kleingartenpachtverhältnisse im Sinne des Bundeskleingartengesetzes Anwendung (Senat, Beschluss vom 26. November 2015 - [X.], NJW-RR 2016, 506 Rn. 6 mwN). Ist das Ende des streitigen Miet- oder Pachtverhältnisses - wie hier - weder bestimmt noch sonst näher bestimmbar, so ist im Rahmen der Wertbemessung gemäß § 8 ZPO die in § 9 ZPO festgelegte Höchstgrenze des dreieinhalbfachen Jahresbetrages entsprechend anzuwenden (Senat, Beschlüsse vom 29. November 2018 - [X.], juris Rn 5; vom 18. Mai 2017 - [X.]/16, NJW-RR 2017, 911 Rn. 7 und vom 26. November 2015 aaO; [X.], Beschlüsse vom 3. April 2014 - [X.], juris Rn. 4; vom 7. November 2002 - [X.] 9/02, juris Rn. 12 und vom 3. Dezember 1998 - [X.], [X.], 189, 190). Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] auch dann, wenn der Kläger einer Herausgabeklage diese allein oder in erster Linie auf einen dinglichen Anspruch wie denjenigen aus § 985 BGB stützt und sich der Beklagte demgegenüber mit einem angeblichen Miet- oder Pachtverhältnis verteidigt (Senat, Beschluss vom 29. November 2018 aaO Rn. 1, 5 [Herausgabeanspruch aus § 985 BGB]; [X.], Beschlüsse vom 3. April 2014 aaO [dinglicher Herausgabeanspruch]; vom 27. Oktober 2004 - [X.] 106/04, juris Rn. 1, 8 [Herausgabeverlangen in erster Linie aus Eigentum, hilfsweise aus gekündigtem Nutzungsverhältnis]; vom 7. November 2002 aaO Rn. 10 [dinglicher Herausgabeanspruch] und vom 3. Dezember 1998 aaO S. 189 [dinglicher Herausgabeanspruch]).

7

Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass diese Rechtsprechung in der obergerichtlichen Rechtsprechung oder der Literatur in Zweifel gezogen wird. Entgegen ihrer Auffassung besteht auch kein Wertungswiderspruch dazu, dass bei einem allein auf ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gestützten Räumungsanspruch der Streitwert nach § 6 ZPO und dem Verkehrswert des Herausgabeobjektes zu bestimmen ist. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich der Beklagte auf ein zum Besitz berechtigendes Nutzungsverhältnis beruft, streiten die [X.]en - wie der Kläger an anderer Stelle zutreffend erkennt - nicht um den Vollwert des Grundstücks, sondern nur um dessen Nutzung (vgl. [X.], Beschluss vom 12. April 2018 - [X.]/17, juris Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., Rn. 2.2166: Anwendbarkeit von § 42 GKG, wenn Beklagter sich bei seiner Verteidigung auf Miet-, Pacht- oder ähnliches Nutzungsverhältnis beruft). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage ist mithin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt. Einen Grund, von ihr abzuweichen, zeigt der Kläger nicht auf.

8

2. Eine Veranlassung zur Fortbildung des Rechts besteht ebenfalls nicht hinsichtlich der weiteren von der Rechtsbeschwerde formulierten Frage, welche Werte der Bestimmung der Beschwer zugrunde zu legen sind, wenn der Kläger zum Wert der Nutzung des Grundstücks selbst vorgetragen hat und dieses Interesse über die vom Beklagten dargelegten Pachtzinsen hinausgeht.

9

Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der nach § 8 ZPO beziehungsweise § 9 ZPO maßgebliche Pacht- oder Mietzins nur dem Vortrag der Beklagtenseite entnommen werden, wenn die klagende [X.] - wie hier - den Bestand eines Pacht- oder Mietvertrages hinsichtlich der streitgegenständlichen Flächen bestreitet. Die Beklagtenseite kann nicht geltend machen, ihre Beschwer richte sich nach einem höheren Pacht- oder Mietzins, der weder nach dem Vortrag der klagenden [X.] noch nach ihrem eigenen Vortrag vereinbart war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. April 2014 aaO Rn. 5 und vom 26. April 2006 - [X.], juris Rn. 8). Nichts anderes gilt, wenn die Beschwer des in der Vorinstanz unterlegenen, auf Herausgabe klagenden Eigentümers zu bestimmen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 29. November 2018 aaO Rn. 1, 5 f). Auch dann ist der dreieinhalbfache Jahresbetrag des zu entrichtenden [X.] - und nicht ein allgemeiner Gebrauchswert der Nutzung - heranzuziehen. Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob bei einem der Höhe nach zwischen den [X.]en streitigen Pachtzins auf die Angaben des (Herausgabe-)[X.] oder diejenigen des Beklagten abzustellen ist. Soweit die Rechtsbeschwerde (S. 9; vgl. auch [X.]chriftsatz vom 17. Oktober 2022) in diesem Zusammenhang auf die [X.] der Rechtsvorgängerin des [X.] verweist, hat diese nicht "stets" einen Pachtzins von 0,50 €/m2 (x 446 m2 = 223 €) gefordert. Der insofern von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Vortrag des [X.] befasst sich lediglich mit der entsprechenden Forderung seiner Rechtsvorgängerin in dem Zeitraum bis zum [X.] (Schriftsatz vom 4. August 2022, [X.] ff). Demgegenüber hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgängerin des [X.] von dieser Forderung in der Folge Abstand genommen und - ausweislich ihrer Rechnungen für den Zeitraum ab dem [X.] (Anlage [X.], [X.] ff) - den Pachtzins von 45,63 € jährlich akzeptiert hat. Die Vorstellung der Rechtsvorgängerin des [X.] zur Höhe des zu entrichtenden [X.] entsprach mithin zuletzt derjenigen des Beklagten. Dass der Kläger nach dem Übergang des [X.] auf ihn im Jahr 2015 einen höheren Pachtzins geltend gemacht hat, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar, geschweige denn, dass ein solcher vereinbart wurde.

[X.]     

      

[X.]     

      

Arend 

      

Böttcher     

      

Kessen     

      

Meta

III ZB 93/22

28.09.2023

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 24. Oktober 2022, Az: 10 U 920/22

§ 8 ZPO, § 9 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 985 BGB, § 986 BGB, § 1 BKleingG, §§ 1ff BKleingG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2023, Az. III ZB 93/22 (REWIS RS 2023, 7426)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7426

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V ZR 230/17

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III ZR 525/16

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