Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2018, Az. III ZR 355/17

3. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6468

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Gegenstand

Kleingartenpachtvertrag: Kündigung des Hauptpachtvertrages durch den Zwischenpächter; Herausgabeanspruch des Hauptverpächters gegen den Endpächter; Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durch den Endpächter


Leitsatz

1. § 10 Abs. 3 BKleingG findet auf den Fall, dass der Zwischenpachtvertrag vom Zwischenpächter gekündigt wird, weder direkt noch analog Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen des Zwischenpächters erfolgt (Anschluss an und Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992, V ZR 254/91, BGHZ 121, 88, 91).

2. Zum Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) bei einer solchen Fallgestaltung.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2017 - 9 U 68/17 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Streitwert: bis 40.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin ist Eigentümerin des [X.] "Am G.        " in [X.]      . Seit 1948 war das Gelände an den [X.]                     (im Folgenden: [X.]) - als [X.] - verpachtet, der es seinerseits an den [X.]n, den örtlichen [X.], unterverpachtete. Der [X.] verpachtete die einzelnen [X.] wiederum an die jeweiligen Nutzer, seine Vereinsmitglieder, weiter. Das Kleingartengelände hat eine Gesamtfläche von 132.960 m² und umfasst 179 Parzellen, von denen zuletzt - wegen eines großen Überangebots von [X.] im Gebiet [X.]         - nur noch etwa 70 an Nutzer verpachtet waren. Infolge einer Erhöhung der Pachtzinsen auf jährlich 0,28 €/m² und des großen Leerstands von [X.] geriet der [X.] in Zahlungsschwierigkeiten. Im August 2015 wurde das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2015 kündigte der Insolvenzverwalter sowohl den ([X.] mit der Klägerin als auch den (Unter-)Pachtvertrag mit dem [X.]n zum 31. Januar 2016. Zum Zweck der Räumung und Herausgabe der Kleingartenfläche verlangte die Klägerin von dem [X.]n Auskunft über die Namen und Anschriften der jeweiligen [X.]nutzer.

2

Wegen dieses Auskunftsbegehrens hat die Klägerin Klage eingereicht. Nach [X.] hat der [X.] die verlangten Angaben mitgeteilt. Hierauf hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der [X.] hat dieser Erklärung widersprochen und seinerseits Widerklage erhoben, gerichtet auf die Feststellung, dass der Klägerin kein Anspruch auf Herausgabe der [X.] gegen den [X.]n zusteht.

3

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Kündigung des ([X.]s durch den Insolvenzverwalter einen Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den [X.]n begründete.

4

Das [X.] hat festgestellt, dass der Rechtsstreit (bezüglich der Klage) in der Hauptsache erledigt ist, und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung des [X.]n hat das [X.] gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen. Beide Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, dass die Kündigung des Insolvenzverwalters einen Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den [X.]n begründet habe. Die Klägerin sei nicht an Stelle des [X.]s in den (Unter-)Pachtvertrag mit dem [X.]n eingetreten.

5

Hiergegen [X.]det sich der [X.] mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

6

Die Beschwerde des [X.]n ist unbegründet, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

7

1. Zutreffend hält das Berufungsgericht den [X.]n gemäß § 985 BGB und § 546 Abs. 2, § 581 Abs. 2 BGB, § 4 Abs. 1 Bundeskleingartengesetz ([X.]) für verpflichtet, das Kleingartengelände an die Klägerin herauszugeben und ihr die hierfür nötigen Angaben über die einzelnen Parzellennutzer mitzuteilen (§ 242 BGB).

8

2. Entgegen der Ansicht der Beschwerde liegen die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und des Erfordernisses für eine Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) nicht vor.

9

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob der [X.] gemäß oder analog § 10 Abs. 3 [X.] in den [X.] eintritt, [X.]n das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet worden ist und der Insolvenzverwalter den (Haupt- = Zwischen-)Pachtvertrag mit dem [X.] gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 [X.] kündigt, wird als solche weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum diskutiert. Ein einzelfallübergreifendes Klärungs- oder Orientierungsbedürfnis legt die Beschwerde nicht dar. Nach der Rechtsprechung des [X.] kommt eine - direkte oder analoge - An[X.]dung von § 10 Abs. 3 [X.] auf die hier vorliegende Fallgestaltung nicht in Betracht. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (aus § 242 BGB) ist grundsätzlich möglich, wobei es allerdings stets auf die konkreten Einzelfallumstände ankommt. Ein treuwidriges Verhalten des [X.]s oder der Klägerin ist vorliegend indessen weder dargetan noch sonst erkennbar.

a) Eine direkte oder analoge An[X.]dung von § 10 Abs. 3 [X.] scheidet hier aus.

Gemäß § 10 Abs. 3 [X.] tritt im Falle der Kündigung des [X.] durch den [X.] dieser in die Verträge des [X.] mit den Kleingärtnern (Endpächtern) ein. Ist in die Verpachtungskette ein weiterer [X.] (hier: der [X.]) eingeschaltet, wird der [X.] zum Verpächter der nächst niedrigeren Stufe; er nimmt also kraft Gesetzes im Wege einer Auswechselung der Vertragspartei die Stelle des bisherigen (erststufigen) [X.] als Verpächter des weiteren (zweitstufigen) [X.] ein (s. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1992 - [X.], [X.]Z 119, 300, 302).

§ 10 Abs. 3 [X.] soll sicherstellen, dass die Kleingärtner, die ihre Pflichten erfüllen, ihren Kleingarten durch die Kündigung nicht verlieren; sie sollen nicht die Folgen tragen, die sich aus den Pflichtverletzungen des [X.] ergeben (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Bundeskleingartengesetz, BT-Drucks. 9/1900, [X.] 17 [zu § 9 Abs. 3 [X.]-E] und Beschlussempfehlung und Bericht des [X.], Bauwesen und Städtebau, BT-Drucks. 9/2232, [X.] 22 [zu § 9 Abs. 3 [X.]-E]; vgl. auch [X.], NJW 1998, 3559). Dementsprechend beschränkt sich der An[X.]dungsbereich des § 10 Abs. 3 [X.] auf die Fälle, in denen der [X.] den [X.] aus den Gründen des § 10 Abs. 1 [X.] (Pflichtverletzung des [X.] oder Aberkennung seiner kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit) kündigt (Senat, Urteil vom 6. Juni 2002 - [X.], [X.]Z 151, 71, 73 f; [X.], Urteil vom 2. Oktober 1992 - [X.], [X.]Z 119, 300, 303; s. auch [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992 - [X.], [X.]Z 121, 88, 91; [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 10 Rn. 5c; [X.], [X.], 2. Aufl., § 10 Rn. 13 f). Folglich gilt § 10 Abs. 3 [X.] weder für Kündigungen des [X.]s nach § 9 Abs. 1 [X.] (Senatsurteile vom 6. Juni 2002 aaO und vom 13. Februar 2014 - [X.], [X.], 352, 355 Rn. 32; [X.], Urteile vom 2. Oktober 1992 aaO [X.] 303 f und vom 11. März 1994 - [X.], NJW-RR 1994, 779; [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO Rn. 14; s. auch [X.] aaO [X.] 3560) noch für den Fall der Nichtigkeit des [X.] ([X.], Urteil vom 3. April 1987 - [X.], [X.]Z 101, 18, 22 f) noch für die Kündigung des [X.] mit dem [X.] durch den [X.] (s. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992 aaO; [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 35, 36 und § 10 Rn. 7; [X.] aaO Rn. 13).

Soweit im Schrifttum eine analoge An[X.]dung von § 10 Abs. 3 [X.] auf den Fall der einvernehmlichen Aufhebung des [X.] befürwortet wird ([X.]/[X.] aaO § 10 Rn. 6; [X.] aaO Rn. 17), bedarf diese Frage hier keiner Entscheidung, weil die Klägerin und der [X.] den zwischen ihnen geschlossenen Haupt- (= Zwischen-)Pachtvertrag nicht einvernehmlich aufgehoben haben, sondern dieser vom Insolvenzverwalter des [X.]s gekündigt worden ist.

Eine Gleichstellung des Schutzes der Nutzer bei der [X.] von Kleingartenflächen mit den Wohnraummietern bei der gewerblichen Weitervermietung (§ 565 BGB) hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Sie ist entgegen der Meinung der Beschwerde auch nicht nach Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Zum einen ist das Schutzbedürfnis eines Mieters von Wohnraum, dessen existentielle Belange berührt sind, deutlich stärker als für den Nutzer eines Kleingartens. Zum anderen darf, worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, ein [X.] gemäß § 4 Abs. 2 [X.] aus Gründen der Wahrung der Interessen der [X.] nur mit einer als gemeinnützig anerkannten [X.] oder der [X.] abgeschlossen werden; dies schließt es - anders als bei der gewerblichen Zwischenvermietung von Wohnräumen, für die eine solche Beschränkung nicht vorgesehen ist - regelmäßig aus, dass der [X.] eine nach der Interessenlage der Kleingärtner nicht zu rechtfertigende Kündigung des Haupt- (= [X.] ausspricht.

b) Der [X.] kann dem Herausgabeanspruch der Klägerin auch nicht mit Erfolg den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten.

In der Literatur wird erwogen, dass die Endpächter (Kleingärtner) bzw. der weitere [X.] (hier: der [X.]) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erheben können, [X.]n der [X.] durch eine Kündigung von Seiten des [X.] beendet wird ([X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 36 und § 10 Rn. 7; [X.] aaO Rn. 20). Dabei geht es freilich um Fälle, in denen die Kündigung des Haupt- (= [X.] durch den [X.] das Schutzbedürfnis der Endpächter in treuwidriger Weise außer [X.] lässt. So liegt es hier aber nicht.

Die Kündigung des Haupt- (= [X.] durch den [X.] geht auf seine Insolvenz zurück, die ihre Ursache wiederum darin findet, dass er nicht mehr in der Lage gewesen ist, den erhöhten Pachtzins (0,28 €/m² jährlich) für eine [X.] aufzubringen, in der infolge des örtlichen Überangebots an Kleingärten ein großer Teil der Parzellen ungenutzt ist und leer steht. Die Rechtmäßigkeit der erhöhten Pacht ist im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem [X.] gerichtlich bestätigt worden. Die schwierige wirtschaftliche Lage des [X.]s hätten der [X.] und seine Vereinsmitglieder dadurch ab[X.]den können, dass Sie diesen Pachtzins entrichtet hätten, was sie indes verweigert haben. Eine Einigung zwischen den Parteien über eine Reduzierung der Pachtfläche und den hierauf zu zahlenden Pachtzins ist ebenfalls nicht zustande gekommen. Unter diesen Umständen erfolgte die Kündigung durch den [X.] nicht wider Treu und Glauben und stellt sich die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs der Klägerin nicht als unzulässige Rechtsausübung dar. Ein dauernder erheblicher Leerstand berührt die Existenzfähigkeit der [X.] und der als [X.] eingeschalteten [X.]en. Weder liegt hier ein kollusives Zusammenwirken von [X.] und [X.] zum Nachteil der Endpächter (Kleingärtner) noch ein eigenes Fehlverhalten des [X.] vor.

Der Umstand, dass das Gelände nach dem gültigen Bebauungsplan nur für kleingärtnerische Zwecke genutzt werden darf, steht dem Herausgabeverlangen der Klägerin nicht entgegen. Denn sie ist nicht verpflichtet, es gerade dem [X.]n und seinen Mitgliedern zu überlassen; es steht ihr im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften vielmehr frei, zu entscheiden, ob und an [X.] sie es zu welchen Bedingungen verpachten will (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 1994 aaO [X.] 780). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist es für den Herausgabeanspruch der Klägerin auch ohne Bedeutung, dass die Stadt [X.]        den [X.]n gebeten hat, "bis zur endgültigen Klärung dieser Angelegenheit" die Verwaltung der Kleingartenfläche zu übernehmen. Dem tritt die Beschwerde auch nicht entgegen.

3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

[X.]     

      

Tombrink     

      

Remmert

      

Reiter     

      

Pohl     

      

Meta

III ZR 355/17

05.07.2018

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 27. Oktober 2017, Az: 9 U 68/17, Beschluss

§ 4 Abs 1 BKleingG, § 10 Abs 3 BKleingG, § 109 Abs 1 S 1 InsO, § 242 BGB, § 546 Abs 2 BGB, § 581 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2018, Az. III ZR 355/17 (REWIS RS 2018, 6468)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1081-1082 REWIS RS 2018, 6468

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