Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2011, Az. IX R 66/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 3808

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Gegenstand

Privates Veräußerungsgeschäft bei einem Grundstück, wenn dieses zwischenzeitlich im Betriebsvermögen gehalten wird - Einlage in das bzw. Entnahme aus dem Betriebsvermögen keine Veräußerung


Leitsatz

1. Wer ein Grundstück innerhalb des maßgebenden Veräußerungszeitraums im Privatvermögen anschafft und aus dem Privatvermögen wieder veräußert, muss die Wertsteigerungen im Privatvermögen seit der Anschaffung versteuern, auch wenn er das Grundstück zeitweise im Betriebsvermögen gehalten hat.

2. Der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft ist in diesem Fall um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn (als Unterschied zwischen Einlage- und Entnahmewert) zu korrigieren.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden.

2

Der Kläger erwarb im Mai 1997 ein Hausgrundstück.

3

Im März 2000 übertrug er es unentgeltlich auf die Klägerin.

4

Das Gebäude verfügte über ein Erdgeschoss (50,52 %), welches selbst genutzt wurde, und ein Obergeschoss (49,48 %), welches die Klägerin zum 1. Mai 2003 in ihr Betriebsvermögen einlegte.

5

Zum 30. November 2004 entnahm die Klägerin das genannte Obergeschoss wieder ihrem Betriebsvermögen und überführte es in ihr Privatvermögen.

6

Mit Vertrag vom November 2006 wurde das --zwischenzeitlich in Wohnungseigentum umgewandelte-- Obergeschoss veräußert.

7

In der Steuererklärung für das Streitjahr (2006) erklärten die Kläger einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 3.605 €. Dagegen berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr einen Gewinn von 112.205 €, den er wie folgt ermittelte:

- Veräußerungspreis

- abzüglich Anschaffungskosten und weiterer Herstellungskosten

- zuzüglich Absetzung für Abnutzung

- zuzüglich Teilwert der Einlage

- abzüglich Teilwert der Entnahme

Gewinn.

8

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

9

Das Finanzgericht ([X.]) wies die dagegen erhobene Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 636 veröffentlichten Urteil ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§ 23 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) rügen. Wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes die Entnahme aus einem Betriebsvermögen ein Anschaffungsvorgang sei, dann müsse es sich zwangsläufig auch um eine Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG handeln, so dass zwei zu besteuernde Veräußerungen vorlägen, einmal gemäß § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG die fiktive Veräußerung (in 2004) und einmal gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG die tatsächliche Veräußerung (in 2006). [X.] hätte sich eine Versteuerung gemäß § 23 EStG ergeben müssen, mit der Folge entsprechend höherer Anschaffungskosten im Privatvermögen ab 2004.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des [X.] aufzuheben und die Einkommensteuer 2006 auf 0 € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat den Gewinn der Klägerin gemäß § 23 Abs. 1, 3 EStG zutreffend bestimmt, insbesondere zu Recht die Einlage des streitbefangenen Obergeschosses in das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Mai 2003 sowie seine Entnahme zum 30. November 2004 nicht als Veräußerung beurteilt.

1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 22 Nr. 2 EStG) i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (in der für das Streitjahr --2006-- geltenden Fassung) sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der [X.]raum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Unter Anschaffung oder Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts zu verstehen.

Zweck des § 23 EStG ist es, innerhalb der Spekulationsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer zu unterwerfen (ausführlich Urteile des [X.] --BFH-- vom 30. November 1976 [X.], [X.], 522, [X.] 1977, 384; vom 25. August 1987 IX R 65/86, [X.], 132, [X.] 1988, 248).

2. Im Streitfall besteht das gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäft --nach der Anschaffung im Mai 1997-- in der Veräußerung im November 2006, d.h. innerhalb von zehn Jahren. Die zwischenzeitliche Aufteilung in Wohnungseigentum ändert nichts an der [X.], d.h. der wirtschaftlichen Identität (vgl. BFH-Urteile vom 27. August 1997 [X.], [X.], 385, [X.] 1998, 135; vom 19. Juli 1983 VIII R 161/82, [X.], 251, [X.] 1984, 26) von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.

a) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut stellt eine Einlage in das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers und so auch die Einlage in das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Mai 2003 mangels [X.] keine Veräußerung dar (so auch Schreiben des [X.] --BMF-- vom 5. Oktober 2000, [X.], 1383; [X.], Der Betrieb --DB-- 2000, Beilage Nr. 13, [X.]. zu [X.]. 2 des [X.] in [X.], 1383; [X.], [X.] --DStR-- 2001, 277, 283).

Aus § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG ergibt sich nichts anderes, wenn --wie im [X.] der Einlage keine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen folgt. Die Einlage in ein Betriebsvermögen wird nur für den Fall der Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gleichgestellt, dass ohne die [X.] --nach der Einlage zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG)-- eine Veräußerung aus dem Betriebsvermögen zu einer Versteuerung der im Betriebsvermögen entstandenen Wertsteigerungen führt. Folge der [X.] ist, dass nicht nur die im betrieblichen Bereich entstandenen stillen Reserven, sondern entsprechend dem gesetzlichen Zweck auch die vorher im [X.]raum zwischen Anschaffung und Einlage entstandenen [X.] (insoweit über § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erfasst werden.

b) Auch die Entnahme aus dem Betriebsvermögen zum 30. November 2004 ist mangels [X.] keine Veräußerung (vgl. [X.]. 5 des [X.] in [X.], 1383; [X.], [X.], Beilage Nr. 13, [X.]. zu [X.]. 5 und 35 des [X.] in [X.], 1383).

Zwar gilt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG als Anschaffung auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme. Diese Fiktion einer Anschaffung entfaltet im Streitfall aber keine Wirkung. Denn die ursprüngliche tatsächliche Anschaffung des Jahres 1997 wirkt fort, da --wie [X.] die Voraussetzungen der [X.] des § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG nicht erfüllt sind. Entsprechend sind die ursprünglichen Anschaffungskosten zugrunde zu legen und der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft ist um den im Betriebsvermögen zu erfassenden Gewinn zu korrigieren (vgl. BMF-Schreiben in [X.], 1383 [X.]. 35 Satz 2; [X.], [X.], Beilage Nr. 13, [X.]. zu [X.]. 35 des [X.] in [X.], 1383; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 23 EStG [X.]). Allein diese --wortlautkonforme-- Auslegung stellt sicher, dass --wie es die Zwecksetzung von § 23 Abs. 1 EStG verlangt-- alle zwischen Anschaffung und Veräußerung im Privatvermögen entstandenen stillen Reserven erfasst werden. Demgegenüber sind Gründe dafür, weshalb die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG die frühere Anschaffung verdrängen sollte, nicht ersichtlich. Im Gegenteil ergibt sich gerade aus der Regelung der [X.] in § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG die Intention des Gesetzes, alle [X.] im [X.]raum zwischen tatsächlicher Anschaffung und tatsächlicher Veräußerung zu erfassen, gleichviel, ob das Wirtschaftsgut zeitweise im Betriebsvermögen gehalten worden ist. Deshalb sind die Gesetzesformulierungen in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG nicht lückenhaft, sondern ergeben eine dem Gesetzeszweck entsprechende folgerichtige Besteuerung (a.[X.], Die steuerliche Betriebsprüfung 2000, 214 (218); [X.], DStR 2001, 277, 284; Glenk in: [X.], § 23 EStG [X.] 140; [X.] in [X.], § 23 EStG [X.] 67).

Auch die Gesetzesmaterialien lassen nicht erkennen, dass die Anschaffungsfiktion durch Entnahme aus dem Betriebsvermögen die ursprüngliche tatsächliche Anschaffung zurücktreten lässt und so die [X.] zwischen Anschaffung und Einlage des Wirtschaftsguts der Besteuerung entziehen soll. Im Gegenteil: Dem Charakter der Vorschrift als Missbrauchsvermeidungsvorschrift für zu niedrige Entnahmewerte (BTDrucks 14/23, 179) entspricht es gerade, dass § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG ergänzend zu dem eigentlichen Besteuerungstatbestand in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingreift. Ist die Besteuerung der stillen Reserven durch die Entnahmebesteuerung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG sowie die Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sichergestellt, bedarf es der ergänzenden Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht. Soll § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG verhindern, dass die Besteuerung privater Veräußerungsgewinne durch Einlagen in ein Betriebsvermögen unterlaufen wird (BTDrucks 14/2070, [X.]), so wäre es sinnwidrig, die [X.] zwischen Anschaffung und Einlage nicht zu erfassen.

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Ermittlung des streitigen Veräußerungsgewinns durch das [X.] gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 1, 4 EStG als Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits nicht zu beanstanden.

Zutreffend hat das [X.] den Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft auch um die [X.] korrigiert, die im betrieblichen Bereich erfasst worden sind. Wird für die [X.] der Betriebsvermögenseigenschaft des Objekts ein Gewinn versteuert, weil der Teilwert im [X.]punkt der Entnahme den Teilwert der Einlage übersteigt, so gehört dieser Gewinn gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht in den Anwendungsbereich des § 23 EStG, weil er nicht auf den [X.]raum entfällt, in dem das Objekt im Privatvermögen war (ebenso: [X.]. 35 des [X.] in [X.], 1383; [X.], [X.], Beilage Nr. 13, [X.]. zu [X.]. 35 des [X.] in [X.], 1383; Wernsmann, in: [X.][X.], EStG, § 23 [X.] [X.]; [X.]/[X.], § 23 EStG [X.]).

Meta

IX R 66/10

23.08.2011

Bundesfinanzhof 9. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 26. Oktober 2010, Az: 12 K 266/09, Urteil

§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 5 EStG 2002, § 23 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 23 Abs 1 S 5 Nr 1 EStG 2002, § 23 Abs 3 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2011, Az. IX R 66/10 (REWIS RS 2011, 3808)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3808

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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