Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2013, Az. XII ZB 231/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7233

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Gegenstand

Betreuervergütung: Voraussetzungen für die Vergütung nach dem konkreten Zeitaufwand


Leitsatz

Die Vergütungsregelung des § 6 VBVG kann über die dort genannten Sonderfälle des Verhinderungsbetreuers aus Rechtsgründen und des Sterilisationsbetreuers hinaus nicht analog auf Betreuer angewandt werden, die nur für eine Angelegenheit bestellt worden sind.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 17. April 2012 aufgehoben.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des [X.] vom 13. März 2012 dahin abgeändert, dass die dem Beteiligten zu 2 für seine Tätigkeit in der [X.] vom 23. Dezember 2010 bis 22. Juni 2011 von dem Betroffenen zu erstattende Vergütung auf 2.046 € festgesetzt wird.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

[X.]: 1.807 €

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht bestellte mit einstweiliger Anordnung vom 22. Dezember 2010 den Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Betreuer) mit sofortiger Wirkung befristet bis zum 22. Juni 2011 zum berufsmäßigen vorläufigen Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis: Regelung von Erbschaftsangelegenheiten, hier Verkauf von Ackerland und Regelung der Dienstbarkeitsbewilligung [X.]  M.     .

2

Der Betroffene hatte im Februar 2006 seiner Tochter, der Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Bevollmächtigte), eine Vorsorgevollmacht für den Fall erteilt, dass er aufgrund psychischer Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr besorgen kann. Diese Vollmacht umfasste u.a. seine Vertretung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten.

3

Der Betroffene war als Alleinerbe seiner Ehefrau, [X.], Mitglied einer Erbengemeinschaft geworden, deren Mitglieder Eigentümer mehrerer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke waren. Der Beteiligte zu 2 wurde für den beabsichtigten Verkauf dieser Grundstücke und die beabsichtigte Bestellung einer Dienstbarkeit zum Betreuer des aufgrund geistiger Behinderung nicht mehr zur Besorgung seiner Angelegenheiten fähigen Betroffenen bestellt.

4

Der Betreuer beantragte die Festsetzung seiner Vergütung für die [X.] vom 23. Dezember 2010 bis zum 22. Juni 2011 gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] mit 46,5 Stunden zu je 44 € in Höhe von insgesamt 2.046 €. Dabei ging er davon aus, dass der Betroffene in diesem [X.]raum vermögend war und nicht in einem Heim wohnte.

5

Das Amtsgericht hat die Vergütung des Betreuers mit Beschluss vom 11. August 2011 antragsgemäß festgesetzt. Auf die Beschwerde der Bevollmächtigten hat das [X.] den Beschluss aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil die Vergütung nicht pauschal nach §§ 4, 5 [X.], sondern nach konkretem [X.]aufwand gemäß § 6 [X.] zu berechnen sei.

6

Mit Beschluss vom 13. März 2012 hat das Amtsgericht die Vergütung der Tätigkeit des Betreuers für die [X.] vom 23. Dezember 2010 bis zum 22. Juni 2011 ausgehend von einem [X.]aufwand von sechs Stunden und einem Stundensatz von 33,50 € zuzüglich Umsatzsteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]) auf 239,19 € festgesetzt. Die Beschwerde des Betreuers ist erfolglos geblieben.

7

Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Vergütungsantrag in voller Höhe weiter.

II.

8

Die gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

9

1. Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, der Betreuer habe keinen Anspruch auf die für seine Tätigkeit verlangte pauschale Vergütung des [X.]aufwands nach § 5 [X.]. Auch bei einem Nebeneinander von [X.] und [X.] liege unzweifelhaft ein Sonderfall der Betreuung im Sinne von § 6 [X.] vor. Der Betreuer könne als neben der Bevollmächtigten bestellter [X.] lediglich eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 [X.] iVm § 3 [X.] nach seinem konkreten [X.]aufwand verlangen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Die Berechnung der Vergütung des Betreuers ist gemäß § 5 [X.] nach pauschaliertem [X.]aufwand und nicht gemäß § 6 [X.] iVm §§ 1 Abs. 2, 3 [X.] nach konkretem [X.]aufwand vorzunehmen.

a) Entgegen der Ansicht des [X.] liegen die Voraussetzungen des § 6 [X.], der für den berufsmäßig tätigen Sterilisationsbetreuer (§ 1899 Abs. 2 BGB) und den bei rechtlicher Verhinderung eines Betreuers ergänzend bestellten Berufsbetreuer (§ 1899 Abs. 4 BGB) ausnahmsweise die Berechnung der Vergütung nach seinem konkreten [X.]aufwand vorsieht, nicht vor.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verweisung auf § 1899 Abs. 4 BGB auch den Fall erfasst, dass nicht ein vom Gericht bestellter Betreuer, sondern ein von dem Betroffenen Bevollmächtigter rechtlich verhindert ist (so [X.] Beschluss vom 19. September 2010 - 33 Wx 60/10 - juris Rn. 14; [X.] 2012, 317, 318). Denn es fehlt hier schon an der ergänzenden Bestellung des Betreuers wegen rechtlicher Verhinderung der Bevollmächtigten.

Aus Rechtsgründen verhindert ist eine Person, die die Voraussetzungen der §§ 1908 i Abs. 1, 1795 BGB oder des § 181 BGB erfüllt, die also bereits von Gesetzes wegen zur Vertretung der betroffenen Person nicht berechtigt ist oder der gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1796 BGB wegen Interessenkollision die Vertretungsbefugnis entzogen worden ist oder nicht übertragen werden kann.

Danach war die Bevollmächtigte an einer Vertretung des Betroffenen beim Verkauf der Grundstücke, deren Miteigentümer der Betroffene als Alleinerbe seiner Ehefrau geworden war, und bei der Bewilligung einer Dienstbarkeit zu Lasten dieser Grundstücke nicht aus Rechtsgründen verhindert. Sie gehörte weder der Erbengemeinschaft an, deren Mitglieder Eigentümer der Grundstücke waren, noch gehörte sie, da ihr Vater Alleinerbe seiner Ehefrau geworden war, "zum Kreis eventueller Erben". Im Übrigen hatte der Betroffene die Bevollmächtigte ausdrücklich von dem Verbot des § 181 BGB befreit. Das Betreuungsgericht hätte die Bevollmächtigte danach ohne weiteres zur Betreuerin für den Verkauf der Grundstücke und die Bewilligung der Dienstbarkeit bestellen können. Eine direkte Anwendung von § 6 [X.] scheidet deshalb aus.

b) Auch eine analoge Anwendung von § 6 [X.] kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - [X.] 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 14; OLG Celle FamRZ 2008, 1213, 1214; [X.] FamRZ 2007, 497, 498; [X.] Beschluss vom 28. August 2008 - 5 [X.]/07 - juris Rn. 31; Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 2. Aufl. § 6 [X.] Rn. 2; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 6 [X.] Rn. 1; [X.] FamRZ 2011, 1776, 1778; [X.] 2012, 317; [X.] Beschluss vom 27. November 2009 - 13 [X.]/09 - juris Rn. 15 ff.; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 6 [X.] Rn. 4a f.).

Mit der Einführung der pauschalen Betreuervergütung sollte ein einfaches und streitvermeidendes Abrechnungssystem geschaffen werden, dessen Grundlage nicht mehr der dem Betreuer im Einzelfall tatsächlich entstandene von ihm konkret darzulegende [X.]aufwand ist, sondern ein von Umfang und Schwierigkeit der einzelnen Betreuung unabhängiger, pauschaler Stundenansatz, dessen Anzahl nur von der [X.], dem Aufenthaltsort des Betreuten und davon abhängt, ob der Betreute bemittelt oder nicht bemittelt ist (BT-Drucks. 15/2494 S. 31).

Um diesen Zweck weitestgehend zu erreichen, hat der Gesetzgeber in § 6 [X.] nur zwei Ausnahmen von dem Pauschalierungssystem geschaffen (BT-Drucks. 15/2494 [X.], 35). Danach erhalten der gemäß § 1899 Abs. 2 BGB für die Entscheidung über die Einwilligung zur Sterilisation stets besonders bestellte Sterilisationsbetreuer und der bei rechtlicher Verhinderung des Betreuers gemäß § 1899 Abs. 4 BGB bestellte [X.] abweichend von dem Pauschalierungssystem eine Vergütung gemäß § 3 [X.] nach ihrem konkreten [X.]aufwand.

Eine allgemeine Ausnahme von der pauschalierten Vergütung für alle Fälle, in denen der Betreuer nur für einen begrenzten Aufgabenbereich oder eine einzelne Angelegenheit bestellt wird, war nicht gewollt. Bis auf die "zahlenmäßig geringen Sonderfälle" des § 6 [X.] sollte es von der Pauschalvergütung keine Ausnahmetatbestände geben, weil jeder Ausnahmetatbestand "zu Streitigkeiten über seinen Anwendungsbereich und ggf. eine analoge Anwendung führen" würde (vgl. BT-Drucks. 15/2494 S. 33).

Dieser gesetzgeberische Wille würde missachtet, wenn über die Sonderfälle des § 6 [X.] iVm § 1899 Abs. 2 BGB und § 1899 Abs. 4 BGB hinaus in den Fällen, in denen die Betreuung nur einen begrenzten Aufgabenbereich oder nur eine Angelegenheit umfasst, abweichend vom System der Pauschalvergütung stets nach konkretem [X.]aufwand abgerechnet werden könnte.

Es fehlt somit an der für eine Analogie erforderlichen Gesetzeslücke.

c) Der Betreuer hat danach gemäß §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 [X.] für die [X.] vom 23. Dezember 2010 bis 22. Juni 2011 einen Vergütungsanspruch gegen den vermögenden, nicht in einem Heim lebenden Betroffenen für 46,5 Stunden zu einem Stundensatz von 44 €, somit in Höhe von 2.046 €.

Dose                          Vézina                       Klinkhammer

             Schilling                        Botur

Meta

XII ZB 231/12

20.03.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Neubrandenburg, 17. April 2012, Az: 4 T 66/12

§ 1836 BGB, § 1899 Abs 2 BGB, § 1899 Abs 4 BGB, § 1908i BGB, § 6 VBVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2013, Az. XII ZB 231/12 (REWIS RS 2013, 7233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7233

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