Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2014, Az. XII ZB 625/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5059

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Gegenstand

Pauschale Vergütung für den Ergänzungsbetreuer


Leitsatz

Ein Ergänzungsbetreuer, der wegen einer rechtlichen Verhinderung des Betreuers bestellt worden ist, kann auch dann keine pauschale Vergütung nach §§ 4, 5 VBVG verlangen, wenn seine Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und sich nicht in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 4. Oktober 2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

[X.]: 2.376 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 (im Folgenden: [X.]) begehrt eine pauschale Vergütung nach §§ 4, 5 [X.].

2

Für die Betroffene besteht eine Betreuung mit den [X.]n Aufenthaltsbestimmung, Regelung der Vermögensangelegenheiten und Gesundheitsfürsorge. Nachdem die Betroffene nach einem Erbfall zur (befreiten) Vorerbin und der Betreuer zum Nacherben und Testamentsvollstrecker bestimmt worden war, bestellte das Amtsgericht den [X.] mit dem Aufgabenkreis "Wahrnehmung der Rechte der Betreuten betreffend den Nachlass“. [X.] erweiterte es dessen Aufgabenkreis um den Bereich "Dienstleistungsvertrag mit der Ehefrau des Betreuers".

3

Das Amtsgericht hat auf den Antrag des [X.]s eine pauschale Vergütung in Höhe von 2.376 € für seine Tätigkeit in der [X.] von Juli 2008 bis Juni 2009 festgesetzt. Auf die Beschwerde des Betreuers hat das [X.] den Antrag des [X.]s zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der [X.] mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das [X.] hat darauf abgestellt, die §§ 4, 5 [X.] seien auf die Vergütung des [X.]s nicht anzuwenden. Der Wortlaut des § 6 [X.] sei insoweit eindeutig. Danach erhalte der Betreuer in den Fällen des § 1899 Abs. 2 und 4 BGB eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 3 [X.]; für seine Aufwendungen könne er Vorschuss und Ersatz nach § 1835 BGB mit Ausnahme der Aufwendungen im Sinne von § 1835 Abs. 2 BGB beanspruchen. Nur wenn im Fall des § 1899 Abs. 4 BGB die Verhinderung tatsächlicher Art sei, seien die Vergütung und der Aufwendungsersatz nach § 4 [X.] i.V.m. § 5 [X.] zu bewilligen und nach Tagen zu teilen.

6

Der Beteiligte zu 2 sei als [X.] nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt worden. Seine Bestellung mit den entsprechenden [X.]n sei erfolgt, weil der Beteiligte zu 1 als eigentlicher Betreuer an der Vertretung der Betroffenen insoweit rechtlich verhindert gewesen sei. Bei der Doppelstellung als Testamentsvollstrecker einerseits und als gesetzlicher Vertreter der Erbin andererseits bestehe ein Interessengegensatz im Sinne von § 1796 BGB. Dass das Amtsgericht den [X.] gerade aus diesem Grund zum Betreuer bestellt habe, ergebe sich eindeutig aus der Verwendung der Bezeichnung "[X.]". Gemäß §§ 1908 i, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB könne der Betreuer die Betroffene außerdem nicht bei einem Rechtsgeschäft zwischen seiner Ehefrau einerseits und der Betroffenen andererseits vertreten. Daher sei der Aufgabenkreis des [X.]s auf den Abschluss eines [X.] zwischen der Betroffenen und der Ehefrau des Betreuers erweitert worden.

7

Damit seien die Voraussetzungen des § 6 [X.] erfüllt. Die Tatsache, dass § 6 [X.] für den tatsächlich verhinderten Betreuer die Anwendung von §§ 4, 5 [X.] ausnahmsweise billige, mache deutlich, dass nicht nur die tatsächliche Verhinderung, sondern gerade die rechtliche Verhinderung von § 6 [X.] erfasst werde. Andernfalls wäre der Verweis auf § 1899 Abs. 4 BGB in § 6 [X.] schlicht überflüssig und die Vorschrift nur im Fall des § 1899 Abs. 2 BGB anwendbar. Zwar spreche für eine teleologische Reduktion des § 6 [X.], dass der Gesetzgeber die Ausnahme von der Pauschale im Falle des [X.] nach § 1899 Abs. 4 BGB damit begründet habe, dieser werde nur für die Vornahme eines bestimmten, punktuellen Geschäfts bestimmt, weshalb die Gewährung einer [X.]pauschale unpassend und die Tätigkeit des [X.]s vorliegend gerade nicht auf ein solch eng begrenztes "punktuelles" Geschäft beschränkt gewesen sei.

8

Jedoch unterscheide § 6 [X.] nicht danach, ob ein [X.] nach § 1899 Abs. 4 BGB wegen rechtlicher Verhinderung des Betreuers nach den §§ 1908 i, 1795 Abs. 1 und 2, 181 BGB oder nach § 1796 BGB bestellt worden sei. Zudem beziehe sich eine Verhinderungsbetreuung, auch wenn sie länger andauere, nur auf einen kleinen Ausschnitt der im Rahmen der Betreuung insgesamt anfallenden Aufgaben. Dies ergebe sich bereits daraus, dass nur ein [X.] bestellt und nicht der vorhergehende Betreuer aus allen [X.]n entlassen werde.

9

Vor allem fehle es an einer Regelungslücke, die eine teleologische Reduktion zuließe. Auch ohne die Möglichkeit einer Pauschale könne der Betreuer nach §§ 1, 3 [X.] die tatsächlich aufgewendete Arbeitszeit vergütet erhalten. Nähme die Ergänzungsbetreuung ausnahmsweise doch einen größeren Umfang an, als vom Gesetzgeber vorgesehen, steige damit auch die zu vergütende aufgewendete Arbeitszeit.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Das Beschwerdegericht hat es zu Recht abgelehnt, den [X.] pauschal nach §§ 4, 5 [X.] zu vergüten.

a) Dass der für den Fall der rechtlichen Verhinderung bestellte [X.] keine pauschale Vergütung beanspruchen kann, ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine Korrektur durch eine teleologische Reduktion der Norm ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten.

aa) Gemäß § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist. Nach § 6 Satz 1 [X.] erhält der Betreuer in diesem Fall eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 [X.], also nach konkretem [X.]aufwand. Eine Ausnahme hiervon sieht § 6 Satz 2 [X.] nur für den Fall vor, dass die Verhinderung tatsächlicher Art ist; dann sind die Vergütung und der Aufwendungsersatz nach § 4 i.V.m. § 5 [X.] zu bewilligen und nach Tagen zu teilen. Dabei unterscheidet § 6 Satz 2 [X.] ausdrücklich zwischen der dort genannten tatsächlichen Verhinderung, die eine pauschale Vergütung (freilich anteilig) unberührt lässt, und der - nicht ausdrücklich genannten - rechtlichen Verhinderung, die eintritt, wenn der Betreuer nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1795, 1796 BGB an der Ausübung seiner Tätigkeit aus rechtlichen Gründen gehindert ist.

bb) Eine Korrektur dieser Regelung in Form einer teleologischen Reduktion für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Tätigkeit des [X.]s auf einen längeren [X.]raum angelegt ist und sich nicht in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft, ist nicht geboten.

Zwar soll der Verhinderungsbetreuer nach der Gesetzesbegründung, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, ebenso wie der Sterilisationsbetreuer nur für die Vornahme eines bestimmten, punktuellen Geschäfts bestellt werden. Hierfür passt nach Auffassung des Gesetzgebers die Gewährung einer [X.]pauschale nicht, weshalb die Norm für den - aus Rechtsgründen bestellten - Verhinderungsbetreuer eine Abrechnung nach der tatsächlich aufgewandten und erforderlichen [X.], also die Beibehaltung des bisherigen Abrechnungssystems vorsehe (BT-Drucks. 15/2494 S. 35).

Hieraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber für Fälle der vorliegenden Art, in denen sich die Ergänzungsbetreuung nicht in einem punktuellen Geschäft erschöpft, wiederum die pauschale Vergütung eröffnen wollte.

Mit der Einführung der pauschalen Betreuervergütung sollte ein einfaches und streitvermeidendes Abrechnungssystem geschaffen werden. Um diesen Zweck weitestgehend zu erreichen, hat der Gesetzgeber in § 6 [X.] nur die beiden vorgenannten Ausnahmen von dem Pauschalierungssystem geschaffen (vormals "§ 1908 m [X.]", vgl. BT-Drucks. 15/2494 [X.], 35). Eine allgemeine Ausnahme von der pauschalen Vergütung für alle Fälle, in denen der Betreuer nur für einen begrenzten Aufgabenbereich oder eine einzelne Angelegenheit bestellt wird, war nicht gewollt. Bis auf die "zahlenmäßig geringen Sonderfälle" des § 6 [X.] sollte es von der Pauschalvergütung keine Ausnahmetatbestände geben, weil jeder Ausnahmetatbestand "zu Streitigkeiten über seinen Anwendungsbereich und ggfs. eine analoge Anwendung führen" würde (BT-Drucks. 15/2494 [X.]). Dieser gesetzgeberische Wille würde missachtet, wenn über die Sonderfälle des § 6 [X.] in Verbindung mit § 1899 Abs. 2 und 4 BGB hinaus in den Fällen, in denen die Betreuung nur einen begrenzten Aufgabenbereich oder nur eine Angelegenheit umfasst, abweichend vom System der Pauschalvergütung stets nach konkretem [X.]aufwand abgerechnet werden könnte (Senatsbeschluss vom 20. März 2013 - [X.] 231/12 - FamRZ 2013, 873 Rn. 20; siehe auch Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - [X.] 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 14).

Entsprechendes muss auch in dem - hier vorliegenden - umgekehrten Fall gelten, in dem die Tätigkeit des [X.]s auf einen längeren [X.]raum angelegt, aber nach dem konkreten [X.]aufwand zu vergüten ist. Demgemäß lehnt auch die überwiegende Auffassung eine Pauschalvergütung des [X.]s nach §§ 4, 5 [X.] ab ([X.], 1213, 1214; MünchKommBGB/[X.] 6. Aufl. § 6 [X.] Rn. 5 a; s. auch [X.] Beschluss vom 15. September 2010 - 33 Wx 60/10 - juris).

cc) Schließlich besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch kein Bedürfnis, für Fälle der vorliegenden Art auf die Pauschalvergütung der §§ 4, 5 [X.] zurückzugreifen. Denn sofern sich die Ergänzungsbetreuung - wie hier - ausnahmsweise nicht nur auf konkrete bzw. punktuelle Handlungen erstreckt, sondern auf einen längeren [X.]raum angelegt ist, kann dem im Rahmen des § 3 [X.] durch Berücksichtigung des zeitlichen Aufwands hinreichend Rechnung getragen werden. Sollte der [X.] bei der Betreuung auf berufsspezifische Tätigkeiten zurückgreifen müssen, kann er zudem gemäß § 6 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB seine entsprechenden Aufwendungen abrechnen.

b) Gemessen hieran ist die Entscheidung des [X.], dem [X.] eine pauschale Abrechnung nach §§ 4, 5 [X.] zu versagen, nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bestehen keine Zweifel daran, dass der Rechtsbeschwerdeführer als [X.] im Sinne des § 1899 Abs. 4 BGB wegen rechtlicher Verhinderung des Betreuers gemäß § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1795, 1796 BGB und nicht als weiterer Betreuer i.S.d. § 1899 Abs. 1 Satz 1 BGB bestellt worden ist.

Aus Rechtsgründen verhindert ist eine Person, die die Voraussetzungen der §§ 1908 i Abs. 1, 1795 BGB oder des § 181 BGB erfüllt, die also bereits von Gesetzes wegen zur Vertretung der betroffenen Person nicht berechtigt ist oder der gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1796 BGB wegen Interessenkollision die Vertretungsbefugnis entzogen worden ist oder nicht übertragen werden kann (Senatsbeschluss vom 20. März 2013 - [X.] 231/12 - FamRZ 2013, 873 Rn. 14).

So liegt der Fall auch hier. Der ursprüngliche Betreuer war im Rahmen seiner [X.] unter anderem für die Vermögenssorge der Betroffenen unbeschränkt bestellt. Die rechtliche Verhinderung hat sich erst im Nachhinein ergeben, nachdem ein Erbfall eingetreten war, aufgrund dessen die Betroffene Vorerbin und der Betreuer Nacherbe sowie Testamentsvollstrecker geworden ist. Insoweit ist das Beschwerdegericht in von Rechts wegen nicht zu beanstandender Weise von einer konkludenten Entziehung der Vertretungsmacht des Betreuers durch die Bestellung des [X.]s infolge des im Nachhinein entstandenen Interessenkonflikts ausgegangen. An dem Abschluss des [X.] zwischen der Betroffenen und der Ehefrau des Betreuers war letzterer wegen §§ 1908 i Abs. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehindert.

Dose                   Weber-Monecke                       Klinkhammer

          Schilling                               Guhling

Meta

XII ZB 625/13

04.06.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Koblenz, 4. Oktober 2013, Az: 2 T 450/13

§ 3 VBVG, § 4 VBVG, § 5 VBVG, § 6 VBVG, § 1795 BGB, § 1796 BGB, § 1835 BGB, § 1899 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.06.2014, Az. XII ZB 625/13 (REWIS RS 2014, 5059)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5059

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